Torvald ist ein Mann, der sehr gewissenhaft mit seinem Leben und, zum Leid Noras, auch mit Geld umgeht. Er ist ein strebsamer Mensch, der sein Berufsziel (die Beförderung zum Bankdirektor) erreicht hat und damit ein gesichertes Einkommen und gesellschaftliches Prestige besitzen wird. Er scheint kein gutes Bild von Frauen zu haben, da er seine Frau Nora als „Singlerche“ bezeichnet und die Behauptung aufstellt, sie könne nicht mit Geld umgehen. Mit seinem gespielten Charme, mit der er Nora zu fesseln versucht, wirkt zum größten Teil eher wie ein kleiner Pseudo-Diktator, der versucht, sich die Liebe zu erkaufen. Er schreibt ihr vor, dass sie in der Stadt nicht zu naschen hat und er möchte ihr kein Geld schenken, damit sie sich selber etwas aussuchen kann. Als Nora ihn um das Geld bittet (statt materiellem Geschenk zu Weihnachten), legt er nur den Arm um sie und sagt: „Mein Zeisig ist ein allerliebstes Geschöpf, aber er braucht eine Menge Geld. Es ist kaum zu glauben, wie teuer einen Mann solch Vögelchen kommt.“ Meiner Meinung nach, hat Torvald entweder einen Vogelkomplex, so dass er alles mit einem Vögelchen vergleichen muss, oder er sieht Nora als ein freies Wesen an, das tun und lassen kann, was sie will. Er scheint gar nicht zu sehen, dass sie in Wirklichkeit in einem kleinen Käfig oder, wenn wir vom Titel des Stückes ausgehen, einem Puppenheim sitzt. Torvald ist ein realistischer Geschäftsmann, sonst hätte er wohl kaum die Beförderung zum Bankdirektor geschafft, doch scheint er zu übersehen, dass Nora kein „Püppchen“, sondern eben auch nur ein Mensch ist.
1.1) Dekorationsplan für alle Akte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.2) Figurencharakteristiken
Torvald: gewissenhaft - strebsam - Karrierist - hat sein Berufsziel erreicht und wird ein gesichertes Einkommen und gesellschaftliches Prestige besitzen[1]
Torvald ist ein Mann, der sehr gewissenhaft mit seinem Leben und, zum Leid Noras, auch mit Geld umgeht. Er ist ein strebsamer Mensch, der sein Berufsziel (die Beförderung zum Bankdirektor) erreicht hat und damit ein gesichertes Einkommen und gesellschaftliches Prestige besitzen wird. Er scheint kein gutes Bild von Frauen zu haben, da er seine Frau Nora als „Singlerche“ bezeichnet und die Behauptung aufstellt, sie könne nicht mit Geld umgehen. Mit seinem gespielten Charme, mit der er Nora zu fesseln versucht, wirkt zum größten Teil eher wie ein kleiner Pseudo-Diktator, der versucht, sich die Liebe zu erkaufen. Er schreibt ihr vor, dass sie in der Stadt nicht zu naschen hat und er möchte ihr kein Geld schenken, damit sie sich selber etwas aussuchen kann. Als Nora ihn um das Geld bittet (statt materiellem Geschenk zu Weihnachten), legt er nur den Arm um sie und sagt: „Mein Zeisig ist ein allerliebstes Geschöpf, aber er braucht eine Menge Geld. Es ist kaum zu glauben, wie teuer einen Mann solch Vögelchen kommt.“ Meiner Meinung nach, hat Torvald entweder einen Vogelkomplex, so dass er alles mit einem Vögelchen vergleichen muss, oder er sieht Nora als ein freies Wesen an, das tun und lassen kann, was sie will. Er scheint gar nicht zu sehen, dass sie in Wirklichkeit in einem kleinen Käfig oder, wenn wir vom Titel des Stückes ausgehen, einem Puppenheim sitzt. Torvald ist ein realistischer Geschäftsmann, sonst hätte er wohl kaum die Beförderung zum Bankdirektor geschafft, doch scheint er zu übersehen, dass Nora kein „Püppchen“, sondern eben auch nur ein Mensch ist.
Nora: Nora ist Tovalds kleiner, lockrer Zeisig, der ihn viel Geld kostet. Sie lässt sich leicht in diese Rolle pressen und scheint dies auch schon gewohnt zu sein, jedoch frage ich mich, wieso sie nicht einfach ausfliegt, wenn sie doch ein kleines Vögelchen ist. Nora wirkt auf mich wie ein kleines Kind, das man bevormunden muss, weil es selber nicht einschätzen kann, was gut und was schlecht ist. Sie ist ein sehr idealistischer Mensch, der scheinbar nie die schlechten Seiten des Lebens sehen will. Als sie von „Geld borgen“ spricht und Torvald ihr die Möglichkeit eines Todes vor die nase hält, will sie davon nichts hören. Sie lebt sozusagen auf der „bright side of life“, wo nur die Sonne scheint und will die Vorzüge des Lebens schon genießen, bevor sie in greifbarer Nähe sind. So möchte Nora beispielsweise jetzt schon das Geld von Torvalds zukünftigem Gehalt ausgeben, wobei dieses, laut Torvald, erst in einem ¾ Jahr ansteht. Außerdem hat sie auch den Charakter eines Kindes. Sie hat sich in der Stadt Makronen gekauft und auch davon genascht. Als ihr werter Gatte sie jedoch darauf anspricht, streitet sie alles ab, eben wie ein kleines Kind, das nicht zugeben will, dass es Schokolade gegessen hat, obwohl die Mama es ausdrücklich verboten hat. Torvald bemerkt diese Lüge und sagt nur „Na, behalt deine kleinen Weihnachtsgeheimnisse nur für dich, meine liebe Nora.“ Bei diesem Absatz kann man sich sehr gut Noras kindliches Grinsen vorstellen, wobei sie in die Luft guckt – eben wie es kleine Kinder tun. Nora scheint ihr unterdrücktes Dasein nichts auszumachen – sie lässt sich in diese Rolle pressen und macht auch keinen Anstand, sich zu wehren.
N. & T.: Als Ehepaar sind die beiden perfekt. Nora die, die sich unterdrücken lässt und Torvald der kleine Diktator. Gegensätze ziehen sich eben an.
1.3) Begriffserläuterung „Leiche im Keller“
Erläutern Sie den Begriff „Leiche im Keller“ anhand des Stücks.
