Notwendigkeit der Opferbetreuung bei Senioren


Hausarbeit, 1998

16 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Allgemeines/Probleme
2. Zielbestimmung
3. Begriffsbestimmungen
3.1 Opfer
3.2 Opferschutz
3.3 Opferunterstützung und Opferhilfe
3.4 Opferbetreuung
3.5 Viktimisierung

II. Der Viktimisierungsprozeß älterer Menschen und seine Folgen
1. Ältere Menschen als Ziel von Kriminalität
1.1 Senioren - die idealen Opfer
1.2 Erklärungsansätze für relativ geringe Viktimisierung älterer Menschen
2. Physische und psychische Folgen der Viktimisierung
3. Bedürfnisse der Opfer - Opferbetreuung ja oder nein
3.1 Allgemeines
3.2 Forderungen an die Polizei
3.3 Bedürfnis nach Strafe
3.4 Bedürfnis nach Wiedergutmachung
3.5 Bedürfnis nach Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen einer Viktimisierung

III. Die polizeiliche Opferbetreuung
1. Krisenintervention unmittelbar nach der Tat
2. Opferbetreuung durch den Bezirksdienst
2.1 Ablauf der Opferbetreuung durch Beamte des Bezirksdienstes
2.2 Ausbildung der Beamten des Bezirksdienstes für die Durchführung der Opferbetreuung
3. Das Kriminalkommissariat Vorbeugung

IV. Opferunterstützung durch andere Institutionen
1. Der Weiße Ring
2. Verein für integrative Arbeit
3. Sonstige Organisationen

V. Möglichkeiten und Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Polizei und anderen Organisationen im Bereich der Opferunterstützung

VI. Zusammenfassung

Literaturhinweise

I. Einleitung

1. Allgemeines/ Probleme

Thema dieser Projektarbeit ist die "Notwendigkeit der Opferbetreuung bei Senioren". Das Hauptproblem bestand darin, Daten zu diesem Thema zu sammeln. Nach wie vor stehen in Deutschland die Täter im Mittelpunkt der kriminalpolitischen Diskussion. Zwar ist ein Wandel spürbar, es besteht aber weiterhin viktimologischer Forschungsbedarf. Die bisherigen "viktimologischen Erkenntnisse sind noch weitgehend ungesichert"(Leo Schuster, Opferschutz und Opferberatung - eine Bestandsaufnahme, BKA Wiesbaden, 1985). Darüberhinaus wird in den weitaus meisten bisher durchgeführten Opferbefragungen nicht nach der Zielgruppe Senioren getrennt ausgewertet. Die Arbeit hat deshalb im Prinzip die Notwendigkeit der Opferbetreuung im Allgemeinen zum Thema, wobei auf spezifische Probleme haupsächlich älterer Menschen dort eingegangen wird, wo sie erkennbar sind.

Diejenigen, die meines Erachtens Hilfe nach einer Viktimisierung am dringensten brauchen, nämlich pflegebedürftige Senioren, wurden sogar in einer Opferbefragung 1992 (Peter Wetzels u. a.) von vornherein ausgeschlossen, obwohl diese die Kriminalität im Leben älterer Menschen untersuchen sollte.

Auch eine selbst durchgeführte Befragung von 66 älteren Personen (Durchschnittsalter 71 Jahre) zum Thema subjektives Sicherheitsgefühl und Opferbetreuung brachte ein äußerst unbefriedigendes Ergebnis. Es stand zwar schon vorher fest, daß die Ergebnisse aufgrund zu kleiner Personenzahl und begrenztem geographischem Raum nicht repräsentativ sein würden.

Allerdings waren von den befragten Personen (zum Glück) nur neun Opfer einer Straftat geworden (eine Person zwei mal), zwei davon im Ausland (Paris und Prag). Drei der Opfer waren von uns gezielt aufgesucht worden. Bei allen Taten handelte es sich um "geringfügige" Delikte und die Geschädigten hielten eine Opferbetreuung in ihrem Fall für überflüssig. Allerdings waren drei von ihnen nach der Tat vom Bezirksdienstbeamten aufgesucht worden und hatten dies gar nicht als eine Betreuung in diesem Sinne erkannt.

Keine der befragten Personen hatte sich schon Gedanken zum Thema Opferunterstützung im Allgemeinen und -betreuung durch die Polizei im Besonderen gemacht. Deshalb mußten vom Interviewer zunächst Vorschläge gemacht werden, damit sich die Befragten überhaupt ein Bild machen konnten, wie eine solche Opferhilfe aussehen könnte. Dann äußerten sich zwar 100% der Befragten positiv dazu, da ihnen aber die Antwort praktisch in den Mund gelegt wurde, bleiben zumindest Zweifel an der Verwertbarkeit der Aussage angebracht. Voraussetzung für die Gewährung der Unterstützung sollte aber in jedem Fall ein schwerwiegendes Verbrechen sein.

Aufgrund der Datensituation habe ich im Folgenden versucht, die Notwendigkeit einer umfassenden Opferbetreuung für alle Personen zu verdeutlichen. Dabei bin ich, wo immer dies möglich war, auf die besondere Situation der Senioren eingegangen. Meistens handelt es sich hier aber um nicht empirisch belegte Vermutungen.

2. Zielbestimmung

2.1 Wie steht die Gesamtgruppe der Senioren zu Opferbetreuung im Allgemeinen und Opferbetreuung durch die Polizei im Besonderen ?

2.2 Welche Rolle soll die Polizei im Rahmen der Opferunterstützung aus Sicht der Zielgruppe einnehmen ?

2.3 Wird eine Opferbetreuung durch die Polizei von betroffenen Senioren überhaupt gewünscht ?

2.4 Besteht die Möglichkeit einer Zusammenarbeit der Polizei mit anderen Einrichtungen und Institutionen im Bereich der Opferunterstützung ?

2.5 Sensibilisierung der an Tatorten und während der Ermittlungen eingesetzten Beamten für die Belange der Opfer.

2.6 Aufzeigen von Schwachpunkten in der Aus- und Weiterbildung zum Thema Opferbetreuung.

3. Begriffsbestimmungen

Da in der Literatur oft die gleichen Begriffe mit unterschiedlichen Bedeutungen, andererseits unterschiedliche Begriffe mit der gleichen Bedeutung benutzt werden, ist es notwendig, einige für diese Arbeit gültigen Definitionen zu erstellen.

