Das Rollenspiel im Politikunterricht


Unterrichtsentwurf, 2003

24 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Gliederung

1. Definition der Begriffe „Rolle“ und „Rollenspiel"

2. Das Rollenspiel im Politikunterricht
2.1 Rollenspielformen
2.2 Funktionen des Rollenspiels
2.3 Planung und Durchführung eines Rollenspiels im Politikunterricht
2.5 Vor- und Nachteile des Rollenspiels
2.4 Die Evaluation eines Rollenspiels

3. Ein Rollenspielbeispiel: „Jugendgerichtsverhandlung“

1. Definition der Begriffe „Rolle“, „Spiel“ und „Rollenspiel“

In seinem Leben spielt jeder Mensch viele verschiedene Rollen, oft, ohne sich dessen bewusst zu sein: die Rolle als Tochter oder Sohn, als Schwester oder Bruder, als Schüler oder als Schülerin. Jede Rolle, die eine Person in der Familie, in der Freizeit und im Beruf einnimmt, stellt unterschiedliche Erwartungen an das Verhalten und Handeln. Eine Mutter hat andere Erwartungen an ihre Tochter als die Freundin des Mädchens. Diese Rollenmuster helfen uns, dass wir uns in der Gesellschaft zurecht finden und aktiv werden können. Um den Schülern diese Rollen bewusst zu machen und diese spielerisch nachzuempfinden, bieten sich Rollenspiele an. Hier können sich die Schüler in bestimmte Alltagssituationen hineinversetzen und spielerisch bestimmte Verhaltensweisen und Meinungen erproben.[1]

In dieser Arbeit soll das Rollenspiel als didaktische Methode im Politikunterricht näher untersucht werden. Dazu werden zuerst die wichtigsten Begriffe zur Definition geklärt, um danach näher auf das Rollenspiel mit seinen Formen und Funktionen im Politikunterricht einzugehen.

Es gibt wenig neuere Literatur, die sich ausschließlich mit dem Rollenspiel im Unterricht beschäftigt. Oft findet man diese Unterrichtsmethode als eine von vielen in Didaktikratgebern und Methodenbüchern. Dort wird das Rollenspiel aber meist nur genannt und kurz in seinem Wesen beschrieben. Intensivere Auseinandersetzungen neueren Datums findet man dagegen im Internet, wie etwa die Texte von Massing zum Rollenspiel im Politikunterricht oder von Völler zur Planung und Durchführung von Rollen- und Planspielen im Wirtschaftslehreunterricht.

Der Begriff „Rollenspiel“ setzt sich aus den vieldeutigen Begriffen „Rolle“ und „Spiel“ zusammen. Die Kategorie der Rolle hat vor allem im soziologischen und sozialpsychologischen Bereich eine große Bedeutung. Deshalb soll hier vor allem von der sozialen Rolle die Rede sein. Nach Meyers Großem Taschenlexikon bezeichnet die soziale Rolle „die Stellung eines Individuums im Gesellschaftsgefüge“[2], „womit sich für jeden Rollenträger ein Bündel von Verhaltensnormen ergibt [...]“[3]. Die Verhaltensmuster werden während der primären Sozialisation erlernt und somit vom Individuum selbst, von seiner sozialen Umwelt und von der Gesellschaft im Gesamten geprägt. Soziale Rollen werden den Individuen aufgrund bestimmter Merkmale zugeteilt, z.B. Geschlecht, Alter, Beruf oder Schichtzugehörigkeit. An jede Rolle werden bestimmte Rollenerwartungen gestellt. Da jeder Mensch mehrere soziale Rollen in seinem Leben hat (z.B. als Frau, als Mutter und als Lehrerin), kann es zu Rollenkonflikten kommen, wenn es zwischen den verschiedenen Rollenerwartungen Widersprüchen gibt.[4]

Das Spiel wird nach Meyers Großem Taschenlexikon als Tätigkeit bezeichnet, „die ohne bewussten Zweck, aus Vergnügen an der Tätigkeit als solcher bzw. an ihrem Gelingen vollzogen wird“[5]. Verschiedene Spielarten, die Kinder im Laufe ihrer Entwicklung ausprobieren sind: Funktionsspiele, Fiktionsspiele (dazu gehört auch das Rollenspiel), Konstruktionsspiele und Regelspiele. Je nach Sozialform unterscheidet man außerdem Einzel- und Gruppenspiele. Das Spiel des Kindes trainiert kognitive Fähigkeiten, entwickelt und stabilisiert die soziale Identität.[6]

,,Das Rollenspiel ist eine komplexe Methodenkonzeption zur Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Schüler/innen stellen typisches Rollenverhalten in realistischen Situationen dar, indem sie sich in das Denken, Fühlen und Handeln anderer hineinversetzen.“[7] „Im Rollenspiel wird ein Stück Wirklichkeit simuliert, indem sich der einzelne Spieler in seinem Handeln an einer mehr oder weniger präzise definierten sozialen Rolle orientiert.“[8] Daher muss der Schüler den genauen Hintergrund seiner Rolle nicht wissen, sondern weiß anhand der sozialen Rolle der zu spielenden Person, was von ihm erwartet wird und kann diese Rolle damit selbst ausgestalten.

Somit kann man das Rollenspiel als eine Art „Einübung in die Wirklichkeit“[9] verstehen, bei dem sich die Mitglieder einer Gruppe in verschiedene soziale Rollen versetzen und Alltagssituationen, Probleme oder Konflikte im Spiel nachempfunden oder vorausschauend bearbeitet werden können.[10] Auch im freien Spiel versuchen sich Kinder an Rollenspielen, z.B. „Vater, Mutter, Kind“ oder „Kaufmannsladen“. Hier soll es aber ausschließlich um das didaktisch angeleitete Rollenspiel im Unterricht gehen, bei dem der Lehrer oder die Lehrerin ein Stückchen Wirklichkeit konstruiert und didaktisch reduziert. Das didaktische Rollenspiel wiederum lässt sich in verschiedene Formen und Variationen einteilen.

2. Das Rollenspiel im Politikunterricht

2.1 Rollenspielformen

Für den Politikunterricht bieten sich ganz verschiedene Formen des Rollenspiels an. Diese Varianten schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich eher und können je nach der pädagogischen Situation eingesetzt werden.

