Motivation und Widerstände bei der Erschließung Indochinas durch Frankreich


Seminararbeit, 2002

16 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Aktivitäten vor dem Zweiten Kaiserreich

III. Französische Aktivitäten unter Napoleon

IV. Die ersten Jahre der Dritten Republik

V. Die Dupuis-Affäre

VI. Aktionen ab
VI.1 Das erste Kabinett de Freycinet
VI.2 Das zweite Kabinett de Freycinet
VI.3 Das Kabinett Duclerc
VI.4 Das zweite Kabinett Ferry

VII. Schlußbetrachtung

VIII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Im Jahre 1885 vollendete Frankreich die Annexion Vietnams, d. h. der drei Gebiete Annam, Cochinchina und Tonking. Erste ernstzunehmende Versuche, in Indochina Fuß zu fassen, wurden bereits 1859 mit der Eroberung Saigons unternommen. Trotzdem vergingen 26 Jahre, bis das Ziel, Vietnam bzw. einen signifikanten Teil Indochinas unter Frankreichs Herrschaft zu stellen, erreicht wurde.

Der Autor versucht in dieser Abhandlung, zu erklären, wie es Frankreich gelang und warum es so zögerlich handelte.

Ein großes Hindernis zur schnellen Erschließung Indochinas war die labile innenpolitische Lage im Mutterland. Von 1851 bis zum Ende des Deutsch-Französischen Krieges herrschte Napoleon III. über Frankreich. Anschließend begann die Zeit der Dritten Republik, die geprägt war von vielen instabilen Kabinetten, die aufgrund der schwierigen innenpolitischen Lage sehr zögerlich und zum Teil sogar konfus handelten.

Es ist das Ziel dieser Abhandlung, die Pläne und Vorgehensweise der einzelnen Kabinette darzulegen und auf die jeweilige Opposition im Mutterland einzugehen, sofern es die Fachliteratur erlaubt.

II. Aktivitäten vor dem Zweiten Kaiserreich:

Bereits im 17.Jahrhundert befanden sich französische Missionare in Indochina. Mit päpstlichen Auftrag begannen sie, die Einwohner von Cochinchina, Tonking und Kambodscha zu christianisieren. Ihre Aktivitäten gipfelten in der Gründung der „Compagnie de Chine“, einer der damals aufkommenden Kolonialgesellschaften. Nachdem Indien für Frankreich im 18. Jahrhundert an England verloren ging, richtete sich das Hauptaugenmerk der Regierung nach Indochina, da man diese Halbinsel als angemessenen Ersatz für den Verlust sah. Die Missionare begannen, dabei sei der apostolische Vikar Pierre Pigneau hervorgehoben, neben ihren religiösen Aufgaben immer mehr, politisch in Vietnam aktiv zu werden. Unter Pigneaus Anweisungen wurden Festungen gebaut und die Streitkräfte modernisiert. Dessen Aktivitäten brachten Frankreich die erste offizielle Besitzung, die Insel Paolo Condor, ein, die fortan als Flottenstützpunkt diente. Pigneau wurde später als „Initiator der französischen Politik in Indochina“ bezeichnet.[1]

Die französische Revolution und deren Folgen verhinderten ein weiteres Engagement Frankreichs in Indochina .

1825-33 wurde in Vietnam das Christentum verboten und in den folgenden Jahrzehnten wurden Tausende Opfer von religiösen Verfolgungen.[2] Die Missionare ersuchten Hilfe bei der französischen Regierung und erst Napoleon III. entschied sich, den Gesuchen nachzukommen.

III. Französische Aktivitäten unter Napoleon III.

1852 wandten sich die katholischen Missionare mit einem Appell direkt an den Kaiser. Die labile Lage des Kaiserreiches erlaubte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch kein Eingreifen. Befürworter einer Intervention jedoch machten erstmals auf die Gelegenheit aufmerksam, über Vietnam Zugang zu der reichen Provinz Yünnan im Südwesten Chinas zu bekommen. 1858 erhielt Admiral Rigault de Genouilly von Napoleon III. den Befehl, den Christen zu Hilfe zu eilen und einen Protektoratsvertrag zu erzwingen.[3]

Ein erster Landungsversuch bei Tourane scheiterte, aber im darauffolgenden Frühling gelang es Saigon und die umliegenden Provinzen in Cochinchina zu erobern. 1862 sah sich der vietnamesische Kaiser Tu-Duc gezwungen, im Vertrag von Saigon die französische Herrschaft über die südliche Provinz anzuerkennen.

Der Schutz der Missionare mag als Legitimation für die Eroberung Cochinchinas herhalten, aber diese Motivation geriet schnell in den Hintergrund. Der Zugang zu den chinesischen Waren aus Yünnan wurde zum eigentlichen Ziel der französischen Politik in Indochina..

Man zeigte sich besorgt darüber, daß England sich ebenfalls um diese Waren bemühte. Seit längerem war bekannt, daß englische Kaufleute ihr Ziel über den Yangtsekiang zustrebten. Es war daher das Ziel, die chinesischen Waren über den Mekong nach Saigon zu verschiffen und sie von dort zu exportieren. Zu diesen Waren zählten unter anderem Seide, Tee, Zinn, Gold und Kupfer. Besonders die Lyonner Seidenindustrie hoffte auf Rohstofflieferungen aus China.

