Die folgende Arbeit konzentriert sich vor allem auf eine Erläuterung der Grundgedanken aus Festingers Originalstudie aus dem Jahr 1957, um damit eine Grundlage für das Verständnis der nachfolgenden Weiterentwicklungen, z.B. von Martin Irle, zu geben. Außerdem
wird kurz eine Anwendung der Theorie im Marketing (Marketing in der Post-Sale-Phase) vorgestellt, da sie einen Bezug zur Kommunikationswissenschaft aufweist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kognitive Dissonanz im Zusammenhang zu anderen KW Theorien
2.1 Entwicklung
2.2 Konsistenztheoretische Ansätze
3. Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger
3.1 Begriffsdefinitionen
3.1.1 Kognition
3.1.2 Konsonanz
3.1.3 Dissonanz
3.2. Grundannahmen der Theorie
3.3 Ablauf eines Wahrnehmungsprozesses
3.3.1 Entstehung von Dissonanz
3.3.2 Auswirkung von Dissonanz
3.3.3 Reduzierung / Vermeidung von Dissonanz
4. Weiterentwicklung der Theorie und Kritik
wichtigster Ansatz der Konsistenztheoretischen Ansätze
Weiterentwicklung durch Irle
Gezielter Einsatz von Kognitiver Dissonanz in der Werbung
5. Schluss
Literaturverzeichnis???
1. Einleitung
Sucht man nach Literatur zum Thema „Kognitive Dissonanz“, stößt man auf eine überwältigend große Zahl von Veröffentlichungen. Es handelt sich dabei sowohl um Kritik, als auch und vor allem um Weiterentwicklungen der Theorie.
Der Sozialpsychologe Martin Irle geht davon aus, dass keine andere Theorie der Sozialpsychologie auch nur annähernd ähnlich viele empirische Forschungsarbeiten angeregt hat (vgl. Irle, M. 1975 S.310). Neben der großen Fülle an Arbeiten fällt auch auf, dass die Veröffentlichungen aus den verschiedensten Fachgebieten stammen. Wirtschaftswissenschaftler haben sich genauso mit dem Ansatz befasst, wie Psychologen oder Kommunikationswissenschaftler.Das zeigt einerseits wie wichtig Festinger’s Modell ist, und andererseits auch die Schwierigkeiten, die eine Darstellung der Theorie mit ihren neueren Entwicklungen in sich birgt.
Die folgende Arbeit konzentriert sich deshalb vor allem auf eine Erläuterung der Grundgedanken aus der Originalstudie aus dem Jahr 1957, um damit eine Grundlage für das Verständnis der nachfolgenden Weiterentwicklungen z.B. von Martin Irle zu gebenAußerdem wird kurz eine Anwendung der Theorie im Marketing (Marketing in der Post-Sale-Phase) vorgestellt, da sie einen Bezug zur Kommunikationswissenschaft aufweist.
Um das „neue“ an Festinger’s Theorie zu verstehen, dass die Theorie so folgenreich macht, ist es hilfreich einen kurzen Blick in die Entwicklung der Kommunikationswissenschaften zu werfen.
2. Kognitive Dissonanz im Zusammenhang mit anderen Theorien
Man könnte vereinfachend sagen, die Kommunikationswissenschaft bewegte sich seit ihrer Entstehung in den 30er Jahren dahin, immer mehr Faktoren in die Kommunikationstheorien einzubeziehen. Dadurch gehen die Theorien weg von einem einfachen Stimulus-Response-Modell, welches von einer starken, ungefilterten Medienwirkung ausgeht, hin zu differenzierteren Ansätzen der Medienrezeption. Dieser Wandel vollzog sich in den sechziger Jahren. Zu dieser Zeit kamen verschiedene Modelle auf, die den Medien eine eher schwache Wirkung bescheinigten. Dabei gibt es zwei verschiedene Grundrichtungen: Die soziologischen und die konsistenztheoretischen Ansätze.
Beide Denkrichtungen gehen davon aus, dass die Hauptwirkung der Medien nicht in der Änderung, sondern eher in der Bestätigung und Verstärkung schon bestehender Meinungen und Einstellungen besteht (Donsbach, W.: Medienwirkung trotz Selektion: Einflussfaktoren auf die Zuwendung zu Zeitungsinhalten.
