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Die Figurenkonzeption in J.M.R.Lenz "Der Hofmeister"

Title: Die Figurenkonzeption in J.M.R.Lenz "Der Hofmeister"

Seminar Paper , 1998 , 20 Pages

Autor:in: Hinrich Katsumian (Author)

German Studies - Modern German Literature
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Was wäre, wenn die Helden des Sturm und Drang nicht die strahlenden Figuren wären, die wir zu kennen glauben? Jakob Michael Reinhold Lenz' "Der Hofmeister oder die Vortheile der Privaterziehung" dekonstruiert auf beunruhigende Weise das idealisierte Menschenbild seiner Zeit und entführt uns in eine Welt, in der Arroganz, Machtmissbrauch und bürgerliche Hybris an der Tagesordnung sind. Diese messerscharfe Analyse der Ständegesellschaft seziert die Figuren bis ins kleinste Detail, entlarvt ihre Schwächen und Widersprüche und präsentiert ein verstörend realistisches Spiegelbild des 18. Jahrhunderts. Anders als in heroischen Dramen sucht man hier vergebens nach strahlenden Helden; stattdessen begegnen wir einer Galerie von Antihelden, deren Handlungen von Eitelkeit, Ignoranz und dem unerbittlichen Kampf um soziale Anerkennung getrieben sind. Der "Hofmeister" ist keine bloße Komödie, sondern eine bitterböse Abrechnung mit den vermeintlichen Idealen der Aufklärung und ein erschütternder Beweis für die Unvereinbarkeit von Anspruch und Wirklichkeit. Dabei legt Lenz den Finger schonungslos auf die Wunden der Gesellschaft, indem er die Mechanismen der Machtentfaltung und die subtilen Formen der Demütigung offenlegt. Die Frage, die sich dem Leser unweigerlich aufdrängt, ist: Inwieweit sind wir selbst Teil dieses grotesken Spiels? Entdecken Sie ein Meisterwerk des Sturm und Drang, das keine einfachen Antworten liefert, sondern vielmehr zum kritischen Hinterfragen der eigenen Überzeugungen anregt. Tauchen Sie ein in die Welt von Läuffer, dem gepeinigten Hofmeister, der Majorin, der herrschsüchtigen Aristokratin, und Wenzeslaus, dem asketischen Schulmeister, und erleben Sie ein Theaterstück, das nichts beschönigt und die Abgründe der menschlichen Natur offenbart. "Der Hofmeister" ist eine unerbittliche Studie über die Unvollkommenheit des Menschen und die fragwürdigen Fundamente der Gesellschaft, die auch heute noch erschreckend aktuell ist. Ein Schlüsselwerk für alle, die sich für Literaturgeschichte, Gesellschaftskritik und die dunklen Seiten der menschlichen Natur interessieren. Lassen Sie sich von Lenz' unvergleichlicher Beobachtungsgabe und seinem ätzenden Humor fesseln und entdecken Sie ein Meisterwerk, das lange nach dem Lesen nachwirkt. Die Figurenkonstellation des Dramas spiegelt auf komplexe Weise die politischen und gesellschaftlichen Spannungen ihrer Zeit wider.

Excerpt


Inhaltsverzeichnis

01. Einleitung

02. Ziele des Sturm und Drangs

03. Das Menschenbild des Sturm und Drang - die Helden im Drama

04. Exkurs: Die Helden bei Lenz

05. Exkurs: Machtdemonstrationen

06. Die Figuren

07. Läuffer

08. Der Adel

09. Wenzeslaus

10. Schluss

01. Einleitung

Mit dieser Hausarbeit will ich die Figuren im Drama "Der Hofmeister oder die Vortheile der Privaterziehung" von Jakob Michael Reinhold Lenz analysieren.

Die Figuren die Lenz in seinem ersten großen Drama gestaltet sind paradigma­tisch für seine weiteren Stücke. Sie sind in der Bewegung des Sturm und Drangs einmalig und werden erst sehr viel später von der Literatur entdeckt. Um die Originalität der Personen im ”Hofmeister” zu unterstreichen, umreiße ich kurz die Intensionen der Aufklärer und das Menschenbild des Sturm und Drang.

Meiner Ansicht nach hat Lenz peinlich genau darauf geachtet, daß ihm keine der Figuren zu positiv und vollkommen gerät. Es gibt im ”Hofmeister” einen Mecha­nismus, welcher die Charaktere blamiert und bloßstellt. Ich möchte diese dramaturgische Konstruktion genauer betrachten. Lenz versucht nicht einen Helden auf die Bühne zu bringen, mit dem sich der Zuschauer identifizieren kann. Er vermeidet jede Illusion und erschafft stattdessen ein Szenario nah an der Wirklichkeit, die ihrerseits nicht frei von Idealhandlungen ist. Die von Lenz entwickelten Charaktere sind für den Sturm und Drang untypisch, obwohl er einer der führenden Köpfe der Bewegung war. Der Sturm und Drang schuf und propagierte den Kraftmenschen, doch in Lenz´ Stücken fehlt er. Die Macht­strukturen innerhalb der Gesellschaft spielen dabei eine besondere Rolle. Denn sie liefern die Begründung für die oft absurden Handlungen der Figuren. Im zweiten Teil der Arbeit will ich auf das Phänomen der Demontage des Figuren eingehen. Lenz entwickelt ein subtiles System zur Desavouierung der Protago­nisten, um selbst den Bühnenexistenzen nicht zu viel Macht zu verleihen. Der Grund dafür ist meines Erachtens darin zu sehen, daß Lenz die Hybris der Menschen generell brechen wollte, d.h. die Arroganz des Adels und der über­lebte Vernunftdogmatismus der Bürger. Aufgrund dieser Antagonismen schien es notwendig einen neuen gesellschaftlichen Kompromiß auszuhandeln Die Verständigung über einen solchen Kompromiß wurde aber verhindert durch ignorante Despoten. Diese saßen in beiden Parteien; im Adel und im Bürger­tum.

02. Ziele des Sturm und Drangs

Die literarische Bewegung des Sturm und Drang war Teil der Aufklärung. Die sich formierenden Gruppen junger Autoren, waren ein deutlicher Aufbruch der neuen Generation, gegenüber etablierten aufklärerischen Autoren wie Gellert, Gottsched und Wieland. Doch das Schreiben und Handeln der Sturm und Drang Autoren basierte vollends auf dem Denken der Aufklärung. Die politi­schen Ziele der Aufklärer wurden vollständig beibehalten, aber in radikalisierter Form unmittelbar eingefordert. Die Sturm und Drang Autoren waren in keiner Weise revolutionär. Sie wollten das monarchische System nicht abschaffen, sondern modifizieren. Im absolutistischen Deutschland des 18. Jahrhunderts, eines im westeuropäischen Vergleich nicht nur kulturell rückständigen Landes, waren die aufklärerischen Gedanken sowohl in der bürgerlichen als auch in der adligen Oberschicht weit verbreitet, jedoch ohne das dieser Einfluß vom Lande­sherren nennenswert reflektiert wurde. 1730 erschien Gottscheds "Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen", 1741 bzw. 1744 die zweibändige Übersetzung des "Dictionnaire historique et critique" von Pierre Bayle, wiederum durch Gottsched. Ab 1751 begannen d´Alembert und Diderot die französiche Encyclopädie herauszugeben.