Nachdem bereits die Mündung und der wichtige Hafen Saigon in französischer Hand war, war es das Ziel, auch den Mittellauf des Mekongs unter Kontrolle zu bekommen und ihn dadurch englischem Zugriff zu entziehen. Der Mekong fließt durch das benachbarte Königreich Kambodscha. Seit Jahrzehnten versuchte Siam, Kontrolle über das Land zu gewinnen. Da Siam aber unter dem Einfluß Englands stand, befürchtete man in Paris, daß a) die Vormachtstellung Frankreichs in Indochina gefährdet würde und b) der Zugang nach Yünnan blockiert werden würde.[4]

Ein Kommando der Marine eroberte 1863 den Königspalast in Phnom Penh und am 11. November des Jahres wurde ein Vertrag unterzeichnet, der Kambodscha offiziell Frankreich als Protektoratsmacht anerkannte.

Eine Frage blieb allerdings noch offen. War der Mekong überhaupt schiffbar und wo verlief er? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, initiierte die Marineführung in Saigon eine Expedition, die das Mekong-Tal erforschen sollte. Finanziert wurde diese von der „Sociéte de Géographie de Paris“. Am 5. Juni 1866 brach diese Expedition unter der Leitung von Leutnant Garnier von Saigon aus auf. Dieses Unternehmen, eines der größten des 19. Jahrhunderts, brachte negative Erkenntnisse. Der Mekong war unschiffbar und damit für den Warentransport aus China ungeeignet. Allerdings wurde dadurch die Vermutung geweckt, daß womöglich der Rote Fluß für den Handelsverkehr genutzt werden könnte. Dieser verlief durch Tonking. Diese Tatsache und diejenige, daß diese Provinz an China grenzte, waren die Hauptgründe dafür, daß Frankreich sein Augenmerk auf die Nordprovinz Vietnams richtete..

Unter der Herrschaft Napoleons III. blieben aber Aktionen, den französischen Einfluß auf Nordvietnam auszudehnen, aus. Hauptverantwortlich war das mexikanische Abenteuer, das in einem Fiasko für Frankreich endete, und der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71, der in einem Debakel endete und zur Abdankung des Kaisers führte.

IV. Die ersten Jahre der Dritten Republik

Die ersten drei Jahre nach dem verlorenen Krieg waren außenpolitisch von Inaktivität geprägt. Das Land war isoliert und die Bevölkerung, sowie die Regierung wurden von dem politischen Ziel der Revanche geleitet.

Extrem nationalistische Kräfte unter der Führung von Gambetta forderten vehement eine Zurückgewinnung von Elsaß-Lothringen, zur Not auch durch einen erneuten Waffengang, wobei dieser „Notfall“ durchaus gern gesehen war. Zudem spitzte sich der Gegensatz zwischen Republikanern und Monarchisten immer mehr zu, bis Frankreich am Rande eines Bürgerkrieges stand. In Paris herrschte bereits das Chaos zu Zeiten der Kommune. Ein liberaler Katholik bemerkte dazu: „It is not Prussia that we must make war, it is against ourselves." [5]

Es gab aber auch Gruppierungen, die eine Expansion in Übersee forderten. Die Leitfigur dieser Bewegung war Paul Leroy-Beaulieu. Als Zeitungsredakteur hatte er einigen Einfluß auf die Öffentlichkeit und sein Buch „De la Colonisation chez les Peuples Modernes“ wurde 1874 preisgekrönt.

Leroy-Beaulieu nannte zwei Vorteile einer kolonialen Expansion: durch Emigration würden soziale Mißstände in der Republik beseitigt und durch die Schaffung neuer Absatzmärkte würde die Überproduktion abgebaut, sowie die Profitrate gesteigert. Für ihn war die Revanche eine zwar verständliche, aber für das Land gefährliche Idee. Frankreich war seiner Meinung nach in einem Krieg, den anderen europäischen Großmächten nicht gewachsen und müsse versuchen, seinen Großmachtstatus in Übersee wiederzuerlangen.[6] Allerdings blieben seine Vorschläge und Ideen in diesem Jahrzehnt ungehört.

Bedingt durch die Inaktivität Paris‘, sah sich die Kolonialregierung Cochinchinas unter der Führung von Admiral Dupré, gezwungen, eigenmächtig zu handeln. Die Tongking-Frage wurde dringender, da bekannt wurde, daß England versuchte, eine Handelsweg von Indien und Burma nach Südwestchina zu etablieren. Um den Engländern zuvorzukommen, forderte die Kaufmannschaft in Marseille, Bordeaux und Lyon, den Roten Fluß, sein Delta, sowie mehrere Häfen in Tongking in französische Hand zu bringen. Dupré bemerkte dazu, daß ein Vordringen nach Tongking „eine Frage von Leben und Tod für die Zukunft unserer Herrschaft im Fernen Osten“ sei.[7]

Unterstützung bekam Dupré von dem Kaufmann und Abenteuer Dupuis, mit dem er 1873 zusammentraf. Dupuis galt als einer der größten Verfechter einer Annexion Tongkings. Die Zusammenarbeit zwischen ihm und der Kolonialregierung in Saigon sorgte für einen Skandal, der in Indochina, sowie in Frankreich für Aufsehen sorgte. Deshalb soll dieser Affäre ein gesondertes Kapitel gewidmet werden.