Zum einen gibt es das informelle bzw. spontane Rollenspiel, bei dem der Spielleiter, in diesem Falle der Lehrer, eine Rahmenhandlung kurz vor der Gruppe schildert und einige Schüler bittet diese improvisatorisch mit flexiblen Rollen auszugestalten.[11] Das bietet sich vor allem zur Veranschaulichung von Beispielfällen an, die aus dem unmittelbaren Lebensumfeld der Jugendlichen kommen, beispielsweise Konflikte in der Familie und Probleme in der Schule. Diese Form des Rollenspiels eignet sich vor allem, wenn es dem Lehrer um Verhaltenstraining, die Stärkung der Handlungskompetenz oder das soziale Lernen geht.[12]

Das formelle Rollenspiel bedarf schon mehr Vorbereitung. Der Fall wird wieder allen Schülern geschildert. Danach erhält jeder Spieler oder jede Spielergruppe eine genaue Rollenspielanweisung, auf die die Schüler sich vorbereiten müssen.[13] Diese Art des Rollenspiels ist dann sinnvoll, wenn die Rollen nicht unbedingt aus dem Lebensumfeld der Jugendlichen kommen, sondern „zukünftige Lebenssituationen vorgreifen, andere Lebensbereiche simulieren oder sich auf geschichtliche Vorgänge beziehen“[14] und ein Hineinversetzen in diese Rolle einiger Vorbereitung und Zusatzinformationen bedarf.

Das Rollenspiel kann auch als Einführung in einer Problemgeschichte zum Weiterspielen verwendet werden. Dabei sammeln die Schüler in Gruppen Material, die Rollen werden verteilt und im Spiel wird vorbereitet oder improvisierend eine Lösung des Problems gesucht.[15]

Weiterhin kann das Rollenspiel eine Einführung in ein offenes, erfahrungsbezogenes Thema sein. Hierbei werden Erfahrungen und Problemgeschichten gesammelt und nach einer Sichtung des zusammengetragenen Materials eine Szene ausgewählt und dafür die notwendigen Rollen beschrieben. Auch hier kann dann wieder vorbereitet oder improvisierend vor der gesamten Gruppe gespielt werden.[16]

Eine Variante des Rollenspiels ist auch das Tauschen von Rollen. Jeder Spieler spielt eine bestimmte Rolle in einem improvisierten Spiel. In einem zweiten Durchgang wird das gleiche Stück noch einmal gespielt und die Rollen werden untereinander vertauscht. Hierbei sollen die Spieler vor allem lernen Perspektiven zu wechseln und ein Problem von mehreren Standpunkten aus zu beleuchten.

Weitere Spielvarianten sind etwa die „kollektive Rolle“[17], bei der sich mehrere Spieler eine Rolle teilen und diese vor jeder Szene besprechen und dann einen Spieler auswählen, der die Gruppe vertritt. Beim „Rollen zuwerfen“[18] werden im Spiel von bereits agierenden Gruppenmitglieder weitere Spieler auf die Bühne geholt, die dann eine neue Rolle spielen oder die Rolle des Gruppenmitglieds weiter spielen.

Je nach der Intention des Lehrers kann das Rollenspiel ein kleiner motivierender Einstieg in ein neues Unterrichtsthema sein. Das geschieht dann vor allem als spontanes Rollenspiel und beansprucht nicht mehr als 15 Minuten inklusive Vor- und Nachbereitung. Rollenspiele können aber auch eine gesamte Unterrichtseinheit tragen, benötigen dann aber eine intensive Vor- und Nachbereitung des Lehrers und der Schüler, damit das Thema im Blick der Schüler bleibt und nicht das Spielen zu sehr in den Vordergrund rückt.

Ments kategorisiert Rollenspiele vor allem nach ihrer Intention, etwa um eine Situation zu beschreiben oder vorzuführen, um Techniken zu demonstrieren, um Fertigkeiten zu üben, um Feedback zu geben (Reflexion), um die Wahrnehmung/Empfindung der Teilnehmenden für eine Situation zu sensibilisieren oder um die Schüler zur kreativen Selbstdarstellung zu ermutigen.[19] Man könnte darin aber auch eher die verschiedenen Funktionen des Rollenspiels sehen.

Die Auswahl der Rollenspielform für den Unterricht trifft Ments nach folgenden Stichworten:[20]

- Ist die Zielsetzung der Übung durch diesen Rollenspieltypen wirklich erreichbar?
- Welche Anforderungen stellt der Rollenspieltyp an die Schüler?
- Wie ist das Zusammenspiel von geplanter Informationsphase und Rollenspieltyp?
- Was passiert bei vorsätzlicher Veränderung der Charaktere?
- Werden persönliche Gefühle zu sehr sichtbar?
- Gibt es Möglichkeiten zur Vereinfachung des Szenarios?
- Sind die Rollendefinition so einfach wie möglich?
- Ist ein Rollenspiel wirklich die beste Methode für diesen Zweck?

2.2 Funktionen des Rollenspiels

Rollenspiele dienen vor allem der Diagnose und Lösung sozialer Konflikte und Probleme. Bei sensiblem Einsatz und guter Spielführung kann es vor allem in drei Bereichen das Wissen und die Erfahrungen der Schüler aber auch die des Lehrers bereichern: als Lebenshilfe, für das soziale und für das politische Lernen.

Das Rollenspiel thematisiert meist Konflikte aus der Umwelt der Schüler und verdrängt sie nicht. Da beim Rollenspiel immer typische Verhaltensweisen der verschiedenen Personen gespielt werden sollen, sind keine besonderen schauspielerischen Fähigkeiten notwendig. Dadurch kann jeder Mensch Rollenspiel spielen und damit auch jede Rolle. Rollenspiel symbolisieren vor allem Alltagssituationen und die Auseinandersetzung mit dieser Wirklichkeit und eignen sich daher sehr gut für die Schüler, ihr eigenes Handeln besser verstehen zu lernen und sich auch in das Denken, Fühlen, Handeln ihrer Mitschüler, ihrer Lehrer und weiterer Bezugspersonen einfühlen. Somit erhalten sie ein vertieftes Verständnis für die Rollen anderer, z.B. Eltern, Lehrer, Mitschüler (soziale Perspektivenübernahme). Das soziale Lernen steht hier im Vordergrund. Weiterhin können die Schüler unterschiedliche Konfliktlösungsmuster und ihre Wirkung ausprobieren, aber auch ihre Interessen artikulieren und durchzusetzen lernen. Sie haben ebenfalls Gelegenheit Hemmungen abzulegen und sich vor anderen darzustellen. Rollenspiele sind hier eine große Lebenshilfe.

