Fingerabdrücke als Beweismittel? Die Daktyloskopie als kriminaltechnische Methode


Ausarbeitung, 2002

18 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung und Definition

2 Die Geschichte der Daktyloskopie

3 Der Fingerabdruck als Spur

4 Die Aufgaben der Daktyloskopie

5 Die Grundsätze der Daktyloskopie

6 Die Grundmusterarten und Merkmale
6.1 Die Grundmusterarten
6.1.1 Das Bogenmuster
6.1.2 Das Schleifenmuster
6.1.3 Das Wirbelmuster
6.2 Die Merkmale

7 Der Identifizierungsprozess

8 Schlussbetrachtung

9 Literatur

1 Einleitung und Definition

Die folgende Abhandlung will einen kurzen und prägnanten Einblick in die Grundsätze der Daktyloskopie, also die Lehre der Fingerabdrücke, als Teil der Kriminalistik, vermitteln.

Historisch betrachtet entspringt die Kriminalistik der Rechtsmedizin [1]. Für letztere gibt es Beweise, die bis etwa 2700 v.Chr. zurückreichen. So weist Smith auf Imhotep hin, den Hohepriester und Ratgeber des ägyptischen Pharao Djoser, der als Universalgenie auch die Medizin der damaligen Zeit beherrschte. Die Verstorbenen seien, so Smith, einer Besichtigung unterzogen worden, um die Todesursache festzustellen (vgl. Smith 1951). Im deutschsprachigen Raum wurde die Gerichtsmedizin erstmalig 1532 in der Constitutio Criminalis Carolina[2] als gesetzlicher Bestandteil verankert. Gemäß Artikel 130 musste bei einem Toten in Zweifelsfällen ein ärztlicher Sachverständiger hinzugezogen werden (vgl. Mallach 1996). Im Anschluss an diesen Rechtsbeschluss erwuchsen die ersten wissenschaftlichen und empirischen Begründungen der Rechtsmedizin.

Unter Kriminalistik ist die "Lehre von der Bekämpfung der Kriminalität durch Verbrechensverhütung und Verbrechensaufklärung zu verstehen." (Schwind 1998, S.11)[3]. Kube u.a. konkretisieren den Begriff und ergänzen: "Kriminalistik ist das (...) Wissen über die Methoden und Mittel der Verhütung, Aufdeckung und Aufklärung von Straftaten einschließlich der Fahndung nach Personen und Sachen." (Kube u.a. 1992, S.1). Dabei stehen zwei zentrale Aufgaben der Kriminalistik im Vordergrund. Zum einen ist unter der Kriminaltaktik die "Lehre vom taktisch richtigen, d.h. vom technisch, psychologisch und ökonomisch zweckmäßigen Vorgehen beim Aufklären und Verhindern von kriminellen Taten" (Groß/Geerds 1977, S.9) zu verstehen. Hierbei liegt besonders das Strafgesetz sowie das Polizeirecht zu Grunde, nachdem sich die polizeilich-kriminalistischen Ermittlungen richten müssen. Ein aktuelles Beispiel der Kriminaltaktik ist die Rasterfahndung[4] in dem Einsatz gegen Terroristen. Dieses Beispiel verdeutlicht die erwähnten rechtlichen Schwierigkeiten der Kriminaltaktik (vgl. Wolter 1988, S.80).

Zum anderen obliegt es der Kriminaltechnik"im Rahmen der Verbrechensaufklärung mit naturwissenschaftlichen Methoden und unter Ausnutzung moderner technischer Hilfsmittel sachliche Beweise und Spuren zu untersuchen und auszuwerten." (Burghard u.a. 1986, S.145). Besonders durch den Einsatz moderner computertechnischer und naturwissenschaftlicher Methoden lassen sich heutzutage Fahndungserfolge schneller und einfacher einstellen als dies früher der Fall war. Diese Methoden der Kriminaltechnik sind so umfangreich und weitreichend[5], dass nachfolgend nur auf die Daktyloskopie eingegangen werden kann.

Zusammenfassend beschreibt Burghard die kriminalistischen Aufgaben mit der '7 goldenen W-Regel': "Wer hat wann, wo, was getan, wie, womit, warum?" (Burghard 1991, S.15).