Eine Leiche im Keller gibt es in diesem Stück auch. Im Laufe des Stückes erfährt man, dass Nora, um das Leben ihres Mannes zu retten, die Unterschrift ihres Vaters fälschte. Damit hat sie Geld geborgt, um in den Urlaub zu fahren, welcher Torvald das Leben rettete. Zu diesem geborgten Geld gibt es einen Schuldschein. Und dieser Schuldschein ist die „Leiche im Keller“. Im weiteren Verlauf der Tragödie kommt dieser Schuldschein wieder ans Tageslicht und holt Nora zurück in die Realität, dass das Leben eben nicht immer nur positiv verlaufen kann, sondern dass durchaus auch mal schlimme Dinge passieren können, die unter Umständen an der Existenz der Person zerren. Das wird deutlich, als Nora sagt „Das Entsetzliche kommt. Es kommt dennoch. Nein, nein, nein, es kann, es wird nicht geschehen!“(S.58 Z.1+2). Nora versucht noch, Torvald zu überzeugen, dass er Krogstad nicht entlassen soll, doch Torvald sieht das „nur“ als Liebesbeweis von Nora an, weil sie Angst um ihn hat, dass Krogstad sich rechen könnte. Als dieser Schuldschein ins Spiel kommt, erhöht sich die Spannung nochmals drastisch. Er spielt in diesem Stück immerhin die wichtigste Rolle.
1.4) Begriffserläuterung „Lüge“
Was ist eine „Lüge“?
Eine Lüge hat immer eine List auf sich. Das heißt, man versucht, den Gegenüber hinters Licht zu führen. So sieht man am Anfang bei Nora nur die kleinen Lügen, wie beispielsweise das Naschen der Makronen und das anschließende Verleugnen. Im Laufe des Stückes kommt aber die große Lüge ans Licht. Nora hat einen Fehler gemacht, der ans Licht zu kommen droht.
In erster Linie dient eine Lüge, wie ich bereits erwähnte, um einen anderen zu überlisten. Nun lügt Nora Torvald an. Über die Beziehung kann man sagen, dass Nora zwar Torvald unterworfen ist, sich jedoch nicht beirren lässt. Sie lebt trotzdem noch irgendwo ihr eigenes Leben, in denen sie sich ihre eigenen kleinen Geheimnisse aufbaut. Für sie sind die Makronen, die laut Doktor Rank eine „Kontrebande“[2] im Hause Helmer sind, schon ein kleiner Schritt zur Selbstständigkeit. Nora ist eine Frau, die schon weiß, was sie will und auch zu ihren Zielen kommt. So hat sie es auch mit der „Großen Lüge“ der Tragödie geschafft. In der damaligen Zeit war es für eine Frau nicht möglich, ein Darlehn ohne die Zustimmung ihres Gatten aufzunehmen. Nora hat es jedoch trotzdem geschafft. Sie hat nicht nur ihren Mann, sondern die komplette Gesellschaft hinters Licht geführt. Sie hat den Schuldschein im Namen ihres Vaters unterschrieben, um die 4800 Kronen für die Reise nach Italien borgen zu können. Nora hat ihre kleinen und großen Lügen und es scheint, dass ihr Mann diese nicht hat. Jedoch brauchte der Mann in jener Zeit keine Lügen aufzubauen, da er sowieso mehr durfte als die Frau. So waren viele alltägliche Dinge, die heute jeder macht, bei der Frau total verpöhnt, beim Mann war es jedoch nicht weiter schlimm. Wenn eine Frau nun also ihren Kopf durchsetzen wollte, so musste sie eben die eine oder andere Lüge aufbauen um an ihr Ziel zu gelangen.
Heutzutage sind Lügen nicht mehr von Nöten. Die Frau kann genauso das tun, was Männer machen und es wird selten von jemandem (zumindest in der jungen Generation) verpöhnt. So geht eine Frau arbeiten wie ein Mann damals. Es gibt keine Unterschied mehr zwischen Mann und Frau und nicht selten sind die Frauen für einen Beruf auch lieber gesehen als ein Mann. Die Frau repräsentiert heute eine vollkommen neue Epoche. Emanzipation hat dazu geführt, dass Lügen kaum mehr notwendig sind. Ein Mann kann selten einer Frau noch Vorschriften machen, wie viel Süßes sie essen darf, weil sie bei zuviel Süßem schlechte Zähne bekommen würde. Die Frau kann eben selber auf sich aufpassen und dadurch hat sie einen komplett neuen Stellenwert erlangt, der sie als unabhängiges Wesen erscheinen lässt.
1.5) Noras Veränderung
Beschreiben Sie Noras Veränderung im kompletten Stück.
In dem Moment, wo Nora preisgibt, dass sie auf viel Luxus für sich selber verzichtet und sogar Arbeit angenommen hat, um die Schulden abbezahlen zu können, wird klar, dass sie sich nicht in diese Rolle zwängen lässt, sondern das ganze nur spielt. Sie bewundert den Mann und dessen Stellenwert in der Gesellschaft, dass er Arbeiten und Geld verdienen kann und für Frau und Kinder sorgt. Sie ist eben doch in gewisser Hinsicht ein kleiner freier Vogel, der seinen eigenen Kopf hat und diesen auch durchsetzt. Im Gegensatz zu meiner Charakterisierung in 3.1 hat Nora bewiesen, dass sie Torvald nicht so hörig ist, wie es am Anfang scheint. Sie hat Geheimnisse vor ihm, was sie sehr menschlich macht. Sie wirkt nicht mehr wie das kleine Püppchen in ihrem Käfig. Sie ist frei, zeigt es nur nicht. In ihrem Inneren hat sie ihrem Zwang auf Hörigkeit schon den Kampf angesagt, so scheint mir, sie will aber weiterhin für Torvald die kleine liebe Nora bleiben und will nicht ihr wahres Gesicht zeigen. Nora hat hier eine 90°-Drehung gemacht. Bislang hat sich ihr Charakter noch nicht ganz umgeschlagen, was sich aber vielleicht im Laufe der Handlung noch auf einer 180°-Drehung ausweiten wird. Das bleibt bislang aber noch offen.
Was ich mich frage ist jedoch, wieso Nora nicht Büroarbeiten übernimmt wie Christine. Scheinbar konnten Frauen doch damals schon einige Arbeiten übernehmen, das Christine ja auch nach Arbeit sucht. Wobei sie aber Witwe ist. Nun stellt sich mir die Frage, ob nur Frauen, die verwitwet waren, von der Gesellschaft als „arbeitsfähig“ eingestuft wurden, oder ob es für alle Frauen galt. Denn Nora hat sich eingeschlossen um die Schreibarbeiten zu erledigen, was für mich ein Hinweis sein könnte, dass es für verheiratete Frauen eben nicht so angesehen war, zu arbeiten, Es scheint mir, als wollte Nora es vor Torvald verheimlichen, dass sie nebenher arbeitet. Was nun aber wieder das Problem ist: Verheimlicht sie es der Gesellschaft wegen vor Torvald oder weil sie ihm nicht sagen will, wozu sie das Geld braucht?