Das politische Lernen ermöglicht das Rollenspiel vor allem durch Rollen, die nicht aus dem unmittelbaren Lebensumfeld der Schüler kommen. So können die Schüler beispielsweise ohne Vorbereitung ein Familienmitglied bei einem Familienstreit spielen, aber es wird ihnen schwerer fallen, etwa einen Polizisten oder ein Rechtsanwalt zu spielen, da diese Rolle stärker formalisiert und institutionalisiert ist, da sie klar definierte Rechte und Pflichten haben und aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ein bestimmtes Verhalten zeigen. Diese Rollen müssen erst erarbeitet werden, damit die Schüler genügend Wissen über diese Rolle haben und entsprechend handeln können. Dabei ist es wichtig, dass der Lehrer entsprechend aufbereitetes Material (Rollenkarten) zur Verfügung stellt, damit die Schüler ein realistisches Bild von der neuen Rolle bekommen. Allerdings bleibt es den Schülern wieder überlassen, wie sie die ungewohnte Rolle ausschmücken, also ob der Polizist eher autoritär ist oder ob er sich eher kompromissbereit zeigt – aber eben alles im Rahmen der vorher erarbeiteten Möglichkeiten. Somit lernen die Kinder auch unbekannte Rollen und Perspektiven kennen.[21] „Der Übergang von Rollen aus dem sozialen Nahbereich zu formalisierten und institutionalisierten Rollen aus Gesellschaft und Politik, z.B. zu Berufsrollen (Polizist, Sozialarbeiter, Arzt, usw.) und zu politischen Akteursrollen (Parteimitglied, Abgeordneter, Gewerkschaftler usw.), markiert zugleich den Übergang von der Lebenshilfe und dem sozialen Lernen zum politischen Lernen.“[22]

Durch die Erarbeitung unbekannter Rollenbilder kann das Rollenspiel auch kognitive Lernziele erreichen. Die Schüler erlangen fachspezifisches Wissen, etwa über eine bestimmte Berufsgruppe oder über bestimmte Handlungsabläufe (z.B. Gerichtsverhandlung, siehe Kapitel 3). Außerdem lernen die Schüler dieses Wissen anzuwenden und entsprechend angemessene Entscheidungen in einem Konflikt zu finden.

Nicht zuletzt ist das Rollenspiel ein sehr gutes Kommunikationstraining und kann durch seine Handlungsorientierung eine ausgezeichnete Motivation für ein neues Thema sein.

2.3 Planung und Durchführung eines Rollenspiels im Politikunterricht

Egal, ob der Lehrer eher ein spontanes oder ein informelles Rollenspiel intendiert, die Vorbereitung läuft bei beiden Formen ähnlich ab. Nur die Länge und Intensität der Vorbereitungsphase ist unterschiedlich.

In der Vorbereitung des Rollenspiels wird zuerst einmal die Situation festgelegt, die gespielt werden soll. Dies kann der Lehrer bestimmen oder die Schüler entscheiden lassen. Zwei leitende Fragen hierzu können sein:[23]

Worum geht es? (Genaue Beschreibung des Problems oder des Konflikts.)

Welche Ziele hat das Rollenspiel?

Die Lehrerin oder der Lehrer sollten die Spielidee, das Szenario schriftlich fixieren und allen SchülerInnen in die Hand geben. Außerdem sollten die Spielregeln festgelegt werden und der zeitliche Ablauf. Als nächstes werden die Rollenvorgaben durchgegangen. Je nachdem, ob man spontan oder nach Vorbereitung spielt, sind die Rollenkarten bis ins Detail ausgearbeitet oder nur die Rolle selbst ist vorgegeben. Variationen ergeben sich, wenn man neben der Rolle auch ein bestimmtes Ziel vorgibt, z.B. Pia will den Streit mit ihrer Mutter um die Erhöhung ihres Taschengeldes unbedingt gewinnen. Nach der Rolleneinteilung erhalten die Spieler die Gelegenheit, sich ihre Rolle zu erarbeiten. Bei formalisierten sozialen Rollen, die nicht aus dem Lebensbereich der Jugendlichen kommen, ist dies eine zeitlich längere Phase. Aufgabe des Lehrers ist es hier, alle wichtigen Informationen über die Rolle und eventuelle Inhalte ihrer Argumentation zur Verfügung zu stellen. Die Schüler/innen können dann mit Hilfe der Materialien oder eigener Recherchen die Rollenkarten ergänzen. In dieser Phase ist eine Gruppenarbeit ratsam, da die Schüler sich so besser austauschen können und eine größere Menge an Informationen verarbeiten können. Außerdem sinkt so auch die Angst, bei einer Rolle allein da zu stehen. Die Schülerinnen und Schüler, die nicht direkt am Rollenspiel beteiligt sind, sollten konkrete Beobachtungsaufträge erhalten, deren Kriterien gemeinsam in der Klasse erarbeitet werden können. Dies ist wichtig für die Auswertungsphase des Rollenspiels. (siehe Kapitel zur Evaluation). Zur Vorbereitung gehört auch der Aufbau der Spielsituation (Requisiten) und eventuell der Aufbau von Technik (Video, Licht etc.).[24]

Wenn die Gruppe zum ersten Mal ein Rollenspiel aufführt, die Gruppe sich nicht oder nur sehr wenig kennt oder das Thema sehr persönlich ist und damit die Gefahr der Befangenheit sehr groß, bieten sich kleine Lockerungsübungen an, die die Gruppe gelöster machen. So genannte Aufwärmspiele finden sich bei Ments und bei Zimmermann/Zeppenfeld/Krämer.

Die wichtigste Phase ist natürlich die des Spielens der Szene. Wenn es technisch möglich ist, sollte sie auf Video aufgezeichnet werden, da dadurch die Auswertung erleichtert werden kann. Durch Spielvariationen (siehe Rollenspielformen) kann das Rollenspiel noch abwechslungsreicher gestaltet werden. Die beobachtenden Schüler und der Spielleiter sollten sich zu vorher festgelegten Kriterien Notizen machen.

