Vom Direktorium zur Ära Napoleons


Seminararbeit, 2002

11 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Biografisches zu Napoleon- Geburt bis zum Aufstieg unter dem Direktorium

II. Die politische Lage Frankreichs unter dem Direktorium

III. Die Französische Revolution und die Kriege in Europa

IV. Der Putsch Napoleons gegen das Direktorium

V. Die neue Ordnung- das Konsulat

VI. Die Errichtung des Napoleonischen Kaisertums von 1804

VII. Napoleons Reichsidee und der Untergang des Heiligen Römischen Reiches

I. Biographisches zu Napoleon Bonaparte von seiner Geburt bis zu seinem politischen Aufstieg unter dem Direktorium

Der am 15. August 1769 in der korsischen Stadt Ajaccio zunächst noch als Napoleone Buonaparte geborene spätere Kaiser der Franzosen hat wie kein anderer seiner Zeit die Geschicke Frankreichs und ganz Europas beeinflusst. Er, der Sohn eines einflussreichen korsischen Landadligen, wurde ein Jahr nach seiner Geburt durch einen Vertrag zwischen der französischen Krone und der Stadtrepublik von Genua, die Korsika an Frankreich abtrat, unverhofft Franzose. Napoleon wie er sich später französiert nannte, trat 1779 in die Militärschule von Brienne ein und schloss seine Ausbildung 1785 an der Militärschule von Paris als Artillerist ab.

Die Familie Bonaparte war recht weit verzweigt, was Napoleon nach seinem Aufstieg zum Kaiser und zeitweiligen Beherrscher des europäischen Kontinents, zupass kam, dadurch, dass er in den abhängigen und unterworfenen Gebieten oft Mitglieder seiner Familie als Regenten einsetzte. Die Bedeutung des familiären Zusammenhalts der Bonapartes als Hort der Ideenwelt Napoleons und des Kaiserreichs sollte noch einmal unter einem Neffen des großen Napoleons, Louis Napoleon, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts von Bedeutung sein.

Napoleons militärischer Aufstieg erfolgte durch die besonderen Umstände der Französischen Revolution und durch seine auch den Vorgesetzten aufgefallene militär-strategische Begabung rasch. Ein wichtiges Ereignis für seine beispiellose Karriere sollte die Rückeroberung der von der französischen Republik angefallenen Stadt Toulon, ein bedeutender Militärstützpunkt, im Jahre 1793 sein. Damit verdiente er sich die ersten größeren militärischen Meriten und avancierte zum Volkshelden. Mit nur 24 Jahren stieg er zum Brigadegeneral auf. Durch den Sturz Robespierres fiel auch Napoleon, der ein Anhänger der „Bergpartei“ Robespierres war, bei der neuen Regierung, dem Direktorium, kurzzeitig in Ungnade. Er wurde 1794 für 2 Monate inhaftiert und 1795 aus der Armee entlassen. Die „Bergpartei“, eine radikale Fraktion innerhalb der Jakobiner, trat für die Rechte der armen und kleinbürgerlichen Bevölkerungsschichten ein. Sie wurde mit der Hinrichtung von Robespierre und durch die Machtübernahme der bürgerlich-kapitalistischen Thermidorianer unterdrückt und allmählich marginalisiert.

Es wurde das so genannte Direktorium, aus bürgerlich-liberalen Kräften, gebildet, das vom Oktober 1795 bis November 1799 die französische Regierung bildete. Diese neue Regierung griff bereits im Oktober 1795 erneut auf die militärischen Talente Napoleons zurück, indem es ihn zum Oberbefehlshaber der Truppen zur Niederschlagung eines royalistischen Aufstandes in Paris machte. Damit ging die Revolution mehr und mehr in ihre Phase einer Konsolidierung der für das liberale Bürgertum erreichten wirtschaftlichen und politischen Macht gegenüber der politischen Linken und der royalistischen Rechten. Napoleon erwies sich als erfolgreicher Handlanger der neuen Machtelite, die er jedoch vier Jahre später selbst entmachten sollte. Das Direktorium ernannte ihn zum Befehlshaber der „Armee des Innern“.

Auch privat feilte der Korse an seinem gesellschaftlichen Aufstieg, indem er eine der führenden und begehrtesten Damen der Pariser Salons, Joséphine de Beauharnais, ehelichte. Damit erhielt er auch auf informeller Ebene Zugang zu einflussreichen Pesonen der damaligen Elite des Landes.

