Das Zeitalter der Religion und der Philosophie ist dem Jahrhundert der Wissenschaft gewichen! Dieser Satz aus der Einleitung der 1751 bis 1780 in 28 Bänden erschienen „Enzyklopädie der Wissenschaften, Künste und Gewerbe“, bezeichnet sehr gut, in welchem gedanklichen Umfeld sich Paul-Henri Thiry d´ Holbach wiederfand, als er 1749, nach Abschluss seines Jurastudiums in Leyden, nach Paris kam. Der deutschstämmige Holbach, geboren am 8.12.1723 in Eidesheim (Pfalz), knüpfte in Paris sehr schnell Bekanntschaft mit der intellektuellen Avantgarde um Diderot und d´ Alembert, für deren Enzyklopädie er ab 1753 weit mehr als 300 Artikel besteuerte, die sich hauptsächlich mit mineralogischen und metallurgischen Gegenständen befassten. Des weiteren übersetzte er naturwissenschaftliche Arbeiten vorwiegend deutscher Forscher, sowie religionskritische, deistische Schriften aus dem Englischen. Bis zu seinem Tode am 21.1.1789 (gewissermaßen am Vorabend der Französischen Revolution) blieb er, bis auf eine Londonreise 1765, in Paris. 1780 wurde er zum Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gewählt.
Seine gesellschaftliche Stellung in Paris war gefestigt und bedeutend: er lebte von den Reichtümern, die ihm sein durch Finanzspekulationen reich gewordener Onkel vererbte (der ihm gleichzeitig auch den erkauften Adelstitel vererbte), und in seinem Salon gingen die „philosophes“, also die Autoren der großen Enzyklopädie, ein und aus. Er galt als liebenswürdig, tolerant und großzügig.
Als 1770 Holbachs Hauptwerk „System der Natur“, er veröffentlichte des weiteren noch 1766 Le Christianisme dévoilé, 1776 L´Ethocratie und La Morale universelle, unter falschem Namen und fingierter Ausgabe erschien, stieß es bei den meisten aufklärerischen Philosophen wegen seines kompromisslos atheistischen Ansatzes auf vehemente Kritik, so dass es sogar auf Anordnung des französischen Parlaments öffentlich verbrannt wurde. (Niemand ahnte, dass der Autor von dem Buch
„System der Natur“ der angesehene und in der Pariser „Gesellschaft der Philosophen“ akzeptierte und integrierte Holbach war.) Trotz der scharfen Kritiken zeigen diese einhelligen Reaktionen auf Holbachs „System der Natur“ gerade in ihrer Ablehnung jedoch, wie sehr seine Philosophie im aufklärerischen Denken der damaligen Zeit verhaftet war, wobei er dieses Denken in seiner antireligiösen Radikalität nur konsequent zuspitzte. Diderot und d´Alembert mussten sich schon mit ihrer „Enzyklopädie der Wissenschaften, Künste und Gewerbe“ gegen einen staatlichen, aber vor allem kirchlichen Widerstand durchsetzen. Jedoch war die Enzyklopädie nicht ein atheistischen Werk, sie lässt sich eher als Werk eines gewissen religiösen Skeptizismus beschreiben. Selbst Voltaire war, im Sinne Holbachs, inkonsequent, da er zwar eine scharfe Kritik des Christentums und der Kirche formulierte, gleichzeitig aber Religionslosigkeit und Atheismus mit gleicher Entschiedenheit
verdammte und seine Kritik (an einer christlichen und kirchlichen Moral und Ethik) immer im Sinne einer Vernunftreligion gewissermaßen abmilderte.
Häufig gestellte Fragen
Wer war Paul-Henri Thiry d'Holbach?
Paul-Henri Thiry d'Holbach war ein deutschstämmiger Philosoph und Autor, der in Paris lebte und arbeitete. Er wurde am 8. Dezember 1723 in Eidesheim (Pfalz) geboren und starb am 21. Januar 1789 in Paris. Er war bekannt für seine Beiträge zur Enzyklopädie von Diderot und d'Alembert und seine radikal atheistischen Schriften.
Welche Rolle spielte Holbach in der Enzyklopädie?
Holbach steuerte ab 1753 weit mehr als 300 Artikel zur Enzyklopädie der Wissenschaften, Künste und Gewerbe bei. Seine Artikel befassten sich hauptsächlich mit mineralogischen und metallurgischen Gegenständen.
Was waren Holbachs wichtigste Werke?
Zu Holbachs wichtigsten Werken gehören "System der Natur" (1770), "Le Christianisme dévoilé" (1766), "L´Ethocratie" (1776) und "La Morale universelle" (1776). "System der Natur" ist sein Hauptwerk.
Warum wurde Holbachs "System der Natur" kritisiert?
Holbachs "System der Natur" wurde wegen seines kompromisslos atheistischen Ansatzes von vielen aufklärerischen Philosophen kritisiert. Es wurde sogar auf Anordnung des französischen Parlaments öffentlich verbrannt.
Wie stand Holbach zur Aufklärung?
Holbach war ein Teil der Aufklärung, radikalisierte jedoch deren antireligiöse Tendenzen. Er kritisierte seine Zeitgenossen dafür, dass sie trotz ihrer Kritik am Christentum immer noch in theistischen Kategorien dachten.
Welchen philosophischen Grundsatz vertrat Holbach?
Holbach vertrat den philosophischen Grundsatz, dass das Zeitalter der Religion und der Philosophie dem Jahrhundert der Wissenschaft gewichen ist. Diesen Grundsatz formulierte er in seinen Werken radikal aus.
Wie begründete Holbach seine Moralvorstellungen?
Holbach begründete seine Moralvorstellungen auf einem materialistisch fundierten Atheismus. Er versuchte, eine natürliche, auf den Gesetzmäßigkeiten der Natur basierende vernünftige Moral zu entwickeln.
Was war Holbachs Kritik an der Moral der Aufklärung?
Holbach kritisierte, dass die Moralphilosophen der Aufklärung einerseits versuchten, eine rationale Basis für ihre moralischen Überzeugungen in der menschlichen Natur zu finden, andererseits aber einen Bestand an moralischen Gesetzen übernahmen, der in einem Theismus fußte, den sie eigentlich ablehnten.
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- Tamara Hauer (Autor:in), 1997, Holbach. System der Natur oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108330