Unmittelbar an die Spielszene sollte sich eine Rollendistanzierung anschließen. Hier stehen vor allem die Gefühle im Mittelpunkt, die die Spielerinnen und Spieler während des Spielens erlebt haben. In dieser Phase können sich die Schüler von ihrer Rolle distanzieren und somit aus einer anderen Perspektive betrachten. Anschließend sollen die Beobachter berichten, wie die Spieler ihre Rolle gespielt haben (Kriterien siehe Kapitel 2.5).[25]

Der Rollendistanzierung schließt sich die eigentliche Auswertung des Rollenspiels an. Diese setzt sich vor allem aus dem Betrachten des Videos und einer ausführlichen Analyse zusammen. Hier kommen wieder die Beobachter zum Zuge und ihre Beobachtungsaufgaben. In dieser Phase sollten die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Rollenspiel herausgearbeitet und systematisiert werden. Die Unterschiede zwischen der Spiel- und der Alltagswelt sollten deutlich gemacht werden, um Missverständnisse zu vermeiden und die Rollendistanzierung zu verschärfen. Nicht zuletzt sollte die Frage nach der Verallgemeinerung der Ergebnisse gestellt werden[26], um zum Beispiel einen Verhaltenskodex in Konfliktsituationen aufzustellen oder eine Argumentationsstruktur zur Toleranzerziehung.

2.4 Vor- und Nachteile des Rollenspiels

Nach Ments zeigen sich bei guter Vor- und Nachbereitung im Rollenspiel folgende Vorteile:[27]

Das Rollenspiel

- befähigt Schüler, verborgene Gefühle zu äußern
- befähigt Schüler, eigene Absichten und Probleme zu erörtern
- befähigt Schüler zu Mitgefühlt und zum Verständnis der Beweggründe anderer
- bietet Übung verschiedener Verhaltensweisen
- porträtiert generalisierte soziale Probleme und Beziehungen informeller und formeller Gruppeninteraktionen
- verleiht akademisch-theoretischen Inhalten (Geschichte, Sprache, Wirtschaft, Geographie) Leben und Unmittelbarkeit
- bietet schweigsamen Schülern Gelegenheit zur Interaktion und betont die Bedeutung nicht verbaler und emotionaler Antworten
- ist motivierend und effektiv, weil es Aktivität beinhaltet
- ist schülerorientiert und richtet sich an Wünschen und Bedürfnissen der Teilnehmer aus; die Gruppe kann Inhalt und Verlauf kontrollieren
- überwindet Trennung von Ausbildung und realen Lebenssituationen
- verändert Einstellungen
- gestattet Übung in der Kontrolle von Gefühlen und Meinungen

Ob ein Rollenspiel Nachteile mit sich bringt, hängt immer von der Umsetzung und der Gruppe ab. Nach Ments verbirgt das Rollenspiel folgende Risiken:[28]

- Der Spielleiter verliert die Kontrolle darüber, was gelernt und wie es gelernt wird.
- Vereinfachungen können irreführen.
- Das Rollenspiel benötigt viel Zeit.
- Das Rollenspiel benötigt zusätzliche Mittel (Menschen, Raum, besondere Erfordernisse).
- Das Rollenspiel hängt von der Qualifikation des Spielleiters und der Schüler ab.
- Seine Auswirkungen können Rückzugs- und Abwehrsymptome auslösen.
- Das Rollenspiel kann zu sehr als Unterhaltung oder Spielerei aufgefasst werden.
- Das Rollenspiel kann Lernen so dominieren, dass solide Theorien und Fakten ausgeschlossen werden.
- Das Rollenspiel kann auf bereits vorhandene Kenntnisse von Schülern beschränkt bleiben.

Diese Risiken können vor allem durch eine ausführliche und fachlich hochwertige Evaluation vermieden werden. Denn hier können diese möglichen Fehler auch besprochen und somit den Schülern bewusst gemacht werden.

2.5 Die Evaluation eines Rollenspiels

Jedes Rollenspiel im Unterricht muss besprochen werden. Eine ausführliche Auswertung ist genauso wichtig wie das Spiel selbst, denn ohne sie wird es schwierig sein, die Einstellungen, Vorurteile oder Verhaltensweisen, die im Rollenspiel gezeigt werden, bewusst zu machen. Bei fehlender Evaluation eines Rollenspiel verspielt man sich die Chancen, die ein handlungsorientierter Unterricht bietet. Ein Rollenspiel soll nicht nur an der Oberfläche kratzen und etwas darstellen. Es muss auch intensiv über Gefühle, Argumentationsstrukturen, Konflikte und auch über Nachteile des Rollenspiels gesprochen werden, um das Spiel den Schülern zu vergegenwärtigen und eine Verallgemeinerung für den Lebensalltag bewusst zu machen.

Auch im Politikunterricht sollte vor der intensiven Auswertung über Gefühle und über erste Eindrücke gesprochen werden, damit eine Distanzierung zum Spiel und zur Rolle möglich wird. Erst dann ist eine Metakommunikation möglich.

Für eine gemeinsame Evaluation bietet sich an, das Rollenspiel auf Video aufzuzeichnen, damit man es nach dem Rollenspiel phasenweise zeigen kann. Da auch die Vorbereitung des Rollenspiels dazu gehört und man mit der Videokamera nicht bei allen Gruppen gleichzeitig sein kann, ist es sinnvoll in allen Gruppen einen Prozessbeobachter zu bestimmen, der seine Gruppe anhand eines gemeinsam ausgeklügelten oder vorgegebenen Beobachtungsbogens unter die Lupe nimmt. Die Präzisierung und die Menge der Fragen richten sich nach dem Alter und der Leistung der teilnehmenden Schüler und natürlich nach der Intention des Lehrers, zum Beispiel ob das soziale Lernen oder das politische Lernen im Vordergrund des Spiels stehen sollen. Über Fragen zu Gruppenprozessen sollte aber so weit es geht immer eingegangen werden, damit die Schüler lernen über ihre Arbeitsprozesse zu reflektieren.

Fragen für den Prozessbeobachter könnten sein:

Gruppendynamik: [29]

- Wer ergriff die Initiative, wer hatte Führungsrollen?
- Wann und weshalb gab es Konflikte bei der Erarbeitung der Rollen?
- Wer vermittelte bei Konflikten, fasste zusammen, ordnete das Vorgehen?
- Wer arbeitete am besten mit wem zusammen?
- Wie wurden Konflikte zwischen den Gruppenmitgliedern gelöst?