Die bisherigen Ausführungen geben einen entscheidenden Hinweis auf die Eingrenzung und Definition des Themas. Die Daktyloskopie, also die Identifizierung durch das 'Beschauen' (entspricht dem gr. 'Skopein') der Finger (entspricht dem gr. 'Daktylos'), kann als Methode der Kriminaltechnik beschrieben werden, welche wiederum ein Aufgabengebiet der Kriminalistik darstellt[6]. Letztere ist eine praktische Disziplin der Verbrechenskontrolle bzw. Rechtspflege, also das "planmäßig koordinierte Zusammenwirken der polizeilichen Kräfte zur wirksamen Verbrechensbekämpfung." (Kaiser 1997, S.540).

Im Folgenden soll zunächst die Geschichte der Daktyloskopie (Kapitel 2) sowie der Fingerabdruck als Spur im kriminalistischen Sinne skizziert werden (Kapitel 3). Anschließend werden Aufgaben (Kapitel 4) und Grundsätze der Daktyloskopie verglichen (Kapitel 5). Kapitel 6 zeigt die Grundmusterarten der verschiedenen Fingerabdrücke. Im folgenden Kapitel 7 wird der Identifizierungsprozess von Spuren dargestellt. Eine Schlussbetrachtung fasst alle wichtigen Punkte nochmals zusammen (Kapitel 8).

2 Die Geschichte der Daktyloskopie

Schon vor Tausenden von Jahren interessierten sich die Menschen für die Finger und deren eigenartigen papillaren Linienführungen an den Fingerbeeren. Der Abdruck einer Hand, einzelner Finger oder sogar der Füße wurden als einmalig beschrieben. Von den Chinesen ist bekannt, dass diese den Fingerabdruck als einzigartige 'Unterschrift' bei Erklärungen und Vereinbarungen anwandten (vgl. Marschall 1999). In der westlichen Welt war es Malpighi, ein Professor an der Universität Bologna, der um 1680 die Bedeutung des Musters eines Fingerabdrucks erkannte. Erst rund 200 Jahre später wurden Fingerabdrücke zur Identifizierung einzelner Personen eingesetzt. Der englische Polizeioffizier William Herschel arbeitete in Bengalen im Dienst der indischen Zivilverwaltung, wo er Fingerabdrücke zur Feststellung der Identität einzelner Personen bei der Auszahlung von Löhnen und Gehältern benutzte. In der Zeitschrift 'Nature' veröffentlichte er 1881 seine Ergebnisse (vgl. Herschel 1881).

Unabhängig von Herschel machte der in Japan lebende Henry Faulds, zur selben Zeit den Vorschlag Fingerabdrücke am Tatort zur Überprüfung von Verbrechern zu nutzen und Register zur Dokumentation derselben anzulegen. Außerdem erkannte er "die Vielfalt individueller Fingerabdrücke und beobachtete, dass diese Muster während eines ganzen Menschenlebens unverändert blieben." (Kaye 1997, S.14). Seine Ergebnisse veröffentlichte er ebenfalls in der naturwissenschaftlichen Zeitschrift 'Nature' (vgl. Faulds 1880).

Die Kriminalistik reagierte erst 20 Jahre später auf die Innovationen von Herschel und Faulds. Francis Galton begründete in England auf den Ideen seiner Vorgänger die Daktyloskopie als wissenschaftliche Disziplin und richtete gemeinsam mit Edward Richard Henry, dem späteren Direktor von Scotland Yard, die erste moderne Fingerabdruck-Datenbank mit einer spezifischen Kategorisierung ein (das 1900 erschienene 'Galton-Henry System of Fingerprint Classification'). Auf dieser Grundlage wurde der Fingerabdruck 1901 zunächst in England, später dann fast weltweit, zur wichtigsten Tatort-Spur für die Polizei und darüber hinaus als unantastbares Beweismittel vor Gericht anerkannt (vgl. Cole 2000).

3 Der Fingerabdruck als Spur

Wie schon weiter oben erwähnt, bildet der Fingerabdruck in der Kriminaltechnik nur eine von vielen Spuren, die an einem Tatort untersucht werden müssen. Trotzdem ist es wohl die zentralste und verlässlichste Spur auf die Polizisten in der ganzen Welt seit über 100 Jahren zurückgreifen.[7] Unter dem Begriff 'Spur' versteht man im kriminalistischen Sinne Erscheinungen und Objekte die durch den Tathergang entstehen und Rückschlüsse über den Tatablauf oder Hinweise auf den Täter ermöglichen (vgl. Kube u.a. 1992)[8]. Die Vielfalt der möglichen Spuren ist demnach unermesslich. Alle Merkmale können zu einer Spur werden und praktisch jede Straftat hinterlässt in irgendeiner Form Spuren. Diese 'stummen Zeugen' zum Sprechen zu bringen ist die Aufgabe der Kriminaltechniker.