V. Die Dupuis-Affäre

Die Dupuis-Affäre beschäftigte rund 10 Jahre lang die Kolonialregierung, verschiedene Kabinette in Paris sowie die breite Öffentlichkeit. Dupuis, der erhoffte, persönlichen Gewinn in Indochina zu erzielen, war durchaus mitverantwortlich dafür, daß sich Paris mehr in die Kolonialpolitik involvierte, nachdem sich die verschiedenen Kabinette hauptsächlich um Kontinentalpolitik gekümmert hat. Deshalb sieht sich der Autor veranlaßt, dieser Affäre ein ausführliches Kapitel zu widmen.

Seit 1872 schmuggelte Dupuis Waffen nach Yünnan, wo er sie an chinesische Militärs verkaufte und Zinn erwarb. Dabei benutzte er den Roten Fluß als Handelsweg.

Dupré weigerte sich erst, mit Dupuis zusammenzuarbeiten, da es das vorrangige Ziel des Gouverneurs war, die französische Herrschaft durch einen neuen Vertrag mit Hué zu konsolidieren. Durch den Abenteurer Dupuis wurde ungewollte Aufmerksamkeit von konkurrierenden Handelszentren(z.B. Shanghai und Hongkong) auf Tongking gelenkt.

Der Kaiserhof in Hué zeigte sich über dessen Aktivitäten empört und setzte Dupuis in Hanoi fest. Dieser sandte daraufhin Ernest Millot mit einem Hilfegesuch nach Saigon.[8]

Der eigentliche Grund, warum Dupuis in Hanoi aufgehalten wurde, waren ausstehende Löhne und Sold in Höhe von 30 000 mexikanischen Piastern. Dupré sah sich nun veranlasst, den Kaufmann zu unterstützen, um zu verhindern, dass ausländische Kreditgeber Dupuis zu Hilfe eilten und dadurch Einfluß in Tongking erlangten.

Am 25. Juli 1873 wurde ein entsprechender Vertrag in Saigon unterzeichnet. Dupré nahm eine Anleihe bei der „Hong-Kong and Shanghai Banking Corporation“ mittels einer Bürgschaft der Kolonie, auf. Dupuis verzichtete im Gegenzug auf eine Entschädigung von Hué.

Dupuis war bereits bei deutschen, chinesischen und englischen Bankhäusern verschuldet. Dadurch sah der Gouverneur die Gefahr einer englischen Intervention in Tongking.

Diese Affäre, zusammen mit dem Vorhaben, durch einen Vertrag die formale Abtretung Cochinchinas zu erreichen, brachten Dupré zu der Überzeugung, daß der Kaiser Tu-Duc nur durch eine Expedition zu einer Unterzeichnung gezwungen werden konnte. Etwaige Anfragen wurden allerdings von Paris abgelehnt, da man außenpolitische Komplikationen befürchtete.

Währenddessen hatte Dupuis‘ Privatarmee einen Teil Hanois inklusive der Zitadelle erobert. Der Kaiserhof forderte nun vehement die Beseitigung von Dupuis.

Dupré sah daraufhin die Gelegenheit gekommen, in Tongking einzumarschieren und unter dem Vorwand, Dupuis zu inhaftieren, Hanoi und das Delta des Roten Flusses zu besetzen, zumal bekannt wurde, daß England begonnen hatte, eine Eisenbahnlinie von Kalkutta über Rangoon nach China zu bauen.[9]

Paris legte jedoch sein Veto ein. Das Land war immer noch von der Revanche besessen und die Regierung konzentrierte sich auf die Kontinentalpolitik. Hier war erstmals die Rivalität zwischen Außen- und Marineministerium zu bemerken.

Das Außenministerium beanspruchte die Verantwortung für Indochina für sich mit der Begründung, daß es für alle Aktivitäten außerhalb Frankreichs zuständig war. Das Marineministerium wiederum vertrat die Meinung, daß Vietnam in sein Ressort fiel, da Cochinchina unter Militärverwaltung stand, was sich darin äußert, daß der Gouverneur den Rank eines Admirals innehatte. Zudem waren es Marinetruppen, die Saigon und den Rest Cochinchinas okkupierten.

Die Anfrage Duprés, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen wurde von dem antikolonial eingestellten Außenminister de Broglie abgelehnt. Allerdings vermied es der Marineminister Dompierre, dessen Absage nach Saigon zu übermitteln und befürwortete wiederum Duprés Plan.

Am 11. Oktober 1873 entsandte der Gouverneur Garnier mit 100 Marinesoldaten nach Tongking. Dort angekommen, ermöglichte es Garnier Dupuis, nach Yünnan weiterzureisen und eroberte binnen weniger Tage die Deltaprovinzen, was im krassen Widerspruch zu den Instruktionen aus Paris stand.

Der „Inspecteur des affaires indigénes“ in Cochinchina, Philastre wurde zwei Monate später von de Broglie nach Hué entsandt, um den Abzug der französischen Truppen aus Tongking, die Ausweisung Dupuis, sowie die Unterzeichnung eines neuen Vertrages durchzusetzen. Infolgedessen warfen expansionistische Kreise in Paris und Saigon Philastre Verrat an den französischen Interessen vor und machten ihn zum Sündenbock für die Verfehlungen Dupuis und Garniers.

Jean Dupuis forderte von Hué und der Kolonialregierung Schadenersatz in Höhe von 920 000 mexikanischen Piastern für den Verlust, den er erlitt, als er von annamitischen Kräften in Hanoi festgehalten wurde. Unterstützung erhielt er durch Leutnant Garnier, der vorschlug, daß Dupuis nur einen Teil der Summe ausgezahlt bekommen sollte und die Konzession erhalten sollte, sämtliche Kohle-Minen in Thai Nguyen 25 Jahre lang auszubeuten. Dabei handelte Garnier entgegen der Weisung seines Vorgesetzten Dupré, was darauf schließen läßt, daß er, wie Dupuis, daraufhin arbeitete, die Minen in Tongking zu erschließen und zwar aus rein persönlichem Gewinnstreben.