Spielerische Darstellung:[30]

- Wie wirklichkeitsnah haben die Einzelnen gespielt?
- Wie wurde der Raum für individuelle Auslegungen genutzt?
- Sind die rollentypischen Verhaltensweisen von den Zuschauern erkannt worden?
- Wie sind die Spieler aufeinander eingegangen? Haben sie aufeinander reagiert?
- Sind einzelne Spieler zu weit vom Thema abgekommen? Wodurch?
- Wurde dabei auf die Argumentation im Rollenspiel eingegangen? Gab es mehrere Lösungen? Gab es Kompromisse? Welche Entscheidungshilfen wurden genutzt?
- Wie hoch war die Qualität der Lösung des Rollenspielkonfliktes? (überzeugend für alle oder einseitig – z.B. aus Zeitgründen)

Fragen zum Zusammenhang zwischen Alltag und Spiel:[31]

- Wie groß war der Bezug zum Alltag (zur realen Situation, die dargestellt wurde)? Was kann man vergleichen, was nicht? Wären die Reaktionen der Spieler im Alltag anders gewesen? Warum?
- Welches Wissen haben die Spieler aus den Kenntnissen des bisherigen Politikunterricht und der Vorbereitung auf das Rollenspiel eingebracht?
- Welche gesellschaftlichen Normen, Wertvorstellungen, Interessen und Zwänge oder Prozesse wurden angesprochen?
- Welche Erkenntnisse haben die Spieler und Zuschauer aus dem Rollenspiel gewonnen?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Spiel für die Gruppe/für den Einzelnen?

Diese Fragen können natürlich an alle Schüler gestellt werden, damit auch verschiedenen Meinungen zu hören sind und die Spieler die Gelegenheit bekommen, sich selbst kritisch zu betrachten.

Die wichtigsten Punkte der Auswertung sollten für alle Schüler noch einmal auf einem Skript festgehalten werden und zu den restlichen Unterlagen des Rollenspiels abgelegt werden, um zum Beispiel bei späteren Rollenspielen noch einmal darauf zurück greifen zu können.

3. Ein Rollenspielbeispiel: „Jugendgerichtsverhandlung“

Während meines fachdidaktischen Praktikums an der Deutschen Botschaftsschule Peking organisierte ich mit den 17 Schülern der 8. Klasse, die ich in Gemeinschaftskunde unterrichtete, ein Rollenspiel zum Thema „Jugendstrafrecht“. Es sollte eine Jugendgerichtsverhandlung zu einem ganz konkreten Fall nachgespielt werden. In den Stunden davor hatten die Schüler bereits über das Thema Gewalt ausführlich gesprochen und auch das Thema „Wehrhafte Demokratie“ behandelt. Zur inhaltlichen Vorbereitung wurden die Schüler gleich in unserer ersten gemeinsamen Stunde mit einem konstruierten Fall konfrontiert (siehe Anlage „Der Fall“). In zwei Arbeitsgruppen sollten die Jugendlichen verschiedene Fragen beantworten. Die eine Gruppe setzte sich mit dem Opfer der Gewalttat auseinander und die anderen mit den Gefühlen und Gedanken der Täterin. Auf einem Plakat stellten die Schüler ihre Ergebnisse dann der Klasse vor. Beide Positionen sollten danach miteinander verglichen werden und es war für uns alle erstaunlich, wie ähnlich die Gefühle und Ängste der Täterin und des Opfers sind. Diese Aufgabe sollte die Schüler dafür sensibilisieren, dass bei solchen Straftaten Gefühle und Ängste eine große Rolle spielen und man sich über beide Parteien Gedanken machen muss. Nur so kann man zu einer gerechten Strafe kommen. Über Strafen diskutierten wir anschließend. Die Schüler machten einige Vorschläge, wie sie die Täterin Sarah bestrafen würden. Danach erhielten sie einen Text über den Sinn von Strafen. Gemeinsam wurden die Aufgaben von Strafen zusammen getragen und ins Heft übernommen (siehe Anlage Tafelbild Strafen). Weiterhin wurde anhand einer Statistik erkannt, dass Jugendliche weitaus mehr Straftaten begehen als Erwachsene und ein Text unterstützte die These, dass Kriminalität in vielen Fällen „nur“ eine Jugendsünde ist. In der anschließenden Diskussion wurde darüber gesprochen, ob man Jugendliche dann anders bestrafen muss. Erstaunlicherweise waren zwei Schüler fest davon überzeugt, dass man Jugendliche strenger bestrafen müsse als Erwachsene. „Damit sie es besser lernen.“ Als wir dann aber über den Sinn von Strafen besonders für Jugendliche sprachen, ließen sie sich von anderen Schülern überzeugen, dass bei Jugendstrafen nicht die Sühne und Abschreckung im Vordergrund stehen sollte, sondern die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und die Erziehung.

In der nächsten Doppelstunde lernten die Schüler einen Auszug aus dem Jugendstrafrecht kennen und überlegten gemeinsam, was jetzt mit „ihrem“ Fall passieren würde. Dazu gab es einen kleinen Lehrervortrag zum Gang eines Strafverfahrens. Danach wurde in einer Gruppenarbeit überlegt, wie die Gerichtsverhandlung selbst ablaufen könnte. Die richtige Reihenfolge wurde dann besprochen.

Erst mit diesem Vorwissen bekamen die Schüler ihre Rollenkarten. Es gab drei Gruppen. Die Gruppe des Täters stellte je eine Schülerin, die die Täterin, den Verteidiger und entsprechende Zeugen stellen sollten. Die Gruppe des Opfers wählte je einen Schüler aus, der das Opfer und den Staatsanwalt spielten und ebenfalls entsprechende Zeugen. Die dritte Gruppe war die Gruppe „Gericht“ mit dem Richter, zwei Schöffen und dem Prozessbeobachter. Zu den Rollenkarten (siehe Anlage) gab es noch weiteres Material für das Gericht, z.B. einen Auszug aus einem Gerichtsurteil und einen Auszug aus dem Strafgesetzbuch. Andere Unterlagen, die die Schüler für die Vorbereitung benötigten, hatten wir vorher gemeinsam besprochen (z.B. Fallbeschreibung, die verschiedenen Positionen von Opfer und Täter, Sinn von Strafen, Jugendstrafrecht, Ablauf einer Gerichtsverhandlung,). Den Rest der Doppelstunde hatten die Schüler Zeit, sich in der Gruppe zu besprechen, wie sie in der Hauptverhandlung argumentieren wollten.