Man kann also davon ausgehen, daß die aufklärerischen Ideen spätestens mit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fest im Diskurs des deutschen Geistes­lebens verankert waren. Die ehemals umstürzlerischen Thesen des Bürgertums waren längst Tatsachen, d.h. etablierte Theorien, die empirisch belegt werden konnten. Der Mythos einer von Gott gesetzten Ständehierachie war unter einer derartigen Argumentationsmasse, wie sie die Encyclopädie darstellte, nicht auf­recht zu erhalten. Die Gesellschaft hatte längst begonnen, sich von der mittel­alterlichen Stände- und Prestigegesellschaft zu einer Kapitalgesellschaft zu entwickeln.

Hinzu kamen die bedeutenden kulturellen Leistung und der generelle Auf­schwung des Geisteslebens gerade der zweiten Jahrhunderthälfte. Das finanzielle Potential begann zum entscheidenden Maßstab der sozialen Stellung zu werden, während die unantastbare Aura des Adelstitels allmählich verblasste. Ein sozialer Aufstieg war zumindest für das Bürgertum möglich, d.h. es konnte sich überhaupt ein Großbürgertum entwickeln und so ein Gegenpol zum Adel entstehen. Friedrich Wilhelm I., der 1713 den preußischen Thron übernahm, war ein entschiedener Protegé des Manufakturwesens, also Förde­rer der frühkapitalistischen Produktionsweise.[1] Das Bürgertum wurde zur zwei­ten kapitalbesitzenden Klasse. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts existierte eine kleine, relativ selbstständige bürgerliche Oberschicht, die weitgehend unabhängig vom Adel ihr Leben gestaltete, sofern sie nicht an einer Assimila­tion in den Adel interessiert war. Trotz dieser Entwicklung gelang es jedoch dem etablierten Bürgertum nicht, in ernst zu nehmenden Maße Einfluß auf die Politik zu nehmen. Der affirmative Charakter der Aufklärung verhinderte ihre politische Durchsetzung. Das Vernunftdiktat unterband jede Form von Radika­lität. Vernunft bedeutete in diesem Fall, grundsätzlich die Hegemonie des Adels anzuerkennen, ihn zu Zugeständnissen überreden und die offene Konfrontation zu vermeiden. Rechte vom Landesherren abbitten führte zu keinem Erfolg, da alle Argumente nur ideeller Natur sein konnten. "Es kennzeichnet die `affirmative Kultur´ des Bürgertums, daß sie nur eine edlere, keine bessere Welt entwirft."[2] Veredeln ist die kleinere Einheit des Fortschritts. Die Veredelung der Realität lief auf eine Stagnation hinaus.

Dem Adel wurden keine Zugeständnisse abgetrotzt, etwa vergleichbar dem englischen Bill of Rights. Die Stagnation und Ineffizienz der Aufklärung war um 1770 unübersehbar und führte zu einer Verschärfung der politischen Spannun­gen. Gemessen am langen Zeitraum der Präsenz der aufklärerischen Theorien im Diskurs des geistigen Lebens, hatten die Aufklärer nahezu keine ihrer Ziele erreicht. Die verbalen Mittel hatten sich als wirkungslos erwiesen. Der pietisti­sche Vernunftdogmatismus, der schmerzfreie Weg zur Liberalisierung blieb fol­genlos. Eine Liberalisierung der sozialen Verhältnisse hatte im Verhältnis zu Westeuropa und zum "Alter" der Idee zu wenig stattgefunden. "Im 18. Jahrhundert kommt zum ersten Male der Augenblick, wo die aufgeklärte Menschheit an sich selber irre wird."[3] Es bestand eine unüberbrückbare Di­stanz zwischen aufklärerischer Theorie und der Realität. Dazu waren keine Anzeichen eines absehbaren Politikwechsels in Sicht. Korff sieht hier den erup­tiven Ausdruck eines bereits vorhandenen, tiefer wurzelnden Kulturpessimis­mus, aus dem heraus es zum Phänomen Sturm und Drang kommt. Dem entge­gen wirkten die Sturm und Dränger indem sie die Position des einzelnen Men­schen neu bestimmten. Man kann hier einen Wendepunkt des Interesses se­hen; von den gesellschafts-reformistischen Ansätzen der Aufklärer zum Indivi­duum. Offensichtlich führte die Rationalisierung der Welt, die Massendisziplinie­rung, nicht zu einer Verbesserung der Welt. Die jungen Autoren distanzierten sich deutlich vom leidenschaftslosen Vernunftdenken und waren bemüht, der Subjektivität und Emotionalität mehr Raum zu schaffen. Die Gesellschaft sollte sich im besten Fall aus frei entfalteten Individuen zusammensetzen, deren Zu­sammenhalt ein gefühlsmäßiger, und nicht primär ein rationaler ist. Nach R. Pascal ist das die "Sehnsucht des Sturm und Drang nach organischen, ge­fühlsbedingten gesellschaftlichen Bindungen"[4].

Der Sturm und Drang ging nicht von der restlosen Erkenntnis der Welt aus. "Die Welt erschien der Aufklärung als etwas Verständliches, Erklärbares und zu Er­klärendes, dem Sturm und Drang hingegen als etwas grundsätzlich Unbegreif­liches, Geheimnisvolles und, vom Standpunkt der menschlichen Vernunft, Sinnloses."[5] Es ist erkennbar, daß der freie Umgang der Aufklärer mit der Welt und den Handlungs- und Erkenntnismöglichkeiten darin, sich nicht vollständig auf den Sturm und Drang übertrug. Den festen Glauben in die Zukunft, wie er in der Aufklärung auftrat, betrachteten die jungen Autoren mit Skepsis. Man kann darin ein Symptom des von Korff diagnostizierten Kulturpessimismus sehen.