II. Die politische Lage Frankreichs unter dem Direktorium

Maximilien de Robespierre stürzte mit seiner Revolutionsregierung durch seine Hartnäckigkeit zwei gegensätzlich gewordene Lagen, den Terror und den Krieg, vereinigen wollte. Das „Komplott“ vom Thermidor (so gen. Hitzemonat, Mitte Juli-Mitte August, des Revolutionskalenders) erhält seine Kraft aus dem ungeheuren Überdruss der Öffentlichkeit und einigt alle Unzufriedenen des Konvents und der Ausschüsse: die ehemaligen terroristischen Prokonsuln, die sich bedroht fühlen; die Plaine, die Ebene, die ihre Stärke wieder entdeckt (die Abgeordneten, der Gemäßigten Fraktionen, die im Nationalkonvent auf den unteren Rängen sitzen); die alten Rivalen des Sicherheitsausschusses; im Wohlfahrtsausschuss die Freunde Héberts, Billaud und Collot; sowie die Rechte, Gemäßigte um Carnot. Es gibt auch Historiker, die Anzeichen für eine Spaltung innerhalb der Gruppe um Robespierre, zwischen Saint-Just und Robespierre, zu entdeckten glaubten. Die politische Zäsur des 9. Thermidor (27. Juli 1794) war ein Ergebnis aus den Druck der Öffentlichkeit, der Rache des Konvents und der Logik des Sieges. Die Thermidorianer zeigten einen dritten Weg der Revolution auf- nach dem Programm Dantons, Freiheit durch Frieden und dem Programm Robespierres, Freiheit durch Terror, folgt einem den Vorstellungen der Girondisten recht nahe kommendes Programm- Freiheit durch Sieg und Eroberung. Die Thermidorianer geben 1795 Frankreich eine neue Verfassung, die der bürgerlichen Öffentlichkeit wieder das Wort erteilt, handeln aber sofort ihrem Geist und Wortlaut zuwider mit dem Zweidritteldekret. Dies besagte, dass zwei Drittel der Sitze im neuen Rat der Fünfhundert und Rat der Alten mit Konventsabgeordneten zu besetzen waren. Damit besetzten die Thermidorianer die beiden Legislativ-Kammern zwangsweise und wählen fünf Direktoren, die auch an dem Todesurteil Ludwigs XVI. mitgewirkt haben. Die Direktoren regieren glanzlos aber mit einiger Energie zur Stabilisierung der Besitzstände der bürgerlich-liberalen Klasse. Dieses Anliegen verfolgen sie mit mehreren Staatsstreichen, was jedoch nur mäßigen Erfolg hat. Das Direktorium kann sich v.a. auf die siegreichen Armeen stützen, die den Druck des Volkes ersetzt hat.

Die Zeit des Direktoriums (1794-1799)

Formal bestand das Direktorium aus fünf gleichberechtigten Mitgliedern, die reihum jeweils drei Monate als Staatsoberhaupt amtierten. Alle Jahre wurde ein Mitgliede des Direktoriums gegen ein neues ausgetauscht. Diese Thermidorianer, die die perpétuels, die „Immerwährenden“ des Direktoriums werden und deren symbolische Figur Paul Barras ist, waren weniger oft als ihre Vorgänger Gegenstand von Untersuchungen. Es existiert bislang keine gründliche allgemeine Geschichte der Direktoralzeit, außer den Zusammenfassungen Lefebvres, der dieses Thema in einer Vorlesung recht anschaulich dargestellt hat. Die Geschichte der Diplomatie ist dank Sorel und Guyot besser bekannt als die innerfranzösische Politik jener Zeit, selbst in der reinen Politikgeschichte wird die Direktoralzeit vernachlässigt. Das hängt zusammen mit den wenig schmeichelhaften Umständen ihrer Machtübernahme, die ein vom Militär gestützter Staatsstreich des Besitzbürgertums war. Die Direktoren entwickelten während ihrer fünfjährigen Herrschaft ein rapide sich ausbreitendes Korruptionssystem, das sich dramatisch in seinem Image von den glorifizierten und oft auch verklärten Helden der ersten Revolutionsphase und dem Nachfolger der Direktoren, der genialen Figur Napoleons, unterschied.

Der französische Historiker Francois Furet beurteilt die Geschichte des Direktoriums wie folgt. Die politische Linke verachtet das Direktorium und die es stützende Klasse wegen deren kapitalistischen und vergnügungssüchtigen Lebensstils, die Rechte hingegen beruft sich auf den bonapartistischen Mythos von der Beseitigung der Unordnung und dem Retter in Gestalt Napoleons. Furet sieht im Direktorium eine bürgerliche Regierung, die die Revolution getreuer als ihre Vorgänger und Nachfolger verkörperte und lässt Ursprünge des modernen Frankreich bereits erkennen. Was ist also passiert? Parlamentarier, die für die Hinrichtung Ludwig XVI. votierten, aus der Unterschicht aufgestiegene Generäle, ehemalige Beamte der Revolutionsregierung sowie Geschäftsleute, die sich hemmungslos bereichert haben, tragen das zur politischen Macht gekommene Besitzbürgertum. Dies hat sich bis zum heutigen Tage auch nicht geändert. Aus dem Umsturz vom Terreur zur Diktatur der Besitzenden ging nicht die Herrschaft der Tugend hervor, die Robespierre herbeisehnte, sondern eine herrschende Klasse. Sie sah sich als Verteidigerin einer bedrohten Revolution.

III. Die Französische Revolution und die Kriege in Europa

Die in den frühen 90er Jahren des 18. Jahrhunderts begonnene Expansion der Revolution und ihrer Ideen ins europäische Ausland wurde mit Waffengehalt über 15 Jahre hinweg sowohl als eine vom Volk unterstützte Maßnahme als auch eine immer wieder benötigte Selbstvergewisserung und ein Identität stiftendes Moment der jeweiligen französischen Regierung verstanden. Die Verteidigung der Revolution nach innen wie außen, gegen die feindlich gesinnten Mächte wie Österreich oder Preußen (zu Beginn der Revolution aufgewiegelt von ins Exil geflohene Adlige) verknüpft mit dem Gedanken der Revolution als Mission zur Befreiung anderer Völker Europas vom Joch des Feudalismus bzw. Absolutismus, führte zur levée en masse (eine Erhebung und ein Einstehung weiter Teile des Volkes für die Ideen der Revolution), die nach ihrem Abebben später von Napoleon mit seinem Charisma als Staatsführer und genialem Schlachtenlenker und europäischem Visionär noch einmal wieder belebt werden konnte.