Sowohl Dupré als auch seine Nachfolger lehnten diese Forderungen kategorisch ab.

Im Sommer 1874 ließ Dupuis in Paris beim Marineministerium vorsprechen, um eine weitere Bürgschaft zu erlangen, was dieses ebenfalls ablehnte und auf die Verantwortlichkeit der Kolonialregierung hinwies. Derweil sprach der deutsche Generalkonsul in Saigon bei Gouverneur vor, mit dem Ziel, Saigon zu einer Entschädigungszahlung zu bewegen.. Als Dupuis ein Jahr früher Dupré um finanzielle Unterstützung ersuchte, gab er an, daß er bereits bei englischen und chinesischen Banken verschuldet war. Er unterließ es jedoch, zu erwähnen, daß er ebenfalls bei der deutschen Firma „Telge und Nölting“ in Schanghai verschuldet war. Aufgrund der Tatsache, daß Dupré dem Kaufmann mit einer Bürgschaft der Kolonie aushalf, bestand nun die Gefahr, daß Deutschland Einfluß in Indochina gewann.. Die Bemühungen des Konsuls blieben aber erfolglos.

Im Jahre 1875 versuchte Dupuis, mit Unterstützung Duprés, die französische Regierung zweimal von seinem Standpunkt zu überzeugen, daß ihm eine finanzielle Entschädigung, sowie die Schürfrechte über die Minen in Tongking zustehe. Sowohl das Marineministerium als auch der Präsident der Republik lehnten seinen Antrag ab. Daraufhin richtete Dupuis 1876 eine Petition an die Assemblée Nationale in der Hoffnung, Presse und Bevölkerung auf seine Seite zu bekommen.

Dabei warf er der Lokalregierung vor, mitschuldig an seinen Verlusten zu sein. Obwohl diese geneigt war, Dupuis als Abenteurer abzustempeln und ihn aus Vietnam zu vertreiben, mußte sie vorsichtig agieren, da sie ihn benutzt hatten, um Einfluß in Tongking zu erlangen und sich dadurch selbst kompromittieren würden, zumal die Militäraktion in Tongking ohne Einverständnis von Paris unternommen wurde.

Admiral Duperre, 1876 Gouverneur von Saigon, ein erklärter Gegner Dupuis, sowie die Kolonialverwaltung. warfen ihm Verbreitung von Falschmeldungen vor und gaben an, daß Dupuis‘ zeitweilige Eroberung Hanois völkerrechtlich als Piraterie gelte.

Das Marineministerium sah einer öffentlichen Diskussion deshalb gelassen entgegen, während Finanz- und Wirtschaftskreise in Frankreich sich Dupuis‘ Sache annahmen. Sie spekulierten auf eine Beteiligung an den Minenkonzessionen, die er als Entschädigung forderte. U dieser Zeit war mittlerweile bekannt, daß es große Steinkohlevorkommen in Tongking gab. Es war noch nicht beschlossen, wer diese ausbeuten dürfe und deshalb war man daran interessiert, Dupuis zu unterstützen. Es war anzunehmen, daß, wenn er recht bekam, man bald daran gehen würde, auch die restlichen Minen zu verteilen. So wurde das Augenmerk der Industrie auf Tongking gelenkt.

Große Unterstützung erhielt Dupuis dabei durch Gambetta, der sich energisch für eine Annexion Tongkings einzusetzen begann und sich bemühte, Deputierte für diese Idee zu gewinnen. Mehrere enge Freunde Gambettas setzten sich für Dupuis ein, obwohl dieser behauptete, daß sich Gambetta nie um dessen Entschädigungsansprüche gekümmert hätte.

Die zuständige Petitionskommision erkannte zwar Dupuis’ Forderungen an, aber die Kolonialregierung sträubte sich immer noch, vor allem, weil die Kommission empfahl, etwaige Entschädigungszählungen Hués wenn nötig, mit militärischen Mitteln einzutreiben.

1879 kam Dupuis‘ Klage erneut auf die Tagesordnung. Die Fronten blieben aber weiterhin verhärtet. Die Regierung Waddington war zu einem Kompromiß bereit, da dieses Kabinett erstmals Bemühungen erkennen ließ, Frankreichs Einfluß in Vietnam zu festigen. Marineminister Jauréguiberry, Verfechter einer expansionistischen Politik, unterbreitete daraufhin ein Angebot, wonach Saigon und Hué jeweils die Hälfte der Entschädigungen zahlen sollten.

Selbst das erste Kabinett de Freycinet mußte sich mit der Affäre auseinandersetzen. Man war unschlüssig, wie man mit Dupuis‘ Forderungen umgehen sollte. Einerseits war erwiesen, daß er finanziellen Schaden erlitten hatte, andererseits hatte seine Bande Vietnam ebenfalls geschadet. Währenddessen startete Dupuis eine Pressekampagne, die ihn als Patriot und Pionier bei der Erschließung Tongkings erschienen ließ. Seit dem Tod Garniers behauptete Dupuis, daß er es war, der den Roten Fluß entdeckt hatte und nicht die Expedition, die den Mekong erforschte.