Spuren sind oft unscheinbar und für das menschliche Auge nicht sichtbar. Die meist unsichtbaren Fingerabdrücke an Türen, Stühlen, Fenstern, Gläsern etc. werden daher 'latente Fingerabdrücke' genannt. Es ist wohl ein psychologisches und naturwissenschaftliches Phänomen zugleich, warum bis heute an Tatorten immer noch Fingerabdrücke in großer Zahl gefunden werden können. "Durch die vermehrte Ansammlung von Tastkörperchen im Bereich der Fingerbeeren und die Anordnung der Fingernägel, die das Greifen insbesondere im Bereich der Feinmotorik erleichtern, neigt der Mensch dazu, Gegenstände mit nackten Händen anzufassen. Da an diesen Stellen gleichzeitig vermehrt Schweißdrüsen platziert sind, wird das Leistenbild der Fingerbeeren auf Gegenstände übertragen." (Weihmann 1997b, S.11f). Der vermeintliche Täter unterschätzt bei seiner Tat oftmals die Hartnäckigkeit mit der die Schweißabsonderungen der Fingerkuppen auf Gegenständen verhaften bleiben. Die Haltbarkeit kann sich tatsächlich über Jahre erstrecken (vgl. Weihmann 1997b). Um sich der Beweiskraft dieser Spuren zu entziehen verätzten sich einige Tatverdächtige ihre Fingerkuppen, allerdings mit wenig Erfolg: die feinen Kapillar-Linien kehren immer wieder in ihr ursprüngliches Muster zurück (vgl. Kaye 1997). Somit bleibt der Fingerabdruck auch in Zukunft eine der wichtigsten Spuren für den Kriminaltechniker.

In den folgenden Kapiteln wird nun ausführlich beschrieben, was mit diesen am Tatort verbliebenen Spuren bzw. Fingerabdrücken geschieht.

4 Die Aufgaben der Daktyloskopie

Die Aufgaben der Daktyloskopie bestehen in der Personenerkennung sowie der Auflösung des Tathergangs. Da beide Aufgabenbereiche an anderer Stelle umfangreich beschrieben sind, soll im Folgendem der Fokus auf die Personenerkennung gelegt werden.

Nach dem Gesetz steht die formulierte 'Erkennungsdienstliche Behandlung' im Mittelpunkt der kriminaltechnischen Arbeit. Die moderne Kriminalwissenschaft spricht immer dann von der 'Tatortdaktyloskopie',[9] wenn die Ermittler an Ort und Stelle nach Spuren (bzw. Fingerabdrücken) suchen. Über die Suche hinaus ist die Sicherung der Spuren von großer Wichtigkeit um Beweismaterial nicht zu vernichten. Probleme die sich hieraus ergeben waren zu Anfang des letzten Jahrhunderts u.a. die Sichtbarmachung latenter Fingerspuren sowie die Dokumentation gefundener Abdrücke. Der latente Fingerabdruck ist für das bloße Auge zunächst unsichtbar und nur mit bestimmten chemischen Mitteln sichtbar zu machen (vgl. Kapitel 6). Bis diese chemisch-technischen Möglichkeiten im 20. Jahrhundert entwickelt worden sind, mussten Spurensucher meist auf wichtige Hinweise am Tatort verzichten (vgl. Kaye 1997). Auch das systematische Archivieren und Sammeln von bekannten Fingerabdrücken war bis um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert unbekannt. Oben erwähntes 'Galton-Henry System of Fingerprint Classification' stellt den ersten Versuch einer Klassifizierung dar, mit dem Grundgedanken, dass die Fingerabdrücke "in ein bestimmtes Ordnungssystem eingefügt werden [müssen], damit sie in einer Sammlung unabhängig vom Namen der Person wiedergefunden und mit Fingerabdrücken bzw. Fingerspuren verglichen werden können." (Sperling/Fuchs 1994, S.6). Die ursprüngliche Zehnfingerabdrucksammlung (ZFAS) wurde später, aufgrund der Unüberschaubarkeit, durch die Einzelfingerabdrucksammlung (EFAS) ersetzt, die heute Grundlage für das seit 1974 in Deutschland aktive 'Bund-Länder-System Daktyloskopie' (BL-System) ist. In diese computergestützte und bundeseinheitliche Dokumentation flossen alle bisherigen Fingerabdrucksammlungen ein, sodass eines der größten Archive weltweit entstanden ist[10]. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung wurde 1991 das 'Automatische-Fingerabdruck-Identifizierungs-System' (AFIS) in der Bundesrepublik eingeführt, welches noch exakter sowohl Personen als auch Spurenverursacher identifizieren kann.[11] Hierbei arbeiten die Landeskriminalämter eng mit dem Bundeskriminalamt zusammen, wobei das BKA für die Identifizierung von Personen und das jeweilige LKA für die Spurenidentifizierung zuständig ist (vgl. Weihmann 1997b).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass neben der Erkennung und Sicherung von Fingerabdrücken am Tatort (darauf wird unten eingegangen) besonders die systematische Dokumentation einen großen Beitrag zum Erfolg der Daktyloskopie geleistet hat.