Jenen Phasen der französischen Expansion in Europa haben eine komplexe Geschichte, die untrennbar mit der Instabilität im Innern zusammen hängt. Nach dem Coup d’État des 9. Thermidor haben die Nachfolger Robespierres zunächst das Erbe des mächtigen Wohlfahrtsauschusses angetreten. Das Direktorium nutzte die Eroberungen in Belgien (genauer gesagt hieß damals dieses Gebiet „Österreichische Niederlande“) und Holland (respektive „Republik der Vereinigten Niederlande“), um mit Preußen in Verhandlungen einzutreten, das freie Hand in Polen haben möchte und mit einer eventuellen Annexion des linken Rheinufers einverstanden ist (Preußen erwarb umfangreiche Gebiete in Polen bei der 2. und 3. polnischen Teilung im Bündnis mit Österreich und Russland). Holland wird als Satellitenstaat an Frankreich angegliedert, das zur verbündeten „Batavischen Republik“ wird.

Als Hauptgegner bleiben England und Österreich, wobei von französischer Seite die beträchtliche Schwierigkeit eines Sieges über England erkannt wird und sie sich deshalb Österreich zuwendet. Frankreich bereitet den Feldzug von 1796 gegen Österreich vor. Der berühmte Plan von Carnot sah vor, die im Heiligen Römischen Reich stehenden Armeen bevorzugt gegen Österreich einzusetzen, scheitert an der Ernennung Napoleons zum Befehlshaber der Armee in Italien. Welche Kriegsziele verfolgte das Direktorium bevor sie von dem siegreichen und zum Volkshelden aufgestiegenen Bonaparte neu bestimmt wurden? Einige Historiker hängen der Theorie der natürlichen Grenzen, also im Osten der Rhein und im Norden die Schelde, an. Sie sehen darin das Ziel der militärischen Aktionen des Direktoriums. Dieser Eindruck wurde verstärkt durch den mit Preußen geschlossenen Separatfrieden von Basel 1795, wodurch Preußen aus der ersten Koalition gegen Frankreich ausscheidet. Die Folge war der Verlust der linksrheinischen Besitzungen des Heiligen Römischen Reiches, was eine weitere Schwächung des immer fragiler werdenden komplexen Staatsgefüges des Alten Reiches nach sich zog. Die zweite Großmacht neben Preußen in den deutschen Ländern, Österreich, zog es vor, sich heraus zu halten und seine Interessen stärker nach Ost- und Südosteuropa zu lenken. Damit zeichnete sich bereits das nahende Endes des Reichs ab, da das Oberhaupt dieses Staates, der Chef der Casa Austria, Franz II. (1792-1806), an der Verteidigung von Reichsgebieten immer weniger Interesse zeigte. Dazu mehr in einem weiteren Kapitel.

Die Vereinigung von Den Haag mit der Batavischen Republik weist auf eine andere als eine reine Politik der natürlichen Grenze hin. Das Direktorium verfolgte noch ehrgeizigere Pläne, und zwar die der „Schwesterrepubliken“, die wie ein Schutzwall um Frankreich angeordnet waren. Protagonisten wie Revellière-Lépeaux oder Sieyès, die der girondistischen Idee des revolutionären Kreuzzugs treu geblieben waren, befürworteten diese Politik mehr oder weniger eindeutig. Hingegen suchte Carnot, der schon in der Zeit des Wohlfahrtsausschusses zu den Gemäßigten gehörte, einen Kompromissfrieden als Vorbedingung für die innere „Wiedervereinigung“ Frankreichs. Sener Ansicht nach sollten die Eroberungen als Tauschobjekte für ein vergrößertes Frankreich dienen, das natürlich Nizza und Savoyen und das Landesverteidigung notwendige Territorium zwischen Sambre und Maas einschloss. Es wurden also deutlicher als in der Periode zuvor mehrere Richtungen revolutionärer Außenpolitik erkennbar. In dieses Mosaik verschiedener Bestrebungen sollte Bonaparte zusätzlich seine übersteigerte Italienpolitik einfügen, für die das Direktorium bürgte. Die Beziehungen zwischen der Exekutive in Paris und General Bonaparte lässt sich auf den einfachen Nenner des Machterhalts des Direktoriums durch dessen Siege in Italien und die weitere finanzielle wie politische Unterstützung des Korsen und seiner Expansionsgelüste bringen.

Die Herrschaft des Direktoriums stand wie bereits skizziert von Anfang an unter keinem guten Stern (s.h. die Massaker der Armee in Paris in Folge des Umsturzes). So wandte sich am 31. März 1795 die Bewohner der Pariser Arbeitervorstadt Saint-Antoine mit einer Petition an den Konvent: „Seit dem 9. Thermidor geht es uns immer schlechter. Der 9. Thermidor sollte das Volk retten, und das Volk ist das Opfer all der Machenschaften. Man hatte uns versprochen, dass es nach Aufhebung der Höchstpreise alles in Hülle und Fülle geben würde, und die Hungersnot ist schlimmer denn je.

Die Einkerkerungen gehen weiter. Das Volk will endlich frei sein; es weiß, dass, wenn es unterdrückt wird, gemäß der Erklärung der Menschenrechte der Aufstand eine seiner Pflichten ist. Warum ist Paris ohne Magistrat? Warum hat man die Volksgesellschaften geschlossen? Wo bleiben unsere Ernten? Warum dürfen sich all die Fanatiker und royalistischen Jugendlichen… versammeln? Wenn Gerechtigkeit nicht ein leeres Wort sein soll, verlangen wir die Bestrafung der Verhafteten oder ihre Freilassung. Wir verlangen, dass man alle Mittel anwendet, um das fürchterliche Elend des Volkes zu beheben, ihm seine Rechte zurück zu geben, rasch die demokratische Verfassung von 1793 in Kraft zu setzen. Wir stehen bereit, die Republik und die Freiheit zu verteidigen.“ (aus A. Aulard, Paris pendant la réaction thermidorienne et sous le Directoire, Paris 1898, Band 1, S. 622).

