Herabsetzung der Gruppenstärke pädagogischer Gruppen in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten


Hausarbeit, 2021

9 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung
2.1 Personalschlüssel (auch Fachkraft-Kind-Schlüssel)
2.2 Fachkraft-Kind-Relation

3. Rahmenbedingungen
3.1 Gesetzlicher Rahmen
3.2 Struktureller Rahmen

4. Situationsanalyse in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten
4.1 Pre-Pandemische Situationsanalyse
4.2 Medio-Pandemische Situationsanalyse

5. Gruppengröße reduzieren - eine wissenschaftliche Einschätzung

6. Hypothetisches Konzept zur Gruppenreduzierung

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Gruppenstärke der zu betreuenden Kinder in nordrhein-westfälischen Kindertagesstäten auseinander. Hierbei folgt der Autor der Frage, ob eine Herabsetzung der Gruppengröße bzw. der altersbezogenen Fachkraft-Kind-Relation, eine signifikante Erhöhung der Betreuungsqualität zur Folge hätte. Der Autor klammert in seiner Hypothese den gegenwärtigen Mangel an Betreuungsplätzen bewusst aus und setzt diese als gegeben voraus. Da sein Fokus auf der Strukturqualität der Kindertagesbetreuung und nicht der Infrastruktur außerfamiliärer Betreuungsangebote liegt. Zudem wird der Autor den Status Quo in Sachen Gruppengröße in Augenschein nehmen, hierzu eine wissenschaftliche Einschätzung anführen sowie seinen hypothetischen Lösungsansatz darstellen.

2. Begriffsklärung

2.1 Personalschlüssel (auch Fachkraft-Kind-Schlüssel)

Der Personalschlüssel oder auch Fachkraft-Kind-Schlüssel genannt, die Begriffe werden synonym verwendet, ist ein zentrales Qualitätsmerkmal der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung. Er beschreibt die Anzahl der theoretisch betreuten Kinder im Verhältnis zu einer pädagogischen Fachkraft (vgl. rund-um-kita o.A.) und ist für die Berechnungen der Träger sowie für die Leitungen von Kindertagesstätten bedeutsam. Er ist ein statistischer Wert, nach dem errechnet wird, wie viel Fachkräfte in einer Kita eingestellt werden. Er sagt nichts darüber aus, wie viel Zeit eine Fachkraft tatsächlich in der Kita für ein Kind hat. Somit entspricht er nicht der realen Betreuungsrelation, da sich durch Ausfallzeiten (z.B. Urlaub, Krankheit, Fortbildungen, Teamsitzungen, Elterngespräche, Arbeitskreise etc.) die Zeit der Fachkraft im Kinderdienst signifikant verringert. Weshalb der Personalschlüssel für die Herausforderungen im Alltag wenig aussagekräftig ist. Werden hingegen die „kinderbetreuungsfreien“ Zeiten mitberücksichtigt, erhält man die Fachkraft-Kind-Relation (vgl. gew o.A.).

2.2 Fachkraft-Kind-Relation

Die Fachkraft-Kind-Relation beschreibt, um wie viele Kinder sich eine pädagogische Fachkraft in der unmittelbaren Arbeit mit den Kindern zu kümmern hat. Sie bildet also das reale Verhältnis von pädagogischen Fachkräften zu den in der direkten pädagogischen Arbeit, anwesenden Kinder ab. Bedingt durch Krankheit, Fortbildung, Urlaub und mittelbare pädagogische Arbeit der Fachkräfte kann die Fachkraft-Kind-Relation im Schnitt zwischen 10 und 25 Prozent niedriger sein als der vorgegebene Fachkraft-Kind-Schlüssel (vgl. rund-um-kita o.A.). Der Anteil der Arbeit am Kind liegt bei bis zu 75 % des gesamten Arbeitszeitumfangs. Legt man diesen Wert den Berechnungen zugrunde, so ergibt sich ein deutlich erhöhter Wert der Anzahl an Kindern, für die eine pädagogische Fachkraft zuständig ist. Es konnte nachgewiesen werden, dass der Unterschied zwischen Personalschlüssel und Fachkraft-Kind-Relation bis um den Faktor 3 divergiert. Dies mag marginal klingen, in der Realität aber – macht es gerade vor dem Hintergrund der heterogenen Förderbedarfe von Kindern – einen spürbaren Unterschied, ob eine pädagogische Fachkraft für die Betreuung von vier Kindern oder eben sieben Kindern zuständig ist (vgl. Weimann-Sandig 2020). Die Fachkraft-Kind-Relation ist neben der Gruppengröße und der Qualifikation des pädagogischen Personals ein zentrales Merkmal für die Strukturqualität einer Kindertagesstätte (vgl. Herrmann o.J.).

3. Rahmenbedingungen

3.1 Gesetzlicher Rahmen

§ 22 Abs. 4 SGB VIII Für die Erfüllung des Förderungsauftrags […] sollen geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der Qualität der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege weiterentwickelt werden. Das Nähere regelt das Landesrecht.