5 Die Grundsätze der Daktyloskopie

Die Grundsätze der Daktyloskopie ergeben sich aus der oben erwähnten 'Einzigartigkeit' des Fingerabdrucks, welche die Menschheit schon immer faszinierte (vgl. Kapitel 2). Basierend auf dieser Einsicht entwickelte die Daktyloskopie drei wichtige Grundsätze:

- Einmaligkeit des Fingerabdrucks: Die Papillarleistengebilde der Fingerbeere sind individuell und nicht vererbbar. Der Mensch hat an jedem seiner Finger ein anderes dieser Linienförmigen Gebilde, welches im Laufe des Lebens wie eine lineare fotografische Vergrößerung wächst. Selbst bei Eineiigen Zwillingen sind die Fingerabdrücke grundverschieden und nicht vergleichbar.[12] Nach einer Abschätzung von Biologen kommt es in der gesamten Weltbevölkerung erst im Laufe von mehreren Generationen einmal vor, dass Fingerabdrücke identisch sind. Die Wahrscheinlichkeit einen Fingerabdruck zweimal zu finden liegt bei 1:1 Milliarde[13] (vgl. Kube (u.a.) 1992).
- Unveränderlichkeit des Fingerabdrucks: Die Papillarleistengebilde sind ab dem dritten Monat im Mutterleib ausgebildet und bleiben bis weit über den Tod hinaus erhalten. Selbst Tote, die entweder schon sehr lange begraben liegen oder z.B. bis zur Unkenntlichkeit entstellte Wasserleichen, können somit identifiziert werden falls von den drei Hautschichten wenigstens die Lederhaut erhalten geblieben ist. Auch das oben erwähnte wegätzen der Fingerkuppen, ein verbreiteter Versuch zu Beginn der Daktyloskopie um die Liniengebilde unkenntlich zu machen, bringt keinen Erfolg: die neuen Hautschichten bilden wieder das identische Abbild.
- Klassifizierbarkeit des Fingerabdrucks: Aufgrund der beschriebenen Grundsätze der Daktyloskopie ergab sich für die Kriminalwissenschaftler ein wichtiger Punkt. Wenn der Fingerabdruck tatsächlich einmalig und unveränderlich ist, lohnt sich dessen Klassifizierung und spätere Dokumentation zur Verbrechensbekämpfung. Die Forschung ermittelte somit mehrere Merkmale und Grundmusterarten um den verschiedenen Fingerabdrücken eine Vergleichsgrundlage zu liefern. Die Dokumentation erfolgt in Deutschland z.Zt., wie in Kapitel 4 beschrieben, mit dem AFIS. Die Merkmale und Grundmusterarten werden im folgenden Kapitel beschrieben.

6 Die Grundmusterarten und Merkmale

Um einen Fingerabdruck klassifizieren zu können und ihn somit für eine oben beschriebene Archivierungsform (z.B. AFIS) kompatibel zu machen, wurden zum einen drei Grundmusterarten festgelegt und zum anderen weitere Merkmale des Fingerabdrucks bestimmt.