1.6) Begriffserläuterung „Tanz auf dem Vulkan“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In diesem Stück führt Nora diesen „Tanz auf dem Vulkan“ durch. Sie steht in der Gefahr, dass Krogstad Torvald alles erzählt. Er erpresst sie mit dem Schuldschein, da Torvald ihn entlassen will, sobald er die Stelle als Bankdirektor antritt. Sie versucht Torvald noch zu überreden, ihn nicht zu entlassen, doch Torvald registriert nicht, wasfür eine Absicht hinter Noras Flehen steckt. Er sieht es, wie ich ebenfalls schon erwähnte, „nur“ als eine Art Liebesbeweis an, den Nora ihm gegenüber erbringt, dabei will Nora Torvalds Stand in der Gesellschaft retten, der gefährdet ist, wenn der Schuldschein ans Licht kommt. Sie weiß, dass ihr Mann in den Augen der anderen als Versager dastehen würde, der seine Frau nicht unter Kontrolle hat und versucht, das schlimmstmögliche zu verhindern. Hier bei plant sie sogar Selbstmordgedanken, nur um Torvald vor dieser Schande zu bewahren. Sie möchte nicht, dass er schlecht in der Gesellschaft dasteht, nur weil sie einen großen Fehler gemacht hat und dieser verheerende Folgen hat. Sie weiß, dass Krogstad ihn dann der Hand hätte und mit ihm machen könnte, was er will – vor allem könnte er Torvald dazu zwingen, seine Stellung aufzugeben und das würde einen Untergang für ihn bedeuten. Er hat hart gearbeitet und war sehr strebsam und Nora weiß, dass sie sein fast erreichtes Ziel durch ihren Fehler zunichte machen kann.
Ich würde Nora in diesem Falle als verzweifelte Frau darstellen, der man die Hilflosigkeit ansieht und die sich mit Selbstmordgedanken herumplagt. Torvald würde ich hier als den unwissenden Ehemann hinstellen, der einfach nicht merkt, was mit seiner Frau los ist - der eben immer nur sein kleines Frauchen an der Seite haben will. Krogstad würde ich als den Erpresser hinstellen, als totalen Egoisten, dem jedes Mittel recht ist, um sich selber zu retten. Nora sollte sichtlich zeigen, dass sie abhängig von Torvald ist und bei jeder Gelegenheit versuchen, ihn in seiner Entscheidung zu beeinflussen.
1.7) Brief an Torvald nach der Trennung
Stellen Sie dar, wie sich Nora entwickelt. Schreiben Sie einen Brief an Torvald (Zeit: 1 Monat nach der Trennung)
Lieber Torvald,
nun ist es einen Monat her, dass ich dich verlassen habe und du fragst dich sicherlich, wie es mir ergangen ist. Ich bin mittlerweile aus meinem goldenen Puppenhaus ausgebrochen und habe ein eigenes Leben angefangen, ohne Unterdrückung. Ich bin nicht mehr dein kleines Püppchen, mit dem du machen kannst, was du möchtest und das nur zum vorzeigen dient. Ich habe auch eine Seele und als ich ging, sagte ich dir, dass ich nicht s von Fremden annehme – auch keine Hilfe. Du fragtest, ob du niemals mehr sein kannst, als jemand, der mir sehr fern ist und ich antwortete, dass dafür schon das Wunderbarste geschehen müsse. Versteh bitte, dass wir beide eine komplette Wandlung vornehmen müssten. Meine Ehre habe ich verloren – das Wunderbarste würde es sein, wenn diese doch noch gerettet werden würde. Du dürftest mich nicht mehr als deine kleine Lerche oder Zeisig sehen, sondern als eigene eigenständige Person. Ich habe ebenso ein Leben wie du. Als du den Schuldschein bekamst, hättest du mich nicht so bestrafen dürfen. Du hättest einsehen müssen, dass ich das nur für dich und aus Liebe getan habe – das wäre das Wunderbarste gewesen. Das ich ebenso mein Leben habe wie du – und das habe ich mittlerweile – zumindest habe ich mein eigenes Leben! Du warst so egoistisch! Hast alles nur auf deine Karriere bezogen und dabei übersehen, welcher Hintergrund hinter meiner Tat stand. Ich habe nur deinetwegen so gehandelt – aus Liebe, Torvald. Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob du mich geliebt hast, oder es nur liebtest, mich zu lieben – ich kann es dir nicht sagen und ich bin mir nicht sicher, ob du dir diese Frage inzwischen beantworten kannst. Torvald, das Wunderbarste wäre es für mich gewesen, wenn du mich aus meinem Puppenheim herausgeholt und nicht die Rolle meines Vaters übernommen hättest. Oder dass du dich zumindest jetzt so ändern würdest, aber das kannst du nicht. Ich habe meine Existenz in die Hand genommen und ich habe mir etwas geleistet. Ich habe mich um mich selber gekümmert, wie ich es hätte schon vor Jahren tun sollen. Ich habe Fehler gemacht, ja, das ist unbestritten, aber nicht nur ich habe Fehler gemacht, sondern du genauso. Bevor du das nicht eingesehen hast, kann ich dir weder vertrauen, noch kann ich zu dir zurückkehren. Ich bin jetzt ich selbst und dieses Gefühl möchte ich nicht mehr missen, Torvald, ich bin jetzt wie ein Mann. Eigenständig und für mich selbst verantwortlich.
In Liebe
Deine Nora
1.8) Noras Tagebucheinträge
Zeigen Sie auf, wie Nora sich nach der Trennung weiterentwickelt. Seien Sie kreativ, nichts ist verboten.
1. Tagebucheintrag: Ich habe Torvald verlassen. Er ist ein Fremder. Ich erkenne ihn nicht wieder. Diese Leere in seinem Blick, als er den Schuldschein in seinen Händen hielt – ich erkannte ihn nicht wieder. Torvald – der Mann den ich glaubte zu lieben – der mich jahrelang nur unterdrückte und mich zwar Vögelchen nannte, mich aber nicht so frei sein lies. Ich muss meinen eigenen Weg gehen. Es konnte so nicht mehr weiter gehen.
2. Tagebucheintrag: Mittlerweile ist ein halbes Jahr vergangen. Ich habe Torvald bislang nicht wieder gesehen und auch anderweitig nichts von ihm gehört. Er scheint es noch immer nicht begriffen zu haben, dass ich ebenso ein Mensch bin wie er. Doch ich habe es gut geschafft. Ich habe mittlerweile eine Arbeit gefunden. Ich mache Büroarbeiten und ich habe mir ein Beispiel an Christine genommen. Wir schreiben uns oft und mir tut es gut eine starke Frau an meiner Seite zu wissen, die es ebenso gut alleine schafft wie ich
3. Tagebucheintrag: Nun ist es ein Jahr her, dass ich Torvald verließ. Er hat mir einen Brief geschrieben, indem er mir seine Reue mitteilt, doch wirkt es auf mich noch immer nicht wahr. Er versteht es nicht, dass er im Prinzip nur Papas Rolle übernommen hat. Torvald – ach, ich vermisse ihn irgendwie. Er war schon recht zart zu mir und wollte mir doch im Prinzip nur nicht zuviel auflasten, ist ja auch wirklich sehr lieb von ihm, aber wieso musste er nur alles von mir abschatten?