Die beiden darauf folgenden Stunden wurde das Rollenspiel inszeniert. Da die Schüler sehr eifrig waren, gingen sie sehr ins Detail mit ihrer Verhandlung und erfanden im Spiel noch neue Zeugen, die ihre Aussagen bekräftigten sollten (z.B. einen Psychologen, der den psychischen Zustand des Täters darstellen sollte oder einen Arzt, der die Schädelfrakturen des Opfers in den schrecklichsten Farben ausmalte und sich dazu extra ein Medizinlexikon zur Hilfe nahm). Die Schüler gerieten zum Schluss so sehr unter Zeitdruck, dass die Verhandlung mehr oder weniger abgebrochen wurde und das Gericht zu einem Urteil kommen musste. Schon am Ende der sechsten Stunde hatten die Schüler Raum, sich kurz über Gefühle und erste Eindrücke zu äußern. Allen hatte es Spaß gemacht, so etwas einmal zu spielen. Doch sie bemängelten, dass der Fall nicht präzise genug dargestellt war und dass es dadurch bei der Verhandlung zu Widersprüchen kam.

In der siebten und damit unserer letzten gemeinsamen Stunde sollte die Auswertung statt finden, in der wir uns einige wichtige Stellen des Videos anschauen wollten. Leider versagte ausgerechnet in dieser Stunde die Technik und auch unser Prozessbeobachter hatte seine Aufzeichnungen zu Hause vergessen. Die zweite Prozessbeobachterin war krank geworden. Dadurch musste unser Gedächtnis ausreichen. Noch einmal bestärkten die Schüler, dass ihnen das Rollenspiel Spaß gemacht habe und dass man die Rollenkarten präziser formulieren müsse, wodurch sicherlich einige Widersprüche hätten vermieden werden können. Dadurch hatten die Schüler zusätzliche Schwierigkeiten aufeinander einzugehen und die Argumentation der anderen Partei in die eigene aufzunehmen. Die meisten Schüler waren der Meinung, etwas gelernt zu haben und jetzt ein bisschen besser zu wissen, wie eine Gerichtsverhandlung abläuft und dass man immer schauen muss, was beide Parteien in einem Streitfall zu sagen haben und jeder Beteiligte eine Situation anders wahr nimmt und interpretiert. Leider blieb nicht mehr genügend Zeit, um meine Kritik anzubringen. Zwar hatte es den Schülern großen Spaß gemacht zu spielen, aber sie haben sich an einigen Stellen zu sehr in Details verzettelt. Gerichtssendungen wie „Barbara Salisch“ hatten es scheinbar vor allem der Verteidigerin angetan, die so geschickt argumentierte, dass sie beinahe das Opfer zum Täter machte und das Gericht durch ihre vorlaute Art ganz schön ins Schwitzen brachte. Das Gericht hatte oft Schwierigkeiten, für Ruhe im Gerichtssaal zu sorgen oder die Verteidigerin davon abzuhalten, sich selbst einen Einspruch zu genehmigen. Auch das Urteil des Gerichtes hatte wenig mit der Verhandlung zu tun. Es wurden nur sehr wenige Punkte angesprochen, die in der Verhandlung Thema waren. Zuerst wollte das Gericht die Täterin wegen einer Schlägerei zu einer mehrjährigen Jugendhaftstrafe verurteilen, ließen sich aber überzeugen, noch einmal darüber nachzudenken, da es die erste Tat der Schülerin war. Also entschieden sie sich für soziale Arbeit auf einer Unfallstation, widersprachen sich aber in Bezug auf die Reue, die die Täterin während der Verhandlung gezeigt hatte. Das Muster der Urteilsbegründung, das ich dem Gericht zur Verfügung gestellt hatte, benutzen sie ebenfalls nicht, bezogen sich aber wenigstens auf Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch und dem Jugendstrafrecht.

Es war mein erstes organisiertes Rollenspiel im Unterricht und ich bin trotz der Missverständnisse und Lücken, die bei den Schülern blieben zufrieden mit dem Ergebnis und denke, dass formalisierte Rollenspiele für das politische Lernen bei älteren Schülern besser geeignet sind, aber es ihnen auch Schwierigkeiten bereitet, sich so gut auf ihre Rolle vorzubereiten, dass sie realistisch in ihrer, für sie fremden, Rolle reagieren können.

Auch für die Schüler war es das erste große Rollenspiel und wir haben alle eine Menge gelernt – und wenn es hauptsächlich die Frage war, wie man ein Rollenspiel noch besser organisieren kann.

In meinem nächsten Rollenspiel, das ich mit einer Klasse organisiere, werde ich vor allem mehr Wert auf die Evaluation legen, die hier aufgrund der Technik und des schusseligen Prozessbeobachters nicht so ergiebig war, wie ich erhofft hatte. Ich hatte auch versäumt, den Schülern konkrete Beobachtungsaufgaben zu stellen und hätte mehr Prozessbeobachter einsetzen müssen.

Ich halte Rollenspiele nach wie vor für sehr geeignet, um über zwischenmenschliche Prozesse zu reflektieren und auch solche formalisierten Prozesse wie eine Gerichtsverhandlung nachzuempfinden und mit den Schülern darüber zu sprechen. Wer sich selbst schon einmal ein gefühlt hat wie in einer echten Gerichtsverhandlung, der kann viel besser nachempfinden, was für eine seelische Belastung es für alle Beteiligten sein kann und hat dann auch mehr Verständnis für jugendliche Straftäter, die nicht unbedingt aus Lust an der Gewalt oder Geldgier Straftaten begehen, sondern dass hinter jedem Täter oft auch ein Opfer steht und es deshalb wichtig ist, eine Strafe zu finden, die sowohl dem Opfer als auch dem Täter gerecht wird.

Jugendstrafrecht

Der Fall:

Um in einer Clique aufgenommen zu werden, muss die 14-jährige Sarah eine Mutprobe bestehen: Sie soll Maria aus der Parallelklasse den Discman abnehmen. Wider Erwarten wehrt sich das Opfer und es kommt zum Kampf. Sarah weiß nicht, was sie machen soll und schlägt Maria mit einem Schlagring nieder. Die Clique schaut dabei zu und applaudiert. Zwei Freundinnen von Maria kommen zu spät zum Tatort und sehen nur noch, wie Maria am Boden liegt und Sarah auf sie einschlägt. Ein Lehrer hat das Ganze vom Fenster aus beobachtet und sofort die Polizei alarmiert. Auch er kann nicht mehr rechtzeitig helfen, erkennt aber die Täter.

Gruppe 2:

a) Welche Gefühle könnte Sarah haben?
b) Welche Gründe hat Sarah - eurer Meinung nach - für ihr Verhalten? Welche Ziele verfolgt sie?
c) Hätte sie auch auf andere Weise ihre Ziel erreichen können?
d) Welche Folgen hätte es für Sarah, wenn Maria eine Anzeige bei der Polizei machen würde?

