1. Biographie Gottfried Kellers
1.1 Kindheit und Jugend
- geboren am 19.7.1819 in Zürich
- Vater Hans Rudolf Keller Drechslermeister starb 1824
- Mutter Elisabeth heiratete 1826 erneut
- unglückliche Ehe, die 1834 geschieden wurde
- „Jugendgeschichte“ im Grünen Heinrich liefert authentisches Bild seiner Kindheit
- verschweigt darin Schwester Regula
- 1825-1831 Armenschule
- 1831-1833 Landknabenschule
- ab 1833 kantonale Industrieschule
- wegen Schülerstreich im Juli 1834 verwiesen
1.2 Von der Malerei zur Literatur
- kurze Lehre beim Lithographen Peter Steiger
- entdeckte Begabung in der Malerei (spez. Landschaftsmalerei)
- Nov. 1837-März 1838 erhielt er Unterricht bei Kunstmaler Rudolf Meyer
- April 1840-Nov. 1842 Ausbildung zum Landschaftsmaler in München
- ergebnis- und erfolgloser Aufenthalt
- bis 1848 wohnt er bei Mutter
- hat keine konkreten Pläne für Zukunft
- keine Lust mehr zum Malen – versucht sich zufällig als Dichter
- politische Betätigung (polit. Tageslyrik, Gedichte)
- Beteiligung an Freischarenzügen gegen Luzern 1844/45
- Keller trat stolz als radikaler Demokrat auf
- 1845 erschienen im Dt. Taschenbuch erste Gedichte
- entschied sich endgültig gegen die Malerei
- trotz Honoraren für Publikationen lebte er von Mutter
- Sommer 1847 Volontär in der Staatskanzlei des Kantons
- Pech in der Liebe, da:
- Kleingewachsen (1,60m)
- monumentalem Kopf, stämmigem Leib und sehr kurzen Beinen
1.3 Sein literarisches Schaffen während des Berlinaufenthalts
- Wendung im Jahr 1848 – Stipendium von Züricher Regierung
- Okt. 1848-April 1850 Heidelberg
- war überwältigt vom Schaffen Ludwig Feuerbachs
- entsagt sich der Kirche, da diese nicht gut für die Republik sei
- 1 Jahr später sagte er hierzu:
„Als ich Gott und Unsterblichkeit entsagte, glaubte ich zuerst, ich würde ein besserer und strengerer Mensch werden, ich bin aber weder besser noch schlechter geworden, sondern ganz, im Guten wie im Schlimmen, der Alte geblieben […].“
- 1850 reiste nach Berlin durch weiteres Stipendium
- war dort manisch produktiv:
- Grüner Heinrich
- 1.Fassung des Apotheker von Chamounix
- 1.Band der Leute von Seldwyla
- plante Sinngedicht, die 7 Legenden, den 2.Band der Leute von Seldwyla und eine der Züricher Novellen
- 1855 Rückkehr nach Zürich
1.4 Auf dem Weg zu Anerkennung und Berühmtheit
- wollte endlich ein geregeltes Leben mit festen Tätigkeiten
- wohnte wieder bei Mutter und Schwester im Trott
- Umgang mit Richard Wagner und Gottfried Semper
- schwere depressive Phase und Schaffenskrise (6 Jahre !!!)
- 1856 erschien 1.Band der „Leute von Seldwyla“ bei Verleger Vieweg
- 1861 Ernennung zum 1. Staatsschreiber des Kantons Zürich
- bot materielle Sicherung der Existenz und geregelte Tätigkeit
- nahm ihm Furcht, wie er sagte, vor „ein gemeines, untätiges und verdorbenes Subjekt zu werden“
- vollendete:
- Sieben Legenden (1872 erschienen)
- Die Leute von Seldwyla (Band 1-3: 1873, Band 4: 1874 erschienen)
- Züricher Novellen (1876/77 erschienen)
- 1864 Tod der Mutter – Schwester führte ihm den Haushalt
- 1866 Verlobung mit Luise Scheidegger (schwermütige Frau)
- erfuhr durch Schmähartikel von Kellers unsolidem Lebenswandel
- nahm sich im selben Jahr das Leben
- 1869 (Kellers 50. Geburtstag) verlieh ihm Züricher Uni die Ehrendoktorwürde
- in den 70er Jahren wuchs Ruhm und Berühmtheit
- 1879/80 revidierte Fassung des „Grünen Heinrichs“
- 1880/81 Vollendung Sinngedicht
- 1885/86 Martin Salander
- beide in der Deutschen Rundschau veröffentlicht
1.5 Sein vereinsamtes Leben bis in den Tod
- trotz Freundschaft zu Theodor Storm, Arnold Böcklin und weiteren vereinsamte er in späteren Jahren
- bezeichnete sich selbst als:
- „ein kleiner dicker Kerl, der abends 9 Uhr ins Wirtshaus und um Mitternacht ins Bett geht als alter Junggeselle“
- abgeschiedenes Leben mit Schwester Regula, die 1888 starb
- wurde zu beginn des Jahres 1890 bettlägerig