4. Tagebucheintrag: 1 ½ Jahre sind nun vorbei und Torvald hat mich heute besucht – mit den Kindern – noch immer sind sie so reizend und doch irgendwie fremd – im Prinzip habe ich mich doch nicht einmal um sie gekümmert – immer war Helene um sie herum, damit ich mich nicht zu sehr belaste. Ich frage mich, wie es ihnen erging, als ich sie und ihren Vater verließund ich frage mich auch, ob sie es verstanden haben, wieso ich es tun musste. Aber nein, wie könnten sie denn. Sie waren doch noch so klein! Doch jetzt habe ich mein Leben im Griff und ich möchte sie wiedersehen, so oft wie möglich. Ohne Helene.
5. Tagebucheintrag: 2 Jahre, die ich Zeit für mich hatte und mit Torvald und den Kindern habe ich nun wieder täglich Kontakt. Wir verstehen uns und er möchte, dass ich wieder zurückkehre in mein Puppenheim. Er hat es noch immer nicht verstanden. Ich möchte ihm nie wieder so hörig sein wie damals. Mein Entschluss ist doch längst gefallen und mir ist es egal, was die anderen sagen. Ich habe mein Leben und ich bin glücklich damit, auch wenn es nicht einfach ist, alleine als Frau – als geschiedene Frau. Doch es fragt ja auch niemand, wieso und warum. Sie urteilen einfach. Ich bin glücklich mit mir und meinen Entscheidungen. Und ich will es nie wieder anders haben.
ANHANG
Beinhaltet Informationen zu Ibsen, seinem Leben und „Nora“
2)Zum Titel:
Als „Nora“ ist Ibsens Stück vor allem im deutschsprachigen Raum berühmt geworden. Der Titel selbst stammt nicht einmal von Ibsen selbst, sondern wurde erst 1879 von Wilhelm Lange, dem deutschen Übersetzer, geschaffen. Lange hatte die Handlung übernommen, nach Deutschland verlegt, die Figuren umgetauft und das Original ohne die Einverständniserklärung und das Wissen Ibsens umbenannt, weil er sich dadurch eine größere Resonanz erhoffte. Der Originaltitel ist nämlich „Et Dukkehjem“, was zu deutsch soviel wie „Ein Puppenheim“ bedeutet. Dieser wurde später meist nur noch als Untertitel unter „Nora“ hinzugefügt.
Zum Titel ist zu sagen, dass er sehr treffend ist. Zumindest die Benennung „Nora oder eine Puppenheim“ ist treffend, das Nora, die Koseform vom Leonore, das verhätschelte Kind in der Familie zum Ausdruck bringt. „Ein Puppenheim“ kennzeichnet hier den gesellschaftlichen Status der Frau. Somit ist im Titel schon gezeigt, worum es konkret in diesem Stück geht.
2.1) Das „Urbild“ der Nora:
Ibsen sagte selber, er verfolge mit seinen Gegenwartsstücken das Ziel, den Leser „ein Stück Wirklichkeit“ erleben zu lassen. Demnach ist es auch nicht verwunderlich, dass sich nach dem Erscheinen dieses Stückes, nach dem „Modell“ gefahndet wurde, dass Nora darstellte.
Und tatsächlich hat es ein Urbild der Nora gegeben. Die Frau, die als Patin für Nora dastand. Diese Frau war die Schriftstellerin Laura Kieler, geb. Petersen, mit der Ibsen 20 Jahre lang auch familiär in Verbindung stand. Diese hatte 1873 ihren Mann Viktor geheiratet, der kurz darauf erkrankte. Er war Lehramtskandidat und damit nicht recht gutverdienend. Doch sein Lungenleiden machte ihm zu schaffen, so dass eine Kur im Süden notwendig wurde. Wie man sich vorstellen kann, reichten hierfür die finanziellen Mittel nicht aus und ihr Mann weigerte sich, Hilfe von Verwandten anzunehmen. So sah sich Laura gezwungen, hinter seinem Rücken ein Darlehen auf sich zu nehmen, für das ein Freund bürgte. Der Kuraufenthalt in der Schweiz und in Italien um 1876 brachte dann auch die gewünschte Genesung, doch die finanzielle Lage wurde immer kritischer. Um an Geld zu kommen, verschickte sie verzweifelt zahlreiche Artikel an skandinavische Zeitungen und bemühte sich über Ibsen bei dessen Verleger Frederik Hegel um einen Vorschuss für eine noch nicht vollendete Novelle. Ihr Bürge kam dazu auch noch in einer finanzielle Schwierigkeit, weswegen er seine Garantie zurückziehen musste. Die Katastrophe war vorprogrammiert. Es kamen auch noch weitere Kosten für einen Umzug hinzu. In ihrer Not stellte sie dann einen falschen Scheck aus, der jedoch sofort platzte. Ihr Mann, der mittlerweile Mittelschullehrer in Frederiksborg war, reagierte empört, trennte sie von den beiden Kindern, die sie mittlerweile hatten und ließsie in eine Nervenheilanstalt einweisen. Danach reichte er die Scheidung ein. Als „Ein Puppenheim“ dann am 21. Dezember 1879 am königlichen Theater in Kopenhagen uraufgeführt wurde, gingen diese Ereignisse ausgiebig durch die Klatschspalten.
1889 sah sich Laura Kieler derselben Verleumdungskampagne ausgesetzt. Anlass war die wenig erfolgreiche Uraufführung ihres Stückes „Männer von Ehre“ in Kopenhagen, das Ibsen zuvor positiv beurteilt und dem er gute Aussichten vorausgesagt hatte. Ohne zu registrieren, dass die Autorin längst auf die Bitte ihres Mannes hin zu ihm zurückgekehrt war und eine glückliche Ehe führte, wurden dieselben Vorhaltungen zum Teil wörtlich wiederholt. Nur Camilla Collet, zu der ich nachher noch zu sprechen kommen möchte, die die Verhältnisse im Hause Kieler kannte, ergriff Partei für sie. Entnervt wandte sich die Schriftstellerin daraufhin über eine gemeinsame Bekannte indirekt an Ibsen und bat ihn um eine öffentliche Erklärung, „dass sie nicht Nora“ sei. Ibsen fand die Richtigstellung „sowohl bedeutungslos als auch lächerlich“, nachdem er ja „nie das Gegenteil“ behauptet hatte. Er empfahl dem Ehepaar eine „offene und bestimmte Dementierung“ der falschen Gerüchte. Seine Weigerung bedeutete das Ende einer langjährigen Beziehung.[3]
2.2)Ibsens Aufzeichnungen zur Gegenwartstragödie
„Es gibt es zwei Arten von geistigen Gesetzen, zwei Arten von Gewissen, eine im Mann und eine ganz andere in der Frau. Sie verstehen einander nicht, aber die Frau wird im praktischen Leben nach dem Gesetz des Mannes beurteilt, so als wäre sie ein Mann.
