Wirtschaft und Staat im Zeitalter der Globalisierung


Seminararbeit, 2003

16 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhalt

1. Globalisierung: Was ist das?
1.1. Die Historie der Globalisierung
1.1.1 Globalisierung I: Vormoderne Globalisierung

2. Globalisierung II: Die entgrenzte Herrschaft der Ökonomie

3. Das Dilemma des Staates

4. Wege aus der Falle

1. Globalisierung: Was ist das?

„Turbo-Kapitalismus“[1]. „Kapitalismus pur“[2]. Wirtschaftshorror[3]. Killer-Kapitalismus. Diese und ähnliche Assoziationen dienen oft als Codes, die Umstände und Zustände im Zeitalter der Globalisierung zu erläutern.

„Der globale Zerfall“, „die grenzenlose Jobkrise“[4], „der Niedergang der Politik“, „das Verschwinden der Mittelklasse“ usw. sind Assoziationen, mit denen das neue Thema Globalisierung weitgehend pessimistisch in unzähligen Publikationen von unzähligen Autoren unter die Leute gebracht wurde.

1.1. Die Historie der Globalisierung

1.1.1 Globalisierung I: Vormoderne Globalisierung

Jedoch, ist Globalisierung wirklich so „neu“, wie sie uns erscheint? Globalisierung als solche gibt es nicht erst seit den 1980er- oder 90er Jahren, obschon in der früheren ein entscheidender Unterschied zur aktuellen Form festzustellen ist, die bei weitem noch nicht abgeschlossen ist, von kaum jemandem als Ganzes erfassbar ist und ganz und gar, quer durch alle sozialen Schichten, mit einem Hauch des Ungewissen, des Bedrohlichen behaftet ist.

Die historische Phase der Globalisierung war ein wirtschaftlicher Prozess, der erst die Entstehung und nicht, wie im Anlassfall, die vermeintliche Zerstörung der Nationalstaaten, insbesondere ihrer Sozial- und Wohlfahrtsstaaten, zur Folge hatte.

Diese Globalisierung im Sinne von globaler Arbeitsteilung, im Folgenden Globalisierung I[5] genannt, war zumindest eine Wurzel des Zerbrechens der großen Imperien und der Neuaufteilung ihrer Territorien in Nationalstaaten, die in den Rahmen eines sich globalisierenden Wirtschaftssystems eingebunden waren. Das imperiale Streben der Herrscher, möglichst alle Produktionsfaktoren-, wege- und orte der Wirtschaft unter einer (ihrer) Hand zu vereinigen, führte in eine Sackgasse ab dem Moment sich allmählich eine arbeitsteilige Weltwirtschaft entwickelte, in der sich die daraus entstehenden Nationalstaaten aus einigen Produktionsgebieten zurückziehen, sich auf wenige spezialisieren und konzentrieren und sich gegenseitig im internationalen Handel ergänzen konnten und mussten.

Die mit der nationalen Struktur der Imperien einhergehende strukturelle Veränderung der Wirtschaftssysteme ließ nun die Frage aufkommen nach der Form und Zweckhaftigkeit der neuen Staatsformen. Im Gegensatz zur Zeit vor dem 17. Jahrhundert, in der „der Staat als Selbstzweck angesehen wurde“[6], bedurfte er nun einer Rechtfertigung und zwar in der Form, als dass er, in der sich aus der gegebenen Gesellschaft, bestehend aus konkurrierenden und Individualinteressen verfolgenden Menschen, Verantwortung übernehmen musste für die Sicherheit und das friedliche Zusammenleben aller. Außerdem kamen dem Staat neue Aufgaben zu, die der weiteren Wohlstands- und Wirtschaftsentwicklung dienlich waren, nämlich die Gewährung einer Minimalexistenz auf Basis eines Sozialstaats, die Sicherung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise die verlässliche Ausübung von Währungspolitik wie auch der Ausbau der Infrastruktur (Massenkommunikation, Verkehr etc.) und schließlich auch die Schaffung eines standardisierten Bildungssystems.