19911 Köln, Weimar, Wien. S. 18-20).
Die tatsächliche Medienwirkungen ist von der Person abhängig, die die verschiedenen Medienangebote nutzt bzw. selektiert.
Im folgenden Absatz wird näher auf die konsistenztheoretischen Ansätze eingegangen, von denen Leon Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz zu den bekanntesten zählt.
Eine Gruppe um den Forscher Hovland hatte ab1949 lerntheoretische Ansätze untersucht. Dabei stand „die Wirkung von kommunikativen Stimuli der Überredungskommunikation auf die Einstellungen der Rezipienten“ (Burkart, R. 1998 S.196) im Mittelpunkt des Interesses. Untersucht wurde unter anderem die Präsentation einer Aussage (z.B. Anordnung der Argumente, Art der Argumentation) Merkmale der Kommunikationsquelle (z.B. Glaubwürdigkeit, Attraktivität) und Persönlichkeitsmerkmale des Rezipienten (z.B. Intelligenz, Motivfaktoren).
Diesen sogenannten Yale-Studien wurde vorgeworfen, „nur eine wenig differenzierte Vorstellung über Einstellungen“ (ebd. S.201) entwickelt zu haben. Um die Einstellungsänderung beobachten zu können, ist es wichtig, die „persönliche Disposition des Rezipienten“ (Schenk, M. 1978 S. 83) zu untersuchen. Denn wie soll man die Änderung bestimmen können, wenn man die Ausgangsposition gar nicht im Detail kennt.
Diesem Manko tragen die konsistenztheoretischen Ansätze Rechnung.
Entscheidender Faktor bei den sogenannten konsistenztheoretischen Ansätzen ist die „präkommunikative Einstellungsstruktur des Rezipienten“ (ebd.). Das heißt, die Forscher untersuchen, welche Einstellungen, Meinungen usw. ein Rezipient über sich und seine Umwelt hat, bevor ihn eine Aussage erreicht. Diesen „Voreinstellungen“ wird ein großer Einfluss auf die Wirkung von Massenmedien zugeschrieben. Konsistenztheoretische Ansätze wurden vor allem in den 50er Jahren unter anderem von Fritz Heider (Balance Modell), Theodore M. Newcomb (A-B-X- Modell) und Leon Festinger (Theorie der kognitiven Dissonanz) entwickelt.
Obwohl die einzelnen Theorien sehr unterschiedlich Fragestellungen behandeln, ist allen Konsistenztheoretischen Ansätzen eines gemeinsam:
„Ihnen allen gemeinsam ist die Grundannahme, daß Personen dazu tendieren, interne Inkonsistenzen zwischen ihren interpersonalen Beziehungen, intrapersonalen Kognitionen oder zwischen ihren Überzeugungen, Gefühlen und ihren Verhalten zu mindern“ (Schenk, M. S.84). Jede neu hinzukommende Situation oder auch jede Aussage, die durch Massenkommunikation vermittelt wird, kann also zwei verschiedene Reaktionen auslösen. Entweder sie passt zu den bereits vorhandenen kognitiven Elementen und erzeugt dadurch „kognitives Gleichgewicht“ (Burkart, R. S.202), oder sie widerspricht in einem oder mehreren Punkten diesen Elementen und führt zu „kognitivem Ungleichgewicht“ (ebd.). Der letztere Zustand wird vom Menschen als unangenehm empfunden und kann Strategien zur Vermeidung dieses „inneren Spannungszustandes“ (ebd.) zur Folge haben.
Unter den zahlreichen Arbeiten aus dem Forschungsfeld, die von dieser Annahme ausgehen, ist wohl die Theorie der kognitiven Dissonanz von Leon Festinger der wichtigste Ansatz. Er untersucht zwar nicht im speziellen die Wirkung von Massenmedien, sondern eher das gesamte Feld der Verarbeitung von Erfahrungen. Trotzdem wurde er wichtig für die Medienwirkungsforschung, da er konkrete Aussagenüber das Informationsverhalten der Rezipienten macht.
3. Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger
Bevor die Theorie Leon Festingers im Detail erklärt wird sollen zuerst einige wichtige Begriffe erklärt und definiert werden:
Kognition: Festinger beschreibt mit diesem Begriff die Einstellungen eines Menschen „... any knowledge, opinion, or belief [einer Person, F.W.] about the environment, about oneself or about one’s behaviour“ (Festinger, L. 1957 S.3). Er unterscheidet also zwischen Elementen, die auf eine Handlung bezogen sind (behavioral) und solchen, die auf die Umgebung der Peron bezogen sind (environmental). Diesen beiden Arten von Elementen ist gemeinsam. dass sie sich auf die Realität beziehen. They are reponsive to reality (Festinger, L. 1957 S.10) wobei mit Realität nicht nur die konkrete, dingliche Realität gemeint ist, sondern auch soziologisch definierbare und symbolische, abstrakte Realitäten (vgl. Irle, M. 1975 S. 310). Festinger fasst den Begriff der Kognition sehr weit. Er liefert an seinem Buch noch eine weiter Definition, die Kognition eher als Wissen eines Menschen versteht:
„These elements refer to what has to been called cognition, that is, the things a person knows about himself, about hir behaviour, and about his surroundings“ (Festinger, L. 1957 S. 9).
Wegen dieser Unentschlossenheit werfen ihm Kritiker vor, den Begriff der Kognition zu unpräzise zu definieren. Gleichzeitig ist die Weitläufigkeit des Begriffs aber auch eine Stärke der „Theorie der kognitiven Dissonanz“, denn er ermöglich es, eine große Breite an Dissonanz erzeugenden Faktoren zu umfassen wie z.B.:
„Logische Inkonsistenz, inkonsistente kulturelle Sitten, Inkonsistenz zwischen einer speziellen und einer allgemeinen, übergreifenden Kognition (...) und vergangene Erfahrung“ (Schenk, M. 1978 S.96)
Konsonanz: Dieser Begriff wird in anderen wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Forschungsgebiet mit “Konsistenz“, „Kongruenz“, „Balance“ oder „kognitives Gleichgewicht“ bezeichnet. Festinger nimmt bewusst von dem Begriff der Konsistenz Abstand, um zu zeigen, dass er nicht nur rein logische, sondern auch psychologische Inkonsistenz meint (vgl. Beckmann 1984 S.9).
„Zunächst will ich das Wort ‚Inkonsistenz’ durch einen Begriff ersetzen, der logisch weniger belastet ist, nämlich Dissonanz. Ferner will ich das Wort ‚Konsistenz’ durch einen neutraleren Begriff ersetzen, nämlich Konsonanz. (Festinger, L. S.16 ENGLISCH!!!)
Dissonanz: Hiermit bezeichnet Festinger das Gegenteil von Konsonanz. Der Begriff Dissonanz ist gleichbedeutend mit: „Inkonsistenz“, „kognitives Ungleichgewicht“ usw.
Festingers Theorie liegen zwei Annahmen zu Grunde:
1. „Die Existenz von Dissonanz, die psychologisch unangenehm ist, wird die Person motivieren zu versuchen, die Dissonanz zu reduzieren und Konsonanz herzustellen“ (Festinger, L. 1978 S.16)
2. „Wenn Dissonanz besteht, wird diese Person, zusätzlich zu dem Versuch sie zu reduzieren, aktiv Situationen und Informationen vermeiden, die möglicherweise die Dissonanz erhöhen könnten.“ (ebd.)
Von diesen Annahmen ausgehend entwickelt Festinger seine Theorie.
Um seinen Ansatz zu verdeutlichen, benutzt Leon Festinger das „Raucherbeispiel“, an dem sich die Abläufe deutlich und nachvollziehbar darstellen lassen. Darin schildert er die Situation eines Gewohnheitsrauchers, der mit dem kognitiven Element „Rauchen schadet der Gesundheit“ konfrontiert wird. Weil das Beispiel sehr anschaulich ist, wird es auch in der folgenden detaillierten Darstellung seines Modells verwendet, das im nächsten Abschnitt chronologisch- von der Entstehung der Dissonanz bis zu ihrer Behebung erklärt wird.