Das erste Ziel der Aufklärung war die Emanzipation des Bürgertums ge­genüber dem Adel. Das Bürgertum beanspruchte einen Platz im poli­tischen und kultu­rellen Leben. Während die Aufklärer mit mora­li­schen Appellen auf die Landes­herren Einfluß zu nehmen suchten, gaben sich die Sturm und Dränger zumin­dest einen revolutionären Schein. Immerhin bedeutete das eine erhebliche Grenzverschiebung. Sie be­wirkten eine Radikalisierung der politischen Rheto­rik. Aber das Bürgertum war zu schwach, um diesen Impuls aufzunehmen und einen gemeinsamen politischen Willen daraus zu formulieren. Denn es gab keine ein­heitliche politische Aussage der Sturm und Drang Autoren. Ihre ver­schiedenen Kreise waren poetische Vereinigungen, weniger politi­sche Interes­sengruppen. Es gab politische Intentionen der Au­toren, doch die Sturm und Dränger entwickelten vornehmlich ein neues, ideales Menschenbild, keine Staatstheorien und Gesellschafts­konzepte. Lenz faßt es so zusammen: "Solange wir selbst nicht Gold sind, nützten uns die goldenen Zeiten zu nichts, und wenn wir das sind, können wir uns auch mit ehernen und bleiernen Zeiten aussöhnen."[6]

Im Zentrum des Interesses stand der Mensch. Der edlere, freie Mensch, der sich folglich bessere Verhältnisse schafft. Dabei gestal­teten sie dramatische Figuren die aufgrund ihres Individualitäts­anspruchs mit der Realität in Konflikt geraten. Überlegungen, welche die absolutistische Machtausübung der Landesherren entfernt in Frage stellten, konnten nur anonym in der Literatur artikuliert werden. Die reale, tatsächliche Handlungsbereitschaft hin zu Reformen fand in der Ge­genwart keinen Niederschlag und wurde besonders in der Literatur sichtbar, aber sie versickerte dort auch. Man war nicht bereit die Grenzen des öffentli­chen Rechts für politischen Forderungen zu überschreiten.

Es gab keine Öffentlichkeit, die für Fragen der politischen Erneuerung sensibili­siert war. Die Sturm und Dränger sprachen für eine verschwindend geringe Minderheit und konnten sich keineswegs auf Rückhalt in der Bevölkerung be­rufen. Eine breite politische Willensbildung hatte nicht stattgefunden, denn die Ungleichzeitigkeit der einzelnen Fürstentümer verhinderte eine gemeinsame Meinungsbildung. Daher resultierte ein Mangel an Adressierbarkeit. Die weni­gen poli­tisch Interessierten bzw. Aktiven hatten ihre regionalen Szenerien, die jeweils eigene Lösungen verlangten. Eine einheitliche Politisie­rung, somit die Frage nach der deutschen Nation, war dadurch verhindert.

03. Das Menschenbild des Sturm und Drang - die Helden im Drama

Das Drama des Sturm und Drang ist besonders für ausufernde Prota­gonisten berühmt. Ohne Zweifel entstanden diese exemplarischen Helden zur Kompen­sation von Defiziten der Realität, welche durch persönliche Unfreiheit gekenn­zeichnet war. Der Kraftmensch ist eine nach eigenem Willen handelnde Person, oftmals gegen die bestehende Ordnung, welche die Konsequenzen für ihr Handeln in Kauf nimmt. "[T]he Kraftmensch expresses an impulsive individuality that appears to need no authority beyond itself."[7] Die typischen Merkmale des Kraftmenschen sind der wilde oder starre Blick, sowie sein getriebenes, gewal­tiges Wesen. Seine Sprache entspricht seiner Erscheinung. Es häufen sich In­terjektionen, Aposiopesen, Ellipsen, d.h. Stilmittel der Erregung. Der Kraft­mensch lebt im Defizit und kann sich nur in den seltensten Fällen ganz verwirk­lichen. Seiner gewonnenen Freiheit steht eine gesellschaftliche Ächtung ge­genüber. Freiheit schien sich nur in Armut einzustellen. Die Freiheit des Schul­meisters Wenzeslaus hat ihren Grund im Desinteresse des Fürsten. Für Wen­zeslaus bedeutete das ein Leben in ärmlichen Verhältnissen. Teilweise war von den Autoren mit dem Kraftmenschen eine Vorbildwirkung beabsichtigt, um die Be­völkerung zu mehr Courage gegenüber dem Adel zu ermutigen. Götz von Berlichingen war der Erste einer Reihe von Kraftmenschen, Selbsthelfern, gro­ßen Kerls, Kraftgenies usf., die zum Symbol für den Sturm und Drang wurden. Der Kraftmensch ist eine Allegorie des tätigen Individuums nach dem Ideal des antiken Prometheus. Für die damaligen Verhältnisse ist der frei entscheidende und handelnde bürgerliche Mensch jedoch bloße Idee und vollkommen Unreal. Ein Zugeständnis an die Realität ist der Umstand, daß ein Großteil der Kraft­menschen Adlige sind. Hier handelt es sich um `verbürgerlichte´ Adlige, die ihre Herkunft quasi verleugnen. Diese Konstellation scheint notwendig, damit den Zeitgenossen das Stück überhaupt glaubwürdig erscheinen konnte. Kraftmen­schen treten dort auf, wo eine gewisse Distanz zur gegen­wärtigen Realität be­steht. Die Dramen sind entweder zeitlich oder geographisch entfernt zur Ge­genwart angelegt. Dramen, die unmittel­bar in der Gegenwart spielen, lassen einen solchen Menschen vermissen.[8]

Lenz, der durchaus unexemplarisch für den Sturm und Drang in puncto Figu­rengestaltung ist, hat in seinen großen Dramen keinen Kraftmenschen ge­schaffen. Er schrieb realistische Zeitstücke, in denen der Entwurf einer derarti­gen Person nicht durchzuhalten war. Schiller verlegte noch 1782, zur Urauffüh­rung der "Räuber", die Hand­lung ins 16. Jahrhundert um einen Eklat zu vermei­den. Der Kraftmensch war ein Experiment und der Versuch auf der Bühne zu Lösungen zu kommen, die für die Wirklichkeit beispielhaft und ge­staltend wir­ken sollten. Insofern hatte der Kraftmensch die Funktion, den vom Sturm und Drang gewünschten Menschen zu antizipieren.

