Humangenetik - Anwendbarkeit, soziale Folgen und ethische Grenzen


Vordiplomarbeit, 2002

32 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung

2. Analyseverfahren und deren praktische Bedeutung
2.1. Genomanalyse
2.2. Gentherapie
2.3. Klonierung

3. Norm und Abweichung
3.1. Krankheit
3.2. Behinderung

4. Soziale Auswirkungen und ethische Bedenken
4.1. Pränataldiagnostik und Beratung
4.2. In-vitro-Fertilisation
4.3. Präimplantationsdiagnostik
4.4. Klonierung

5. Eine neue Umsetzung der Eugenik?

6. Gesellschaftlicher Wandel und Zukunftsausblick

1. Einführung

Nicht erst seit der Entwicklung der Gentechnologie stellt sich Kritikern die Frage, inwieweit der Mensch Grenzen überschreitet, indem er medizinisch aktiv in den „göttlichen Plan“ eingreift und beispielsweise lebensverlängernde medizinische Maßnahmen ergreift. Seit es einst noch verboten war, an Organen des Menschen zu forschen, um deren Funktionsweise zu verstehen, hat ein bedeutender gesellschaftlich-ethischer Wandel stattgefunden. Heute stellt in der „westlichen Zivilisation“ niemand mehr die Frage, ob es überhaupt zu vertreten sei, Zusammenhänge von Krankheiten zu ergründen, um diese daraufhin medizinisch zu behandeln. Es herrscht in unserer Gesellschaft mittlerweile die Ansicht vor, das Leben funktioniere wie ein Apparat und sei bis ins Detail kontrollierbar – nur fehle es bisher noch an wesentlichen Erkenntnissen, die uns, nicht zuletzt durch die Erforschung der Erbsubstanz alles Lebendigen, in absehbarer Zukunft zur Verfügung stehen sollen. Dieses relativ neue Forschungsgebiet, die Genforschung, hat bereits zu genauso bemerkenswerten wie beängstigenden Ergebnissen geführt. Es entstand aus dieser Wissenschaft heraus eine neue Technologie, deren Anwendung einen „Eingriff in den göttlichen Plan“ in nie erreichter Qualität bedeutet. Die Rede ist von der „Biotechnologie“, welche es beispielsweise ermöglicht, fetales Gewebe in andere Personen oder Säugetiere zu verpflanzen, oder Stammzellen zu Forschungszwecken zu klonen.

Diese Begebenheit stellt nicht nur Mediziner vor vollkommen neu formulierte Fragestellungen. Der zukünftige Verlauf der medizinischen Forschung und Praxis stellt die gesamte Gesellschaft zur Verantwortung, da es als unausweichlich gilt, ethisch moralische Regelungen zu treffen, die nicht allein von einem Wissenschaftszweig entschieden werden dürfen. Auch die deutsche Bundesregierung ist gezwungen, verbindliche Gesetze zum Schutz der Menschenrechte zu konkretisieren und steht gleichzeitig unter dem internationalen Druck, die Forschung aus wirtschaftlichen Gründen möglichst nicht zu behindern. Um eine Übertretung der Menschenrechte als Opfer der Wirtschaft nicht zuzulassen ist es die Aufgabe eines Jeden, sich mit der aktuellen Problemlage auseinander zu setzen, um eine eigene Position herauszubilden und zu vertreten.

Mein Ziel dieser Hausarbeit wird es sein, zu hinterfragen, welche Absichten die praktizierte Gentechnik verfolgt und mit welchen sozialen Folgen die Gesellschaft zurzeit und in Zukunft konfrontiert wird. Um jedoch überhaupt einen Eindruck von dem derzeitigen Wissenschafts- und Technikstand zu erhalten, werde ich mich zur Einführung in dieses Thema mit den theoretischen Grundlagen angewandter Methoden der Gentechnik auseinandersetzen.

2. Untersuchungsmethoden und deren praktische Bedeutung

Wie an anderen Wissenschaftszweigen vergleichend erkennbar ist, befindet sich die Genetik zurzeit in dem Umbruch von der ausschließlichen Theorie- in die Praxisphase. Während es vor wenigen Jahren noch an Technologien mangelte, theoretisch erworbene Kenntnisse praktisch nutzbar zu machen, stellt sich heute die dringliche Notwendigkeit, Regelungen des Umgangs mit den schwer überschaubaren technischen Möglichkeiten aufzustellen. Wie es uns zum Beispiel aus dem Bereich der Physik bekannt ist, führt die praktische Anwendung neu erworbenen Wissens zu vorher nicht abzuschätzenden Problemen und Gefahren (zu nennen seien hier exemplarisch die Problematik der Luftverschmutzung und die Gefahren der Atomphysik.) Bevor ich im weiteren Verlauf auf die Folgen der angewandten Gentechnik eingehe, stelle ich eine kurze Übersicht über die heute schon praktizierten und die denkbaren technischen Möglichkeiten der zukünftigen Humangenetik auf:

2.1. Die Genomanalyse

Sie dient der Untersuchung des menschlichen Erbmaterials, welches Informationen über vererbbare Eigenschaften der betreffenden Person liefert. Da die Erkenntnisse über die Bedeutung der einzelnen Funktionen jedoch noch sehr rudimentär sind, lassen sich nur einige wenige Aussagen über den Gesundheitszustand treffen. Insbesondere vererbbare Krankheiten sollen aufgespürt und gegebenenfalls medizinisch oder sozialpsychologisch behandelt werden. Des weiteren bietet die Genomanalyse die Möglichkeit, Empfindlichkeiten gegenüber Umwelteinflüssen, aber auch die familiäre Abstammung (z.B. den Vaterschaftsnachweis), festzustellen. (vgl. Freudenberg u.a., 1990: 105)

Die Methoden der Genomanalyse lassen sich systematisch in die Teilbereiche „Phänotyp-Ebene“, „Chromosomen-Ebene“, „Genprodukt-Ebene“ und „DNA-Ebene“ unterteilen. (vgl.: Neumeister 1990: 144f):

Die Phänotyp-Analyse:

Sie konzentriert sich einzig auf genetische Begebenheiten, die sich direkt auf das äußere Erscheinungsbild, bzw. auf Anomalien der inneren Organe auswirken. Methodisch finden keine operativen Eingriffe auf den Körper statt, es werden rein optische Merkmale überprüft. Die Ultraschalluntersuchung dient der Erkennung organischer Begebenheiten bzw. der Untersuchung des Gesundheitszustandes / des Geschlechts von Feten im Mutterleib.

Die Chromosomen-Analyse:

Dieses Verfahren analysiert die grobe Struktur der Chromosomen mit Hilfe des Elektronenmikroskops. Es können Abweichungen in Form und Größe des Erbmaterials festgestellt werden, die wiederum Rückschlüsse auf bestimmte Krankheitssymptome zulassen. Abweichungen entstehen durch fehlerhafte Zellteilung, z.B. verursacht durch Umweltschadstoffe oder durch Vererbung der Unregelmäßigkeit über mehrere Generationen. Um diese Analyse pränatal durchzuführen, können dem Fetus schon in einem sehr frühen Wachstumsstadium Zellen entnommen werden. Postnatal werden zu diesem Zweck in der Regel Blutzellen (weiße Blutkörper) verwendet.

Die Proteinchemische Analyse:

Hierzu wird die Zusammensetzung und Qualität von Proteinen analysiert, um Rückschlüsse auf genetische Begebenheiten zu ziehen, welche ursächlich zu Stoffwechselvariationen / -defekten führen. Auch dieses Verfahren ist im Bezug auf seine Möglichkeiten noch sehr eingeschränkt, da nicht alle menschlichen Proteine bekannt sind und viele Proteine nur in bestimmten Lebensabschnitten / bestimmten Körperzellen gebildet werden.

Die DNA-Analyse:

Die DNA-Analyse setzt das Wissen über die genaue Beschaffenheit des untersuchten Gens voraus, weil, um einen eventuell vorhandenen Defekt aufzuspüren, der zu untersuchende DNA-Strang (oder eine Sequenz daraus) mit einem „normalen“ verglichen wird.

Der Vorteil im Gegensatz zu den bereits erwähnten Techniken liegt zum einen darin, dass alle Körperzellen der Untersuchung dienen können, weil der genetische Code in jeder Körperzelle gespeichert ist und zum anderen möglicherweise vorhandene Gendefekte schon erkannt werden können, bevor spezifische Krankheitssymptome auftreten.

Praktische Anwendung findet die Genomanalyse mit unterschiedlichen Zielsetzungen:

Wenn bei dem Patienten schon Krankheitssymptome vorhanden sind, lassen sich ggf. Informationen über Ursache, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten gewinnen.

Präsymptomatische Gentests werden durchgeführt, ohne dass Krankheitssymptome aufgetreten sind. Sie dienen der Klärung, ob eine bestimmte genetische Anomalie vorliegt, die eine Erkrankung zur Folge haben könnte.

Bei Paaren mit Kinderwunsch lässt sich ermitteln, ob die Elternteile Träger einer vererbbaren Krankheit sind. Die Risiken werden anschließend in einer Beratung behandelt.

Mittels pränataler Analysen lässt sich herausfinden, ob das ungeborene Kind bekannte genetische Defekte aufweist.

Des weiteren bieten sich weitere praktische Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel zur Hilfe bei der Ermittlung der straftätig gewordenen Personen in Strafverfahren oder das sogenannte Screeningverfahren, ein Suchtest zur Erfassung bestimmter Erberkrankungen an umschriebenen Gruppen aus der allgemeinen Bevölkerung (z.B. Neugeborene, Schwangere) Je nach Zielsetzung wirft dabei die Gendiagnostik verschiedene Probleme und Fragen auf, die sich ausführlicher im Kapitel 4 behandelt finden.