Aufgrund der sich schnell verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Lage fordert der radikale linke Revolutionär Francois N. Babeuf soziale Gerechtigkeit und eine „Republik der Gleichen“. Babeuf wird von einigen Historikern auch als ein Vorläufer des Kommunismus gesehen, jedoch ist die Quellenlage dürftig, da seine Gegner viele Quellen, die mehr Auskunft über Babeufs Ideen und Ziele hätten geben können, vernichteten. Bevor jedoch Babeuf und seine Anhänger einen Aufstand machen konnten, beendeten die Direktoren die „Verschwörung unter Gleichen“ durch die Verhaftung Babeufs und seiner Unterstützer. Babeuf wurde schließlich ermordet und seine Spuren weitgehend verwischt aus Angst des Direktoriums vor einem radikalen Umsturz.

Im Jahre 1797 errangen die französischen Truppen unter Bonaparte einen glänzenden Sieg nach dem anderen. Napoleon war nun nicht mehr ein General unter anderen, sonder er war der General schlechthin- der General des Direktoriums, das sich in seinem Ruhm zu sonnen suchte und auch ein wenig von der innenpolitisch angespannten Lage abzulenken versuchte. Getreu dem Motto der römischen Antike „panem et circenses“ konnte das Direktorium mit Bonapartes Siegen seine Herrschaft noch ein wenig verlängern. Jedoch blieb der „Eroberer Italiens“ auch auf diplomatisch-politischem Parkett nicht untätig. Dies wird deutlich durch einen Auszug eines Gesprächs zwischen Napoleon und Miot de Melito, dem französischen Gesandten in der Toscana, während der Friedensverhandlungen mit Österreich am 1. Juni 1797:

„Glauben Sie, dass ich in Italien Siege erfechte, um damit das Ansehen… des Direktoriums zu erhöhen…? Glauben Sie vielleicht, dass ich eine Republik begründen will?... Was Sie (die Franzosen) brauchen, ist Ruhm, die Befriedigung ihrer Eitelkeit, aber von der Freiheit verstehen sie nichts. Blicken Sie auf die Armee!... Für die französischen Soldaten bin ich alles. … Die Nation braucht einen Führer,… aber keine Theorien über Regierung,… Ich bin am Frieden nicht interessiert. … Wenn Frieden geschlossen ist, wenn ich nicht mehr an der Spitze dieses mir ergebenen Heeres stehe, muss ich auf diese Macht… verzichten… Ich möchte Italien nur verlassen, um in Frankreich eine Rolle zu spielen, ungefähr ähnlich der, die ich hier spiele…“ (nach Miot de Melito, Mémoires, Paris 1858, Band 1, S. 163)

So sollte es denn auch kommen. Napoleon eilte weiter von Sieg zu Sieg und diktierte nach einem Vorstoß aus Norditalien auf Wien in Campo Formio Österreich den Frieden. Österreich sah sich gezwungen die Rheingrenze anzuerkennen, trat die Österreichischen Niederlande (htg. Belgien) an Frankreich ab, erhielt dafür Venedig und stimmte der Errichtung zweier oberitalienischer Republiken zu (Ligurische und Cisalpinische Republik). Inzwischen geriet das Direktorium in einen Strudel innerer Rivalitäten, wobei drei Direktoren mit Unterstützung Bonapartes ihre beiden übrigen Kollegen ausschalten, die sich nach Wahlerfolgen der Royalisten auf die monarchistischen Gruppen stützen, durch einen Staatsstreich. Damit ist Napoleon zu einem unbestrittenen Faktor der französischen Innenpolitik geworden, wo er bereits die Außenpolitik als siegreicher Feldherr bestimmte. Das Rest-Direktorium ist nun vollends in seine Abhängigkeit geraten.

Im Jahre 1798 erklärt das Direktorium die Wahlen, die den Jakobinern Erfolge brachten, teilweise für ungültig und ernennen an Stelle der gewählten Jakobiner regierungstreue Abgeordnete, um ihre Stellung zu sichern. Derweil machte sich Bonaparte zu einem neuen militärischen Abenteuer auf. England, der einzig verbliebene Gegner Frankreichs, konnte durch eine Landung französischer Truppen nicht angegriffen werden, da seine Flotten den Kanal beherrschte. Bonaparte, vom Direktorium zum Befehlshaber der Englandarmee ernannt, landete mit 30.000 Soldaten in Ägypten, um nach Indien, der reichsten britischen Kolonie, vorzustoßen. Er blieb in Ägypten zunächst siegreich, jedoch wurde seine Flotte bei Abukir durch die britische Flotte vernichtet.

Das Jahr 1799 sollte für Napoleons Machtansprüche ein entscheidendes werden. Das Direktorium setzte seine Expansionspolitik in Europa fort. Nach Gründung der Römischen Republik 1798 folgte 1799 die Ausrufung der Parthenopeischen Republik (auf den Gebiet des bisherigen Königreichs Neapel). England schloss mit Österreich, Russland, Portugal, Neapel und dem Osmanischen Reich eine neue Koalition gegen Frankreich. Nach schweren Niederlagen gelangen den französischen Truppen erfolgreiche Gegenstöße, allerdings war der Auflösungsprozess des Direktoriums durch Korruption, autoritärem Regierungsstil und einem dramatischen Ansehensverlust nicht mehr zu übersehen. In dieser innenpolitische wie außenpolitischen Krisesituation verließt Napoleon seine Truppen in Ägypten und hielt in Paris Einzug als der „Retter in der Not“.