Eine Änderung der Ansichten gegenüber Dupuis‘ Forderungen trat mit dem Amtsantritt des ersten Kabinetts Ferry ein. Die Kammer verwies am 24. Februar 1881 seine Petition in die Zuständigkeit des Marineministeriums und da sie dort nicht verworfen wurde, setzte sich Ferry für sie ein.

Zugleich wurde Dupuis am 14. März von der “Académie de Sciences“ mit dem Delalande-Guérineau-Preis ausgezeichnet. Der derzeitige Saigoner Gouverneur Admiral Mouchez preiste ihn als „premier explorateur de Fleuve Rouge“[10]. Es muß erwähnt werden, daß diese Geographiegesellschaft für die Expansion eintrat. Außerdem begannen Dupuis‘ Hintermänner aus Wirtschaft, Kammer und Wissenschaft seine Klage mit einer Intervention in Tongking zu verknüpfen, was eine deutliche Trendwende in der öffentlichen Haltung repräsentierte.

Da Ferry eine Okkupation Tongkings in der nahen Zukunft plante, billigte er Dupuis‘ Petition. Er wurde mit Minenkonzessionen entschädigt und auf seinen Vorschlag hin, wurde Dupuis mit der Gründung einer rein französischen Kompagnie vertraut, die sich aus mächtigen Gruppierungen der Industrie zusammensetzen sollte. Diese soll, gleich einem Syndikat, in Tongking agieren und so den Einfluß anderer Handelshäuser (hauptsächlich aus Hongkong) unterbinden.

Dupuis hatte Erfolg mit seiner Pressekampagne und auch seine Hintermänner blieben nicht erfolglos. Mehrere Deputierte aus Frankreich und den Kolonien, Senatoren und hohe Funktionäre aus der Industrie setzten das zweite Kabinett de Freycinet unter großen Druck, die geplante Okkupation Tongkings zügig voranzutreiben.

Abschließend läßt sich sagen, daß es dem Wirken und der Hartnäckigkeit Jean Dupuis‘ zu einem großen Teil mit zu verdanken ist, daß die unentschlossene Haltung der französischen Regierungen bezüglich Vietnam und speziell Tongking, sich gewandelt hatte, als daß sie keine andere Wahl hatte, als dem großen öffentlichen Druck nachzugeben und entschlossen zu handeln.[11]

VI. Aktionen ab 1880

1880 hatte sich die Dritte Republik endlich gefestigt und die jeweiligen Regierungen begannen, zielstrebig die Annexion Indochinas in Angriff zu nehmen.

VI.1 Das erste Kabinett de Freycinet

Immer noch beschäftigte die Dupuis-Affäre die Öffentlichkeit. Dieser nutzte intensiv die Pariser Presse, um für seine Sache zu werben.

Zu den Leitfiguren des pro-kolonialen Lagers gehörte auch Paul Leroy-Beaulieu. Nachdem Frankreich sich nach dem verlorenen Krieg endlich konsolidiert hatte, sei es überlebenswichtig, neue Kolonien zu erwerben bzw. die bestehenden auszubauen. Dabei galt sein Hauptaugenmerk Indochina. Seiner Meinung nach sollten Annam und Cochinchina als Absatzmärkte für die heimische Industrie dienen, während Tongking nur wegen den zu auszubeutenden Minen interessant sei. Dabei pries er Garnier und Dupuis als Pioniere, da diese den Reichtum Tongkings entdeckt hatten.

Währenddessen bekamen die Geographiegesellschaften in Frankreich einen großen Zulauf. So stieg die Mitgliederzahl der Pariser Vereinigung in der Zeit von 1875 bis 1881 von 600 auf 2000.[12] Die Mitglieder kamen hauptsächlich aus der Politik und Industrie und setzten sich vehement für eine koloniale Expansion ein.

Mehrere große Pariser Zeitungen, darunter die „Temps“, sowie die „La France“ forderten die Besetzung Tongkings. Da England sich vergeblich bemühe, eine Handelsroute über Burma nach Yünnan zu errichten, habe Frankreich mit dieser Provinz die Möglichkeit, alleinigen Zugang zu den südchinesischen Waren zu erlangen.[13]

Die Regierung sah sich dadurch genötigt, zu handeln. Allerdings war man sich bei der Vorgehensweise uneins. Der Marineminister Jauréguiberry empfahl eine drastische militärische Aktion. 1500 Soldaten sowie 6 Schiffe sollten Tongking erobern und den Kaiserhof somit dazu zwingen, Frankreichs Oberherrschaft zu akzeptieren. De Freycinet dagegen schlug eine behutsamere Vorgehensweise vor. Zwar sollten französische Truppen eingesetzt werden, jedoch sollten sie als Schutztruppe gegen Gefahren von außen von Hué akzeptiert werden. Damit wollte man Englands Beispiel einer kolonialen Expansion folgen und China, das traditionell einen Anspruch auf Vietnam innehat, vor vollendete Tatsachen stellen.