Für Alan C. Leidner "the typical protagonist of Sturm und Drang is driven not by `the truest motives´ to `the best and noblest ends´, but by ambition and revenge to acts of violence."[9] Leidner weist damit auf die private Ausrichtung des Sturm und Drang. Die Kompromiß­losigkeit und Anstrengung zur Verbesserung der Lage erschöpft sich im Rahmen eines privaten Horizontes. Wo die Aufklärer im Zuge der Vernunft Wirkungen für die ganze Gesellschaft im Blick hatten, kon­zentrierten sich die jungen Autoren auf eine "Selbsthelferlösung". Ihre Lösun­gen waren singuläre Ereignisse, die fast keine Allgemeingültigkeit bzw. allge­meine Anwendbarkeit besaßen. Ziel der Sturm und Dränger war die bürgerliche Familie, innerhalb derer sich fortschrittliche und liberale Positionen durchsetzen sollten. Aus der Freiheit des Einzel­nen sollte sich die Freiheit der Gesellschaft ergeben. Die Kraftperso­nen waren dabei meist für eine ganze Menschen­gruppe zuständig.[10] Trotzdem war in keiner Weise denkbar, daß je der Status der Minorität verlassen wurde. Während die Stücke der Aufklärung an die ad­lige Oberschicht adressiert waren, damit deren Umdenken Folgen auf die Politik habe, richtete sich der Sturm und Drang direkt an das Bürgertum. Es bleiben dennoch Theaterlösungen, zum Teil unter­stützt durch den deus ex machina,[11] die wenig mit der Wirklichkeit gemein haben. Lenz bildet hier eine Ausnahme. Er betreibt einen beträchtlichen Aufwand, um nicht zu einer Selbsthelferlösung zu gelangen. Zwar gelingt ihm das nicht vollständig, Lenz konstruiert ebenso Ein­zellösungen, aber versäumt es nicht, einen konkreten Verbesse­rungsvor­schlag einzuflechten. K.R.Scherpe nennt das den "sozialpragmatischen Impetus", der sich im "Hofmeister", den "Soldaten", im "Neuen Menoza" und selbst im "Landprediger" wiederfinden läßt.[12] Der sozialpragmatische Impetus ist meiner Ansicht nach Lenz´ Bemühung mit seinen Dramen auf die Gegenwart Einfluß zu nehmen. Das Ziel hieß, den Dialog zwischen den Ständen zu initiie­ren. Es ist in jedem Fall ein Versuch der Einflußnahme. Das es Lenz mit seinen Reformvorschlägen ernst gewesen ist, bestätigt der Umstand, daß dieses Phä­nomen mehrfach auftritt. Lenz greift damit voraus auf die "sozialrevolutionären" Ansprüche und Themen der Mainzer Republikaner, Büchners und des jungen Deutschlands.

A.C.Leidner verweist weiterhin darauf, daß die Sturm und Drang Prota­gonisten explizit nicht vom Vernunftdenken geleitet wurden. Der neue Mensch sollte we­niger von der Vernunft als von Emotion und subjektivem Empfinden geführt werden. Vereinfacht bringt Korff es auf den Punkt: Aufklärung = Vernunftwesen, Sturm und Drang = Triebwesen.[13] Die sture Logik der Vernunft, das kühle Wä­gen des Möglichen, das die Aufklärer ihrem Handeln zu Grunde legten, be­trachtete der Sturm und Drang als Beschneidung elementarster menschlicher Eigenschaften. Bürgerlicher Stolz und persönliche Ehre wurden zu emotional stark aufgeladenen Begriffen, die selbst mit Gewalt verteidigt wurden. Das öko­nomisch gefestigte Bürgertum der Städte entwickelte ein starkes Selbstbewußt­sein und reklamierte ein Mindestmaß an persönlichen Rechten und Freiheiten. Das Menschliche, das für die Sturm und Drang Autoren eine zentrale Kategorie war, ist ein schwer faßbarer Be­griff zwischen individueller Freiheit, nach Willen und Fähigkeiten zu leben, sowie äußerer Handlungsfreiheit. Es ist auch das Unnütze, Melancholische und schließt Fehlerproduktion und Scheitern mit ein. Mit dem Sturm und Drang setzt eine Art Paradigmenwechsel ein, der dem ein­zelnen Menschen mehr charakteristische Eigenheiten zugesteht, was im weite­ren auf den Entelechiegedanken der Klassik verweist. Man muß es zumindest als Antagonismus zum aufklärerischen Leistungsgedanken betrachten.

Die idealistischen Vorstellungen vom Menschen liefen im antiken Prometheus­bild zusammen. Prometheus ist die göttliche Entsprechung des Kraftmenschen. Er dient als unausgesprochene Legitimationsfigur für eine Reihe von Dramen­helden. Dennoch bleiben der Großteil von ihnen Selbsthelfer die persönliche Konflikte lösen und nicht für Forderungen einer Masse von Menschen streiten. Prometheus signalisiert die Revolution. Doch das revolutionäre Potenzial des Prometheusmythos lag den Sturm und Drängern fern. Der kommende Mensch sollte wie er die Welt selbst gestalten und verbessern, aber ohne gewaltätig ge­gen die Obrigkeit vorzugehen. Das Bürgertum hoffte zu mehr Einfluß zu gelan­gen, indem sich seine ökonomische und mo­ralische Überlegenheit heraus­stellte und sich so der Adel an ihm orientieren würde. Shaftesbury sieht den idealen Menschen als "second Maker"[14] nach Gott. Bei Lenz taucht dieser Ge­danke kurz im Zusammenhang mit dem von ihm geforderten Standpunkt auf.[15] Meiner Ansicht nach war für Lenz Prometheus nicht von zentraler Bedeutung, da ihm die Realisierung eines Kraftmenschen fern lag. Seine Idee einer Gesell­schaftsreform ging wohl eher vom Volk aus, als das sie von einer Person ge­führt wurde.

04. Exkurs: Die Helden bei Lenz

Lenz hatte direkten Anschluß an die Sturm und Drang Bewegung und regi­strierte die Tendenz zu ”großen Kerlen”. Weder im "Hofmeister" noch in späte­ren Stücken findet sich ein exemplarischer Held. Schon in den "Anmerkungen" projektiert Lenz den großen, unabhängigen Menschen. "[E]s ist die Rede von Charakteren, die sich ihre Begebenheiten erschaffen, die selbstständig und unveränderlich die ganze große Maschine selbst drehen, ohne die Gottheiten in den Wolken anders nötig zu haben, als wenn sie wollen zu Zuschauern; nicht von Bildern, von Marionettenpuppen- von Menschen."[16] Lenz ist mit der Kon­zeption vom Kraftmenschen vertraut, aber er gestaltet selbst keinen. Er fühlt sich der Realität verpflichtet, in dem Sinne, daß man "sein Gemälde mit der Sache verwechseln"[17] soll. Seine Stücke spielen unmittelbar in der Gegenwart und reflektieren aktuelles Zeitgeschehen[18]. Der Kraftmensch existierte jedoch in der Gegen­wart des 18. Jahrhunderts nicht. Während der Großteil der Sturm und Drang Autoren phantastische und idealisierte Szenarien mit ungeheuren Men­schen entwirft, "führt Lenz mit seinem Schicksal und in seinen wichtigsten litera­rischen Fi­guren das Scheitern dieses grossartigen Entwurfs einer ganzheitli­chen Existenz vor Augen."[19] Seine Figuren scheitern zwangsläufig und agieren nicht nach der Dramaturgie des Großteils der Sturm und Drang Autoren. "Lenz verzichtete nicht nur auf den `gemischten´ Helden, er verzichtete sogar ganz auf Helden."[20] Nach Aristoteles Entwurf des Helden der Tragödie, auf den sich Lessing bezieht, soll der Mensch als Mensch, d.h. unvollkommen, erkennbar bleiben. Er soll nicht Einseitig gut oder schlecht dargestellt sein, vielmehr als Gemisch aus beidem. Dennoch wurde Lessings Theorie vom gemischten Hel­den von Lenz ebenso abgelehnt, bzw. nicht angewandt, wie er sich überhaupt gegen jedes Moment von Heldentum konsequent verweigert.