3.1 Opfer

Der Begriff Opfer schließt in der Regel die Betroffenen aller nur erdenklichen Schicksalschläge ein. Das können neben den Kriminalitätsopfern auch die Opfer von Willkür, Verkehrs- oder sonstigen Unfällen, politischer Verfolgung sowie von Naturkatastrophen. In dieser Arbeit ist jedoch mit Opfer nur das Kriminalitätsopfer gemeint. Dazu gehören neben den Kriminalitätsopfern im strafrechtlichen Sinne auch solche Personen, die durch die Tat nicht selbst direkt betroffen wurden, aber zum Beispiel als Hinterbliebene eines Mordopfers sehr wohl zum Kreis der Opfer gezählt werden müssen. Ebenso dazugezählt werden müssen die Geschädigten von Straftaten, die nicht zur Anzeige gebracht werden.

Die Begriffe Geschädigter und Verletzter werden synonym verwendet.

3.2 Opferschutz

Der Begriff Opferschutz beinhaltet die Begleitung und Betreuung des Geschädigten während des Ermittlungsverfahrens und während des Strafprozesses, falls der Täter gefaßt werden konnte. Gerade in diesem Bereich gewinnt die Betreuung durch die Polizei erhebliche Bedeutung, da hier bereits einer weitergehenden Viktimisierung schon unmittelbar nach der Tat entgegengewirkt werden kann.

3.3 Opferunterstützung oder Opferhilfe

Der Begriff Opferunterstützung beschreibt "die Unterstützung von Kriminalitätsopfern, damit sie mit ihrer Opferwerdung, ihrer Viktimisierung, besser zurecht kommen und diese nach Möglichkeit sogar im Sinne einer Heilung verarbeiten"(Michael C. Baumann und Wolfram Schädler in "Das Opfer nach der Straftat - seine Erwartungen und Perspektiven", BKA-Forschungsreihe, 1991 Wiesbaden). Im Gegensatz zum Opferschutz, der nur Kriminalitätsopfern aus dem Hellfeld zugute kommen kann, wendet sich die Opferunterstützung auch an Geschädigte aus dem Dunkelfeld, die aus unterschiedlichen Gründen von einer Anzeigenerstattung absehen wollen. Dabei geht es nicht nur um Zuspruch oder den Schutz im Sinne des Opferschutzgesetzes, sondern um konkrete Hilfen wie z. B. finanzielle Unterstützung, Begleitung bei Behördengängen, das Stellen eines Anwaltes für eine Nebenklage und vieles mehr.

3.4 Opferbetreuung

Der Begriff Opferbetreuung wird oft synonym zu den Begriffen Opferhilfe und Opferunterstützung benutzt. In der vorliegenden Arbeit ist jegliche Art der Unterstützung eines Opfers gemeint, die über materielle Hilfe hinausgeht.

3.5 Viktimisierung

Der Begriff der Viktimisierung läßt sich am ehesten mit Opferwerdung übersetzen. Dabei unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Viktimisierung.

3.5.1 Primäre Viktimisierung

Als primäre Viktimisierung bezeichnet man die "unmittelbare, direkte Schädigung durch die Tat"(Leo Schuster, Opferschutz und Opferberatung - eine Bestandsaufnahme, BKA Wiesbaden,1985 ). Hierbei handelt es sich in erster Linie, aber nicht ausschließlich um physische oder finanzielle Beeinträchtigungen. Gemeint sind z. B. die gesundheitlichen Schäden nach einer Körperverletzung oder einem Raub sowie der finanzielle Verlust etwa nach einem Einbruch.

3.5.2 Sekundäre Viktimisierung

Sekundäre Viktimisierung bedeutet das Auftreten indirekter Schäden beim Kriminalitätsopfer. Dabei spielt das Verhalten Angehöriger und Bekannter, aber auch das der eingesetzten Polizeibeamten und anderer Behörden oder Institutionen gegenüber dem Opfer eine große Rolle. Unsensible, gleichgültige Verhaltensweisen und Reaktionen können hier zu zusätzlichen Belastungen führen und den vielleicht bereits eingesetzten Heilungsprozeß stören.

Auch Personen, die selbst nicht direkt Betroffene einer Straftat wurden, können Opfer im Sinne einer sekundären Viktimisierung werden. Dabei handelt es sich meist um Personen aus dem sozialen Umfeld von Verbrechensopfern, wie z. B. Nachbarn oder Verwandte.

Bei der sekundären Viktimisierung handelt es sich meistens um Schäden psychischer oder sozialer Art. Die Intensität des Ereignisses reicht von "kurzzeitigen oberflächlichen emotionalen Beeinträchtigungen ohne langanhaltende Wirkungen" bis zu "Opferschäden mit traumatischem Charakter, deren Behebung oftmals langandauernder psychotherapeutischer Behandlung bedarf"(Leo Schuster, Opferschutz und Opferberatung - eine Bestandsaufnahme, BKA Wiesbaden,1985).

Der Begriff der tertiären Viktimisation ist sehr umstritten und wird äußerst unterschiedlich verwendet. Da er für diese Arbeit nicht relevant ist, wird hier nicht näher darauf eingegangen.

II. Der Viktimisierungsprozeß und seine Folgen

1. Ältere Menschen als Ziel von Kriminalität

1.1 Senioren - die idealen Opfer

Senioren gelten aufgrund ihres hohen Alters im Allgemeinen als wenig wehrhaft. Außerdem können sie sich einer Viktimisierung nicht so gut durch Flucht entziehen. Weiterhin vermutet man bei ihnen Geld und hohe Sachwerte. Daraus könnte man folgern, daß sie die idealen Opfer des rational denkenden Straftäters darstellen und sie deshalb auch eine dementsprechend höhere Viktimisierungsrate als junge Menschen aufweisen. Dies scheint aber überraschenderweise nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil: wie eine 1991 durchgeführte umfangreiche Opferbefragung ergab, sind ältere Menschen mit der Ausnahme des Handtaschenraubes "absolut wie relativ eher seltener Opfer als jüngere Personen"(Peter Wetzels u. a., Kriminalität im Leben älterer Menschen, - Ergebnisse einer KFN-Opferbefragung -, Band 105 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1992).

Es scheint sich somit lediglich um eine durch den hohen Nachrichtenwert verbreitete Alltagsvorstellung zu sein, die von den Ergebnissen unterschiedlicher Befragungen im In- und Ausland aber nicht gestützt wird.