Am 5. Februar 1880 ordnete de Freycinet, ohne Zustimmung des Ministerrats, die Entsendung der Truppen an. Der Marineminister wiederum änderte seine Meinung und weigerte sich, ohne Zustimmung des Rates, in Tongking einzumarschieren, da er einen Konflikt mit China befürchtete. Dies brachte de Freycinet zur Einsicht und er widerrief seine Anordnung.[14]

Im Juli desselben Jahres ordnete de Freycinet das Marineministerium jedoch an, eine Okkupation vorzubereiten. Mittlerweile hatte der deutsche Einfluß in Cochinchina zugenommen, da mehrere deutsche Handelshäuser dort aktiv waren und ein Generalkonsul sich bereits in Saigon niedergelassen hatte. In Paris ging bereits eine Anfrage aus Berlin ein, einen Konsul nach Tongking entsenden zu dürfen. Durch eine schnelle Okkupation wollte man verhindern, daß Tongking in deutsche Hände geriet.

Das Marineministerium forderte bereits, die Verwaltung der Nordprovinz zu stellen, wie sie es bereits in Cochinchina tat. Allerdings scheiterte deren Vorstoß auf den Widerstand der Kammer und des Außenministeriums.

Aufgrund innenpolitischer Probleme trat das Kabinett jedoch zurück, bevor die Okkupationspläne verwirklicht werden konnten.

VI.2 Das zweite Kabinett de Freycinet

Die folgenden anderthalb Jahre verliefen relativ ereignislos, da sich die verschiedenen Kabinette nicht auf eine Vorgehensweise einigen konnten. Selbst das persönliche Vorsprechen des Gouverneurs de Viliers verlief ergebnislos.

Wenige Tage nach der Konstituierung sah sich das Kabinett einer energischen Anfrage nach einer schnellen Okkupation Tongkings durch de Viliers gegenüber. Dieser berichtete, daß Hué England die Errichtung eines Protektorats angeboten habe. Außerdem seien die Vorstellungen über die Größe der Kohlevorkommen in Tongking übertroffen worden. Zu der Zeit befand sich Edmond Fuchs in Tongking, um eine geologische Studie über die Rohstoffvorkommen zu erstellen.

Jauréguiberry autorisierte daraufhin de Viliers am 28. Februar 1882, Flottenkapitän Rivière nach Tongking zu entsenden. Dabei unterließ er es, de Freycinet zu informieren. Nachträglich wurde dies von dem Ministerpräsident gebilligt, unter der Auflage, keine Okkupation zu unternehmen.[15]

Am 25. April eroberte Riviére Hanoi unter Mißachtung von de Freycinets Anweisungen. Dabei ging er vor, wie schon Garnier zehn Jahre früher und eroberte auch die umliegenden Gebiete.[16]

Die Eroberung rief in Frankreich nur geringes Interesse hervor. Nur die Presse feierte sie als Beginn der Okkupation des Nordens.

Allerdings riefen die Ereignisse, bei denen laut britischen Zeitungsberichten 300 Vietnamesen starben, den Protest Chinas hervor, der jedoch vom französischen Außenministeriums zurückgewiesen wurde.[17]

Am 15. Juli überreichte Edmond Fuchs seinen Rapport, nach dem die Kohlevorkommen in Tonking mehrere Millionen Tonnen umfaßten. Sein Bericht rief großes Aufsehen in Frankreich hervor. Der Report wurde als Broschüre verbreitet und rief eine Euphorie in Geschäfts- und Industriekreisen hervor. In diesen Zeitraum fällt auch die Gründung des von Dupuis geleiteten Syndikats.

VI.3. Das Kabinett Duclerc

Die erste Zeit des Kabinetts war geprägt durch die Ägypten-Krise. Währenddessen waren militärische Aktionen in Tongking untersagt. Lange Zeit blieb die Regierung untätig und hatte keine weiteren Pläne für Indochina ausgearbeitet.

Deshalb wurde sie auch überrascht von dem Einmarsch von 30 000 chinesischen Soldaten in Nord-Tongking, da Hué China offiziell um Hilfe bei einem Aufstand gegen Frankreich gebeten hatte. Diese trafen auf keine Gegenwehr, da die französische Führung in Indochina paralysiert war. Das lag daran, daß die zwei wichtigsten Funktionäre, de Viliers und Bourée, Gesandter in Peking, keinen Kontakt untereinander hatten. Bourée war dem Außen- und de Viliers dem Kolonialministerium unterstellt. Einen Informationsaustausch oder gar Koordination fanden nicht statt!.[18] Erschwerend kam hinzu, daß die französische Regierung nicht in der Lage war, angemessen zu reagieren, da sie noch vollends beschäftigt war mit der Ägypten-Krise.

De Viliers schlug deshalb vor, eine neutrale Zone in Tongking zu bilden und eine gegen England gerichtete Allianz mit China einzugehen. Damit solle auch verhindert werden, daß Peking dem stärker werdenden Einfluß Deutschlands unterlag. Jauréguiberry hingegen wies diesen Vorschlag jedoch entschieden zurück, da von China keine Gefahr zu erwarten sei.

In Frankreich setzte im September 1882 eine lebhafte Diskussion ein, wobei sich Gambetta besonders hervortat. Die Presse forderte eine Expedition nach Tongking. Die Krise im Mittelmeer war mittlerweile mit negativen Ausgang für Frankreich, vorüber und man forderte als Revanche ein hartes Vorgehen in Indochina, um China und England in ihre Schranken zu verweisen. Es setzte ein antibritisch geprägtes Rivalitätsbewußtsein ein. Nachdem die Armee Tunesien okkupiert hatte, forderte die Marine ihre Expedition in Übersee.[19] Jauréguiberry forderte vehement eine Verstärkung der tongkinesischen Truppen, was am 21. Oktober 1882 vom Kabinett gebilligt wurde. De Viliers verstrickte sich in Widersprüche und forderte nur wenige Tage nach seinem Vorschlag, eine neutrale Zone zu errichten, einen Offensivkrieg gegen China, um Peking durch Bombardierungen und Eroberungen zum Einlenken zu zwingen.