In den ”Anmerkungen” kommt Lenz zum Schluß: "Meiner Meinung nach wäre immer der Hauptgedanke einer Komödie eine Sache, einer Tragödie eine Per­son."[21] Entsprechend eigener Benennung, auch wenn diese gelegentlich schwankt werden seine großen Dramen sämtlichst als Komödien ausgewiesen. Damit ist nach den Thesen der ”Anmerkungen” festgelegt, daß es in seinen Werken um Dinge bzw. Gemeinschaftsangelegenheiten geht. Die Tragödie be­dingt seiner Meinung nach den Helden bzw. der Held bedingt die Tragödie. In Komödien stehen Personengruppen im Vordergrund, keine Individuen. "Es ist nicht die Tragik individuellen Schicksals und Leidens, die Lenz in seinen Komödien betont, sondern das Trauerspiel eines Gesellschaftszustandes, der sich gewaltätig auf die unteren Stände niederschlägt: auf Läuffer im Hofmeister und Marie Wesener in den Soldaten."[22]

In dem kurzen Drama "Pandemonium Germanicum" läßt Lenz die Figur Herders den Satz sprechen: "Mensch, die sind viel zu groß für unsere Zeit"[23] und be­zieht sich damit auf die Dramenfiguren von Lenz. Er selbst empfand das Außer­gewöhnliche seiner Bühnencharaktere, die in ihrer Dimensionalität keine Ent­sprechung in ihrer Zeit hatten. Ihnen fehlt die Büh­nenlogik, die Berechenbarkeit im Handeln. Man muß dieses "groß" als Volumen betrachten.

Das Vielschichtige von Lenz´ Figuren läßt verschiedene Facetten innerhalb der selben Person zu. Seine Figuren sind zum Teil an den Typen der traditionellen Komödie orientiert, aber sie gehen über diese hinaus.[24] Lenz verleiht dem Typ Individualität. Diese offene, unverbindliche Gestaltung ermöglicht irrationale und sogar absurde Momente, wie sie zuerst bei Lenz[25] und später bei Klinger[26] auftraten. Das hatte keinen Aufstand der Kritik zur Folge und lag sogar etwas im Trend. Daran lässt sich auch erkennen, wie weit sich der Sturm und Drang vom Literaturbegriff Gellerts oder Gottscheds entfernt hatte.

Zum Dramenende erfolgt der Rekurs auf den im ganzen Stück impliziten sozialpragmatischen Impetus, der über das Stück hinausgeht und eindeutig politischen Charakter hat.[27] Es wird die Reform des Schulwesens gefordert, die tatsächlich die Grundfeste der Ständegesellschaft in Frage gestellt hätte. Natürlich ist der Modellcharakter der Szene unübersehbar. Doch der hier vermittelte richtungweisende Impuls ist nicht die Sache einer Figur, sondern folgerichtig ein ge-meinsam formulierter Reformansatz. Um dem Gedanken die nötige Bedeutung zu verschaffen, wird er von einer Gemeinschaft (V/ 12) vorgebracht und damit Dauerhaftigkeit und allgemeiner Nutzen evoziert. Lenz vermeidet damit den Anschein einer Selbsthelferlösung und erreicht gleichzeitig eine Massen wirkung, indem eine unverbindliche Gruppe mit einer Reformidee den Schlußauftritt erhält. So ist der selbe Effekt gewonnen; die Meinungsmeldung der Massen, und, als wenn der Fürst bzw. der König, als Institution, im Namen des Volkes gesprochen hätten. Es entsteht eine Aussage mit großem Gewicht. Der erfolgreiche Held wäre eine Individuallösung.

05. Exkurs: Machtdemonstrationen

Mit besonderer Sorgfalt widmet sich Lenz den Machtstrukturen in­nerhalb des Hauses von Berg. In kleinen Einschüben, als Holpersteine des Verständnisses, wird der Despotismus des Adels auf elementar­ster Kommunikationsebene vor­geführt. In einer Mischung aus Frech­heit, Respektlosigkeit, Dummheit und ge­spielter Naivität wird sich über einen allgemeingültigen Konsens hinweggesetzt und neue Ver­handlungen in der jeweiligen Frage erzwungen.

Nachdem die Majorin das Hofmeistergehalt um die Hälfte herunter gehandelt hat, ist sie nicht zu Zugeständnissen bereit, wie zu erwar­ten wäre, sondern stellt Forderungen. "Dafür verlang ich aber auch[...]"(I,3) Die syntaktische Kombina­tion zweier komplementärer Aussagen eines Sachverhaltes ist entgegen jedes Verständnis. Lenz scheut sich nicht, diesen offensichtlichen Nonsens der Majo­rin in den Mund zu legen, um ihre Dummheit zu demonstrieren, aber auch ihre Macht. Denn selbst in der größten Dummheit liegt die Entscheidung bei ihr. Die Majorin gibt sich naiv, um keine Diskussion führen zu müssen, weil die Ent­scheidung längst gefallen ist. Der Dialog ist nur formal, er wird nur zum Schein geführt. Es ist keine Verständigung, sondern eine Benachrichtigung. Der Me­chanismus der gestellten Nai­vität wird offenkundig, als ihm mit größtem Sar­kasmus auf die Frage nach einem Pferd geantwortet wird.(II,1) Den Gesprächs­situationen haftet eine merkwürdige Ambivalenz an. Einerseits sind sie objektiv unwahr bzw. unrichtig, andererseits verbreiten sie eine subtile Arro­ganz. Sie sind feinsinnige und evidente Demonstrationen der Macht. Eine entsprechende Situation findet sich im vierten Auftritt des ersten Akts. Läuffers Gehalt wird noch einmal heruntergesetzt, diesmal vom Major, und wieder erhält er zusätzlich ei­nen Auftrag. Er hat zusätzlich die Tochter des Hauses zu unterrichten. Beide Male ist Läuffer nicht imstande etwas gegen diese Forderungen zu unterneh­men. Solche Konflikte zeigen die herrschende Ungerechtigkeit, gleich­zeitig verdeutlichen sie unmißverständlich, wo über Recht und Un­recht entschieden wird. Läuffer ist dem Hause von Berg als Domestik ausgeliefert. Gelegentlich erlaubt sich Lenz Seitenhiebe zur Majo­rin.[28] Zwar kann er sie auf diese Weise menschlich kompromittieren, ihre Macht zieht er damit jedoch nicht in Zweifel. Es verstärkt nur das Ohnmachtsgefühl der Unmündigkeit.