IV. Der Putsch Napoleons gegen das Direktorium

Der Staatsstreich des 18. Brumaire (9. November vorrevolutionärer Zeitrechnung) des Jahres 8 (gezählt ab 1792, jeweils von September zu September) war sein Auftritt als offizieller Amtsträger an die Spitze des französischen Staates- er war nun auch Staatsmann neben der Funktion des Militärs und sollte diese Funktionen noch um jene des Gesetzgebers erweitern. Das Direktorium war damit erledigt- General Bonaparte übernimmt als Erster von drei Konsuln die Regierungsgewalt in Frankreich. Seine beiden Mitkonsuln spielen von Anfang an neben dem charismatischen Napoleon nur eine Nebenrolle. Bonaparte dominierte sofort die Exekutive und drückte mit der Konsularverfassung Frankreich seinen Stempel auf.

Frankreich unter dem Konsulat- der Übergang zum Kaiserreich

Als England 1799 durch die neu ins Leben gerufene Koalition die französische Republik in Existenznot brachte, sah Bonaparte den Zeitpunkt gekommen, das wahr zu machen, was er Miot de Melito 1797 gegenüber geäußert hatte- in Frankreich eine Rolle zu spielen, die seiner Rolle als siegreichem Oberbefehlshaber der Italienarmee und als Herrn Italiens ähnlich war. Trotz des militärischen Debakels in Ägypten konnte sich Bonaparte weiterhin der Gunst weiter Teile der Bevölkerung sicher sein und führte im Einvernehmen mit einer Reihe ehrgeiziger Politiker, so z.B. Revolutionäre der ersten Stunde wie der Abbé Sieyès und Talleyrand sowie der ihm ergebenen Armee den Putsch gegen das unbeliebte Direktorium durch.

Ein Triumvirat von Konsuln bildete ab nun die Exekutive. Sie bildeten eine Regierung in der Talleyrand Außenminister wurde. Napoleons Mitkonsul Sieyès erhielt den Auftrag eine neue Verfassung auszuarbeiten. Hauptbestandteile der Verfassungen waren die Wiederherstellung des allgemeinen Wahlrechts, die vier an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften des Staatsrates, der die Gesetze entwarf, des Tribunats, das sie diskutierte, ohne darüber abzustimmen, der gesetzgebenden Körperschaft, die ohne Diskussion über sie abstimmte sowie des Senats, der die von ihm als verfassungswidrig beurteilten Gesetze ablehnen konnte. Für die Exekutive waren drei Konsuln vorgesehen. Das wichtige Amt des Ersten Konsuls erhielt Napoleon selbst. Zu dem Punkt des allgemeinen Wahlrechts muss hinzugefügt werden, dass es keine direkte Wahl gab. In dreifacher Stufung wurden erst für die Bezirke, dann die Departements und schließlich für die nationalen Vertretungen Listen von so genannten Notabeln aufgestellt, die von der Regierung als Kandidaten vorgeschlagen wurden; daraus wählte der Senat als Werkzeug der Regierung die Abgeordneten und die Beamten aus. Kommen wir noch einmal zu der Position des Ersten Konsuls- die Machtbefugnisse dieses Amtes wurden in Artikel 41 der neuen Verfassung festgelegt. Darin heißt es:

„Der Erste Konsul verkündet die Gesetze; er ernennt und ersetzt nach seinem Willen die Mitglieder des Staatsrates, die Minister, die Gesandten und andere auswärtigen Oberbeamten, die Offiziere der Land- der Seemacht, die Mitglieder der örtlichen Verwaltung und die Regierungskommissionen bei den Gerichtshöfen. Er ernennt alle Straf- und Zivilrichter, ausgenommen die Friedens- uns Berufungsrichter, ohne jedoch sie absetzen zu können“ (aus I. u. P. Hartig, Die Französische Revolution, Stuttgart 1979, S. 111 f.).

Napoleons Coup d’État sowie die Konsularverfassung in Teilen ihres Inhalts und der Namensgebung für die neuen Staatsorgane wie Senat oder Konsul waren inspiriert von der römischen Antike. Napoleon sah sich wie Cäsar als der „Retter der Nation“, als Wiederhersteller und Bewahrer von Frieden, Ruhe, Ordnung und Gesetz. Ähnlich wie sein antikes Vorbild kam Bonaparte auch über Zwischenstufen seinem Ziel, dem der Gründung eines einigen, viele Völker umfassenden Imperiums mit einem „starken Mann“ an der Staatsspitze, nahe. Im Gegensatz zu Julius Cäsar erreichte Napoleon seine Erhebung zum Kaiser, zum Cäsar also, und konnte Frankreich für ein Jahrzehnt zur nahezu unangefochtenen europäischen Hegemonialmacht mit Weltgeltungsanspruch aufbauen.

„Was bringt uns die neue Verfassung?“ – „Bonaparte!“ So lautete ein bissiger Ausspruch in den Wochen der Verhandlungen über eine neue Verfassung. Bei der Ausarbeitung der Verfassung gelang es Bonaparte, in entscheidenden Punkten seine eigenen Vorstellungen gegenüber seinem schärfsten Konkurrenten Sieyès durchzusetzen. Die Verfassung trat in Kraft, noch bevor das Ergebnis der Volksabstimmung vorlag. Sie ergab eine überwältigende für Bonaparte- weniger für die neue Regierungsform. Die große Beliebtheit Napoleons in weiten Kreisen der französischen Bevölkerung ließ über augenfällige Schwächen der Konsularverfassung hinwegsehen. Die Franzosen hatten ihren „starken Mann“, der allzu starken „revolutionären Auswüchsen“ Einhalt zu gebieten vermochte (gerade die Herrschaft Robespierres steckte noch vielen sich nach Ruhe und Ordnung sehnenden Bürgern in den Knochen, die seit der Thermodorianerherrschaft gute Geschäfte zu machen begannen.). Das (besitzende) Bürgertum wollte Frieden und Rechtssicherheit. Dafür schien Bonaparte der richtige Mann zu sein.