6.1 Die Grundmusterarten

Bei der wissenschaftlichen Forschung, besonders im Bereich der Biologie, fand man heraus, dass drei Grundmuster, d.h. Linienführungen der kleinen Papillarleistengebilde an der Fingerbeere, immer wieder auftauchen. Folgende Muster wurden dabei beschrieben:

6.1.1 Das Bogenmuster

Nur ca. 5% der Weltbevölkerung besitzen dieses bogenförmige Muster:[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(entnommen aus : Burghard 1986)

6.1.2 Das Schleifenmuster

Etwa 60% der Bevölkerung findet dieses Grundmuster an ihren Fingerbeeren. Die markierte Stelle unten links in der Grafik verdeutlicht die charakteristische Schleife.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(entnommen aus : Burghard 1986)

6.1.3 Das Wirbelmuster

Das letzte der drei Grundmuster ist das Wirbelmuster. Ca. 35% der Bevölkerung hat dieses. Auch hier sind in der Grafik die markanten Stellen markiert (Mitte).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(entnommen aus : Burghard 1986)

6.2 Die Merkmale

Die Individualität des Fingerabdrucks entsteht nicht nur durch die Kurvenformen der Linien, wie sie die Grundformen beschreiben (s.o.). Damit wäre eine Wahrscheinlichkeit von 1:1 Milliarde nicht gegeben. Die Forschung fand weitere Merkmale, die Unterbrechungen und Inselbildungen der genannten Kurvenformen darstellen und "insgesamt Minuzien genannt werden und anatomische Merkmale sind. An jeder Fingerbeere können bis zu 112 anatomische Merkmale vorhanden sein." (Weihmann 1997b, S.11). In der unteren Grafik sind die elf wichtigsten dieser Merkmale aufgezeigt. Die Bezeichnungen beziehen sich dabei jeweils auf die Linienführungen, -muster, -vergabelungen oder -unterbrechungen.[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(entnommen aus : Burghard 1986)

Bezeichnung der einzelnen Merkmale:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7 Der Identifizierungsprozess

Nachdem eine Klassifizierung und Dokumentation der Fingerabdrücke in einer Datenbank stattgefunden hat, die Aufgaben und Grundsätze der Daktyloskopie abgehandelt wurden, sind die Kriminaltechniker zumeist an Tatorten tätig um ihre eigentliche 'Handarbeit' durchzuführen. Die Schwierigkeiten der Sichtbarmachung latenter Fingerabdrücke sind oben schon angeklungen und sollen hier weitergeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass der Identifizierungsprozess ein sehr umfangreicher ist, bei dem Kenntnisse aus der Kriminologie, Biologie, Chemie und Psychologie bedacht werden müssen. Daher kann an dieser Stelle nur ein Einblick gewährt werden.

Durch Schweißabsonderungen aus den Poren der Fingerbeeren, entstehen Fingerabdruckspuren. Die so erzeugten daktyloskopischen Spuren bestehen materiell neben einem hohen Wassergehalt von etwa 98% aus anorganischen Salzen (überwiegend Chloride) und organischen Verbindungen (Fette, Aminosäuren, Harnstoff u.a.). Daneben kommen auch verschiedene Fremdsubstanzen hinzu (Staub, Farbe etc.). Einige weitere Faktoren bestimmen die Brauchbarkeit des Abdrucks. So z.B. die klimatischen Bedingungen bei der Spurenentstehung (eine zu große Hitze verflüchtigt den Wassergehalt des Schweißes zu schnell), das Material, auf dem die Spur entsteht (Glatte Flächen sind immer am einfachsten zu untersuchen wobei stark verschmutzte oftmals keine Spuren hinterlassen) oder die Tätereinwirkung auf die Spur (sauberes wegwischen aller Spuren oder das Tragen von Handschuhen verhindert den Spurenfund).

Bei idealen Voraussetzungen ist eine Sichtbarmachung der Spuren mit Adhäsionsmittel möglich. "Hierbei wird mit Hilfe spezieller Pulver die unterschiedliche Adhäsionsfähigkeit der Spurenträger und der (in der Regel) feuchten Spur ausgenutzt. Die Pulversubstanz bleibt an den Schweißabsonderungen haften und macht das latente Spurenbild somit sichtbar." (Sperling/Fuchs 1994, S.31). Hierzu wird, je nach Oberflächenbeschaffenheit und -farbe, u.a. Eisenpulver, Ruß oder Argentorat (gemahlenes Aluminium) mit einem Feinhaarpinsel aufgetragen.