Nora im Stück weißam Schluss weder aus noch ein in der Frage, was Recht ist oder Unrecht_ Das natürliche Gefühl auf der einen und der Autoritätsglaube auf der anderen Seite bringen sie in Verwirrung.
Eine Frau kann in der Gesellschaft der Gegenwart nicht sie selbst sein, welche eine ausschließlich männliche Gesellschaft ist, mit von Männern geschriebenen Gesetzen und mit Anklägern und Richtern, die das weibliche Verhalten vom männlichen Standpunkt aus beurteilen.
Sie hat eine Fälschung begangen, und das ist ihr Stolz; denn sie hat es aus Liebe zu ihrem Mann getan, um sein Leben zu retten. Aber dieser Mann steht mit ganz alltäglicher Rechtschaffenheit auf dem Boden des Gesetzes und sieht die Sache mit dem männlichen Auge an.
Seelenkampf. Unterdrückt und verwirrt vom Autoritätsglauben verliert sie den Glauben an ihr moralisches Recht und ihre Kraft, ihre Kinder zu erziehen, Bitterkeit. Eine Mutter in der Gesellschaft der Gegenwart macht sich, ebenso wie gewisse Insekten, bereit zu sterben, wenn sie ihre Pflicht zur Fortpflanzung des Geschlechtes getan hat. Liebe zum Leben, zum Zuhause, zu Mann und Kindern und zur Familie. Ab und zu weibliches Abschütteln der Gedanken. Plötzlich zurückkehrende Angst und Entsetzen. Alles muss allein getragen werden. Die Katastrophe nähert sich unerbittlich, unabwendbar. Verzweiflung, Kampf und Untergang.“
2.3) Ibsens Frauenbild
„Nora [...] ist bisher die beste dichterische Tendenzschrift im Kampfe gegen die Hörigkeit der Frau“ Dieses Urteil vom Emil Reich 1891[4] und die Tatsache, dass Ibsen wiederholt Frauen zu „Heldinnen“ seiner Gegenwartsstücke, stellt automatisch bzw. provoziert regelrecht die Frage nach seinen persönlichen Erfahrungen und seinem Verhältnis zur aufkommenden Frauenbewegung im 19. Jahrhundert. Obwohl Ibsen seine Privatsphäre bewusst abschirmte, lassen sich einige charakteristische Details erschließen. Da ist zunächst das Verhältnis zu seiner Mutter, die er in seinen unvollendet geblieben Memoiren als fröhlich, liebevoll und fürsorglich schildert, die aber nach dem Bankrott des Vaters „pietistisch“ frömmelnden Anschauungen nachgeht und sich wie seine Schwester verbittert aus dem gesellschaftlichen Leben zurückzieht. – Eine erste erotische Beziehung als Apothekerlehrling zu einer zehn Jahre älteren Dienstmagd, deren Zimmer er beim Nachtdienst durchqueren musste, hatte 14 Jahre Alimentezahlung zur Folge. Entscheidend war die Begegnung mit seiner späteren Frau Susannah, einer theaterbegeisterten Pastorentochter, die den eher schüchternen jungen „Dichter“ für sich einnahm. Kennzeichnend für ihr in der damaligen Zeit ungewöhnliches Selbstbewusstsein war ihre Äußerung nach der Taufe des Sohnes Sigurd, sie wolle keine weiteren Kinder. Dieser selber gefasste Entschluss, den Obsen wohl oder übel akzeptieren musste, erregte verständlicherweise Aufsehen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Susannah mit einer der Vorkämpferinnen der norwegischen Frauenbewegung bei deren Besuchen in Dresden und München Freundschaft schloss. Die Rede ist hier von der vorher benannten Camilla Collet, mit der Ibsen wiederholt korrespondierte und deren Einfluss auf sein Werk er mehrfach hervorhob. Sie war ebenfalls Pastorentochter, hoch gebildet, und die Schwester des bekannten norwegischen Dichters Henrik Wergeland. Bereits 1855 hatte sie sich in ihrem Roman „Die Töchter des Amtmanns“ für die Liebe in der Ehe ausgesprochen und die Ehe aus bloßer Konvention rigoros abgelehnt. Von 1874 an schrieb sie kämpferische Artikel gegen die Rechtlosigkeit und die Befreiung der Frau in der Gesellschaft unter dem Titel „Aus dem Lager der Stummen“. Wie Reich berichtet, besorgte sich Susannah diese Artikel und diskutierte sie wiederholt mit Ibsen[5]. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch Ibsens Begegnung mit der Malerin Aasta Hansteen, die ebenfalls zu den früheren Frauenrechtlerinnen in Norwegen gehörte. Sie wurde Vorbild für die Figur der Lona Hessel in seinem Stück „Stützen der Gesellschaft“. Was noch zu erwähnen wäre ist, dass die Lektüre „The Subjection of Women“ (Die Unterwerfung der Frau) von geringerem Einfluss auf Ibsen zu sein scheint, so berichtete Georg Brandes, der das Buch des britischen Sozialphilosophen gleich nach seinem Erscheinen 1869 ins Dänische übersetzt hatte, von der Abneigung Ibsens gegenüber Mills Ideen[6].
Als Mitglied des skandinavischen Vereins in Rom hatte Ibsen 1879 für die Einstellung von Bibliothekar innen und das Stimmrecht für alle Mitglieder, sofern sie ihre Mitgliedsbeiträge eingebracht hätten, plädiert. In seiner Rede vor dem Verein in Rom am 18.2.1879 begründet er seine Ansichten:
„Es ist ein Kontingent eingeführt worden, und das muss von Damen erlegt werden so gut wie von Herren; aber dadurch ist die Stellung der Damen im Verein eine ganz andere geworden, als sie früher war. Deshalb kommen auch die Damen jetzt wieder, nicht zwei, wie damals, sondern 10 bis 12, mit vielen hinter sich, und pflanzen eine Fahne in den Saal und fordern die natürlichen Rechte, die ihnen bisher verweigert worden sind; sie fordern das Recht, dabei sein und Männer wählen zu dürfen, die das Kontingent verwalten sollen, das sie selbst erlegt haben, und die die Staatszuschüsse verwalten sollen, die unsere Länder bewilligt haben, zum Nutzen der hiesigen skandinavischen Frauen ebenso gut wie dem der Männer.