Ausgangsbedingung für kognitive Dissonanz ist die Relevanz zweier Elemente zueinander (Festinger, L. 1957 S.12). Irrelevanz liegt dann vor, wenn zwei Elemente im Bewusstsein des Rezipienten überhaupt nichts miteinander zu tun haben: „one cognitive element implies nothing at all concerning some other element“ (Festinger, L. 1957 S.11 und 260). Das könnten zum Beispiel die beiden Elemente „Rauchen schadet der Gesundheit“ und „heute scheint die Sonne“ sein.
Relevant werden Elemente dementsprechend dann, wenn sie im Bewusstsein des Individuums etwas miteinander zutun haben. So werden die beiden oben genannten Elemente z.B. dann füreinander relevant, wenn das Individuum vor die Tür gehen will, um eine Zigarette zu rauchen. Dann nämlich ist das Wetter draußen ein Faktor, den es bei der Entscheidung berücksichtigen muss. Auch der Begriff der Relevanz ist schwer eindeutig zu fassen.
Ist die Ausgangsbedingung der Relevanz gegeben, können zwei verschieden Szenarien auftreten: Die beiden relevanten Elemente können entweder in einer Dissonanten oder in einer Konsonanten Beziehung zu einander stehen. Bei diesen beiden Möglichkeiten ist es wichtig zu erwähnen, dass Konsonanz oder Dissonanz auf der subjektiven Logik „psycho-logisch“ (Raffée, H., Sauter, M. & Silberer, G. 1973 S.13f) des jeweiligen Individuum basieren, und deshalb nicht immer nachzuvollziehen sind
Konsonanz ist der unproblematischere und erstrebenswertere Zustand von beiden. Er tritt dann ein, wenn die beiden Elemente im Einklang miteinander stehen:
„Wenn man nur ein Elementenpaar betrachtet, und wenn tatsächlich jedes dieser Elemente aus dem anderen folgt, dann ist die Beziehung zwischen ihnen konsonant.“ (Festinger, L. 1978 S.27 [ENGLISCH]).
Ein Beispiel für eine konsonante Beziehung wären, um beim Raucher-Bespiel zu bleiben, z.B. die Aussagen „Rauchen ist schädlich für die Gesundheit“ und „Ich bin Nichtraucher“. Aber auch „Rauchen ist schädlich für die Gesundheit.“ und „Ich ruiniere gerne meine Gesundheit“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weniger angenehm ist dagegen der Zustand der Dissonanz. Er entsteht, wenn die beiden Elemente einander widersprechen: Zwei kognitive Elemente stehen dann in dissonanter Beziehung zueinander, wenn aus dem einen Element das Gegenteil des anderen folgt: „... if, considering these two alone, the obverse of one element would follow from the other“ (Festinger, L. 1957 S.??).
Wenn eine Person also Raucher ist, wird der Satz „Rauchen gefährdet die Gesundheit“ bei ihr eine Dissonanz auslösen, da sie etwas tut was im Widerspruch zu einen anderen kognitiven Element steht.
Weil dieser Zustand zu intraindividuellen Spannungen führt, wird die Person versuchen, Konsonanz wieder herzustellen.
„The existence of dissonance, being psychologically uncomfortable, will motivate the person to try to reduce the dissonance and achieve consonance“ (Festinger, L. 1957 S.3).
Eine weitere Möglichkeit ist es, Dissonanz von vornherein durch selektives Verhalten zu vermeiden: Das bedeutet dissonanzreduzierende Informationen werden gesucht, dissonanzverstärkende Kognitionen gemieden (vgl. Festinger, L. 157 S. 138???).
Es gibt verschiedene Gründe für die Entstehung von Dissonanz. Festinger nennt hier (Festinger, L. 1957 S. 14)
1. „Logical inconstinencies“: Zwei logische Annahmen, die zueinander im Widerspruch stehen. Z.B. die Überzeugung, das Menschen in naher Zukunft den Mond besiedeln werden und die Überzeugung, dass es den Menschen nicht möglich ist, eine künstliche Erdathmossphäre herzustellen, die für die Besiedlung notwendig ist.