Ein interessantes Dokument ist die Erklärung zur Vorlage der Verfassung für die Volksabstimmung. Darin spiegelt sich die geistige Haltung der Verfassungsväter wider, vor allem in den letzten beiden Sätzen:

„Die Verfassung gründet sich auf die wahren Prinzipien der Repräsentativregierung, auf die geheiligten Rechte des Eigentums, der Gleichheit und der Freiheit. Die von ihr eingesetzten Gewalten werden stark und zuverlässig sein, wie sie es sein müssen, wenn sie die Rechte der Bürger und die Interessen des Staates schützen sollen. Bürger die Revolution hält an den Grundsätzen, die an ihrem Beginn standen, fest. Sie ist beendet.“

Bonaparte, Roger Ducos, Sieyès. (aus W. Grab, Die Französische Revolution, Eine Dokumentation, München 1973, S. 300)

V. Die neue Ordnung- die administrative, wirtschaftliche und soziale Lage des konsularen Frankreichs

Mit Waffengewalt hatte Bonaparte seinen Staatsstreich durchgeführt. Die Verfassung gab ihm die Mittel, seine Herrschaft über Frankreich dauerhaft zu sichern. Seine Innenpolitik zielte darauf, die Zustimmung der wichtigsten Gruppen im Staat durch Reformen zu gewinnen und oppositionelle Bewegungen auszuschalten.

Begünstigt wurde Bonapartes Reformpolitik dadurch, dass Frankreich durch den erfolgreichen Abschluss des 1799 ausgebrochenen neuen Koalitionskrieges im Jahre 1801 und den Friedensschluss von Amiens mit England 1802 auch nach außen hin abgesichert war. Die Royalisten und Jakobiner hatten ihre Opposition gegen das Direktorium auf das Konsulat übertragen. Bonaparte fügte die Royalisten geschickt seinem System ein: 20.000 Emigranten ließ er 1800 von den Ächtungslisten streichen und ermöglicht ihnen die Rückkehr. Aufsässige Jakobiner dagegen ließ er nach Übersee deportieren (sie waren für seine imperialen Pläne ohnehin nicht zu gewinnen und waren für das Konsulat ein gefährlicher Unruheherd).

Maßnahmen gegen die Presse erstickte jede Kritik. Schon im Januar 1800 wurden 60 von 76 Zeitungen verboten, die anderen unter scharfe Zensur gestellt. Um die Durchführung der Entscheidungen der Regierung in Paris im ganzen Lande sicherzustellen, beseitigte der Erste Konsul die Selbstverwaltung in den Departements und kehrte zur Zentralisierung der Verwaltung zurück, wie sie im Absolutismus bestanden hatte. Vom Ersten Konsul ernannte Präfekten, die mit ähnlicher Machtfülle ausgestattet waren wie die früheren Intendanten, repräsentierten die Regierung in den Departements. Die Staatsfinanzen wurden durch ein neues System direkter Steuern, die von staatlichen Beamten eingezogen wurden, auf sichere Grundlagen gestellt; Steuerprivilegien blieben abgeschafft. Die 1800 gegründete Bank von Frankreich erhielt 1803 das Monopol zur Ausgabe von Geldscheinen unter staatlicher Kontrolle. Im gleichen Jahr wurde durch Gesetz eine neue Währung geschaffen, der Franc, mit einem Gewicht von 5 Gramm Silber, zugleich eine neue Goldmünze von 20 Francs, wobei aus einem Kilogramm Gold 155 Münzen zu prägen waren. Dadurch wurde eine Stabilisierung des Staatsetats und der Wirtschaftstätigkeit erreicht, die weder vor noch währen der Revolution gelungen war. Staatliche Getreideeinkäufe und –verkäufe zur Senkung des Brotpreises bei drohender Teuerung sicherten Bonaparte sowohl die Zusicherung des Bürgertums als auch der städtischen Unterschichten. In einer Volksabstimmung die Bonaparte 1802 ansetzte, sprachen sich die Franzosen mit 3.600.000 gegen 8.374 Stimmen für ein lebenslange Herrschaft Napoleons als Erstem Konsul aus (auch hier wurde er wieder durch Cäsars Erhebung zum Diktator auf Lebenszeit angeregt).

Besonders das Bürgertum begrüßte die systematische Zusammenfassung aller bürgerlichen Rechtsverhältnisse in dem Code Napoléon, einem neuen bürgerlichen Gesetzbuch, das eine Gruppe namhafter Juristen erarbeitet hatte und das 1804 verabschiedet wurde. Grundlegende Forderungen der Revolution wurden hierin dauerhaft verwirklicht: die Einheitlichkeit des Rechts für alle Franzosen, die Weltlichkeit des Staates (Trennung von Kirche und Staat), die Beseitigung des Feudalsystems, die persönliche Freiheit, die Gleichheit aller Bürger. Nachdrücklich wurde das Recht auf Eigentum, auf Wirtschaftsfreiheit und Konkurrenz gewährleistet. Einen Rückschritt hinter die revolutionäre Gesetzgebung bedeuteten jedoch die Bestimmungen über die Rechte der Frauen, die wie die Minderjährige behandelt wurden. Zu diesem Gesamtwerk erklärte der Erste Konsul: „Die Revolution ist auf die Grundsätze zurückgebracht, von denen sie ausgegangen ist.“

Der Code Napoléon ist bis heute die Grundlage des französischen Rechtssystems geblieben; er wurde auch sofort in den besetzten und angeschlossenen Gebieten eingeführt (so beeinflusste er auch die Stein-Hardenbergschen Reformen in Preußen und hat auch Auswirkungen auf das Bürgerliche Gesetzbuch des Bismarck Reiches und der folgenden deutschen Staaten gehabt); somit hat er Vorbildfunktion weit über die Grenzen Frankreichs gehabt und wird von Rechtshistorikern als Meilenstein des Rechtswesens angesehen.