1.2 Erklärungsversuche für relativ geringe Viktimisierung älterer Menschen

Als Gründe für die relativ geringe Viktimisierung älterer Menschen sind unterschiedliche Thesen in der Diskussion. So könnte ein Grund z. B. unterschiedliches Vermeidungsverhalten von Senioren sein. Das mache die Viktimisierung "auf offener Straße" unwahrscheinlicher. Zudem sei das Entdeckungsrisiko für Einbrecher höher, da "ältere Menschen öfter als jüngere zu Hause anzutreffen seien"(Quelle: s. o.). Das deckt sich mit den Ergebnissen einer eigenen Umfrage, nach der von 66 befragten Personen 58 bei Dunkelheit bestimmte Orte meiden. 28 von ihnen verlassen bei Dunkelheit gar nicht mehr ihre Wohnung oder lassen sich von Bekannten bis zur Wohnungstür bringen.

Eine ähnliche These lautet, daß ältere Menschen von vornherein versuchen, bestimmte Situationen zu meiden, um dem Risiko einer Viktimisierung zu entgehen oder es zumindest zu verringern.

Auch die Abnahme sozialer Bindungen und damit verbundene geringere Mobilität wird als ein möglicher Grund genannt. Allen Thesen ist jedoch eines gemeinsam: sie gelten als nicht gesichert und verweisen auf "ein Manko der viktimologischen Forschung: das Fehlen einer elaborierten Theorie der Opferwerdung"(Quelle: s. o.).

2. Physische und psychische Folgen der Viktimisierung

Die folgenden Ergebisse stammen aus einer Befragung von Betroffenen zu Opferschutz und Opferunterstützung (Michael C. Baurmann und Wolfram Schädler, "Das Opfer nach der Straftat - seine Erwartungen und Perspektiven", BKA Forschungsreihe, 1991 Wiesbaden) aus dem Jahr 1991. Leider wurde auch hier nicht getrennt nach Senioren ausgewertet. Allerdings findet sich auf Seite 108 der Hinweis, daß zwischen dem Alter der Opfer und den Folgen der Viktimisierung kein direkter Zusammenhang hergestellt werden kann. Lediglich innerhalb der unterschiedlich ausgewerteten Deliktsgruppen (Gewaltdelikte, Eigentumsdelikte, sonstige Delikte) sind Unterschiede erkennbar und darüber indirekt auch bei den Altersgruppen, da Personen unterschiedlicher Altersgruppen unterschiedlich stark von diesen verschiedenen Deliktsarten betroffen sind.

Besonders auffällig an den Ergebnissen war, daß die psychischen Verletzungen auf alle Opfer bezogen am weitaus häufigsten genannt wurden (88,1%). Selbst bei den Opfern von Gewaltdelikten wurden sie noch häufiger erwähnt (82,5%) als die medizinischen Verletzungen (63,2%). Am zweithäufigsten genannt wurden die materiellen Schäden (76,4%) vor der Furcht einer erneuten Viktimisierung (41,9%). Letztere wurde getrennt zu den psychischen Folgen erfragt, läßt sich diesen aber ohne weiteres zuordnen, wodurch dieser Wert noch einmal steigen würde.

Bereits hier deutet sich an, daß eine Betreuung zur Überwindung der psychischen Schäden vordringlich ist. Medizinische Folgen werden, wenn es sich nicht um gravierende Verletzungen mit bleibenden Schäden handelt, bald überwunden. Ein Arzt kann sie einigermaßen treffsicher diagnostizieren, die Krankenkasse kommt für die Behandlungskosten auf. Für materielle Schäden kommen ebenfalls häufig Versicherungen auf.

Anders hingegen ist es bei psychischen Schäden. Diese sind nicht ohne weiteres erkennbar, sodaß "selbst erfahrene Psychologen und Psychotherapeuten darüber keine verlässlichen Aussagen treffen können"(Evelyn Tampe, "Verbrechensopfer - Schutz, Beratung, Unterstützung, 1992). Dennoch sind sie unbestritten vorhanden und können durch unsensibles Verhalten noch verschlimmert werden (siehe auch Abschnitt zu sekundärer Viktimisierung und Kapitel III.1.). Ist es aber schon schwierig genug, überhaupt verlässliche Aussagen über die psychischen Probleme zu erhalten, wird eine Einordnung noch zusätzlich dadurch erschwert, daß keine Vergleichsmöglichkeiten zur Situation des Opfers vor der Tat bestehen.

Weiterhin ergaben Untersuchungen, daß die Schwere der Tat nicht unbedingt mit der Schwere der Tatfolgen korreliert. Vielmehr ist dies nur ein Faktor unter vielen anderen. Weitere Faktoren sind z. B. die persönliche Stabilität des Opfers und die Reaktion der Umwelt auf die Viktimisierung (siehe Kapitel III.1.). Es steht jedoch ungeachtet aller Schwierigkeiten fest, daß die psychischen Schäden in allen Deliktsbereichen von den Opfern gegenüber den körperlichen und materiellen Schäden im Vordergrund stehen. "Diese Erkenntnisse müssen in künftigen Opferunterstützungskonzepten (und besonders von der Polizei beim Erstkontakt, siehe Kapitel III.1.1) mehr als bisher berücksichtigt werden"(Evelyn Tampe, "Verbrechensopfer - Schutz, Beratung, Unterstützung, 1992).

Ein Unterschied zwischen älteren und jüngeren Menschen ließ sich nur insofern feststellen, als das ältere Menschen zwar nicht mehr unter den psychischen Schäden zu leiden haben, wohl aber länger brauchen, um diese zu verarbeiten. So berichteten bei einer Befragung 32% der Einbruchopfer unter 60 Jahren und 31,4% der Einbruchopfer über 60 Jahren, sich kurzzeitig zu Hause nicht sicher gefühlt zu haben. Die Frage, ob sie sich längerfristig zu Hause nicht mehr sicher gefühlt hätten, beantworteten nur noch 6,7% der unter sechzigjährigen , aber 16,7% der über sechzigjährigen mit ja (Peter Wetzels u. a., Kriminalität im Leben älterer Menschen, - Ergebnisse einer KFN-Opferbefragung -, Band 105 der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1992).

Desweiteren werden ältere Menschen aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit schneller verletzt als jüngere Menschen.