[...] Vereine von der Art wie unserer werden heute nicht ohne die vollständige Gleichstellung der Frauen gegründet. Und wovor fürchtet man sich? Wenn man die Gegner des Antrags hört und ihr großes Erschrecken bei dieser kleinen Sache bemerkt, dann möchte man annehmen, wir hielten zwei- bis dreimal in der Woche das ganze Jahr hindurch Generalversammlungen ab und wählten einen neuen Vorstand. Und doch halten wir in der Regel nur eine einzige ordentliche Generalversammlung im Jahr, und ich will, dass zu dieser Damen Zutritt haben. Und wie viele Damen, glaubt man wohl, würden dort erscheinen? In der ersten Zeit jedenfalls sehr wenige. Sie würde weiterhin in ihrer Majorität bleiben, meine Herren, Sie brauchen sich nicht zu ängstigen. Die meisten Damen verlangen das Stimmrecht nicht, um praktischen Gebrauch davon zu machen, sondern weil sie das jetzt Bestehende als eine Demütigung empfinden. Und das ist es in Wirklichkeit auch, - eine unverdiente und unberechtigte Demütigung. Warum schließen wir sie aus? Gibt es jemand in dieser Versammlung, der zu behaupten wagt, dass unsere Damen an Bildung oder an Intelligenz oder an Kenntnissen oder an künstlerischer Begabung unter uns stehen? Ich nehme nicht an, dass sich sehr viele zu einer derartigen Behauptung erdreisten werden. Was fürchtet man also? Ich höre, hier geht die Überlieferung um, dass die Damen schlimm intrigieren sollen, und darum will man sie fern halten. Nun ich habe in meinem Leben allerhand männliche Intrigen in Erfahrung gebracht, - nicht zum wenigsten in der letzten Zeit; und außerdem, sollten hier wirklich, was ich bezweifle, Damen zu finden sein, denen das Intrigieren Spaßmacht, so muss man doch bedenken, dass sie das weitaus leichter tun können, solange sie außerhalb der Dinge stehen, als wenn sie eine Verantwortung tragen. Das kann also kein gültiger Grund für die Ausschließung sein. Ich frage also weiter, was man fürchtet? Ist es vielleicht die vermeintlich unpraktische Art der Damen in Geschäftsdingen? Selbst wenn die Damen wirklich so unpraktisch wären, wie mancher unpraktische Herr zu behaupten geruht, sind denn die Künstler so besonders praktische Geschäftsleute? Nein, meine Herren, in der Hinsicht habe ich keine Bedenken. Ich halte es für gut und nützlich, wenn wir die Damen in die Generalversammlung bekommen, [...] was ich fürchte, das ist die Altmänner-Vernünftigkeit; was ich fürchte, sind die Männer mit kleinen Aufhaben und den kleinen Gedanken, die Männer mit den kleinlichen Rücksichten und den kleinen Besorgnissen, diese Männer, die ihre ganze Denkweise und alle ihre Handlungen danach richten, gewisse kleine Vorteile zu erlangen für ihre eignen alleruntertänigsten kleinen Persönlichkeiten. Sollten diese Angelegenheiten des Vereins einmal in solche Hände kommen, dann wäre Gefahr im Verzug für sein Bestehen, jedenfalls für seine Prägung als ein Künstlerverein.“[7]
2.4) Der „alternative“ Schluss
Bei der Diskussion um „Nora“ spielte sowohl in formaler wie in inhaltlicher Hinsicht der „offene“ Schluss eine entscheidende Rolle. Auf ihn hatte Ibsen besonderen Wert gelegt, wie aus mehreren seiner Briefe hervorgeht. Am 21. März 1880 schreibt er an die „Neue Zeit“:
„Dass ihm [gemeint ist der Kritiker Schubert] der Schluss meines neuen Stückes nicht gefällt, finde ich sehr begreiflich, aber gerade dieses Schlusses wegen habe ich das ganze Stück gedichtet, und gerade der Schluss des Stückes hat hier wie anderswo ein so außerordentlich reges Interesse und eine so lebhafte Besprechung hervorgerufen.“[8]
Die formalen Einwände bezogen sich u.a. auf die Gattungsbezeichnung „Schauspiel“, die Ibsen als Untertitel für „Ein Puppenheim“ gewählt hatte. Gemäßder Regeldramaturgie im 19. Jahrhundert war das Schauspiel – zwischen Tragödie und Komödie angesiedelt – als Drama mit ernstem Inhalt definiert, das jedoch zu einer glücklichen Lösung geführt werden musste. Das Fehlen dieser „glücklichen Lösung“ bei „Nora“ wurde also untere dramaturgischen Gesichtspunkten bemängelt.
An mehr oder weniger ernst zu nehmenden Versuchen, durch einen hinzugefügten 4. Akt eine Lösung herbeizuzwingen, fehlte es nicht. Gravierender als die formalen Bedenken waren die inhaltlichen. Die Tatsache, dass Nora ihren Mann, vor allem die Kinder verlässt, um sich selbst zu verwirklichen, wurde als unzumutbar empfunden. So sperrten sich die Theater.
Die Schauspielerin Hedwig Niemann-Raabe, die die Rolle der Nora 1880 in Flensburg, Kiel, Hamburg, Dresden und Hannover verkörperte, bekannte für sich selbst, dass „sie ihre Kinder nie verlassen würde [...]“[9].
Ibsen war im Zugzwang, Aufgrund des damals geltenden Urheberrechtes, das ein Werk nur in seinem Ursprungsland schützte, hatte er keinen Einfluss auf die Übersetzungen oder Bearbeitungen seiner Stücke seitens der Theater. Um willkürlichen Eingriffen in „Nora“ vorzubeugen, entschloss er sich daher widerwillig, einen eignene Schluss anzubieten.
Der geänderte Schluss:
Nora Dass ein Zusammenleben zwischen uns eine Ehe werden könnte. Lebe wohl! Will gehen
Helmer Nun denn – gehe! Fasst sie am Arm: Aber erst sollst du deine Kinder zum letzten Male sehen!
Nora Lass mich los. Ich will sie nicht sehen! Ich kann es nicht!
Helmer zieht sie gegen die Türe links: Du sollst sie sehen! Öffnet die Tür und sagt leise: Siehst du; dort schlafen sie so sorglos und ruhig. Morgen, wenn sie erwachen und rufen nach ihrer Mutter, dann sind sie – mutterlos.
Nora bebend: Mutterlos-!
Helmer Wie du es gewesen bist.
Nora kämpft innerlich, lässt die Reisetasche fallen und sagt: Oh, ich versündige mich gegen mich selbst, aber ich kann sie nicht verlassen. Sinkt halb nieder vor die Türe.
Helmer freudig, aber leise: Nora!
Der Vorhang fällt.
In den ersten Jahren wurde diese Fassung wiederholt aufgegriffen. Beim Gastspiel der erwähnten Hedwig Niemann-Raabe im Berliner Residenztheater bot man vom 21. November 1880 an dem Publikum gar von Vorstellung zu Vorstellung alternierend die verschiedenen Schlüsse.
Als Scheidungs- und Emanzipationsproblematik in der Folgezeit stärker in das öffentliche Bewusstsein rückten, setzte sich Ibsens ursprüngliche Konzeption endgültig durch.
2.5) Wohin geht Nora?