Auf religiösem Gebiet arbeitete Napoleon zielstrebig auf eine Verständigung mit dem Papst und der katholischen Kirche hin. Durch das 1801 zwischen Frankreich und Papst Pius VII. abgeschlossenen Konkordat konnte Napoleon die antikirchliche Revolutionspolitik beenden und erhoffte sich eine Loslösung der immer noch großen Masse der gläubigen Katholiken, besonders auf dem Lande, aus ihrer Bindung an die Royalisten und Emigranten. Das Konkordat basierte auf gegenseitigen Zugeständnissen. Zwar wurde der katholische Glaube nicht wieder als Staatsreligion anerkannt, aber als die „Religion der großen Mehrheit der Franzosen“. Weil die Enteignung der Kirchengüter zu Beginn der Revolution nicht rückgängig gemacht werden konnte, dies hätte die vielen Güter von „Nationalgüter“, die aus dieser Säkularisierungspolitik hervorgegangen waren, verprellt, übernahm der Staat die Zahlung der Gehälter der Pfarrer, forderte jedoch einen Treueid gegenüber der französischen Regierung. Kennzeichnend für die auf Versöhnung gerichtete Religionspolitik Bonapartes war, dass auch die protestantischen Kirchen gesetzlich anerkannt wurden (für diese ein Meilenstein der Emanzipation seit der Rücknahme des Ediktes von Nantes durch Ludwig XIV. 1685, wodurch eine halbe Million Hugenotten aus Frankreich , v.a. nach Preußen, flohen).

VI. Die Errichtung des Napoleonischen Kaisertums 1804

Napoleon plante von Anfang an eine Umwandlung des Konsulats in ein erbliches Kaisertum, das sich wie schon das Konsulat an dem römisch-antiken Vorbild orientieren sollte. Napoleon sah sich wie Cäsar als der Schöpfer der Metamorphose der ausgedienten Republik hin zu einem universellen Kaisertum. Er verband das römische Beispiel noch mit der universellen Reichsidee Karls des Großen und jener der hochmittelalterlichen römisch-deutschen Kaiser. Er stand kurz vor der Erfüllung seines wichtigsten innenpolitischen Zieles, als ihm eine royalistische Verschwörung zu Hilfe kam. Diese benutzte Napoleon Ende 1803, um seinen Traum in die Tat umzusetzen. Durch einen Grundbeschluss des französischen Senats vom Mai 1804 wurde das Konsulat in ein in der Familie Bonaparte erbliches Kaisertum verwandelt: „Die Regierung der Republik wird einem Kaiser übertragen, der den Titel Kaiser der Franzosen trägt.“ Interessant ist hierbei die in diesem Satz zusammengefügten Antagonisten Republik und Kaiser. Wollte Napoleon den Eindruck erwecken, dass die Grundstrukturen des Staates republikanisch blieben und lediglich an der Staatsspitze eine (neue) Erbdynastie, die sich den Errungenschaften der Revolution und der Republik verpflichtet sah, stand?

Nun, auch dieses Mal griff der geschickte Stratege zum Mittel der Volksabstimmung, um seine Ideen und Vorstellungen möglichst demokratisch legitimieren zu lassen. Das Ergebnis der Abstimmung war ein Triumph Napoleons: 3.572.329 Franzosen stimmten für die Gründung des Kaiserreichs, 2.579 dagegen.

Napoleon wusste um die Bedeutung von Symbolik und Gloire, so dass er eine von ihm selbst in monatelanger Vorbereitung geübte Krönungszeremonie am 2. Dezember 1804 Frankreich und der staunenden Welt präsentieren konnte. Napoleon war auch ein Meister der Überraschung und des Raffinements. So entsprach er ganz nach dem antiken Vorbild des Oktavian/Augustus nicht sofort der Bitte des Senats zur Annahme der Kaiserwürde, sonder ließ sich etwas länger bitten. Eine taktisch kluge Inszenierung von Demut, Verantwortung und Größe gegenüber Volk, Senat und Land. So geriet auch die nach byzantinischem und karolingischen Vorbild gestaltete Krönung zu einer Demonstration seiner Macht und seines Selbstbewusstseins. Zur kirchlichen Legitimierung seines neuen Titels brauchte er den Papst. Dieser war nach dem Konkordat um gutes Einvernehmen mit dem „starken Mann Europas“ interessiert und ließ sich nach Paris locken mit der Zusage, er solle Napoleon krönen. Es kam aber anders und Napoleon setzte sich die Kaiserkrone selbst aufs Haupt und wiederholte diesen Akt auch bei seiner Frau Joséphine. Der Papst war düpiert, die Welt ein weiteres und nicht ein letztes Mal von Napoleons Chuzpe verblüfft. Napoleon schuf am kaiserlichen Hof zum alten Adel den neuen von seinen Gnaden. Im Mittelpunkt stand die kaiserliche Familie, deren Mitglieder zu hohen Würden und Ämtern kamen und zahlreiche gelangten in der Folge von Napoleons Eroberungszügen auf neue und alte Throne Europas (z.B. sein Bruder Jérome als König von Westfalen, sein Bruder Louis Napoleon als König von Holland, seine angeheiratete Nichte Stéphanie als Großherzogin von Baden). Die Anerkennung durch die alt eingesessenen Fürstentümer Europas erzwang Napoleon für seine Dynastie durch die Heirat mit der Tochter Kaiser Franz II., der Habsburgerin Marie Louise 1810 und die Geburt des Thronfolgers, Napoleon (II.), König von Rom, der spätere Herzog von Reichstadt.