- starb nach 6-monatiger Krankheit mit 71 Jahren
- 15. Juli 1890 in Zürich
2. Romeo & Julia auf dem Dorf
2.1 Entstehung von „Romeo und Julia auf dem Dorfe“
- zweite Novelle der Novellensammlung Die Leute von Seldwyla
- 1856 erschienen
- Hauptmotiv: Liebe und der Tod der Kinder zweier verfeindeter Familien
- bekannteste Bearbeitung dieses Stoffes ist Shakespeares Drama „Romeo & Julia“
- fast 350 Jahre vor Kellers Novelle erschienen --- 1594
- entscheidender Motivationsmoment war Zeitungsausschnitt
- 3. September 1847 in Züricher Freitagszeitung:
- „Im Dorfe Altsellerhausen, bei Leipzig, liebten sich ein Jüngling von 19 Jahren und ein Mädchen von 17 Jahren, beide Kinder armer Leute, die aber in einer tödlichen Feindschaft lebten und nicht in eine Vereinigung des Paares willigen wollten. Am 15.August begaben sich die Verliebten in eine Wirtschaft, wo sich arme Leute vergnügten, tanzten daselbst bis nachts 1 Uhr und entfernten sich hierauf. Am Morgen fand man die Leichen beider Liebenden auf dem Felde liegen, sie hatten sich durch den Kopf geschossen.“
- im Gegensatz zu den anderen Novellen im Werk „Die Leute von Seldwyla“ verbreitet diese eine äußerst traurige, melancholische Stimmung
3.2 Die Handlung der Novelle
- im Dorf Seldwyla bricht Streit zwischen den 2 wohlhabenden Bauern Marti und Manz aus
- streiten sich um einen verwahrlosten Acker zwischen ihren Feldern, der dem schwarzen Geiger gehört
- Marti beansprucht Land für sich, Manz will dies kaufen
- nach vielen Gerichtsverfahren verloren beide ihr Hab und Gut
- Manz und Sohn Sali zogen in die Stadt und betrieben ein Wirtshaus
- Marti und Tochter Vrenchen blieben verarmt zurück
- Schlüsselszene der Geschichte: Am Fluss
- Marti und Vrenchen fischen am Fluss
- zeigt niedere gesellschaftliche Stellung
- 1. direkte Begegnung der Väter und der Kinder
- Sali und Vrenchen bewundern sich überrascht
- Väter gehen auf Brücke aufeinander los --- Gewitter
- bezeichnen sich mit „O du Hund“ --- geistig zu Grunde gegangen
- Rauferei zeigt tierisches heruntergekommenes Verhalten
- Vrenchen und Sali zerren Väter auseinander
- dabei berühren sich deren Hände --- Auslöser der Liebe
- Wettererscheinung symbolisiert Begegnung
- Wolkendecke reißt auf, Gesichter erhellen sich, Blicke treffen sich
- "...ihre Kinder aber atmeten kaum und waren still wie der Tod, gaben sich aber [...] schnell die Hände, welche vom Wasser und von den Fischen feucht und kühl waren."
- deutet auf ihr Ende in den Fluten hin
- ständig müssen die zwei von nun aneinander denken
- eines Tages treffen sie aufeinander, umarmen sich
- Marti kommt dazwischen
- Sali wirft ihm einen Stein an den Kopf --- Bewusstlosigkeit
- Marti verliertr sein Gedächtnis
- Vreni bringt ihn in eine Irrenanstalt
- lebt nun allein auf Hof, bis zur Versteigerung
- nachdem alle Schulden gezahlt waren zieht Vreni mit Sali davon
- machen sich Geschenke:
- Vreni bekommt Pfefferkuchenhaus, Sali Pfefferkuchenherz
- Vreni bekommt Tanzschuhe --- Verkauf von Salis Uhr
- schenken sich gegenseitig Ringe
- gehen in fernes Dorf, wo sie auf Schwarzen Geiger treffen
- tanzen ausgelassen mit anderen armen Leuten zum Geigenspiel
- in spaßhafter Zeremonie trauen sich beide ---Anstecken der Ringe
- wissen nicht wohin, da:
- Ablehnung in der Bürgerwelt
- fühlen sich unter Obdachlosen nicht wohl
- sehen keine Zukunft für die Liebe
- steigen nach Mitternacht am Fluss in ein Boot
- morgens steht in Zeitung ein Bericht über den Tod der Beiden
2.3 Sinnbilder der Handlung
- Symbole treten mehrmals in der Novelle auf
- stellen Motive für bestimmte Geschehnisse dar
- alle Symbole führen zu den Verfallserscheinungen hin
Die Steine
- stehen für Unfruchtbarkeit, Wildnis, Tod und die Zerstörung der Harmonie zwischen den beiden Familien
- versinnbildlichen auch die Trauer: "…und ihre Gemüter wurden so schwer wie Steine(S.42,Z.25)."