2. Spezifische kulturelle Verhaltensmuster: Ein Verhalten, dass in der einen Kultur konsonant ist, z.B. Hunde zu essen, kann mit einer anderen Kultur dissonant sein.
3. Eine Meinung widerspricht einer allgemeinen Überzeugung.
4. Eine neue Erfahrung widerspricht vorliegenden Überzeugungen.
Ein gewisser Grad von Dissonanz ist aber im Alltag nicht zu vermeiden, da es selten eine Situation oder Entscheidung gibt, die nur Vorteile hat.
Stärke und Auswirkung von Dissonanz (Überschrift??)
Wie stark diese „Gegenreaktionen“ sind, hängt von der Stärke der Dissonanz ab. Diese wird durch zwei Faktoren bestimmt: Von der Bedeutung der Elemente für eine Person und von dem Verhältnis der Elemente die dissonant sind, zu denen, die konsonant sind.
? Schenk verdeutlicht die Dissonanzstärke mit einer Gleichung (Schenk, M. 1978 S.97):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei dieser scheinbar mathematischen und exakten Gleichung darf man allerdings nicht vergessen, dass ein und dieselbe Verhältniszahl sehr verschiedene Sachverhalte ausdrücken kann. So würde ein Zustand, der in Zähler und Nenner sehr hohe Werte zeigt zu genau demselben Ergebnis führen, wie eine Situation bei der die kognitiven Elemente in Zähler und Nenner nur geringe Bedeutung haben (vgl. Schenk, M. 1978 S.98).
Je stärker der so bestimmte Grad der Dissonanz, desto stärker wird, so Festinger, die Gegenreaktion ausfallen. Allerdings kann die Dissonanz nur so hoch werden wie der Widerstand, den das Schwächste der beteiligten kognitiven Elemente einer Änderung entgegensetzt, und zwar deshalb, weil an diesem Punkt das am wenigsten widerstandsfähige Element verändert wird, und die Dissonanz damit aufhört. (vgl. Festinger L. 1978, S.39)
Es gibt für den Rezipienten im Grunde zwei verschiedene Möglichkeiten um Dissonanz abzubauen:
1. Er kann seine Kognition über sein Verhalten („behavioral cognitive element“) ändern, indem er seine Handlung ändert. Das heißt, ein Raucher könnte z.B. auf die Tatsache, dass Rauchen schädlich für seine Gesundheit ist, damit reagieren das Rauchen aufzugeben. Damit wären die beiden Elemente wieder konsistent. In manchen Fällen wäre es auch möglich, die Umwelt („environmental cognitive element“) zu Gunsten der konsonanten Elemente zu verändern. Wenn diesmöglich wäre, könnte die Person z.B. bewirken, dass Rauchen ihrer Gesundheit nicht mehr schadet.
2. Er kann neue kognitive Elemente hinzufügen, und so die Anzahl der übereinstimmenden Elemente erhöhen (z.B. Rauchen macht Schlank, Rauchen vermindert Stress usw.). Ein anderer Weg um die Wagschale zugunsten der Konsonanten Elemente zu senken wäre dissonante Elemente einfach zu ignorieren oder zu verdrängen. Kognitive Elemente können außerdem in ihrer Relevanz anders bewertet werden, sodass die konsonanten Elemente wichtiger als die dissonanten erscheinen.
Die verschiedenen Möglichkeiten zur Reduktion der unangenehmen Dissonanz können auch gleichzeitig auftreten.
Für die Theorie der kognitiven Dissonanz (und für die Kommunikationswissenschaft) sind vor allem die Möglichkeiten unter dem Punkt 2. von Bedeutung, die sich im „informatorischen Bereich“ abspielen: „Selektion und Verzerrung bei der Informationsaufnahme und - verarbeitung, die Absicherung des eigenen Verhaltens durch Scheinargumente (Rationalisation) gelten als die zentralen Strategien des Abbaus kognitiver Dissonanzen.“ (Raffée, H. 1978 S.16).