Ohne auf genaue Instruktionen zu warten, gab er Riviere den Befehl, gegen die chinesischen Truppen vorzurücken. Dessen eigenmächtiges Handeln bewog Jauréguiberry, ihn abzusetzen, ohne auf die Erlaubnis des Ministerrats zu warten.

Wie zu ersehen, war die Regierungszeit Duclercs geprägt von Konfusion und Kompetenzstreitigkeiten.

Jauréguiberry versuchte in der Kammer eine Erhöhung der Truppen in Tongking durchzusetzen, scheiterte jedoch am Widerstand des Staatspräsidenten. Am 21. Dezember jedoch entsandte der Marineminister 700 Mann nach Indochina, ohne die Kammer zu informieren.[20]

Am 27. November 1882 jedoch kam es zur Umsetzung der Bourée-Konvention. Tongking wurde zwischen China und Frankreich aufgeteilt. Jauréguiberry trat daraufhin zurück, da er mit dieser Politik nicht einverstanden war.

VI.4 Das zweite Kabinett Ferry

Wenige Tage nach der Amtsübernahme durch Ferry wurde die Bourée-Konvention widerrufen und Bourée selber abgesetzt. Dessen Konvention rief eine heftige Diskussion in Frankreich hervor.

Die großbürgerlichen Kreise Frankreichs forderten im “Journal de Chambres de Commerce“: „Alle Gebiete Frankreichs sind an der Erschließung dieses großen Absatzmarktes (Tongking) interessiert...Marseille wegen seiner Reedereien, Lyon der Seide wegen, Bordeaux, Nantes und Le Havre wegen des Imports von Kolonialwaren...Wenn wir ernsthaft dazu beitragen wollen, die Wirtschaftskrise abzuwehren, brauchen wir den Roten Fluß als Handelsweg, d.h. wir brauchen ganz Tongking mit seinen 15 Millionen Einwohnern.“[21]

Bourée wurde vom Außenminister vorgeworfen, eigenmächtig und überstürzt gehandelt zu haben und die Haltung der französischen Diplomatie ignoriert zu haben.

Die Regierung gab an, daß die Konvention keine Gültigkeit habe, da sie von Peking nicht angenommen worden sei, außerdem gebe es keine Meldung über den Rückzug chinesischer Truppen, wie es die Konvention verlangte. Insgesamt informierte die Regierung Senat und Kammer lückenhaft und einseitig. Sie war demzufolge nicht an einem Ausgleich mit China interessiert..

Die Kontroverse spaltete die Öffentlichkeit in zwei Lager: ein expansionistisches und ein eher kontinental geprägtes Lager ohne koloniale Interessen.

Am 19. Mai 1883 fällt Riviére in Hanoi, was von Ferry ausgenutzt wurde, um vom Parlament einen Kredit zur Fortführung von Riviéres Aktion bewilligt zu bekommen. Er selbst telegraphierte den Truppen in Tongking: „Frankreich wird seine ruhmreichen Kinder rächen...“[22]

Daraufhin forderte das Marineministerium eine militärische Intervention in Annam und Tongking. Die „extréme-gauche“ wertete das als Verstoß gegen die republikanisch-demokratischen Prinzipien und wies die Regierung darauf hin, daß sie nicht ohne Parlamentsbeschluß einen Krieg beginnen dürfe. Challemel-Lacour beschwichtigte die Kammer damit, sie einzuberufen, sobald sich die Lage zuspitze, allerdings können militärische Operationen während der Parlamentsferien nicht gestoppt werden. So besaß die Regierung quasi uneingeschränkte Handlungsfreiheit.[23]

Am 20. August wurde die annamitische Festung Thuan An bombardiert und derart eingeschüchtert, unterzeichnete der vietnamesische Kaiser fünf Tage später einen Vertrag, wonach Gesamtvietnam formell französisches Protektorat wurde, Annam jedoch interne Souveränität zugesichert wurde.

Nachdem mehrere Ultimaten abgelaufen waren, die forderten, daß China seine Truppen aus Tongking zurückzieht, wurde im August der südchinesische Hafen Fu-Chon bombardiert. Diese, von der Regierung eigenmächtig beschlossene militärische Aktion rief eine heftige Diskussion hervor. Die „extréme-gauche“ protestierte beim Präsidenten gegen eine Kriegführung ohne Kriegserklärung und forderte, die Kammer einzuberufen.

Regierungsnahe Zeitungen feierten diese Aktion als Prestigeerfolg und forderten von der Kammer, Ferrys Politik zu unterstützen.. Der „Figaro“ hingegen warf Ferry vor, sich in ein Abenteuer gestürzt zu haben, obwohl kein Krieg notwendig war.[24]

Insgesamt läßt sich ersehen, daß Ferry zum Teil manipulierte Kreditbewilligungen und die Parlamentsferien nutzte, um militärische Operationen durchzuführen und das Parlament zu umgehen. Aus eben jenen Gründen wurde auch keine Kriegserklärung ausgesprochen und die Aktionen gegen China als Repressalien deklariert.[25]

Diese Vorgehensweise wurde jedoch von vielen Abgeordneten mißbilligt. Auch in den eigenen Reihen gab es großen Widerstand. Als am 28. März 1885 die Nachricht über eine vermeintlich vernichtende Niederlage in Tongking gegen chinesische Truppen Paris erreichte, wandte sich auch die Presse vollends gegen Ferry und stachelte die Bevölkerung gegen ihn auf. Zwei Tage später war er gezwungen, zurückzutreten.[26]

Wenige Tage später wurden die Feindseligkeiten eingestellt und am 9. Juni 1885 wurde ein Friedensvertrag unterzeichnet, der Chinas Einfluß in Vietnam beendete und damit Frankreich die alleinige Kontrolle überließ. Somit war die Annexion Vietnams faktisch beendet.