3. Bedürfnisse der Opfer

3.1 Allgemeines

Den Bedürfnissen der Opfer ist im Rahmen der Gesetzeslage Rechnung zu tragen. Um aber auf Bedürfnisse von Opfern reagieren zu können, müssen diese zunächst einmal bekannt sein. Hier lag in der Vergangenheit ein großes Defizit. Anstatt Bedürfnisse zu erforschen, wurde auf Teufel komm raus nach Möglichkeiten zur Unterstützung gesucht, die darum häufig an den tatsächlichen Vorstellungen der Geschädigten vorbei zielten. Erst genaue Informationen lassen ein gezieltes Vorgehen zur Unterstützung der Opfer bei der Bewältigung etwaiger Folgen der Viktimisierung zu. So gehen z. B. US-amerikanische Erfahrungen von lediglich 15% - 20% tatsächlich betreuungsbedürftiger Opfer aus (Leo Schuster, Opferschutz und Opferberatung - eine Bestandsaufnahme, BKA Wiesbaden, 1985). Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer eigenen, allerdings nicht represäntativen Umfrage, wonach die Geschädigten bei "leichter" Kriminalität eine Betreuung für sich selbst als nicht notwendig erachteten.

Leider besteht auch heute noch ein Defizit in der Erforschung der Opferbedürfnisse, insbesondere was die Bedürfnisse von geschädigten Senioren betrifft. Immerhin sind inzwischen einige allgemeine Ansätze zu erkennen, aus denen sich erste Schlußfolgerungen ziehen lassen. Weitere Informationen erhielt ich bei der selbst durchgeführten Umfrage zu subjektivem Sicherheitsgefühl und Opferbetreuung, die zumindest bedingt brauchbar sind (siehe Einleitung).

3.2 Forderungen an die Polizei

Unmittelbar nach einer Viktimisierung spielt beim Opfer ein spontanes "Bedürfnis nach Unterstützung ... als Reflex auf die Erduldung des Unrechts ... eine große Rolle und ist eine der ersten Forderungen an die Polizei"(Rainer Mentfewitz, Die Opferbetreuung durch die Polizei - eine echte Hilfe für den betroffenen Bürger ?, Projektarbeit zum Thema: Diebstahl aus Wohnung unter erschwerenden Umständen, Bochum/Gelsenkirchen 1997). Im weiteren Verlauf treten aber andere Dinge in den Vordergrund. Dazu gehören z. B. eine professionelle Tatortaufnahme sowie die Überführung des Täters.

Ein "persönliches Gespräch mit dem verständigen Polizeibeamten" wurde bei einer Befragung von 150 Opfern von Wohnungseinbrüchen 1997 in Bochum erst nach Hinweis durch den Interviewer als Forderung genannt (Quelle s. o.). Daraus läßt sich folgern, daß eine polizeiliche Opferbetreuung bereits in diesem Stadium der Viktimisierung zwar als hilfreich angesehen, aber nicht unbedingt gefordert wird. Eine Erklärung hierfür könnte laut Rainer Mentfewitz sein, daß man der Polizei starken Zeitdruck unterstellt. Fest steht aber, daß bereits hier positiv auf den Verarbeitungsprozeß des Opfers eingewirkt werden kann und sollte, "um das angekratzte Sicherheitsgefühl zu stärken"(Quelle s.o.).

Eine weitere wichtige Forderung an die Polizei ist die bessere Information über den Sachstand der Ermittlungen. Ob dies in der vom Opfer angestrebten Form möglich ist, sei dahingestellt. Zumindest sollte ihm aber der Fortgang des Verfahrens insgesamt erläutert werden, und sei es auch nur anhand eines Informationsblattes. Auf diesem könnte man auch Informationen zu den wichtigsten rechtlichen Fragen, den Rechten von Viktimisierungsopfern sowie vor Ort existierender Opferbetreuungsorganisationen aufnehmen.

3.3 Bedürfnis nach Strafe für den Täter

Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Strafforderungen der Viktimisierungsopfer für "ihren" Täter, natürlich wieder abhängig von der Deliktsart und -schwere, inhaltlich recht maßvoll. So forderten bei einer 1991 durchgeführten Umfrage insgesamt 12,4% der Opfer überhaupt keine Strafe für den Täter (Michael C. Baurmann und Wolfram Schädler, Das Opfer nach der Straftat - seine Erwartungen und Perspektiven, Wiesbaden 1991). 30,3% wünschten sich mildere Sanktionsmaßnahmen wie z. B. eine Ermahnung durch sich selbst oder andere, erzieherische Maßnahmen oder eine Geldstrafe. Für härtere Strafen plädierten 17,4%. Dabei wurden neben "Höchststrafe" auch die Prügelstrafe, Zwangsarbeit und sogar die Todesstrafe genannt. Bei der Befragung war eine offene Frageform gewählt worden. 37,1% der Befragten äußerten sich hier sehr allgemein oder diffus zu den geforderten Sanktionen.

Die Art des Opferschadens spielte bei der Forderung nach Strafe weniger eine Rolle als vielmehr die Persönlichkeit des Viktimisierungsopfers.

Es konnte allerdings ein Zusammenhang zwischen Alter des Opfers und der Art der Strafforderung gefunden werden. Demnach forderten Geschädigte mit einem Alter von mehr als 30 Jahren tendenziell härtere Strafen als jüngere. Eine gesonderte Aussage für die über sechzigjährigen findet sich in der Studie leider nicht.

3.4 Bedürfnis nach Wiedergutmachung durch den Täter

In einer im Jahre 1991 durchgeführten Opferbefragung äußerten sich 62,5% aller Opfer das Bedürfnis einer Wiedergutmachung durch den Täter, ohne daß überhaupt danach gefragt worden war (Michael C. Baurmann und Wolfram Schädler, Das Opfer nach der Straftat - seine Erwartungen und Perspektiven, Wiesbaden 1991). Auf gezieltes Fragen beantworteten 60,6% der Befragten direkt nach der Tat mit ja oder grundsätzlich ja, weitere 12% mit vielleicht. Diese Zahlen steigen noch einmal an, wenn die Tat bereits einige Zeit zurückliegt. So lehnten z. B. 63% aller Opfer von Gewaltdelikten, die erst kurze Zeit zurücklagen, eine Wiedergutmachung durch den Täter ab. Bei Gewaltopfern mit länger zurückliegender Opfererfahrung waren dies nur noch 46,2%.

Leider wurde auch hier nicht nach Senioren getrennt aufgeschlüsselt, sodaß nicht nachvollzogen werden kann, ob diese eher oder weniger bereit zu einer Wiedergutmachung durch den Täter sind.