Der brachliegende Acker
- Grund für den Ausbruch des Streits
- Ort der Wildnis und Grausamkeit, da Marti mit Stein geschlagen wird, bewusstlos wird und sein Gedächtnis verliert
- zugleich Treffpunkt der Verliebten und Ort des Unheils
Der schwarze Geiger
- Sinnbild für die Ungerechtigkeit und Schlechtigkeit von den Bauern Marti und Manz
- Symbol des Todes, der Sali und Vrenchen ihr tragisches Ende voraussagt
- zieht Vreni und Sali in „seltsamen Bann“
- wird als ein "dunkler Stern" beschrieben
- besitzt Züge einer Teufelsfigur
- am Ende bietet er Beiden einen Ausweg an --- Obdachlosenleben
- sie lehnen ab, da sie nicht mehr auf bürgerliches Leben verzichten können
Der Fluss
- Spiegelbild der augenblicklichen Stimmung
- wichtigstes Symbol --- Liebe und Tod
- Ort der ärmsten Bevölkerung --- zeigt elend und Armut
Farbsymboliken der Natur
- dient als „Spiegel“ der Stimmungen der Charaktere
- anfangs, als alle zufrieden und glücklich waren:
- "eine fruchtbare, wohl bebaute Ebene"
- "ein schöner Fluß"
- "ein sonniger Septembermorgen"
- "ein Städtchen, das räucherig glänzend in seinem Bergen liegt."
- Naturereignisse werden heftiger bis zum Kampf der Väter:
- "ein ziemlich tiefer und reißender Bach"
- "da der Himmel voll Gewitterwolken hing"
- "fangen jetzt auch die Weiden am Bache gewaltig an zu rauschen im aufgehenden Wetterwind"
- als Liebe entflammt und bei jedem Treffen zeigt sich Natur so:
- "tiefblauer Himmel"
- "keine Wolke am reinen Himmel"
- "der Wald war grün, der Himmel blau"
- "die Wälder waren mit einem zarten Duftgewebe bekleidet"
2.4 Vergleich mit Shakespeares „Romeo & Julia“
- „R. & J.“ ist eine Tragödie in fünf Akten in Vers und Prosa (16.Jh.)
- „R. & J. a. d. D.“ ist eine Novelle (19.Jh.)
- Selbstmord von Romeo und Julia beruht auf Missverständnis
- beide bringen sich nacheinander um, in der Vermutung der andere sei schon tot
- Sali und Vrenchen planen gemeinsamen Selbstmord --- keine Hoffnung
- Shakespeare beschreibt Mord ausführlich (Gift & Dolch)
- Keller weißt nicht auf Methode des Selbstmords hin
- Sali und Vrenchen sind Kinder armer Bauern
- Romeo und Julia entstammen wohlhabender Familien
- Keller zeigt Unterschiede in Gesellschaft aber auch Gemeinsamkeiten
- egal ob arm oder reich --- Probleme gibt es in jeder sozialen Schicht
- will zeigen dass Hass und Wut unter Armen bzw. unter Reichen die gleichen Folgen haben kann
- Gleichheit und Verletzlichkeit der Menschen
3. Eindrücke von Gottfried Keller und seinem Werk
- wie viele andere Literaten ungeordnetes Leben, Pech in der Liebe, Einsamkeit,…
- bedeutende Werke des 19.Jh. stammen von ihm:
- »Gottfried Keller erinnert durchaus an die Erzähler der romantischen Schule, am meisten vielleicht an Arnim. Im ganzen ist er diesem, auch manchem anderen, überlegen; alles ist wahrer und tiefer gefasst, lesbarer, interessanter; die uns kalt lassende Marotte fehlt zumeist.«
Theodor Fontane
- seine Schilderungen der Natur zeigen Verbundenheit zur Malerei
- innere Zustände der Charaktere dadurch veranschaulicht
- hat mich zutiefst bewegt und zu Tränen gerührt
- übertragbar auf Neuzeit… was Streit, Sturheit und Wut zerstören kann
- Keller sagt dazu auch:
- „Diese Geschichte zu erzählen würde eine müßige Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem wirklichen Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im Menschenleben jede jener Fabeln wurzelt, auf welche die großen alten Werke gebaut sind. Die Zahl solcher Fabeln ist mäßig; aber stets treten sie in neuem Gewande wieder in Erscheinung und zwingen alsdann die Hand, sie festzuhalten.“
- Aktualität dieser Thematik zeigen ständige Verfilmungen und Werke:
- Peter Ustinovs Komödie „Romanoff und Juliet“
- Ephraim Kishons Lustspiel „Es war die Lerche“
- Leonard Bernsteins Musical „West Side Story“
4. Quellen
www.gottfriedkeller.ch
www.xlibris.de/Autoren/Keller.htm
www.um.edu/CAS/modlang/gasmit/ger303/keller/Kellerbio.htm
www.berg.heim.at/450508.Dorf.htm
Buch von:
www.gutenberg.spiegel.de/keller/Seldwyla/romeo/romeo.htm
Texte und Methoden; Cornelsenverlag; S.271 ff.
- Arbeit zitieren
- Nadine Ranft (Autor:in), 2003, Keller, Gottfried - Romeo und Julia auf dem Dorf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107974