06. Die Figuren

Für die Teilnehmenden der Schlußszene des "Hofmeisters" ergibt sich eine Gemeinsamkeit: Sie geben einen Teil ihres bisherigen Selbstverständnis auf und erklären, Veränderungen in ihren Leben vorzunehmen. Die Bühnenfigu­ren, und möglichst mit ihnen die Zuschauer, überdenken ihren Stand­punkt , da sie die Fehler ihres Handelns erkennen. Das konstruierte Schlußtableau mutet wie eine moderne Katharsis an. Das Besondere dieses Schlusses ist der offene Dialog zwischen Adel und Bürgertum. Gemeinsam beschließt die Schluß­gruppe ein gemeinsames Engagement in Schulangelegenheiten. Nach den aufgetretenen Katastrophen sind die Figuren am Ende zur Räson gebracht. Noch bevor die Bühnenfiguren von der Handlung zur Einsicht über ihr Handeln gebracht werden, vermittelt Lenz dem Zuschauer die Unzulänglich­keit der Per­sonen und ihres Standpunktes. Er nimmt den Zuschauern, die zunächst die Wahrheit der Bühnenworte voraussetzen und ihnen willkürlich vertrauen, die Sicherheit zur Einschätzung der Fi­guren. Die unmittelbare Reaktion ist das Mißtrauen der Zuschauer gegenüber den Worten und dem Auftreten der Ak­teure. Das geschieht, indem Lenz sie in Situationen und Gespräche verwickelt, in denen sie zu sich selbst in Widerspruch geraten. Der Geheime Rat entlarvt sich als Schwätzer, wenn er den Pastor mit überzogenen Freiheitsidealen trak­tiert, dennoch später den Verleumdungen Dritter traut. Wenzeslaus hat eine klare Sicht auf die Zustände und lebt in relativer Freiheit. Er erhält sich diesen Zustand jedoch durch sein anspruchsloses, asketisches Dasein, dank dessen er seine Armut erträgt. Der Major muß in dem Maße, wie seine Pläne mit Augu­ste scheitern, sein theoretisches Menschenbild revidieren, wonach das form­bare Individuum in jeden Zustand gebracht werden kann. Die Majorin kann ari­stokratisches Standesempfinden und Lebensart nicht durchsetzten. Pätus und Fritz sind auf den deus ex machina angewiesen, um noch in ihre Geschicke eingreifen zu können. Die Verlogenheit der Figuren wird sichtbar, indem Lenz sie mit Si­tuationen konfrontiert, in denen sie ihren bisherigen Axiomen gera­dezu abschwören müssen. Lenz läßt ihre Theorien sich selbst widerlegen, ihre Meinungen lächerlich oder gefährlich konträr zur menschlichen Natur erschei­nen. Mit der drastischen Schilderung der Folgen ihres Handelns zieht er die ihre Aussagen in Zweifel und nimmt den Bühnenfiguren den Nimbus der Wahr­heit. Ihre Argu­mentationen werden als falsch und halbwahr deutlich, damit das Publikum kritisch die Handlung verfolgt. Es geht in der Konsequenz darum, daß Alternativen zu den gesellschaftlichen Verhältnissen gesucht werden, wenn die Spannungen in der Gegenwart zu groß werden. Zu Spannungen führen die diktatorischen Entscheidungen des Adels, an denen ihre Untergebenen schei­tern. Aber Lenz sah diesen Despotismus auch auf Seitens des Bürgertums. Wenzeslaus, Rehaar, der alte Pätus sind da wo sie es können, ebensolche Despoten. Es geht Lenz nicht darum den Adel als moralisch Schuldigen zu ex­ponieren, sondern beide Parteien, Adel und Bürgertum, von der Notwendigkeit der Kooperation zu überzeugen. Die Wahrheit bzw. moralischen Maßstäbe sind ambivalent und immer neu zu bestim­men. Lenz vergibt keinen sicheren Stand­punkt im Sinne des Besitzes einer dauerhaften Wahrheit, und beansprucht auch für sich selbst keinen. "Lenz´s work is a forum for the intellect that constantly keeps itself open to truth […]"[29] Lenz stellt den falschen Glauben an eine sichere, tradierte und konkrete Wahrheit bloß, die feste Regeln für die Ge­genwart vorgibt. Der dogmatische Umgang mit Wahrheit und Moral, den eine aufgeklärte Allianz aus Adel und Bür­gertum dem Menschen auferlegt, ist mögli­cherweise das tiefere Ziel seiner Kritik.

Die Figuren sind in ein kompliziertes Beziehungsgeflecht eingebettet, so daß singuläres Handeln verunmöglicht wird. Etwaige Einzelaktionen scheitern und bringen statt Erfolg nur Repressalien. Er schafft nicht die Illusion der aussichts­reichen Rebellion gegen die gegebene Ordnung, was z.B. ein geächtetes Hel­dendasein zur Folge hätte. Lenz´ realistische Darstellungsweise und unmittel­bare Gegenwärtigkeit zwingen ihn, die direkten Folgen einer Tat ebenso vor­zuführen. Es zeigt sich jedoch das die Figuren ihr anfängliches Engagement nicht durchhalten können und die ursprüngliche Initiative scheitert. Die Figuren sind nicht zu Helden disponiert. Es gibt im ”Hofmeister” keinen Protagonisten, weil Lenz keinem Charakter das Potenzial zu großen Taten zugesteht. Die per­sönlichen Wünsche bzw. Ziele der Figuren erfüllen sich nicht. Die Folgen der wenigen eigenen Handlungen, also Handlungen ohne Anweisung, sind fatal. Pätus steigt in das Fenster Jungfer Rehaars und muß sich deshalb mit Fritz du­ellieren (IV,2). Der Kuß zwischen Gustchen und Fritz hat das Briefverbot zur Folge, das zur Entfremdung zwischen beiden führt (I, 5/6). Läuffer muß für die einzige private Handlung, die er nur für sich unternimmt, flüchten, wird ange­schossen und endet als Kastrat. Niemand handelt aus der Freiheit des Vermö­gens heraus. Die Ansprüche der Charaktere erfüllen sich nicht. Sie alternieren zwischen Rebellion und Affirmation. Sie lehnen sich auf und ka­pitulieren. Im "Hofmeister" gibt es keine revolutionären Personen, die eine realistische, ge­stalterische Idee für Gegenwart und Zukunft haben. Zwar klingen einzelne re­formerische Gedanken an, gleich­wohl werden diese durch die vortragende Person blamiert. Keine der Figuren fühlt sich willens oder disponiert Verant­wortung und Enga­gement für einen Reformansatz zu übernehmen. In einer Mi­schung aus Verzagtheit und Unfähigkeit sind die Figuren nicht fähig über sich hinaus zu denken. Die Figuren im Hofmeister sind konsequent "unheldisch". Den Personen fehlt das Schöpferische und das Produktive des Prometheus, eher sind sie das Gegenteil und immerfort am Reagieren, doch dafür sind sie realistisch.