Gewünscht wurden verschiedene Arten der Wiedergutmachung. Hierbei standen der materielle Ersatz oder eine geeignete Ersatzleistung durch den Täter im Vordergrund. Auch eine Entschuldigung durch den Täter wurde häufig genannt. Dabei schwankten die prozentualen Anteile je nach Deliktsart.

3.5 Bedürfnis nach Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen einer Viktimisierung

Leider fanden sich auch zu diesem Thema keine gesonderten Daten für Senioren. Es ist in bestimmten Bereichen, so z. B. bei der Begleitung von Viktimisierungsopfern zu Behördengängen oder der Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen, davon auszugehen, daß ältere Menschen hilfebedürftiger sind. Alle dementsprechenden Aussagen in den folgenden Abschnitten stellen jedoch lediglich Vermutungen dar und sind nicht empirisch belegt.

3.5.1 Wird eine Opferunterstützung durch die Betroffenen erwartet oder gar gefordert ?

Offensichtlich beschäftigen sich die Opfer erst nach einer Viktimisierung mit dem Thema Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen. Bei einer eigens durchgeführten Befragung von 66 Senioren im Alter von mehr als 60 Jahren, davon neun Opfern, wußten 63 nichts rechtes mit dem Begriff Opferbetreuung anzufangen. Erst auf nähere Erläuterungen hin meinten sie, dies sei wichtig und sollte, zumindest bei Opfern "schwerer" Kriminalität, generell geleistet werden.

Dagegen hatten immerhin 90,2% der Opfer aus der bereits mehrfach erwähnten Opferbefragung von Michael C. Baurmann und Wolfram Schädler zumindest diffuse Vorstellungen darüber, wie man ihnen oder anderen Opfern helfen könnte, wenn auch nur 30,5% von ihnen direkt nach der Anzeige Hilfe erwartet hätten.

Die bereits einmal Opfer einer Viktimisierung gewordenen Personen hatten auch zu einem großen Teil Vorstellungen, wie eine Opferunterstützung nicht nur in ihrem, sondern bezogen auf andere Fälle aussehen könnte. Es ist jedoch davor zu warnen, solche Hinweise von Geschädigten zu verallgemeinern, da es sich bei ihnen nicht um eine homogene Gruppe handelt und somit jedes Opfer eine individuelle Art der Bewältigung hat.

Als Arten der Opferunterstützung wurden Schadensersatz durch Versicherungen, psychische Unterstützung, Hilfe beim Erledigen der Formalitäten, materielle Unterstützung, rechtliche Beratung sowie medizinische Versorgung genannt. Hinzu kam erstaunlicherweise auch der Wunsch nach Betreiben einer effektiven Prävention, den immerhin 18,2% der befragten Opfer nannten. Dabei kristallisierte sich heraus, daß die Opfer von Gewaltdelikten häufiger psychische Unterstützung wünschten, bei Opfern von Eigentums- und sonstigen Delikten hingegen der Schadenersatz sowie rechtliche Beratung und Hilfe bei der Erledigung von Formalitäten genannt wurden. Da ältere Menschen bei den Gewaltdelikten unterrepräsentiert sind, ist zu vermuten, daß diese eher zu letzterem neigen.

Desweiteren wünschten sich Opfer von Gewalt- und sonstigen Delikten eine effektive Prävention zur Verhinderung einer erneuten Viktimisierung. Da in unterschiedlichen Untersuchungen gezeigt wurde, daß junge Menschen einer größeren Polizeipräsenz wesentlich kritischer gegenüberstehen, effektivere Prävention aber vermutlich genau dies mit sich brächte, läßt vermuten, daß dieser Wunsch eher von älteren Menschen geäußert wurde. Dies deckt sich mit den Ergebnissen unserer Opferbefragung zum subjektiven Sicherheitsgefühl von Senioren, in der nahezu ausnahmslos mehr Polizei, insbesondere als Fußstreifen, gefordert wurden.

3.5.2 Wer sollte aus Sicht der Opfer die Opferunterstützung leisten ?

Auf die Frage, wer eine Opferunterstützung leisten solle, wurden in beiden oben erwähnten Umfragen am häufigsten die Versicherungen genannt. Hier wird meines Erachtens von den Befragten nicht deutlich genug zwischen Opferbetreuung und bloßem Schadensausgleich unterschieden.

Schon an zweiter Stelle kam bei der Befragung der Opfer die Hilfe durch staatliche Einrichtungen. Leider unterscheiden M. Baurmann und W. Schädler nicht zwischen den unterschiedlichen staatlichen Einrichtungen. Bei unserer Befragung jedenfalls, es waren hier Antworten vorgegeben, meinten alle "Nichtopfer", die Polizei hätte andere Aufgaben, alle Opfer jedoch waren der Ansicht, daß die Polizei zumindest zur Opferbetreuung beitragen sollte. Diejenigen Opfer, die eine Nachsorge durch den Bezirksdienst erfahren hatten, waren besonders begeistert von diesem Verständnis polizeilicher Arbeit.

An dritter Stelle steht die Opferbetreuung durch professionelle Helfer (z. B. Sozialarbeiter) vor Hilfe durch Privatpersonen (Verwandte, Freunde, Nachbarn), Laienhelfern (etwa aus Vereinen oder Selbsthilfeeinrichtungen) und sonstigen Helfern.

III. Die polizeiliche Opferbetreuung

Die polizeiliche Opferbetreuung sollte drei Phasen umfassen. Als erstes zu nennen ist die "Krisenintervention unmittelbar nach der Tat"(Leo Schuster, Opferschutz und Opferberatung - eine Bestandsaufnahme, BKA Wiesbaden, 1985) durch die anzeigenaufnehmenden Beamten. Als nächstes käme die Opferbetreuung durch den Bezirksdienst, bevor eine Beratung durch das Kriminalkommissariat Vorbeugung Präventionsmöglichkeiten zur Verhinderung einer erneuten Viktimisierung aufzeigen soll.

1. "Krisenintervention unmittelbar nach der Tat"

In der Regel ist die Polizei und damit der anzeigenaufnehmende Beamte eine der ersten Institutionen bzw. Personen, mit denen der Geschädigte nach der Straftat in Kontakt kommt. Dabei wenden sich die Betroffenen auch deshalb an die Polizei, um Verbündete zu finden. Die Opfer erhoffen sich davon Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen eines erduldeten Unrechts. "Eines der Hauptmotive zur Anzeige ist der unspezifische Wunsch nach Hilfe und Unterstützung, die in unserem Strafrechtssystem bei den meisten Funktionsträgern nicht an erster Stelle in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben stehen."(Harald Richter, Opfer krimineller Gewalttaten - Individuelle Folgen und ihre Verarbeitung, 1997 Mainz).