Nach diesen im Kapitel „Einführung in die Theorie der Dissonanz“ erklärten Grundlagen wendet sich Festinger vier verschiedenen Grundsituationen der Entstehung von Dissonanz zu. Diese Fälle nennt er „Decisions“ (Entscheidungen), „Forced Compliance“ (Forcierte Einwilligung), „Exposure to Information“(Unfreiwillige Informationsaufnahme) und „Social Support” (Soziale Unterstützung) (Fetsinger, L. 1957 S. ???).
In allen diesen Fällen gibt es verschiedene Faktoren, die Einfluss auf Dissonanzhöhe und Dissonanzreduktion haben. Im folgenden soll nur auf den Fall „Decicsions“ näher eingegangen werden, da er in der Werbewirkungsforschung (Nachkaufentscheidungen), auf die später noch eingegangen wird, eine große Rolle spielt.
Festinger glaubt, dass es bei jeder Entscheidung zwangsläufig zu Dissonanz kommt. Muss man sich zum Beispiel zwischen zwei positiven Alternativen wie „ins Theater gehen“ oder „Essen gehen“ entscheiden vergleicht man die beiden Alternativen mit einander und findet für beide Möglichkeiten kognitive Elemente die dafür sprechen (vgl. Festinger L. 1978 S.45). Da die Person aber nicht beides gleichzeitig tun kann sondern sich z.B. für das Theater entscheidet werden alle Elemente, die für das andere Element sprechen automatisch Dissonant zu ihrer Entscheidung:
„.. alle diejenigen Elemente, die, alleine betrachtet zu anderen Handlungen als der gewählten führen würden, sind mit den kognitiven Elementen dissonant, die mit der durchgeführten Handlung korrespondieren.“ (Fest ebd. ENGLISCH)
Festinger erwartet, dass die Person deshalb Maßnahmen zur Dissonanzreduktion treffen wird um die Entscheidung im Nachhinein zu bekräftigen.
Entscheidend für die Stärke der Dissonanz, die reduziert werden soll, ist die Wichtigkeit der Entscheidung und die „relative Attraktivität der nichtgewählten Alternative“ (Festinger, L. 1978 S.47). Je größer diese Faktoren sind, desto stärker wird die kognitive Dissonanz. Es gibt außerdem noch einen dritten Faktor, der die stärke der Dissonanz beeinflusst. Festinger nennt ihn „kognitive Überlappung“ (ebd. S.50). Die kognitive Überlappung ist umso größer, je ähnlicher sich zwei Alternativen sind. Wenn sich eine Person z.B. zwischen den Theaterstücken „Wie es euch gefällt“ und „Was ihr wollt“ entscheiden müsste, wäre die Überlappung groß, da dieselben Argumente für beide Stücke sprechen: Beide sind Theaterstücke, beide sind von Shakespeare usw. Je größer der Grad der Überlappung ist, desto geringer ist die Dissonanz nach der Entscheidung.
Festinger nennt drei Möglichkeiten, um eine durch Entscheidung entstandene Dissonanz zu reduzieren: Änderung oder Zurücknahme (real oder psychologisch) der Entscheidung, Änderung der Attraktivität der an der Entscheidung beteiligten Alternativen und Herstellung kognitiver Überlappung bei den an der Entscheidung beteiligten Alternativen.
Die wahrscheinlich wichtigste und häufigste dieser Möglichkeiten ist die „Änderung der Attraktivität der an der Entscheidung beteiligten Alternativen“. Hierbei wird die nichtgewählte Alternative durch zusätzliche kognitive Elemente „schlechtgemacht“ und die gewählte Alternative „schöngeredet“. Wichtig für den Erfolg dieser Form der Dissonanzbewältigung ist die Unterstützung, welche die Person beim suchen nach passenden Argumenten erhält. An diesem Punkt kommt die Werbung ins Spiel. Sie liefert dem Käufer in der Nachkaufphase Argumente um seine Entscheidung für ein Produkt vor sich selbst und vor anderen zu rechtfertigen.