VII. Schlußbetrachtung

Wie zu ersehen, tat sich Frankreich schwer, Indochina unter seine Kontrolle zu bekommen. Nachdem es 1885 formal die Herrschaft übernommen hatte, waren die Probleme jedoch noch nicht ausgeräumt. Immer wieder kam es zu Aufständen der Bevölkerung.

Erst nach dem Ersten Weltkrieg gelang es der Kolonialmacht, Ruhe und Ordnung herzustellen, nur um im darauffolgenden Krieg die Kontrolle an Japan zu verlieren. Nach Ende des Zweiten Weltkrieg kehrten die Franzosen zurück. Ein Jahr später begann der „schmutzige Krieg“, der Indochina-Krieg, der mit der französischen Niederlage 1954 und der Unabhängigkeit von Laos, Kambodscha und Vietnam endete.

Interessant ist die Stimmung der Bevölkerung und Regierung in Frankreich. Nach dem Deutsch-französischen Krieg war das Interesse an Übersee sehr gering. Man beschränkte sich nur auf das Heimatland. Gegen 1880 änderte es sich dann abrupt. Dank Dupuis und seine Agitation wurde das Interesse der breiten Bevölkerung geweckt.

Erstaunlich ist die Tatsache, daß eine Person, Jean Dupuis, diese Wandlung vollzog, zumal er eine Person war, die das Volk polarisierte. Eine Gruppe sah ihn als großen Pionier, während andere ihn als dubiosen Abenteurer beschrieben, der nur den persönlichen Profit im Sinn hatte.

Insgesamt läßt sich sagen, daß die großen Fortschritte bei der Erschließung Indochinas zum großen Teil auf individuelle Handlungen zurückzuführen war. Dupuis handelte im eigenen Interesse und manipulierte die öffentliche Meinung. Die Kolonialregierung in Saigon nutzte die Kompetenzstreitigkeiten der einzelnen Ministerien aus und handelte oft eigenmächtig. Einzelne Ministerpräsidenten, dabei hauptsächlich Ferry, umgingen das Parlament und bewegten sich in einer verfassungsrechtlichen Grauzone, um ihre Kolonialpläne durchzusetzen.

Abschließend sei erwähnt, daß trotz zeitweiliger Apathie der Regierung und ständiger Kompetenzstreitigkeiten, die Erschließung Indochinas binnen 26 Jahren erstaunlich schnell gelang, jeweils vertritt der Autor diese Meinung. Im Vergleich zu Indien oder Amerika, ging die Annexion relativ zügig voran.

VIII Literaturverzeichnis

v. Albertini, R., Europäische Kolonialherrschaft 1880 – 1940, Zürich, 1974

Baumgart, W., Der Imperialismus. Idee und Wirklichkeit der englischen und französischen Kolonialexpansion 1880 – 1914, Wiesbaden, 1975

Brötel, D., Französischer Imperialismus in Vietnam. Die koloniale Expansion und die Errichtung des Protektorates Annam-Tongking 1880 – 1885, Zürich, 1971

Carroll, E.M., French public opinion and foreign affairs, 1870 – 1914, Hamden, 1964²

Fuchs, G., Henseke, H., Das französische Kolonialreich, Berlin, 1988

[...]


[1] Fuchs, G., Das französische Kolonialreich, Berlin, 1988, S.91f

[2] v. Albertini, Europäische Kolonialherrschaft 1180-1914, Zürich, S.160

[3] Fuchs, S.92ff

[4] Brötel, Französischer Imperialismus in Vietnam, Zürich, 1971, S.14f

[5] zitiert nach: Carrol, E.M., French public opinion and foreign affairs, Hambden 1964²

[6] Brötel, S.55f.

[7] Fuchs, S. 96

[8] Fuchs, S. 98

[9] Brötel, S. 18f

[10] zitiert nach: Brötel, S.49

[11] Brötel, S. 41ff.

[12] Brötel, S. 60

[13] Brötel, S. 58

[14] Brötel, 65ff

[15] Brötel, S. 93

[16] Fuchs, S. 99f

[17] Brötel, S. 96

[18] Brötel, S. 102f

[19] Brötel, S. 105

[20] Brötel, S. 113

[21] zitiert nach: Fuchs, S. 99

[22] zitiert nach: Fuchs, S. 100

[23] Brötel, S. 146

[24] Brötel, S. 278f

[25] ebd.

[26] Brötel, S. 300

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Motivation und Widerstände bei der Erschließung Indochinas durch Frankreich
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Europäischer Imperialismus 1880 - 1914/18
Note
2.3
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V107893
ISBN (eBook)
9783640061068
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Motivation, Widerstände, Erschließung, Indochinas, Frankreich, Europäischer, Imperialismus
Arbeit zitieren
Michael Hejna (Autor:in), 2002, Motivation und Widerstände bei der Erschließung Indochinas durch Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107893

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