Bereits in diesem Stadium muß also die Opferbetreuung ansetzen. Leider besteht hier ein großes Defizit. Zwar wird der Polizei insgesamt große Kompetenz, Freundlichkeit und Fairness attestiert (Harald Richter, s.o.), andererseits fühlen sich ca. 33,9 % der Opfer nicht ausreichend von der Polizei informiert. Selbst eine absolute perfekte Tatortaufnahme hilft dem Opfer bei der Bewältigung der Folgen der Viktimisierung nicht, wenn er nicht weiß, was da eigentlich geschieht. Weiterhin wird die fehlende Anteilnahme beklagt und die bloße Einstufung als Zeuge statt als Opfer eines Verbrechens.

Desweiteren werden Opfer häufig mit eigenem Fehlverhalten konfrontiert. Dies mag in Einzelfällen durchaus berechtigt sein, führt aber dazu, daß der Geschädigte sich selbst plötzlich als Schuldigen sieht, was einer erfolgreichen Verarbeitung des erduldeten Unrechts wenig förderlich ist (siehe: sekundäre Viktimisierung). Hier müssen die eingesetzten Beamten sensibilisiert werden, damit sie neben ihrem Strafverfolgungsauftrag die Krisenintervention beim Opfer bereits bei der Anzeigenaufnahme als gleichberechtigten Auftrag wahrnehmen und umsetzen.

2. Die Opferbetreuung durch den Bezirksdienst

2.1 Ablauf der Opferbetreuung durch den Bezirksdienst

Die Opferbetreuung durch die Beamten des Bezirksdienstes läuft folgendermaßen ab: ca. 14 Tage nach Anzeigenerstattung erhält der Bezirksdienst eine Durchschrift des Vorgangs. Ein Beamter sucht daraufhin das Opfer nach Terminvereinbarung auf und führt mit diesem ein Gespräch über die Tat. Dabei soll sich der Geschädigte zunächst einmal alles "von der Seele reden". Dadurch soll "Frust" abgeladen werden. Auch soll das Opfer die Möglichkeit erhalten, Schäden über den materiellen Verlust oder körperliche Verletzungen hinaus zu nennen. Es wurde z. B. häufig von Geschädigten eines Einbruchdiebstahls berichtet, daß sie sich vor der Wäsche, in denen der oder die Täter herumgewühlt haben, regelrecht ekeln.

Während des Gespräches ist es aber auch Aufgabe des Bezirksdienstbeamten, gezielt auf Hinweise zur Täterermittlung hinzuarbeiten. Auch hier konkurrieren also die beiden Ziele Opferfürsorge und Strafverfolgung miteinander. Während aber bei der Anzeigenaufnahme, der Spurensicherung und der "eigentlichen" Ermittlungsarbeit die Strafverfolgung stark im Vordergrund steht, ist es gerade die Aufgabe der Beamten des Bezirksdienstes, den Opfern über die zur Strafverfolgung notwendigen Informationen hinaus zuzuhören und damit eine erfolgreiche Verarbeitung der Geschehnisse zu unterstützen.

Eine weitere Aufgabe der Bezirksdienstbeamten im Rahmen des Opfergespräches ist die Aufklärung über Präventionsmöglichkeiten. Dabei geht es in erster Linie um die Vermittlung einfacher Verhaltensregeln. Desweiteren sollen sie über die Existenz des Kriminalkommissariats Vorbeugung informieren, durch das die Verletzten weitere Informationen erhalten können.

Abschließend bleibt zu erwähnen, daß in einer im Jahre 1997 unter Bezirksdienstbeamten durchgeführten Fragebogenaktion 54 von 58 Beamten der Meinung waren, eine Opferbetreuung durch die Polizei sei generell erforderlich. Außerdem waren 52 der Meinung, diese sei beim Bezirksdienst richtig angesiedelt (Rainer Mentfewitz, Die Opferbetreuung durch die Polizei - eine echte Hilfe für den betroffenen Bürger ?, Projektarbeit zum Thema: Diebstahl aus Wohnung unter erschwerenden Umständen, Bochum/Gelsenkirchen 1997).

2.2 Ausbildung des Bezirksdienstes zum Thema Opferbetreuung

Eine einheitliche Richtlinie für den Bezirksdienstbeamten zur Durchführung der Opferunterstützung gibt es nicht. Der einzelne Beamte kann diese individuell gestalten. Dadurch wird ein "überstülpen" vorgefertigter Verhaltensmuster ungeachtet der Verschiedenheit der Fälle vermieden. Andererseits wird der Beamte mit seiner Aufgabe alleine gelassen, wodurch er zumindest im Einzelfall überfordert sein könnte. In der bereits oben angesprochenen Umfrage fühlten sich 25 Beamte nicht speziell auf ihre Aufgaben hinsichtlich der Opferbetreuung vorbereitet. 46 hielten Weiterbildungen zu diesem Thema für erforderlich. Angesichts der Umfrageergebnisse (siehe III.2.1) ist es sinnvoll, die offensichtlich hohe Motivation der Bezirksdienstbeamten für solche Fortbildungsaktionen zu nutzen. Dabei sollten bereits gemachte Erfahrungen der Beirksdienstbeamten einfließen.

Fünf der sechs Neinstimmen zur Ansiedlung der Opferbetreuung beim Bezirksdienst sprachen sich für eine Opferbetreuung durch Tatortbeamte aus. Dies muß m. E., wie oben bereits dargelegt, "Hand in Hand" gehen.

3. Das Kriminalkommissariat Vorbeugung

Getreu dem Motto "Vorbeugen ist besser als heilen" arbeitet das Kriminalkommissariat Vorbeugung. Dessen Aufgabe ist es natürlich, durch Aufklärung der Bürger eine Viktimisierung möglichst zu verhindern. Für diejenigen, die bereits Viktimisierungsopfer geworden sind, trägt die Aufklärung über technische Präventionsmöglichkeiten und Verhaltensregeln zum Schutz vor einer erneuten Viktimisierung zur Verbesserung oder Wiederherstellung des "angekratzten" subjektiven Sicherheitsgefühls bei. Somit unterstützt das Kriminalkommissariat Vorbeugung ebenfalls die Bewältigung der Viktimisierungsfolgen der Geschädigten, ohne daß dies die eigentliche Aufgabe ist. Voraussetzung ist hier aber, daß die Opfer von sich aus Kontakt zum Kriminalkommissariat aufnehmen.