5. Weiterentwicklung der Theorie und Kritik
Wie schon Anfangs erwähnt ist Festingers Theorie der kognitiven Dissonanz ist kein rein Kommunikationswissenschaftlicher Ansatz. Sie ist vielmehr eine Theorie aus dem Bereich der Sozialpsychologie, die die Verarbeitung von Erfahrungen jeder Art untersucht. Es ist deshalb logisch, dass viele der zahlreichen empirischen Untersuchungen und Weiterentwicklungen der „Theorie der kognitiven Dissonanz“ aus der Sozialpsychologie stammen und mit Kommunikationswissenschaft nur entfernt etwas zu tun haben.
Eine Weiterentwicklung aus dem Bereich der Medienwirkungsforschung, die bis heute aktuell ist, ist die Untersuchung der Wirkung von Werbung nach Kaufentscheidungen.
Ziel von Marketingstrategien für Produkte ist es, „Dissonanzen zu verhindern bzw. abzubauen, um auf diese Weise die Zufriedenheit des Kunden bzw. das Bewußtsein einer ihm adäquaten Problemlösung sicherzustellen. (Raffée, H. et al. 1973 S.64). Entscheidend bei diesem Bemühungen ist die sogenannte Post-Sale-Phase. In dieser Phase werden die zwangsläufig entstehenden Dissonanzen nach einer Kaufentscheidung aufgegriffen. Der Käufer soll einerseits vor zusätzlichen negativen Erfahrungen geschützt werden (ebd. S. 68) und außerdem mit positiven Argumenten für seine Entscheidung ausgestattet werden. An diesem Punkt kommt die Werbung ins Spiel. Sie liefert dem Käufer in der Nachkaufphase Argumente um seine Entscheidung für ein Produkt vor sich selbst und vor anderen zu rechtfertigen.
„Aus der Dissonanztheorie ergibt sich (...), daß die Werbung nach dem Kauf auch das Konsumerlebnis positiv beeinflussen soll, also mehr als nur eine Erinnerungsfunktion bzw. einen Lernimpuls auszuüben hat.“ (ebd. S. 75).
Die Wirksamkeit von Werbung in der Post-Sale-Phase belegen unter anderem die Experimente von Donelly und Ivancevich (Donelly, J. 1970, zitiert nach: Raffée, H. 1973 S. 76). Den Versuchspersonen wurde nach dem Kauf eines Autos die Möglichkeit gegeben die Kaufentscheidung bis zur Lieferung des Autos ohne Verluste rückgängig zu machen. Ein Teil der Versuchsteilnehmer wurden durch Werbung in ihrer Kaufentscheidung unterstützt, der andere nicht. Von der ersten Gruppe nutzten 2,4 Prozent die Möglichkeit zurückzutreten, bei der zweiten waren es dagegen 5,2 Prozent.
Das Experiment zeigt, das Werbung dazu beitragen kann, das Kunden einen Kauf nicht bereuen und bei der nächsten Kaufentscheidung möglicherweise wieder zum gleiche Produkt greifen.
Diese Anwendung von Festingers Theorie ist, wie bereits in der Einleitung erwähnt, nur eine von vielen. Eine „Bibliographie der wichtigsten seit 1956 erschienen Arbeiten zur Theorie der kognitiven Dissonanz“ (Möntmann, V. und Irle, E. 1978 S. 366 - 413) enthält 856 Artikel zu diesem Thema - und das sind nur die wichtigsten Werke bis zum Jahr 1978.
Bei dieser großen Resonanz ist es nicht verwunderlich, dass es auch zahlreiche Kritik an der Theorie gab.
Man hat Festinger vor allem vorgeworfen, „dass die Darlegung der Theorie in vielen Punkten unpräzise bleibt“ (Beckmann, J. 1984 S.16). Deshalb bleibt Forschern, die die Theorie empirisch überprüfen wollen ein großer Interpretationsspielraum. Besonders der Begriff Kognition wird als ungenau kritisiert: „Während die anderen Konsistenzmodelle hauptsächlich am Einstellungsbegriff festhalten führt Festinger den ungenauen Begriff der Kognition ein“ (Schenk, M. 1978 S.95).