§ 26 Abs. 1 KiBiz Der Träger einer Tageseinrichtung kann die pädagogische Angebotsstruktur und Gruppenbildung nach seiner Konzeption festsetzen.

§ 26 Abs. 2 KiBiz Auch wenn in einer Einrichtung Gruppen gebildet werden, die sich aus verschiedenen oder aus Anteilen der Gruppenformen nach der Anlage zu § 33 Absatz 1 zusammensetzen, hat der Träger die Anzahl der in einer Gruppe betreuten Kinder so festzulegen, dass jedes entsprechend seinem Alter und seiner Entwicklung gefördert werden kann.

§ 28 Abs. 1 KiBiz […] Während der Betreuungszeiten sollen den Gruppen regelmäßig zwei pädagogische Kräfte zugeordnet sein. In den Gruppenformen I und II sollen diese in der Regel sozialpädagogische und weitere Fachkräfte, in der Gruppenform III mindestens eine sozialpädagogische Fachkraft und eine Ergänzungskraft im Sinne der Personalvereinbarung sein.

§ 28 Abs. 2 KiBiz Die Zahl der Kinder pro Gruppe und der Personaleinsatz haben sich an den Vorgaben der Anlage zu § 33 zu orientieren. Eine Überschreitung der in der Anlage zu § 33 Absatz 1 genannten Zahl der Kinder pro Gruppe soll nicht mehr als zwei Kinder betragen, die zur Betreuung erforderlichen Personalkraftstunden sollen vorgehalten werden.

§ 28 Abs. 4 KiBiz Die Finanzierung aus dem Kindpauschalenbudget sichert auch Personalkraftstunden für die individuelle Vor- und Nachbereitungszeit, einschließlich Bildungs- und Entwicklungsdokumentationen, für die Erziehungspartnerschaft mit den Eltern, für die Praxisanleitung und für Kooperationen mit Frühförderung, Kindertagespflege, Schule und in den Sozialraum, für die Teilnahme an Dienstbesprechungen, Fachberatungen und Qualifikationsmaßnahmen.

§ 33 Abs. 1 KiBiz Die finanzielle Basisförderung für Personal- und Sachkosten der Kindertageseinrichtungen wird in Form von Pauschalen für jedes in einer Kindertageseinrichtung aufgenommene Kind (Kindpauschalen) gezahlt.

3.2 Struktureller Rahmen

In Nordrhein-Westfalen gibt es mit Ausnahme von heilpädagogischen Gruppen, folgende drei Gruppenformen: I, II u. III. Gruppenform I sieht 20 Betreuungsplätze für Kinder im Alter von zwei Jahren (U3) bis zur Einschulung vor. Gruppenform II bietet Platz für 10 Kinder im Alter von 4 Monaten bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres (U3). Gruppenform III richtet sich an Kinder von drei Jahren bis zum Schuleintritt und hat eine Gruppenstärke von 25 Betreuungsplätzen (vgl. KiBiz 2020). Insgesamt werden die Rahmenbedingungen in deutschen Kindertagesstätten von Expert*innen und Wissenschaftler*innen als verbesserungsbedürftig eingeschätzt (vgl. Viernickel 2015, S. 47f.). Vor allem im Abgleich mit den hohen Erwartungen an die Leistungen des Systems der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung. Strukturelle Rahmenbedingungen haben nach Viernickel einen immensen Einfluss auf die Prozessqualität der ländereigenen Bildungspläne. Als auffallend schwerwiegende hinderliche Einflussfaktoren führt Viernickel die wiederholt zu geringen personellen Ressourcen, zu hohen Gruppengrößen, ungeeignete materielle und räumliche Bedingungen, nicht hinreichende Fortbildungsmöglichkeiten sowie zu wenig Vor- und Nachbereitungszeit für die Fachkräfte an (vgl. Viernickel 2017, S. 19). „Strukturorientierte Qualitätsmerkmale benennen vor allem die Größe und Altersstruktur der Gruppen und verweisen auf den sogenannten Betreuer-Kind-Schlüssel, der das zahlenmäßige Verhältnis von Betreuern zu Kindern einer Gruppe angibt. Diese Merkmale der Strukturqualität sind in der Regel durch Vorschriften geregelt und einer unmittelbaren Veränderung im Sinne einer Betreuungs-verbesserung nur indirekt zugänglich“ (Keller 2011, S. 335).