IV. Opferunterstützung durch andere Organisationen

1. Der Weiße Ring

Bei dem Weißen Ring handelt es sich um eine seit 1976 bestehende Organisation, die sich dem Ziel einer möglichst wirksamen Opferhilfe widmet. Dabei wird der Begriff des Opfers deutlich weiter gesteckt als in dieser Projektarbeit. Der Verein zählt heute 70.000 Mitglieder und verfügt über insgesamt 400 Außenstellen in Deutschland.

Die Opferunterstützung durch den Weißen Ring unterteilt sich in zwei Säulen. In der ersten Säule steht zunächst einmal das Opfergespräch. Dabei soll das Opfer einfach über das Erlebnis berichten. Dabei wird gerade von Viktimisierungsopfern häufig über fehlende Anteilnahme polizeilicherseits geklagt und darüber, daß man selbst als Geschädigter in die "Schublade Zeuge" gesteckt wird.

Das Opfergespräch soll Trost spenden, das Gefühl vermitteln, daß man nicht alleine dasteht und das Vertrauen in die Gesellschaft wiederbringen.

Die zweite Säule ist die Opferhilfe in Form von Beratung und finanzieller Unterstützung. Den Opfern werden ihre eigenen Möglichkeiten und Rechte erläutert, wenn sie z. B. Anspruch auf Zahlungen nach dem Opferschutzgesetz haben.

Weiterhin werden Opfer unterstützt bei dem Ausfüllen von Formularen oder sie erhalten Begleitung bei Behördengängen, notwendigen ärztlichen Untersuchungen oder während der Gerichtsverhandlung.

Daneben gibt es ein breites Spektrum zur finanziellen Unterstützung. Zunächst zu nennen sind die "Beratungsschecks" in Höhe von DM 250,- für einen Anwalt nach Wahl zur Prüfung der rein rechtlichen Situation, ob z. B. Prozeßkostenhilfe beantragt werden oder der Geschädigte als Nebenkläger auftreten kann. Unter Umständen ist die Übernahme der Kosten der Nebenklage oder der anwaltlichen Opferbegleitung möglich.

Weiterhin gibt es die Möglichkeit der Unterstützung bei einer finanziellen Notlage. Hier kann eine Soforthilfe in Höhe von DM 500,- pro Person gewährt werden. Eine höhere Hilfe ist nach genauerer Prüfung des Sachverhalts möglich.

Als weitere Hilfsmaßnahme ist bei bestimmten Delikten die Übernahme der Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung möglich, wenn die Krankenkasse nicht mehr zahlt. In Ausnahmefällen übernimmt der Weiße Ring auch die Kosten für die Fahrt, die Unterbringung und sogar ein begrenztes Taschengeld für einen Urlaub des Opfers.

Bei der Gewährung von Hilfen spielt es keine Rolle, ob das Opfer Anzeige erstattet hat. Es werden zwar alle Antragsteller gefragt, ob die Tat polizeilich bekannt ist und ggf. gebeten, Anzeige zu erstatten, die Gewährung einer Unterstützung wird davon jedoch nicht abhängig gemacht.

Finanziert wird der Weiße Ring durch die Beiträge der Mitglieder sowie durch Zuwendungen wie etwa Spenden, Nachlässe oder Strafgelder von Verurteilten.

2. Verein für integrative Arbeit

Bei dem Verein für integrative Arbeit-Bochum (ViA) handelt es sich um eines von insgesamt 13 Modellprojekten in Nordrhein-Westfalen. 90% der anfallenden Kosten trägt das Justizministerium des Landes, die übrigen 10% muß ViA aus Spenden und Bußgeldern finanzieren.

Der Verein für integrative Arbeit befaßt sich mit der Möglichkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs. Hier sollen dem Täter die Möglichkeit einer Wiedergutmachung und Entschuldigung gegenüber dem Opfer gegeben werden. Gleichzeitig sollen ihm durch die Konfrontation mit dem Opfer die Folgen seines Handelns bewußt gemacht werden.

Das Opfer erhält die Gelegenheit, dem Täter gegenüber Angst, Zorn und Empörung unverblümt zu äußern. Dabei findet nach Aussage der bei der ViA-Bochum als Mittlerin tätigen Martina Weisang beim Opfer eine Verarbeitung der Geschehnisse statt, da es emotional entlastet wird.

Eine Aussage über einen eventuellen Zusammenhang zwischen Bereitschaft zum oder gar Bedürfnis nach einem Täter-Opfer-Ausgleich und dem Alter des Opfers konnte Martina Weisang leider nichts sagen, da sie bisher nur wenige Fälle bearbeiten konnte, bei denen es sich ausnahmslos um Opfer bis zu einem Alter von maximal 40 Jahren handelte. Ob der Grund in einer mangelnden Bereitschaft seitens älterer Viktimisierungsopfer liegt, vermochte sie nicht zu sagen. Sicherlich habe aber die Deliktsart etwas damit zu tun, und damit kämen unterschiedliche Viktimisierungsrisiken der Altersgruppen bezüglich einzelner Delikte indirekt auch beim Täter-Opfer-Ausgleich zur Geltung.

3. Sonstige Organisationen

Neben diesen beiden Organisationen gibt es eine ganze Reihe weiterer Einrichtungen. Diese haben in der Regel nur lokalen Charakter oder sind auf einen bestimmten "Opfertyp" spezialisiert. Am häufigsten sind dies sexuell mißbrauchte Frauen und Kinder. Zu nennen sind hier etwa die "Hanauer Hilfe", das "Freiburger Modell" sowie Frauenhäuser und Kinderschutzzentren. Eine speziell für Senioren zugeschnittene Einrichtung zur Opferbetreuung gibt es in Bochum nicht.

V. Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Einrichtungen der Opferunterstützung

Aus unterschiedlichen Befragungen geht eindeutig hervor, daß eine Opferunterstützung von einer Vielzahl von Viktimisierungsopfern gewünscht wird. Erfahrungen belegen, daß eine Opferunterstützung, egal ,wie sie letztlich aussieht, immer hilfreich bei der Verarbeitung der Viktimisierungsfolgen ist.