2.2. Die Gentherapie

Die logische Umsetzung der durch die Genomanalyse gewonnenen Erkenntnisse ist die Gentherapie. Sie zielt darauf ab, genetisch bedingte „Fehler“ zu korrigieren, indem systematische, „therapeutische“ Eingriffe in das Erbgut vorgenommen werden. Voraussetzung einer erfolgreichen Genmanipulation ist ein umfassendes Eingrenzen der Zusammenhänge, die für das Zustandekommen der zu behandelnden Krankheit ausschlaggebend sind. Nur ein relativ kleiner Teilbereich der durch Genanomalien verursachten Krankheitsbilder lässt sich jedoch auf den Defekt eines einzigen Gens zurückführen und ist somit in ihrem Erscheinungsbild erfassbar. Bei dem Großteil der Krankheiten sind die Symptome dagegen auf das noch unerforschte Zusammenspiel verschiedener Genabschnitte zu begründen. Trotz einiger ernst zu nehmender Teilerfolge im Bereich dieses neuen medizinischen Forschungsprojektes wird zunehmend deutlich, dass ein generelles Verständnis für das Zusammenwirken einzelner komplexer Vorgänge noch keineswegs vorhanden ist. (vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung, 1999: 75f) Die Genstrukturen des Menschen stehen beispielsweise in beständiger Wechselwirkung mit Proteinen, die ihrerseits den Einfluss auf die Reproduktion der DNA ausüben, wobei noch zu klären gilt, welcher Systematik diese Vorgänge folgen, bevor bestehende Risiken eines gentherapeutischen Eingriffs bei dieser Art von Defekten abgeschätzt werden können.

Je nach Art des medizinisch-therapeutischen Eingriffs wird die Gentherapie grundsätzlich in die beiden Bereiche „somatische Gentherapie“ und „Keimbahntherapie“ eingeteilt. Der wesentliche Unterschied der Therapieformen besteht in der Art der Zelle, die das Objekt der Manipulation ist (vgl. Freudenberg 1990: 117):

Die somatische Therapie zielt auf bestimmte Zellformen ab, die einer Genveränderung zum Opfer gefallen sind. Es sollen mit Hilfe eines Eingriffs die Organ- oder Gewebezellen eines abgegrenzten Areals innerhalb des Körpers behandelt werden. Dazu werden dem Patienten krankhaft veränderte Zellen entnommen, um sie gentechnisch zu korrigieren. Die derart „geheilten“ Zellen werden außerhalb des Körpers vervielfältigt und wieder in das betroffene Organ injiziert - in der hoffnungsvollen Erwartung, dass die veränderten Zellen ihre nun gesunden Merkmale im Verlauf ihrer natürlichen Reproduktion (Zellteilung) weitergeben.

Von ersten Erfolgen auf diese Weise berichtete die ZDF Sendung „Abenteuer Forschung“ am 16.01.2002. Ein Fall von Lungenkrebs konnte zwar nicht geheilt werden, allerdings wurde der Krankheitsverlauf nicht nur gestoppt, es gelang, den Tumor in seinen Ausmaßen deutlich zu verkleinern. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit diese Methode zukünftig aussichtsreich ist.

Bei der Keimbahntherapie werden gezielt Zellen verändert, die sich im Gegensatz den oben genannten Zelltypen dadurch unterscheiden, dass sie sich noch nicht „spezialisiert“ haben, also noch keine Zellen sind, die die Funktionen eines bestimmten Organs / Gewebes übernommen haben. Solche Zellen, die erst im späteren Entwicklungsverlauf noch den Impuls der Spezialisierung bekommen, sind einerseits die Keimzellen (aus Eizelle oder Sperma) und andererseits die Zellen eines Embryos im frühen Stadium, die Stammzellen (Zu diesem Zeitpunkt könnte sich noch aus jeder einzelnen Zelle ein Individuum entwickeln.)

Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen der Gentherapie besteht darin, dass bei der Keimbahntherapie Veränderungen vorgenommen werden, die sich direkt auf die Nachkommen vererben, während eine somatische Gentherapie lediglich Auswirkungen auf das behandelte Individuum hat – die Keimzellen, die für die Fortpflanzung bedeutsam sind, werden bei der somatischen Therapie nicht beeinflusst.

Der Vollständigkeit halber müssten zwei weitere Klassifikationen in die Formen der Gentherapie aufgenommen werden. Aufgrund neuerer Entwicklungen ist zu unterscheiden, ob sich Interventionsmöglichkeiten auf das Kerngenom beschränken (herkömmliches Verfahren), oder ob Ziel des Eingriffes ein mitochondriales Genom ist, welches im Zytoplasma einer jeden Zelle vorkommt und grundlegend andere Charakteristika aufweist als das Kerngenom. (vgl.: Paslack/Stolte 1999:43f) Eine Ausführung über die Besonderheiten der beiden Formen würde in diesem Rahmen aber zu weit führen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Humangenetik - Anwendbarkeit, soziale Folgen und ethische Grenzen
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Autor
Jahr
2002
Seiten
32
Katalognummer
V108179
ISBN (eBook)
9783640063819
ISBN (Buch)
9783656071334
Dateigröße
589 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Hausarbeit zur Erlangung des Vordiploms.
Schlagworte
Humangenetik, Anwendbarkeit, Folgen, Grenzen
Arbeit zitieren
Udo Scharmacher (Autor:in), 2002, Humangenetik - Anwendbarkeit, soziale Folgen und ethische Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108179

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