Außerdem wird nicht klar was genau eine relevante Beziehung ist. Festinger beschränkt sich darauf Beispiele zu geben was relevante Beziehungen sein können. Es gibt kein gültiges Kriterium für Relevanz. Deshalb musste bei empirischen Untersuchung einfach unterstellt werden, dass zwei Elemente zueinander relevant sind. Wich das Versuchsergebnis vom Erwartbaren ab kann der Grund dafür auch in dieser Grundannahme liegen (vgl. ebd. S.17). genauso ist es auch mit der Entscheidung ob zwei kognitive Elemente konsonant oder dissonant sind. Festinger verwendet zur Bestimmung den unklaren Ausdruck „follow from“ (z.B. in : „ (...) if, considering these two alone, the obverse of one element would follow from the other.“ (Festinger, L. 1957 S.??))
Festinger selbst war sich dieser Schwäche durchaus bewusst. Er schreibt in der Zusammenfassung der Theorie der kognitiven Dissonanz:
„Natürlich besteht die Möglichkeit eines derart freizügigen Gebrauchs nur deshalb, weil es bei der Definition von Dissonanz gelegentlich Unklarheiten gibt, und insbesondere deshalb, weil Unklarheit darüber besteht, wie sich a priori bestimmen lässt ob eine Beziehung zwischen zwei kognitiven Elementen dissonant ist oder nicht.“ (Festinger L. 1978 S.269).
Er appelliert deshalb an Forscher die Theorie so präzise und spezifisch wie möglich anzuwenden, denn nur so könne sie ein brauchbares Instrument für Erklärungen und Vorhersagen sein (ebd. S.270)
5. Schluss
Phase 3:
Diese letzte Phase zu Beginn der 70er Jahre beinhaltet eine Vielzahl verschiedener Theorien, die mit ,,ausgefeilteren Methoden und komplexeren Ansätzen"5 subtilere Wirkungsformen als die bereits bekannten beschreiben sollten. Beobachtet wurden die Medien unter anderem auf Wirkungen hinsichtlich der Imagebildung, des unterschiedlichen Nutzens der Medien für die verschiedenen Rezipientengruppen (Wissenskluft-These), der Änderung der Wahrnehmung der Umwelt und auch der Tatsache, dass Themen über die Medien überhaupt an die Öffentlichkeit dringen und somit als wichtig bzw. relevant erscheinen und diskutiert werden (Agenda-Setting-Theorie).
Wie schon erkennbar ist, existiert bis heute eine Vielzahl alter und neuer Theorien, die Veränderungen erfahren haben und erweitert bzw. modifiziert wurden. Eine von besonderer Relevanz für die sozialpsychologischen Studien zur Informationsselektion war die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger, die zu unzähligen empirischen Forschungsarbeiten angeregt hat und in abgewandelter Form noch heute Gültigkeit besitzt. Im folgenden werde ich darstellen, welche Annahmen und Gesetzmäßigkeiten diesen Ansatz fundieren und wie darauf das Phänomen der Dissonanz in Bezug zu stellen ist.
Literatur:
Beckmann, J. 1984. Kognitive Dissonanz - Eine handlungstheoretische Perspektive. Berlin Heidelberg NewYork Tokyo.
Burkart, R. (1998). Kommunikationswissenschaft. Wien/Köln/Weimar.
Burkart, R.(1995). Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Wissenschaft. Wien / Köln / Weimar.
Festinger, L. (1978). Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern u.a.
Irle, M. (1975). Lehrbuch der Sozialpsychologie. Göttingen.
Irle, M. und Möntmann, V. (Die Theorie der kognitiven Dissonanz: ein Resümee ihrer theoretischen Entwicklung und empirischen Ergebnisse 1957 - 1976. In Festinger L. (1978) Theorie der Kognitiven Dissonanz. Bern u.a. S. 274 - 364
Prof. Dr. Raffée, H., Sauter B. & Silberer G. (1973). Theorie der kognitiven Dissonanz und Konsumgütermarketing - Der Beitrag der Theorie der Kognitiven Dissonanz zur Erklärung und Gestaltung von Kaufentscheidungen bei Konsumgütern. Wiesbaden.
Schenk, M. (1978) Publikums und Wirkungsforschung. Tübingen
- Arbeit zitieren
- Franziska Walser (Autor:in), 2001, Theorie der Kognitiven Dissonanz von Leon Festinger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108306
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