4. Situationsanalyse in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten

4.1 Pre-Pandemische Situationsanalyse

Den meisten pädagogischen Fachkräften fehlt aufgrund des ungünstigen Personalschlüssels die notwendige Zeit dafür, die kindliche Entwicklung zu beobachten und zu dokumentieren, individuelle Förderpläne zu erstellen und Elterngespräche zu führen. Die Potenziale vorliegender Diagnoseinstrumente und die zahlreichen Empfehlungen für eine optimale Bildungs- und Entwicklungsförderung im Alltag der Kindertageseinrichtungen für die pädagogische Praxis werden daher häufig nicht qualitativ ausgeschöpft (vgl. Petermann/ Wiedebusch 2017, S. 57). „[…] die Gruppengröße entspricht in vielen Kitas nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen. Gruppen für jüngere Kinder sollten nicht mehr als zwölf Kinder umfassen, für die Älteren nicht mehr als 18“ (Textor o.J.). Die Gruppengröße von bis zu 18 Kindern hat sich nach Angaben von Lohaus/Glüer bisher bewährt, wobei die Gruppengröße immer von den individuellen Fähigkeiten und dem Förderbedarf der einzelnen Kinder abhängig ist (vgl. 2014, S. 294). Zu große Gruppen bedeuten für die Kinder und das Fachpersonal übermäßigen Stress, etwa durch Lautstärke. Dies kann dazu führen, dass pädagogische Aktivitäten, die für die kindgerechte Entwicklung wichtig sind, nicht ausreichend durchgeführt werden“ (Textor o.J.). Häufig stehen den ohnehin zu großen Gruppen, die Ausfallzeiten der Fachkräfte gegenüber. Wodurch dann eine Fachkraft (im Ü3 Bereich) mitunter über 20 Kinder alleine begleiten, betreuen und erziehen muss. Laut einer TK-Studie mit 100.000 Erzieher*innen aus dem Jahr 2015, waren Fachkräfte in Kindertagesstätten im Jahr durchschnittlich 18,9 Tage krankgeschrieben. Damit liegen sie 4 Tage über dem Bundesdurchschnitt (vgl. krankenkassenzentrale), Tendenz steigend. „Nordrhein-Westfalen liegt den Angaben zufolge mit einem Personalschlüssel von 1 zu 3,7 bei Krippenkindern und 1 zu 8,6 bei Kindergartenkindern zwar über dem Bundesdurchschnitt. Doch seien dort 70 Prozent der amtlich erfassten Kita-Gruppen zu groß, hieß es“ (Neue Westfälische, 2020). Eine erschwerende Bedingungskonstellation für jede Art von Erziehung und Bildung sind nach Dollase neben wenig Material und wenig Platz, vor allem große Gruppen“ (vgl. 2018, S. 33).

4.2 Medio-Pandemische Situationsanalyse

In der gegenwärtigen Situation mit der Reduzierung des Betreuungsumfangs um jeweils 10 Betreuungsstunden pro Woche (in NRW) sowie die anhaltende Notbetreuung die ab dem 16.12.2020 in NRW in Kraft trat und über den 11.01.2021 hinaus bis zum 19.02.2021 verlängert wurde, führte in vielen Kindertagesstätten zu einem temporären Betreuungsrückgang von etwa 60-70%. Nach Zahlen des Familienministeriums werden derzeit durchschnittlich 39% der Kinder in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten betreut (vgl. sueddeutsche 2021). Dieser Betreuungsrückgang führt zu einer zwangsläufigen Verringerung der eigentlichen Gruppenstärke. In der Kindertagesstätte des Autors etwa hat sich die Gruppengröße in jeder der drei Gruppen (I, II, III) halbiert. Wobei die jeweiligen Gruppen in voller Personalstärke mit den Fachkräften bestückt bleiben. In Zahlen bedeutet das für die U3-Gruppe ein Fachkraft-Kind-Schlüssel von etwa 1:2 und für die beiden anderen Gruppen (I, III) ein Fachkraft-Kind-Schlüssel von etwa 1:6. Es zeigt sich, dass die anwesenden Kinder durch mehr Spielmöglichkeiten und den intensiveren Austausch mit den Fachkräften profitieren. Die Fachkräfte haben ihrerseits mehr Gelegenheit sich auf das einzelne Kind einzulassen und mit ihm die Projekte umzusetzen, die im „Normalbetrieb“ der Gruppengröße und Zeitnot zum Opfer fallen. Pramling konsolidiert bereits 1998, dass alle Untersuchungen zur Gruppengröße zeigen, dass sich Kinder in einer kleinen Gruppe mit einer Fachkraft wohler fühlen und besser entwickeln als in einer doppelt so großen Gruppe mit zwei Fachkräften (vgl. kindergartenpädagogik o.J.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Herabsetzung der Gruppenstärke pädagogischer Gruppen in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten
Hochschule
Fachhochschule Koblenz - Standort RheinAhrCampus Remagen
Note
1,0
Autor
Jahr
2021
Seiten
9
Katalognummer
V1082569
ISBN (eBook)
9783346478245
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gruppenreduzierung, Kita, kleinere Kindergruppen, Kinder, Bildungspolitik, NRW, Personalschlüssel, Fachkraft-Kind-Schlüssel, Betreuungsschlüssel
Arbeit zitieren
Florian Esser (Autor:in), 2021, Herabsetzung der Gruppenstärke pädagogischer Gruppen in nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1082569

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