Haltet eure Ergebnisse auf einem Plakat fest und hängt sie mit dem Plakat der anderen Gruppe nebeneinander.

Jugendstrafrecht

Der Fall:

Um in einer Clique aufgenommen zu werden, muss die 14-jährige Sarah eine Mutprobe bestehen: Sie soll Maria aus der Parallelklasse den Discman abnehmen. Wider Erwarten wehrt sich das Opfer und es kommt zum Kampf. Sarah weiß nicht, was sie machen soll und schlägt Maria mit einem Schlagring nieder. Die Clique schaut dabei zu und applaudiert. Zwei Freundinnen von Maria kommen zu spät zum Tatort und sehen nur noch, wie Maria am Boden liegt und Sarah auf sie einschlägt. Ein Lehrer hat das Ganze vom Fenster aus beobachtet und sofort die Polizei alarmiert. Auch er kann nicht mehr rechtzeitig helfen, erkennt aber die Täter.

Gruppe 1:

a) Welche Gefühle könnte Maria in dieser Situation gehabt haben?

b) Wie reagiert Maria auf den Angriff?

Wie würdet ihr reagieren?

c) Hätte sie auch anders reagieren können?

d) Welche Folgen hat die Straftat für Maria?

Haltet eure Ergebnisse auf einem Plakat fest und hängt sie mit dem Plakat der anderen Gruppe nebeneinander.

Tafelbild Strafe

Strafe muss sein – muss Strafe sein?

Rechtliche Aspekte

Bei der Beurteilung einer Straftat sind vielfältige Beziehungen zu berücksichtigen, um ein angemessenes und gerechtes Urteil zu finden.

Ist die Strafe gerecht gegenüber

- dem Opfer?
- anderen Tätern?
- der Gesellschaft?
- dem Täter?

Sinn und Ziel von Strafen:

- Abschreckung
- Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung)
- Schutz der Bevölkerung (Sicherheitsbedürfnis)
- Reue
- Wiedergutmachung/Sühne

Jugendstrafrecht

- Sonderstrafrecht für junge Täter im Alter von 14 bis 18 bzw. 21 Jahren
- Erziehung im Vordergrund
- Ziel: Jugendliche in geordnete Bahnen zurückführen

Die Opferseite (6 Schüler)

Schaut euch den Tathergang an und was zu den Gefühlen und Motiven von Sarah und Maria erarbeitet wurde. Wenn ihr die Rollen verteilt habt, schaut euch an, wann ihr jeweils in der Gerichtsverhandlung dran kommen werdet und bereitet euch auf folgende Fragen vor:

Maria:

Bereite dich darauf vor, dass du zum Tathergang gefragt wirst, zu deinen Verletzungen und deinen Gefühlen bei und nach der Schlägerei.

Freundinnen Laura und Tina:

Bereitet euch darauf vor, dass ihr zum Tathergang gefragt werdet, wo ihr zum Zeitpunkt der Tat gewesen seid und was ihr getan habt und zu den Verletzungen, die ihr bei Laura sehen konntet.

Lehrer:

Bereite dich darauf vor, dass du zum Tathergang gefragt wirst, wo du zum Zeitpunkt der Tat gewesen bist und was du getan hast, als du die Prügelei gesehen hast.

Arzt:

Du stellst ein Gutachten vor, das Marias Zustand nach der Schlägerei protokolliert.

Staatsanwalt:

Formuliere eine Anklage, in der du schilderst, was Sarah zur Last gelegt wird. Suche die entsprechenden Artikel im Strafgesetzbuch.

Formuliere Fragen, die du in der Vernehmung an die Zeugen (auch die des Täters) stellen möchtest (z.B. zum Tathergang, wo sie zur Tatzeit waren, was sie beobachtet haben, über die Motive von Sarahs Tat etc.). Überlege dir schon einmal eine Argumentation für das Plädoyer des Staatsanwaltes und eine Strafe, die du für Sarah beantragst. Nimm dazu das StGB und das Jugendstrafrecht zur Hilfe.

Zusatzinformationen:

Maria hatte nach der Schlägerei Prellungen und eine leichte Gehirnerschütterung. Sarah kam mit einigen Prellungen davon.

Täterseite (6 Schüler)

Schaut euch noch einmal den Tathergang an und was zu den Gefühlen und Motiven von Sarah und Maria erarbeitet wurde. Wenn ihr die Rollen verteilt habt, schaut euch an, wann ihr jeweils in der Gerichtsverhandlung dran kommen werdet und bereitet euch auf folgende Fragen vor:

Sarah:

Bereite dich darauf vor, dass du zum Tathergang gefragt wirst, zu deinen Motiven, Verletzungen und deinen Gefühlen bei und nach der Schlägerei.

Ulla, Mario und Bettina aus der Clique:

Bereitet euch darauf vor, dass ihr zum Tathergang gefragt werdet, wie es dazu kommen konnte und zu den Verletzungen von Maria und Sarah. Vor allem wird man euch die Frage stellen, warum ihr Maria nicht geholfen habt.

Mutter von Sarah:

Berichte darüber, wie Sarah sich sonst so verhält. Vielleicht ist sie ja besonders schüchtern und unauffällig.

Verteidiger:

Formuliere Fragen, die du in der Vernehmung an die Zeugen (auch die des Opfers), und an die Mutter stellen möchtest (z.B. zum Tathergang, wo sie zur Tatzeit waren, was sie beobachtet haben, über die Motive von Sarahs Tat etc.). Überlege dir schon einmal eine Argumentation für das Plädoyer des Verteidigers und eine Strafe, die du für Sarah beantragst (sie sollte so gering wie möglich sein, aber begründet). Nimm dazu das StGB und das Jugendstrafrecht zur Hilfe.

Zusatzinformationen:

Es ist das erste Mal, dass Sarah so gewalttätig wird. Sie hatte einige Prellungen. Maria hatte nach der Schlägerei Prellungen und eine leichte Gehirnerschütterung.

Gericht (5 Schüler)

Ihr seid verantwortlich für den Ablauf der Gerichtsverhandlung. Schaut euch noch einmal ganz genau den Ablauf einer Gerichtsverhandlung an und überlegt, welche Aufgaben auf euch zukommen. Denkt daran, dass ihr während der Gerichtsverhandlung keinerlei wertende Kommentare abgeben dürft.

Richter (Vorsitzender):

Du eröffnest die Gerichtsverhandlung. Formuliere also, worum es in der Verhandlung geht und welche Personen vor Gericht anwesend sind. Du leitest die Gerichtsverhandlung auch zum nächsten Schritt und sorgst dafür, dass die Verhandlung friedlich abläuft.