Die Frage, was aus Nora wird und ob ihre Ehre vielleicht doch noch zu retten sei, das „Wunderbare“ also eintreten könnte, beschäftigte die Gemüter seit Erscheinen des Stückes. Ibsen selbst äußert sich trotz gegenteiliger Gerüchte über ein Fortsetzungsvorhaben gegenüber dem Schriftsteller John Paulsen recht indifferent: „Sie kann vielleicht zu ihrem Mann zurückkehren – aber sie kann auch eine Herumvagabundierende Dame von Zirkus werden.“[10]
Etliche Autoren versuchten durch einen selbst verfassten Akt, mit dem sie letztlich nur das Ziel verfolgten, Nora wieder in de Schoßder Familie zurückzuführen, die Harmonie der von Ibsen in Frage gestellten Familienidylle festzuschreiben. Die Frage „Wohin geht Nora?“ blieb letztlich bei den Zeitgenossen unbeantwortet. Nur in einer englischen Bearbeitung hatte Helmer, Noras Mann, den Mut, sich zu seiner menschlichen Schuld zu bekennen[11]. In Moskau(1922) unter dem Regisseur Meyerhold ging Nora, nahm aber ihre Kinder mit.
Erst im Zuge der politischen Protest- und Emanzipationsbewegung der 70er Jahre wird die Frage zum hundertsten „Geburtstag“ von „Nora“ wieder aufgegriffen. Bezeichnenderweise nahmen sich zwei Frauen des Themas an. Elfriede Jelinek lässt ihr Stück „Was geschah nachdem Nora ihren Mann verlassen hat oder Stützen der Gesellschaft“[12] mit Ausblicken in die Zukunft in den zwanziger Jahren spielen. In 18 Szenen durchlebt Nora, von Wünschen und Konsum getrieben, Stationen als Fabrikarbeiterin, weibliches Lustobjekt, als Spielball wirtschaftlicher Interessen und als „Sadomasochistin“, ehe sie schließlich zu dem gedemütigten Helmer zurückkehrt.
Der Anfang:
„Nora: Ich bin keine Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, sondern eine, die selbsttätig verließ, was seltener ist.. Ich bin Nora aus dem gleichnamigen Stück von Ibsen. Im Augenblick flüchte ich aus einer verwirrten Gemütslage in einen Beruf.
Personalchef: An meiner Position können Sie studieren, dass ein Beruf keine Flucht, sondern eine Lebensaufgabe ist.
Nora: Ich habe die Pflege und Aufzucht Alter, Schwacher, Debiler, Kranker sowieso Kinder eingeübt.
Personalchef: Wir haben hier aber keine Alten, Schwachen, Debilen, Kranken oder Kinder. Wir verfügen über Maschinen. Vor einer Maschine muss der Mensch zu einem Nichts werden, erst dann kann er wieder zu einem Etwas werden. [...] Haben Sie Zeugnisse?
Nora: Nein. Mein Gatte wünschte mich häuslich und abgeschlossen, weil die Frau nie nach den Seiten schauen soll, sondern meistens in sich hinein oder zum Mann auf.
Personalchef: Es war kein legaler Vorgesetzter, was ich zum Beispiel bin. [...]“
Das Ende:
„ Bei Helmers im Esszimmer. Helmer sitzt beim Abendessen und liest Zeitung, Idyll. Er lässt sich von Nora bedienen.
Helmer: nimmt einen Schluck aus der Teetasse. Das sind schon wieder nur drei Stück Zucker statt vier Stück Zucker drinnen! Kannst du nicht Acht geben?
Nora: Du kannst nichts als meckern. Gestern Nacht erst ließest du mich erneut teilweise unbefriedigt.
Helmer: Ich las neulich, dass nur die Bürgerlichen Orgasmusschwierigkeiten haben, und dass das Proletariat sie nicht kenne.
Nora: Zum Glück bin ich bürgerlich und nicht proletarisch.
Helmer: Dieser Liebhaber, der dich sitzen ließ, war wohl besser als ich, wie?
Nora: Er ließmich nicht sitzen, wie oft soll ich dir das noch sagen! Das ständige Leben im Schatten des Kapitals drückte mich zu stark nieder und ich verlor meinen ganzen Frohsinn, den du doch so an mir liebst. Daher verließich das Kapital. Und was ist übrigens mit deinem Direktorenposten?
Helmer: Nora, du demütigst einen Mann.
Nora: Du bist ein Nichts im Vergleich zu dem, was ich hätte haben können!
Helmer: Für mich zählt nur, dass du es nicht hast.
Nora: Durch den Verzicht bewies ich jene Charakterstärke, die ich mir erwerben wollte, als ich einst von dir fortging. [...]“[13]
Eine andere provokative Variante zur Frage „Wohin geht Nora?“ lieferte, ebenfalls 1979, Esther Vilar mit ihrem Stück „Helmer im Puppenheim. Variation über ein Thema von Ibsen.“ Die Autorin, durch ihr bei Feministinnen verpöntes Buch „Der dressierte Mann“ bekannt geworden, lässt den verlassenen Helmer allein auf der Bühne, über sich, seine Zukunft und sein Verhältnis zu Nora monologisch reflektierend.
Seine Erkenntnis:
„Wissen Sie, wozu Sie ihre kleine Nora erzogen haben? ... Zu einem Zuhälter! ... Einen dreckigen kleinen Zuhälter haben Sie aus Ihrem unschuldigen Kind gemacht! ... Jemand der sich spätestens mit 18 auf die Suche macht nach einem, der blöd genug ist, jeden Morgen mit einem kleinen Köfferchen in der Hand für ihn anschaffen zu gehen und am Monatsende auf Heller und Pfennig bei ihm abrechnet! ... Und das war ich! ... Sie und Ihresgleichen, ihr habt die Welt in ein Bordell verwandelt! ... Ein riesiges Männerbordell habt ihr aus der so genannten Erde gemacht! ... Einen Ort, in dem heutzutage jeder, der als richtiger Mann gelten will, seinen Körper und seinen Geist, seine Kraft und seine Gesinnung meistbietend zu verhökern hat ... Und das nicht nur ein paar Stunden am Tag, nur ein paar Jahre ... Ein Leben lang! ...