Gegenstände wie z.B. Rauschgiftpäckchen, Waffen oder Falschgeld werden im Labor mit chemischen Verfahren nach Fingerabdruckspuren untersucht. Eines der wichtigsten ist das NPB-Ninhydrin-Petrol-Benzin-Verfahren. Hierbei wird das Beweismittel in eine Lösung aus Ninhydrin, Ethanol und Petroleum-Benzin getaucht. Die im Schweiß enthaltenen Aminosäuren reagieren auf den Eiweißfärbestoff Ninhydrin mit einer violett-blauen bis roten Verfärbung. Besonders Fingerabdrücke auf Papier, Pappen oder Tapeten lassen sich mit diesem Verfahren noch nach Jahren nachweisen, da der eingetrocknete Schweiß den Abdruck 'konserviert' hat.[16] Sperling und Fuchs machen an dieser Stelle deutlich, dass eine einmal falsch angewandte Spurensicherungsmethode zur Zerstörung der Spur führen kann und unterstreichen damit nochmals den Anspruch dieser Arbeit (vgl. Sperling/Fuchs 1994).

Nachdem die Fingerabdrücke sichtbar gemacht worden sind werden diese maßstabsgetreu abfotografiert. Die entstandenen Fotos werden anschließend zur Weiterverarbeitung an die zuständigen Ämter weitergeleitet und dort in das AFIS eingescannt und bearbeitet. Anhand der Grundmuster und Merkmale der Fingerabdrücke können nun Täterprofile erstellt und Beweise gesichert werden (vgl. Ochott 1992). Das Computerprogramm kann am Ende den neuen, digitalisierten Fingerabdruck mit sämtlichen verfügbaren Abdrücken vergleichen. Sollte ein 'Match' tatsächlich gefunden, die Person identifiziert und verhaftet werden können, so hat der Staatsanwalt eine '1:1 Milliarde Argument' gegen den Tatverdächtigen.

8 Schlussbetrachtung

Obwohl in neuerer Zeit, besonders durch die Diskussionen um den genetischen Fingerabdruck, die Daktyloskopie eher ein Schattendasein in der öffentlichen Berichterstattung spielt, ist die Suche nach Fingerabdrücken, deren Auswertung und Klassifizierung innerhalb der Kriminalistik bis heute eine der wichtigsten Aufgaben bei der Aufklärung von Verbrechen. Immer noch spielt die Beweisführung mittels der Fingerabdruck-Spurensicherungen eine tragende Rolle in den heutigen Strafverfahren. Das die Arbeit der Daktyloskopen nichts gemeinsam mit der Vorstellung von Kriminalbuchautoren hat, zeigen die Ausführungen der Grundsätze und Aufgaben, aber vor allem des Identifizierungsprozesses. Diese Tätigkeit setzt Kenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen, sowie praktische Fähigkeiten und vor allem Geduld voraus.

Die verschiedenen Fingerabdruck-Datenbanken die seit über 100 Jahren in vielen Ländern der Welt geführt werden zeigen das Bestreben der Kriminalisten, durch eine Dokumentation und Auswertung dieser Spuren schneller, effizienter und grenzüberschreitend Kriminalität zu bekämpfen. Gerade letzter Punkt wird besonders deutlich, wenn man sich die Kriminalitätsentwicklung der letzten Jahre ansieht. Mit den Grenzöffnungen, besonders in Europa, muss sich die Polizei neuen Formen der internationalen Kriminalität stellen (vgl. Kaiser 1997). Auch die terroristischen Anschläge in New York und Washington 2001, geben Hinweise auf neue, gesteigerte Formen der Kriminalität. Durch eine intensive Zusammenarbeit der Polizei in verschiedenen Ländern und den Austausch u.a. dieser Datenbanken, das Angleichen der Kategorisierungen und die Form der Dokumentation, kann die Kriminalität auch in Zukunft und mit den 'alten Methoden' wie der Daktyloskopie, erfolgreicher bekämpft werden.