Mit dem ersten Auftritt des Hofmeisters erzeugt Lenz Mißtrauen. Der Zuschauer wird in ein Intrigennetz einbezogen, ohne das ihm die Mittel gegeben sind, es zu durchschauen. Es kann keine Sympathisie­rung der Zuschauer mit dem posi­tiven Helden geben. Keine der Büh­nenfiguren verkörpert das Gute, Fortschrittli­che oder fungiert als Perspek­tive. Lenz gestaltet konsequent keine homogenen, eindimensionalen Charaktere, sondern durch die detaillierte Schilderung ihres Milieus werden sie realistisch. Er präsentiert die Realität, ohne einen Ausweg aus ihr zu zeigen. Ein großer Teil der realistischen Schilderung ergibt sich aus der rigorosen Darstellung der Schwächen der Akteure. Im "Hofmeister" gibt es keine Figur die kein Manko hat. Nahezu jede Figur hat ihre "lächerliche Seite" (II,6). Zu jeder Figur findet sich eine gezielte Indiskretion, um sie zu desavouie­ren.[30] Diese eher unbedeutenden Seitenhiebe, sind in der Anzahl bemerkens­wert. Sie stehen frei für sich und unterlaufen die Art, wie sich die Person sonst im Stück präsentiert. Es scheint als ob Lenz explizit auf deren Unvollkommen­heit hinweisen bzw. eine Person nicht ohne Kehrseite vorstel­len wollte. Zum Teil ist die Motivation für die Details nicht direkt erkennbar, wie der Mundgeruch Gustchens in einem früheren Entwurf der Szene (II,5)[31] oder die Fontanelle am Fuß der Majorin. Der "entschiedene[...] Hang zur Intrige", den Goethe Lenz zuschrieb, wird hier sicher eine Rolle gespielt haben.[32] Im allge­meinen benutzt Lenz dieses Mittel, um das Beschränkte der Personen vorzufüh­ren. Sie können auch von Lenz mit der Intension geschaffen worden sein, ein mögliches Identifizieren der Zuschauer mit der Bühnenfigur in jedem Fall zu verhindern. Selbst mit den positiv erscheinenden Personen verhindert Lenz eine Identifikation.

Aber die Denunziationen zielen nicht auf die auf die Erniedrigung des Einzel­nen ab, sondern dienen dazu, die Unvollkommenheit des Menschen zu zeigen und damit auf die Schwierigkeiten beim finden der Wahrheit zu verweisen. Die Funktion der Desavouierung der Cha­raktere besteht meines Erachtens darin, die starre und saturierte Haltung des allgemeinen Konsens deutlich zu machen, welcher sich auf Traditionen gründet und in der Gegenwart die Wahrheit nicht mehr fassen kann.

Eine Figur gewinnt durch die Bloßstellungen an Breite und persönlicher Cha­rakteristik, auch wenn sie für den Zuschauer an Erfaßbarkeit verliert.

Besonders evident wird das an der Figur des Hofmeisters Läuffer, dessen Unvermögen unverhohlen zur Schau gestellt wird.

07. Läuffer

Die erste Szenen zeigt Läuffer allein auf der Bühne, im kritischen Dialog mit sich selbst. Obgleich er sich relativ umsichtig mit seiner eigenen Position aus­einandersetzt, wird den Zuschauern bedeutet, daß dieser Person gegenüber ein gewisses Mißtrauen angebracht ist. Man erfährt von seinem beruflichen Scheitern. Es geht um "Fehler", er sei "nicht tauglich" und man "sieht mich vermutlich nicht für voll an."(I,1) Läuffer ist unzufrieden mit seiner Position. Er nennt die ge­scheiterten Projekte: er wird nicht Adjunkt, nicht Pastor und auch kein Klassenpräzeptor an der Stadtschule Insterburg. Nach Läuffers Verständ­nis sind sein Alter und seine weltmännische Überqualifika­tion für die Pfarrstelle von Nachteil. Sonst kann er keine Makel an sich entdecken. Verantwortlich für die berufliche Misere sind seiner Meinung nach sein Vater und vor allem der Geheime Rat von Berg, der ihn nicht an der Stadtschule lehren lassen will. Läuffer glaubt sich unterschätzt und ist sich nicht bewußt, wie er sich in den Au­gen des Rates Anerkennung verschaffen könnte. Er bleibt ihm fern:"[...]ich scheu ihn ärger als den Teufel. Der Kerl hat etwas in seinem Gesicht, das mir unerträglich ist." (I,1) Hier setzt das System der Intrigen und Verdächtigungen ein, in das der Zuschauer voll integriert wird.

Lenz erklärt nicht, warum Läuffer vom Geheimen Rat abgelehnt wird. Es bleibt ein unbegründeter Makel an der Figur. Man kann Läuffer schwer verstehen, ei­nerseits weil man sich noch nicht im Drama orientieren kann, andererseits sind die Gedankengänge sehr eigen. Mit Hilfe einer nicht nachvollziehbaren Syntax überschreitet Lenz die Grenzen allgemeiner Logik. Nach Läuffers Aussage scheint jeder Grund zur Ablehnung möglich: "Er ist Pedant, und dem ist freilich der Teufel selber nicht gelehrt genug. Im halben Jahr hätt ich doch wieder eingeholt, was ich von der Schule mitgebracht, und dann wär ich für einen Klassenpräzeptor noch immer viel zu gelehrt gewesen; aber der Herr Geheime Rat muss das Ding besser verstehen."(I,1)

Lenz läßt keine genaue Erklärung zu. Ist Läuffer als Universitätsab­solvent zu gut oder zu schlecht für eine Stadtschule, oder ist es seine persönliche Unat­traktivität? Der Satz bleibt unverständlich. Läuffer signalisiert, daß der Geheime Rat hohe Ansprüche hat. Er müßte also seine Fähigkeiten noch verbessern, aber hat er nicht gerade die Uni­versität abgeschlossen? Um dennoch zu ge­lehrt zu sein. "[S]oll das Satire sein, oder"?(I,1)

Läuffers Talfahrt ist damit nicht beendet, denn der Geheime Rat gibt ihm weder die Stellung in der Schule, noch ist er bereit, mit ihm ein ernsthaftes Gespräch zu führen. Der blanke Hohn des Geheimen Rates macht ihn zu "Monsieur Läuffer"(I,1), dem Bonvivant; er spricht mit ihm vornehmlich über die Leipziger Kaffeehäuser. Läuffer fragt zu Recht, ob es sich dabei um Spott handelt. Mit der Ahnung, daß der Geheime Rat "mich vermutlich nicht für voll"(I,1) ansieht, liegt er also nicht falsch. Wie zum Beweis seiner proklamierten Unsicherheit, ver­schwindet Läuffer eilig mit viel freundlichen Scharrfüssen (I,1), wäh­rend der Major und der Geheime Rat auftreten.