Auch wird der Polizei nicht mehr so häufig wie noch in den siebziger Jahren unsensibles Verhalten vorgeworfen. Offensichtlich hat bei den Tatort- und Ermittlungsbeamten bereits ein Umdenken stattgefunden, welches das Opfer mehr in den Mittelpunkt rückt. Da die Polizei aber Strafverfolgungsbehörde ist, kann die Opferbetreuung nur ein, wenn auch wichtiges, Randgebiet sein. Andere Einrichtungen sind speziell auf die Bedürfnisse der Opfer ausgerichtet, leider aber oft wenig bekannt. Diese Tatsachen machen eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und anderen Einrichtungen der Opferbetreuung geradezu zwingend. Wie aber könnte eine solche Zusammenarbeit aussehen ?

"Häufig haben Kriminalitätsopfer zwar das Bedürfnis nach Beistand und Unterstützung, aber sie wissen nicht, an wen sie sich konkret wenden sollen"(Evelyn Tampe, Verbrechensopfer - Schutz, Beratung Unterstützung, 1992). Hinzu kommt, insbesondere bei männlichen Opfern, eine Hemmschwelle bei der Suche nach professioneller Opferbetreuung. Insofern ist es sinnvoll zu prüfen, ob nicht die Polizei die Daten des Opfers mit dessen Zustimmung an Einrichtungen der Opferunterstützung übermitteln könnte. Diese könnten anschließend ihrerseits auf die Opfer zugehen und somit deren Hemmschwelle überwinden. Ein datenschutzrechtliches Problem würde sich nicht ergeben, da zur Datenübermittlung das Einverständnis der Geschädigten Person eingeholt würde. Dabei könnte noch unterschieden werden nach Delikten, bei denen mit Zustimmung der Opfer ein Täter-Opfer-Ausgleich in Frage käme und solchen, bei denen durch den Geschädigten eine andere Form der Hilfe gewünscht wird.

Damit die Daten an die jeweils "richtige" Einrichtung der Opferunterstützung gelangen, sollten die Beamten diese kennen und etwas über deren Arbeit wissen. Diese Informationen sind in Seminaren zu vermitteln.

Als wichtigstes Gegenargument wird polizeilicherseits der Mehraufwand genannt. Hier sollte überlegt werden, wie hoch der Aufwand ist, zwei weitere Frage zu stellen, eventuell ein Infoblatt auszuhändigen und die Personaldaten anschließend an die "passende" Einrichtung zur Opferbetreuung zu übermitteln, wenn man dadurch stabilere Zeugen erhält, die sicher auch im Ermittlungsverfahren wertvoller sind. Davon abgesehen sollte die Polizei als staatliche Institution generell ein Interesse an der Befindlichkeit von Viktimisierungsopfern haben, da es schließlich ihre Aufgabe ist, Viktimisierungen wenn möglich zu verhindern.

VI. Zusammenfassung

Hinsichtlich der Zielsetzung komme ich zu folgenden, nicht immer empirisch belegbaren Ergebnissen:

1. Soweit sich die älteren Menschen bereits mit dem Thema Opferbetreuung auseinandergesetzt haben, stehen sie diesem Thema sehr positiv gegenüber. Voraussetzung für eine solche Opferbetreuung sollte aber ein schweres Verbrechen sein. Eine generelle Unterstützung wird abgelehnt.

Insgesamt sollte die Hilfe eher von Einrichtungen der Opferhilfe geleistet werden. Die Polizei habe andere Aufgaben. Lediglich eine Opferbetreuung im Rahmen der Strafverfolgung, wie im Kapitel III. beschrieben, wird auf Hinweis gefordert.

2. Die bereits einmal Opfer einer Viktimisierung gewordenen Senioren sehen die Aufgaben der Polizei im Rahmen der Opferbetreuung etwas anders. Sie fordern neben der Betreuung in Form von Anteilnahme und Mitgefühl durch die Tatortbeamten auch mehr Informationen während der Emittlungen. Dies gilt allerdings nicht für die Opfer von sogenannten "Bagatelledelikten".

3. Die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Opferunterstützung sollte genutzt werden, zumal sie von den Mitarbeitern dieser Einrichtungen sogar gewollt werden (z. B. vom Verein für integrative Arbeit) und man mit Unterstützung durch diese rechnen kann. Zur Begründung siehe Kapitel V.

4. Zwar wird den Polizeibeamten des Tatortdienstes heute weitaus weniger Fehlverhalten vorgeworfen als noch in den siebziger Jahren, trotzdem scheint es noch nicht jedem klar geworden zu sein, welche Schäden falsches Verhalten bei den Opfern auslösen kann. Eine weitergehende Sensibilisierung scheint mir angebracht.

5. Eine bessere Aus- und Fortbildung der Beamten des Bezirksdienstes zum Thema Opferbetreuung ist meines Erachtens notwendig. An Engagement der Beamten mangelt es nicht. Die Freiheiten bei der Durchführung der Opferbetreuung hingegen haben sich bestens bewährt und sollten in jedem Fall bestehen bleiben.

Für mich selbst kann ich sagen, daß ich bei der Erstellung dieser Projektarbeit einiges dazugelernt habe, was mich in Zukunft für etwaige Viktimisierungsopfer, egal ob jung oder alt, erträglicher machen wird.

Leo Schuster:

Opferschutz und Opferberatung - eine Bestandsaufnahme -, BKA Wiesbaden, 1985

Michael C. Baurmann und Wolfram Schädler:

Das Opfer nach der Straftat - seine Erwartungen und Perspektiven -, BKA Forschungsreihe, Wiesbaden, 1991

Peter Wetzels u. a.:

Kriminalität im Leben älterer Menschen - Ergebnisse einer KFN-Opferbefragung -, 1992

Evelyn Tampe:

Verbrechensopfer - Schutz, Beratung Unterstützung, 1992

Rainer Mentfewitz:

Die Opferbetreuung durch die Polizei - eine echte Hilfe für den betroffenen Bürger?, Projektarbeit zum Thema: Diebstahl aus Wohnung unter erschwerenden Umständen, Bochum/Gelsenkirchen, 1997

Harald Richter:

Opfer krimineller Gewalttaten - individuelle Folgen und ihre Verarbeitung, Mainz, 1997

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Notwendigkeit der Opferbetreuung bei Senioren
Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Gelsenkirchen
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
1998
Seiten
16
Katalognummer
V107838
ISBN (eBook)
9783640060603
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Notwendigkeit, Opferbetreuung, Senioren
Arbeit zitieren
Jörg Schubert (Autor:in), 1998, Notwendigkeit der Opferbetreuung bei Senioren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107838

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