2 Schöffen:

Ihr vernehmt den Angeklagten und die Zeugen zu den Personalien (Name, Geburtsdatum, Wohnort) und die Vereidigung des Angeklagten und der Zeugen (die Wahrheit zu sagen etc.).

2 Prozessbeobachter:

Versuche, die Gerichtsverhandlung so gut wie möglich zu protokollieren (Stichpunkte zum Ablauf und zur Argumentation der Beteiligten).

Zusatzinformationen:

Nehmt für die Urteilsberatung die Argumentation des Staatsanwaltes und des Verteidigers zur Hilfe (Mitschrift des Gerichtsschreibers) sowie das StGB und das Jugendstrafrecht. Um ein Urteil richtig zu formulieren, findet ihr eine Hilfestellung durch ein Urteilsbeispiel. Begründet euer Urteil.

Literatur

Ackermann/Breit/Cremer/Reiß: Politikdidaktik kurzgefasst. Bonn 1994

Bodenstein/Geise: Das Rollenspiel in der betriebswirtschaftlichen Hochschulausbildung. Alsbach 1987. S. 11-24, S. 139-141

Brühwiler, Herbert: Methoden der ganzheitlichen Jugend- und Erwachsenenbildung. Opladen 1994

Deekeling, Ansgar: Handlungsorientierung. Abrufbar im Internet unter: http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/pad/22254.html Februar 2003

Freudenreich/Gräßer/Köberling: Rollenspiel – Rollenspiellernen für Kinder und Erzieher in Kindergärten, Vorklassen und ersten Schuljahren. Hannover 1976

Handlungsorientierte Methoden im Politikunterricht. In: WOCHENSCHAU methodik, 1/1995. Abrufbar im Internet unter: http://www.wochenschau-verlag.de/downloads/methoden.pdf

Horst/Ohly: Lernmethoden Arbeitstechniken. Seelze 2000. S. 128-131

Kochan, Barbara (Hrsg.): Rollenspiel als Methode sozialen Lernens – Ein Reader. Königstein/Ts. 1981

Massing, P.: Das Rollenspiel im Politikunterricht, Teil 1 und 2. In: WOCHENSCHAU methodik. 2/1995, S. 1-3. Abrufbar im Internet unter: http://www.wochenschau-verlag.de/downloads/Rollenspiel_1.pdf und http://www.wochenschau-verlag.de/downloads/Rollenspiel_2.pdf

Mets, Morry van: Rollenspiel: effektiv – Ein Leitfaden für Lehrer, Erzieher, ausbilder und Gruppenleiter. Ehrenwirth 1991

Rollenspiel – Didaktische Hinweise. Abrufbar im Internet unter: http://egora.uni-muenster.de/pbnetz/praxis/bindata/Rollenspiel_1.pdf

Rollenspiel – Arbeitsblatt Wahlanalyse und Wahlprognose. Im Internet abrufbar unter: http://egora.uni-muenster.de/FmG/wahlen/bindata/w_mt_6_04_a.pdf

Schmieg/Barnert/Hamberger/Hölzl/Nietmann: Rollenspiel „Industrieansiedlung in Schöndorf?“ In: Winklers Flügelstift 1/1996, S. 34-41. Abrufbar im Internet unter: http://www.sowi-online.de/methoden/dokumente/schmieg.htm

Völler, Heribert: Planung und Durchführung von Rollen- und Planspielen im Wirtschaftslehreunterricht. In: Winklers Flügelstift 2/1998, S. 22-28. Abrufbar im Internet unter: http://www.sowi-online.de/methoden/dokumente/voeller.htm

Warm, Ute: Rollenspiel in der Schule – Theoretische Anlaysen – Kommunikative Praxis. Tübingen 1981

Zimmermann/Zeppenfeld/Krämer: Aus Erfahrung lernen – Mit Erfahrung spielen – Handeln in Gruppen. Materialien zur kreativen Aus- und Weiterbildung. Rollenspielvorschläge zu Alltagskonflikten in Schule und Elternhaus. Mühlheim 1992

[...]


[1]

[2] Meyers Großes Taschenlexikon, Stichwort: Rolle, Band 18, S. 282.

[3] Ebenda.

[4] Vgl.: Ebenda.

[5] Meyers Großes Taschenlexikon, Stichwort: Spiel, Band 21, S. 21.

[6] Meyers Großes Taschenlexikon, Stichwort: Spiel, Band 21, S. 21.

[7] Ackermann u.a., S.142.

[8] Massing, P., Teil 1, S. 1.

[9] Brühwiler, Herbert, S. 57.

[10] Rollenspiel – Didaktische Hinweise, S. 1.

[11] Vgl.: Brühwiler, Herbert, S. 57.

[12] Rollenspiel – Didaktische Hinweise, S. 1.

[13] Vgl.: Brühwiler, Herbert, S. 57.

[14] Rollenspiel – Didaktische Hinweise, S. 1.

[15] Vgl.: Brühwiler, Herbert, S. 57.

[16] Vgl.: Brühwiler, Herbert, S. 57.

[17] Zimmermann, Zeppenfeld/Krämer, S. 9.

[18] Ebenda.

[19] Vgl. Ments, S. 46.

[20] Vgl.: Ments, S. 60.

[21] Vgl.: Massing, P., Teil 1, S. 3.

[22] Massing, P., Teil 1, S. 3.

[23] Vgl.: Massing, P., Teil 2, S. 1.

[24] Vgl.: Massing, P., Teil 2, S. 1.

[25] Vgl.: Massing, P., Teil 2, S. 1.

[26] Vgl.: Massing, P., Teil 2, S. 2.

[27] Ments, S. 22.

[28] Ments, S. 24.

[29] Vgl.: Zimmermann/Zeppenfeld/Krämer, S. 11.

[30] Ebenda.

[31] Vgl.: Zimmermann/Zeppenfeld/Krämer, S. 11.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Rollenspiel im Politikunterricht
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Didaktikpraktikum
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V108211
ISBN (eBook)
9783640064113
Dateigröße
393 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit betrachtet das Rollenspiel aus politikdidaktischer Sicht und seine Bedeutung für das politische Lernen.
Schlagworte
Rollenspiel, Politikunterricht, Didaktikpraktikum
Arbeit zitieren
Katja Sass (Autor:in), 2003, Das Rollenspiel im Politikunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108211

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