9 Literatur

Burghard, W. (u.a.) (1986): Kriminalistik-Lexikon. 2. Auflage. Heidelberg

Cole, S. (2000): The myths of fingerprint. In: Lingua Franca. 10.JG. Heft 8. S.1ff

Groß, H.; Geerds, F. (1977): Handbuch der Kriminalistik. Band 1. 10. Auflage. Berlin

Burghard, W. (1991): Einführung in die Kriminalistik. In: Burghard, W.; Hamacher, H.-W. (Hrsg.): Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik. Nr. 1. Hilden. S.2-23

Faulds, H. (1880): On the skin furrows of the hand. In: Nature. 22.JG. S.605ff

Funke, R. (1997): Genetischer Fingerabdruck wird neu geregelt. In: Recht. Heft 1. S.12-13

Groß, A. (2000): Forensische Chemie. Bisher unveröffentlichtes Manuskript

Herschel, W. J. (1881): Skin farrows of the hand. In: Nature. 23.JG. S.76ff

Kaiser, G. (1997): Kriminologie. Eine Einführung in die Grundlagen. 10., völlig neubearbeitete Auflage. Heidelberg

Kaye, B. H. (1997): Mit der Wissenschaft auf Verbrecherjagd. Weinheim

Koch, K.-F. (u.a.) (1995): Von Sherlock Holmes zu Robocop? Aktuelle Methoden der Kriminaltechnik und Kriminalistik. In: Kriminalistik. 49.JG. Heft 1. S.2-11

Kube, E. (u.a.) (1992): Kriminalistik. Handbuch für Praxis und Wissenschaft. Band 1. Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar

Mallach, H. J. (1996): Geschichte der Gerichtlichen Medizin im deutschsprachigen Raum. Lübeck

Marschall, R. (1999): Wenn Tote 'reden'. In: Unterricht und Bildung. 23.JG. Heft 246. S.48-50

Ochott, G. (1992): Identifizierung durch Daktyloskopie. In: Kube, E. (u.a.) (1992): Kriminalistik. Handbuch für Praxis und Wissenschaft. Band 1. Stuttgart/München/Hannover/Berlin/Weimar. S.763-794

Schwind, H.-D. (1998): Kriminologie. Eine praxisorientierte Einführung mit Beispielen. 9., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Heidelberg

Smith, S. (1951): The history and development of forensic medicine. In: British Medicine Journal. 1.JG. S.599-607

Sperling, D.; Fuchs, M. (1994): Erkennungsdienst – Daktyloskopie. In: Burghard, W.; Hamacher, H.-W. (Hrsg.): Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik. Nr. 6. Hilden. S.3-44

Weihmann, R. (1997a): Spurenkunde. Teil I. In: Burghard, W.; Hamacher, H.-W. (Hrsg.): Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik. Nr. 23. Hilden. S.3-76

Weihmann, R. (1997b): Spurenkunde. Teil II. In: Burghard, W.; Hamacher, H.-W. (Hrsg.): Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik. Nr. 23. Hilden. S.9-95

Wolter, J. (1988): Heimliche und automatisierte Informationseingriffe wider Datengrundrechtsschutz. In: Goltdammer's Archiv für Strafrecht. 135.JG. S.49-90

[...]


[1] Die Rechtsmedizin wird als die Anwendung medizinischer Kenntnisse für Zwecke der Rechtspflege definiert (vgl. Mallach 1996). Diese Definition zeigt die Verbindung zur Kriminalistik, die auch Teil der Rechtspflege ist, auf.

[2] Dieses ist die erste Gesetzesgrundlage für das gesamte Deutsche Reich.

[3] Hierbei sollte auf den Unterschied zwischen Kriminologie und Kriminalistik hingewiesen werden, da diese gerne, mitunter auch in der Presse, verwechselt werden (vgl. Schwind 1998). Zwar haben beide etwas mit dem Verbrechen zu tun (lat. 'crimen'), jedoch versucht der Kriminologe das Kriminellwerden zu erklären, wobei sich der Kriminalist primär mit der Aufklärung von Delikten beschäftigt (vgl. Kaiser 1997). Kube u.a. subsumieren die Kriminalistik unter die Kriminologie und die Rechtsmedizin (vgl. Kube u.a. 1992).