Formell blieb die Verfassung von 1804 bis zu seiner Abdankung 1814 in Kraft, aber die gesetzlichen Körperschaften sanken zur Bedeutungslosigkeit herab, weil der Kaiser nahezu alle Entscheidungen selbst traf. Strenge Zensurvorschriften, Willkür Napoleons, wahllose Verhaftungen bei verdächtig erscheinenden Personen standen in Diskrepanz zu den weiterhin befolgten wichtigsten Grundsätzen der Französischen Revolution, wie Beseitigung adliger Privilegien, Beseitigung der Leibeigenschaft, Aufhebung des Zunftzwanges, die rechtliche Gleichstellung der Bürger vor dem Gesetz gemäß dem Code Napoléon und die religiöse Toleranz.

Es traten aber durch die immer größeren kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Ausland (bspw. mit England und die Kontinentalsperre, Russland und später auch Österreich und Preußen) hohe finanzielle und soziale Belastungen für die französische Bevölkerung auf. Bevor jedoch Napoleons Stern zu sinken begann, konnte er ein wichtiges außenpolitisches Ziel verwirklichen, dass nicht nur aus militär- und wirtschaftlichhegemonialen Gründen von Napoleon forciert wurde, sondern auch um seine Idee eines neuen universellen Kaisertums zu stabilisieren und in Europa durchzusetzen.

VII. Napoleons Reichsidee und der Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen

Um seine Vision eines geeinten Europas unter französischer Führung standen ihm zu aller erst nicht England und Russland im Wege, sondern ein sehr altes und komplexes Gebilde in Mitteleuropa, das sich als Bewahrer des römischen Kaisertums erweitert um die christlich-mittelalterliche universelle Reichsidee verstand. Dieses Heilige Römische Reich (abgekürzt weiter als HRR) war seit dem Ende des 30-jährigen Krieges stark geschwächt, aber immer noch ein zusammenhängendes und in seinen Reichsorganen funktionierendes Staatswesen, das in seiner jahrhundertealten Vielfalt seinesgleichen in Europa suchte. Dieser Staatenbund oder Bundesstaat war von alters her ein Dorn im Auge des machtbestrebten Frankreich, das gerade im 30-jährigen Krieg und später die Gunst der Stunde erkannte, das verkrustete HRR zu schwächen und schließlich zu vernichten. Der Todesstoß kam reichlich unspektakulär und von der Öffentlichkeit weitgehend gleichgültig aufgenommen daher.

Napoleon hatte wie frühere französische Herrscher auch Absichte auch auf das linke Rheinufer, so dass er mit seiner Expansionspolitik einen Keil zwischen die süddeutschen Staaten und die seit dem 18. Jahrhundert miteinander rivalisierenden deutschen Großmächte Preußen und Österreich treiben konnte. Napoleon erreicht über Druck und lukrative Versprechungen 16 deutsche Fürsten 1806 (u.a. Baden, Württemberg, Sachsen, Bayern) dazu zu gewinnen sich unter Frankreichs Schutz zu stellen und den so genannten Rheinbund zu gründen. Das HRR ist nun nur noch ein Torso- sein letzter Kaiser, Franz II., hatte bereits 1804 als Reaktion auf Napoleons Ernennung zum Kaiser den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen. Franz erkannte mit seinen Beratern das sein Amt als deutscher Kaiser nur noch Makulatur war und legt daraufhin im August 1806 die römisch-deutsche Krone nieder und war fortan Franz I., Kaiser von Österreich. Auch Preußen hatte kein Interesse an einem Fortbestand des Alten Reichs, da seine Schwerpunkte bereits außerhalb des HRR in Polen, West- und Ostpreußen lagen. Für Österreich galt Ähnliches in Osteuropa, dem Balkan und Oberitalien. Lediglich der traditionsreiche aber machtlose Reichsadel sowie die Reichskirche bedauerten das Ende des HRR, das sich unverhohlen schon 1803 durch die Säkularisation und Mediatisierung (Auflösung von Reichsterritorien zugunsten von Reichsfürsten wie dem Kurfürsten von Bayern oder Markgrafen von Baden) im Reichsdeputationshauptschluss des Reichstages zu Regensburg.

Napoleons Ende ist bekannt. Die Idee eines von Frankreich befriedeten und geordneten Europas hat sich nicht erfüllt. Was bleibt ist ein bis in unsere heutige Zeit wirkendes intelligentes Gesetzeswerk und die Idee eines vereinten Europa. Nach Napoleons Tod wurde dieser schnell zum Mythos, der noch einmal durch seinen Neffen Napoleon III. zwischen 1848 und 1870 erfolgreich ge- oder missbraucht wurde. Im heutigen Frankreich wird von ihm immer noch voller Bewunderung und Faszination gesprochen und unter L’Empereur verstehen die Franzosen nur Napoleon Bonaparte.

Weitere Literatur (über die Hinweise in den Kapiteln hinaus)

Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongress, Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, Band 14, dtv

Das Zeitalter der europäischen Revolution 1780-1848, Fischer Weltgeschichte, Band 26

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Vom Direktorium zur Ära Napoleons
Hochschule
Universität der Künste Berlin
Veranstaltung
Seminar zur Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
11
Katalognummer
V108162
ISBN (eBook)
9783640063659
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Direktorium, Napoleons, Seminar, Entstehung, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Steffen Westermann (Autor:in), 2002, Vom Direktorium zur Ära Napoleons, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108162

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