Die Grundlage des arbeitsteiligen Wirtschaftssystems war gegeben durch seine Rolle als „Fortschrittsmotor“ (Brock), der zu immer größerem Wohlstand und Fortschritt dienen sollte und das unter den von David Ricardo und Adam Smith revolutionär beschriebenen Theorien, dass unter den Bedingungen von Wettbewerb und Freihandel die Naturgesetze des Wirtschaftens zu ihrem Recht kämen.[7] Ricardos Erforschungen des komparativen Kostenvorteils, die besagen, dass eine arbeitsteilige Wirtschaft zwischen zwei Nationen beiden Nationen eine Wohlstandsmehrung beschert, auch wenn eine Volkswirtschaft alle Güter, den absoluten Kosten nach, billiger produzieren kann, wenn sich die Nationen auf die Produktion des Gutes spezialisieren, dass sie „komparativ“ billiger produzieren können. „Durch Handel geht es allen besser, weil der Handel den Menschen die Möglichkeit gibt, sich nach ihren besonderen Fähigkeiten auf jene Güter zu spezialisieren, bei denen sie einen komparativen Vorteil haben.“[8] Ziel ist ein Maximum an erzeugten Gütern und an Arbeit und somit die Mehrung des gesellschaftlichen Wohlstands. Der Nationalstaat konnte seiner Volkswirtschaft privilegierte Chancen zuspielen, indem er beispielsweise die Produktion von Gütern forcierte, die in Handelsbilanzen auf der „besseren“ Seite standen (z.B. Export von Maschinen gegen den Import von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen[9]), für die Monopolisierung strategisch wichtiger Handelswege eintrat, oder Schutzzölle oder Kontingente auf Importwaren erhob.

Durch den auf internationaler Arbeitsteilung basierenden nationalen Wohlstandsaufschwung entstanden in weitere Folge starke nationale Industrie- und Wirtschaftssysteme, die stark mit der Politik verbandelt waren und für die der Außenhandel zusehends an Bedeutung verlor. Der Höhepunkt dieser Entwicklung, die nicht auf forciertem florierendem Außenhandel, sondern auf einer stabilen nationalen Wirtschaftsentwicklung beruhte, fand ihren Höhepunkt in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und hatte ihren Kern in der industriellen Großproduktion. Massenfertigung und Massenbeschäftigung verbunden mit hohen Lohnsummen und „institutionalisierte[n] Konfliktaustragungs- und Interessensausgleichsmechanismen“[10] waren Kennzeichen dieses Systems, dessen Erfolg auf der Erkenntnis aller Teilnehmenden beruhte, im gleichen volkswirtschaftlichen Boot zu sitzen und ähnliche Interessen zu verfolgen.

2. Die entgrenzte Herrschaft der Ökonomie

Der vor kurzem verstorbene französische Soziologe und führende Globalisierungskritiker Pierre Bourdieu verdeutlicht, dass „all das, was man unter dem deskriptiven und zugleich normativen Begriff der Globalisierung fasst, keineswegs das Ergebnis zwangsläufiger ökonomischer Entwicklungen [ist], sondern einer ausgeklügelten und bewusst ins Werk gesetzten, sich ihrer verheerenden Folgen allerdings kaum bewussten Politik.“[11] Außerdem sei diese Politik, die sich eines Vokabulars der Freiheit, des Liberalismus, der Liberalisierung, der Deregulierung bedient, in Wirklichkeit eine Politik der Entpolitisierung und ziele paradoxerweise darauf ab, die Kräfte der Ökonomie von all ihren Fesseln zu befreien, ihnen dadurch einen fatalen Einfluss einzuräumen und die Regierungen ebenso wie die Bürger den derart von ihren Fesseln „befreiten“ Gesetzen der Ökonomie zu unterwerfen.

[...]


[1] Brock, Ditmar, 1997: Wirtschaft und Staat im Zeitalter der Globalisierung. Aus Politik und Zeitgeschichte B33-234/1997, Seite 12.

[2] a. a. O., Seite 12.

[3] a. a. O., Seite 12.

[4] Martin, Hans-Peter, Schuhmann, Harald, 1998: Die Globalisierungsfalle. Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand, Rowohlt, Reinbek, Seite 137.

[5] Vgl. Brock, Ditmar, 1997: Wirtschaft und Staat im Zeitalter der Globalisierung. Aus Politik und Zeitgeschichte B33-234/1997, Seite 12ff.

[6] a.a.0., Seite 13.

[7] Vgl. Mankiw, N. Gregory, 2001: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart, Seite 51ff.

[8] a. a. O., Seite 64.

[9] Brock, Ditmar, 1997: Wirtschaft und Staat im Zeitalter der Globalisierung. Aus Politik und Zeitgeschichte B33-234/1997, Seite 13.

[10] a. a. O., Seite 14.

[11] Pierre Bourdieu, „Im Netzwerk überleben“, Gegenfeuer 2, UVK Konstanz, Reihe raisons d'agir, Mai 2001

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Wirtschaft und Staat im Zeitalter der Globalisierung
Hochschule
Universität Wien  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
PS Globalisierte Demokratie
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V10840
ISBN (eBook)
9783638171618
ISBN (Buch)
9783638771153
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Globalisierung, Wirtschaft, Staat, Ökonomie, Globalisierungsfalle, Nationalstaat, Finanzmärkte, Brock, Castells, Mankiw, Bourdieu, Soros, Martin, Schumann, Thurow
Arbeit zitieren
Mag. Hannes S. Auer (Autor:in), 2003, Wirtschaft und Staat im Zeitalter der Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10840

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