(Lacht):
Und wissen Sie, was ich am stärksten finde?! ... Dass diese armseligen Idioten es nicht einmal merken! ... Dass sie sich einbilden, dass sie es sind, die euch ausnehmen, weil sie arbeiten dürfen und ihr zu Hause bleiben müsst! ... Weil sie Geld verdienen dürfen und ihr konsumieren müsst! ... Denn ihr habt ja auch die Sprache verändert, nicht wahr? ... Die so genannte Muttersprache ... Mit der macht ihr doch, was ihr wollt! ... Das Bordell heißt nicht Bordell ... Oh nein: Ihr nennt es Firma, Kanzlei, Behörde ... Der Zuhälter heißt nicht Zuhälter ... Es ist die heilige Ehefrau, die treue Lebensgefährtin, die Geliebte ... Und der Kunde ... der, der einem am Monatsende für die Liebesdienste den vertraglich vereinbarten Lohn aufs Girokonto überweist ... der nennt sich Vorgesetzter, Chef, Aufsichtsrat, Klient ... Und niemals würdet ihr den Fehler begehen, einen Mann, der sich verkauft, als dreckige Hure zu bezeichnen ... Im Gegenteil: Am meisten geachtet ist bei euch immer noch der, dem seine Hurerei am meisten einbringt ... Der Herr Doktor! Der Herr Ingenieur! Der Herr Rechtsanwalt! Der Herr Direktor! ... Wer nicht für euch auf den Strich geht, den nennt ihr einen Arbeitsscheuen, einen Versager! [...][14]
Auch der dänische Autor Ernst Bruun Olsen, bekannt als Texter des Erfolgsmusicals „Teenagerlove“, versuchte sich an einer Fortsetzung von „Nora“, die 1970 in Rostock zur deutschen Erstaufführung gelangte. Er versteht Noras weiteren Weg als Prozess der Selbstverwirklichung auf politischem wie erotischem Gebiet. Sein Fabel:
„[...] An dem Weihnachtsabend, an dem Nora ihr Heim verlässt, trifft sie im Hafenviertel der Stadt auf einen verwunderten Arbeiter, der durch die Polizei niedergeknüppelt wurde. In seinen Kameraden, revolutionären Arbeitern, findet sie verständnisvolle, hilfsbereite Menschen, die ihr nicht nur Obdach in der Mietskaserne verschaffen, in der sie leben, sondern die sie auch mit ihren revolutionären Ideen der Arbeiterklasse vertaut machen. Voll Abscheu lernt sie die Praktiken ihre Mannes, seiner Helfershelfer und der bürgerlichen Klasse durchschauen; sie wird Fabrikarbeiterin, erfährt am eigenen Leib Unterdrückung und Not der ausgebeuteten Klassen und wird die Lebensgefährtin des jungen Revolutionärs Borge. Als die Polizei in die Mietskaserne dringt, um die Verfasser von revolutionären Flugblättern zu verhaften, Helmer sich dieser Aktion anschließt, um seine Frau durch Erpressung zur Rückkehr in sein Heim zu veranlassen, schlägt Nora ihm ein Schnippchen, nimmt ihm dir gut gefüllte Geldbörse ab und verschwindet durch einen unterirdischen Fluchtweg mit ihrem Kampfgefährten. [...]“[15]
Marlis Gerhardt setzt sich polemisch mit den Aktualisierungsversuchen von Ibsens „Nora“ auf der Bühne auseinander und bezieht sie auf die reale Situation der Frau in den siebziger Jahren:
„[...] Was wäre, wenn Nora heute ebenso abrupt und mit denselben ‚egoistischen’ Argumenten ihr Vierzimmerzweikinderpuppenheim verließe? Sie hätte nicht nur die Stützen der Gesellschaft gegen sich, sondern auch die Mehrzahl jeder ‚progressiven’ Eheberater, Kindertherapeuten, Psychologen und pädagogischen Entschuler der Schule, die, bemüht um den Rückzug aus Institutionen und zurück zur Familie, Nora wieder ins neuromantisch verklärte Heim zu therapieren versuchten. Man würde über ihren ‚Narzissmus’ und über ihre makronensüchtige ‚Infantilität’ beratend ‚aufklären’, sie dazu bringen, ihren Ehemann ‚zu verstehen’ und ‚die Krise’ gemeinsam mit ihm ‚zu bewältigen’. Auch Helmer selbst würde Noras Flucht erschweren, denn er ist längst nicht mehr der naive Pasche, der im Namen irgendeines ‚anatomischen Imperativs’[16] die Ehefrau als Kind und Besitz betrachtet. Inzwischen nämlich ist er psychologisch ‚aufgeklärt’, für die gemeinsamen Probleme ‚sensibilisiert’ und durchaus zur psychischen Erpressung des eigenen Versagens fähig. Verlässt Nora trotzdem ihren sich hilflos aufspielenden patriarchalischen Säugling, wird sie wahrscheinlich mit gesteigerten Schuldgefühlen zu rechnen haben, da sie, vom Ehemann aus der Kinderrolle entlassen, je nachdem als verantwortungsbewusste ‚Partnerin’, als ‚Genossin’ oder als therapeutisch stützende ‚Mammi’ versagt zu haben glaubt. [...]“[17]
Arbeitsanregungen, die ich noch bearbeitet habe, die aber nicht im Bezug zu dieser Hausaufgabe einzufügen sind:
Zum Titel:
1) Erörterung des Symbolgehalts des Titels und Belegung am Text.
2) Argumente für die verschiedenen Titel des Stückes
Zum Urbild Noras:
3) Diskussion darüber, inwieweit solche Hintergrundinformationen Einblick in das Verhalten von Literatur und Wirklichkeit geben
Zu Ibsens Aufzeichnungen zur Gegenwartstragödie:
4) Ibsens Grundgedanke zum Verhältnis von Mann und Frau herausstellen und in Beziehung zu den Konflikten im Schauspiel setzen
Zu Ibsens Frauenbild:
5) Die Charakteristika, die Ibsen dem Wesen Frau zuschreibt
Zum „alternativen“ Schluss:
6) Vergleich der beiden Fassungen hinsichtlich ihrer Konsequenz, was die Figurenzeichnung angeht.
Zu „Wohin geht Nora?“
7) Beschreibung von Jelineks Bild von Noras Situation in der modernen Arbeitswelt.
[...]
[1] Übernommen aus der Version „Nora oder Ein Puppenheim“ vom Cornelsen-Verlag ISBN 3-464-12110-0
[2] Zitat aus dem Dialog zwischen Frau Linde, Nora und Dr. Rank (Reclam-Fassung nicht zur Hand, daher keine Zeilenangabe möglich!)
[3] Aus: Ausgabe Gundlach, S. 111
[4] In: Wilhelm Friese: Ibsen auf der deutschen Bühne, Tübingen 1976, S.76
[5] vgl. Emil Reich: Henrik Ibsens Dramen. Dresden 1894, S.211)
[6] vgl. Georg Brandes: Samlede Skrifter III, S.341 Ausgabe Gundlach
[7] Ausgabe Gundlach, S.236 ff.
[8] Ausgabe Gundlach, S.288
[9] Literarisches Echo 2, 1899/1900 Sp. 969
[10] Ausgabe Gundlach, S.301
[11] vgl. Michael Meyer: Henrik Ibsen, S.530
[12] entstanden 1977, uraufgeführt 1979 in Graz
[13] Aus: Jalinek, S.7, S.60
[14] Zitat nach Bänsch, S.82f.
[15] Aus: Pietzsch, S.30
[16] „anatomischer Imperativ“: Anspielung auf die Vorherrschaft des männlichen Geschlechtsorgans
[17] Aus: Gerhardt, S. 77f.
- Arbeit zitieren
- Susanne Preis (Autor:in), 2003, Lesetagebuch "Nora oder ein Puppenheim" - Henrik Ibsen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108415
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