[4] Die Rasterfahndung wurde bei der Terrorismusbekämpfung in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt. Diese Kriminaltaktik beruhte auf der Einsicht, dass Terroristen z.B. ihre Stromrechnungen bar bezahlten, da sie i.d.R. keine Bankverbindung hatten. Die Polizei konnte mit dieser Erkenntnis Personenstammdaten der Stromunternehmen und Banken auf dieses Merkmal hin auswerten (also ein Raster 'anlegen'). Alle gemeldeten Stromkunden mit Bankverbindung waren somit auszuschließen.

[5] Um dem Leser einen Einblick zu geben, sind hier nur einige dieser Methoden erwähnt: Tatortarbeit, Spurenlehre, Identifizierung durch Vergleich von Körpermerkmalen (insbesondere anhand von Lichtbildern), Handschriftenanalyse, Stimmerkennung, Serologie, Schussspurenuntersuchungen, Sprengstoffanalyse, Werkstofftechnik, Beweislehre, Observation. Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden (vgl. Kube u.a. 1992).

[6] An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, dass es sich bei dem 'genetischen Fingerabdruck' nur umgangssprachlich um einen Fingerabdruck handelt. Als Grundlage dient hier die charakteristische und unverwechselbare Sequenz der DNA – der Erbanlagen eines jeden Menschen – die sich in jeder Zelle des menschlichen Körpers befindet. Wegen der geringen Wahrscheinlichkeit eine DNA Sequenz zwei- oder mehrmals zu finden (1:50 Milliarden. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Fingerabdrücke identisch sind liegt dagegen bei 1:1 Milliarde) wird diese erst junge Errungenschaft der Kriminalistik auch als Fingerabdruck bezeichnet. Die Tatort-Spuren sind hier aber keine Fingerabdrücke, sondern z.B. Blut, Haut oder Haare (vgl. Groß 2000, S.22ff).

[7] Selbst die DNA-Analyse, also der sogenannte genetische Fingerabdruck, die erst seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts praktiziert wird, ist, besonders juristisch, umstritten (vgl. Funke 1997).

[8] Im Ursprung entstammt das Wort 'Spur' der altgermanischen Sprache und bedeutet 'Fußabdruck' (vgl. Weihmann 1997a).

[9] Diese Bezeichnung geht auf den oben erwähnten Henry Faulds zurück.

[10] Koch u.a. beschreiben den Prozess der Archivierung und Dokumentation wie folgt: "(...) daktyloskopische Tatortspuren werden in einer Einleseeinheit über ein optisches System digitalisiert, wobei die daktyloskopischen Merkmale automatisch erkannt und markiert werden. Spezielle Coder verformeln die gewonnenen Daten, und Rechercheeinheiten vergleichen den Neuzugang mit dem gespeicherten Bestand." (Koch u.a. 1995, S.7f).

[11] Es sollte an dieser Stelle auf die Probleme einer ausufernden Staatskontrolle hingewiesen werden. Das beschriebene System wurde 1992 in das 'AFIS-Verbrechensbekämpfung' und das 'AFIS-Asyl' geteilt. Von allen Asylbewerbern in Deutschland wird seither ein Fingerabdruck erstellt und dieser in das System eingegeben. Kaiser macht an dieser Stelle auf die moralischen und rechtlichen Probleme solcher Datenbanken aufmerksam (vgl. Kaiser 1997).

[12] Diese Tatsache markiert einen wichtigen Unterschied zum 'genetischen Fingerabdruck'. Dieser ist bei eineiigen Zwillingen identisch.

[13] Nur beiläufig kann an dieser Stelle angeführt werden, dass bei Menschenaffen ähnliche Tatsache gilt.

[14] Folgende Grafiken sind entnommen aus: Burghard 1986.

[15] Der daktyloskopische Identitätsnachweis gilt vor Gericht dann als erbracht, wenn "im Vergleichsmaterial mindestens 12 anatomische Merkmale in ihrer Form und Lage zueinander übereinstimmten." (Sperling/Fuchs 1994, S.40).

[16] Andere chemische Verfahren arbeiten grundsätzlich nach derselben Methode.

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Details

Titel
Fingerabdrücke als Beweismittel? Die Daktyloskopie als kriminaltechnische Methode
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V107873
ISBN (eBook)
9783668382404
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Daktyloskopie, kriminaltechnik, fingerabdrücke
Arbeit zitieren
Marc Coester (Autor:in), 2002, Fingerabdrücke als Beweismittel? Die Daktyloskopie als kriminaltechnische Methode, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107873

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