Der Hofmeister Läuffer wird auf eine traurige Art eingeführt. Seine Schwächen werden unmißverständlich in der ersten Szene ausgestellt. Der erste Akt zeigt Läuffers vorsichtiges Ausloten der Möglichkeiten im Haus. Er ist Hofmeister von der Majorins Gnaden. Wenn er zu Be­ginn versucht, seine gesellschaftliche Position, sein dignitas Empfinden, zu behaupten, so muß er doch schnell seine wahre Stel­lung anerkennen. Er fügt sich nicht wider­standslos in die servilen Rituale des Schloßlebens, doch sind seine Interventio­nen zur Aner­kennung seiner Person von Beginn an hoffungslos. Läuffer er­scheint in sehr demütiger Stellung (I,3) neben der Majorin. Er versucht sich tapfer ins Gespräch zu bringen (I,3). Nach der verheerenden Abfuhr durch die Majorin in Gegenwart des Grafen Wermuth, will Läuffer wenigstens soweit Wi­derstand leisten, indem er demonstrativ stehen bleibt. Er versucht durch Prä­senz seine Existenz zu demonstrieren, doch er wird ohne weiteres aus dem Raum entfernt.

Während der Major ihm in der folgenden Szene ein weiteres Mal das Gehalt kürzt (I,4), widerspricht er formal ohne auch nur an den Er­folg seiner Interven­tion zu denken. Später ist er nicht einmal mehr zum Widerspruch fähig. Junker Leopold kann ihn ohne Skrupel schlagen, weil er weiß, welches Gewicht die Belange des Hofmeisters im Hause haben.(II,5) Er kann sein bürgerliches Selbstwertgefühl in diesem Haus nicht behaupten.

Läuffer ist, bzw. wurde in kürzester Zeit dazu komprimiert, das "artige Männichen"(I,2) zu sein, als das ihn der Major von Anfang an betrachtet. Harm­los und zur Revolte nicht fähig. Die vollständige Blamage und Demontage der Figur während der ersten 4 Szenen setzt sich fort: Läuffer wird vom Major an­gefahren, ob er nicht anständig auf dem Stuhl sitzen kann.(I,4); Er kennt weder "Romeo und Julia", noch die "Neue Heloise"(II,5); Wenzeslaus kritisiert Läuffers Latein und bezeichnet ihn "kaum zum Kollaborator tüchtig"(III,4) und end­gültig der mißratene Versuch der Kastration. "Sein Dramatiker betrügt ihn sogar um die Tragik der Kastration."[33] Läuffer ist erfolglos und ohne besondere Talente. Die vorgegebene Weltläufigkeit, durch die er sich geistig über das Haus von Berg überlegen fühlte, ist Resultat seines Kleingeistes. Er erkennt seine Misere und versucht seine Position zu verbessern, aber scheitert ständig neu.

08. Der Adel

Das Stück intendiert nicht eine Belehrung des Bürgertums, sondern zuerst die des Adels, da er durch seine Machtposition die Gegenwart gestaltet. Deshalb steht die Majorsfamilie im Zentrum des Stückes. Genauer betrachtet ist der "Hofmeister" ein Adelsdrama, denn die Belange der Bürger spielen eine unter­geordnete Rolle. Sie initiieren die Handlung, indem sie Probleme produzieren. Auf deren Lösung haben sie sowenig Einfluß, wie auf die Produktion, wenn man die Re­glementierung der Untertanen als unerfüllbar aner­kennt.

Die Majorin und der Major werden in ihrer ländlichen Einfältigkeit gezeigt, wel­che sie durch ihre Macht als Standespersonen beliebig ausleben können. Da­bei kommt der Major dem Bild des Kraftmen­schen am nächsten, denn er ist zu spontanen, emotionalen Handlun­gen fähig. Von der Wirklichkeit belehrt, revi­diert er seine übertrie­benen Vorstellungen vom Leben seiner Tochter und findet den menschlichen Zugang zu ihr wieder. Er besitzt eine gewisse Lernfä­higkeit, einmal gefaßte Ansichten, wenn auch unter Zwang, zu ver­werfen. Emotionales, menschliches Empfinden gewinnt einen höheren Stellenwert als aristokrati­sches Standesdenken. Der Major findet erst zur inneren Zufriedenheit zurück, nachdem er endgültig seine Vor­stellungen über die Zukunft seiner Tochter auf­gegeben hat. Die Figur des Majors macht innerhalb des Stückes die größte Wand­lung durch. Er wird als brutaler Haustyrann eingeführt, der von nie­man­dem ernst genommen, aber Dank seiner Macht gefürchtet wird. Die Organisa­tion des Hauses und die Erziehung des Junkers Leopold besorgt die Majorin. Es ist nicht ersichtlich ob sich der Major am ohnehin spärlichen gesellschaftli­chen Leben beteiligt, in jedem Fall ist es die Domäne seiner Frau. Nur einen Bereich beansprucht er für sich selbst: Das alleinige Sorgerecht für Gustchen. Merkwürdig er­scheint aber, daß der Vater und die Tochter bis zur Szene am Teich(IV,4) keinen gemeinsamen Auftritt haben. Ihre Kommunika­tion funktioniert nur indirekt und stockend. Denn in seinem Bemü­hen, Auguste einen angese­henen Bräutigam zu verschaffen und sie auf einen solchen vorzubereiten, merkt er nicht, wie sie verein­samt.(II,5) Nicht nur die Majorin ist Schuld an der Isolie­rung Augu­stes, sondern auch er selbst, indem er sie von aller Gesellschaft fern hält. Er ist unfähig, seine Liebe zu seiner Tochter zu kommunizieren, er kennt sie nicht einmal. So betet er verzweifelt und beschuldigt seine Frau, wo er selbst versagt hat.(II,6) Denn er ist keineswegs Herr in seinem Haus. Leopold weiß längst ihn zu umgehen(II,5), seine Frau macht sich lustig über ihn(II,6) und für Gustchen findet er keine Worte. Die intensive Feldarbeit kommt einer Flucht gleich und Majorin ist nicht im Unrecht, wenn sie von der "lächerlichen Seite"(II,6) ihres Mannes spricht.

Der Geheime Rat wird nachhaltiger mißkreditiert. Er überfordert den Pastor mit seinen liberalen, aufklärerischen Reden und stellt ein Freiheitsideal auf, das für das Milieu des Stückes vollkommen über­dimensioniert ist. "Freiheit ist das Element des Menschen wie das Wasser des Fisches, und ein Mensch der sich der Freiheit begibt, vergiftet die edelsten Geister seines Bluts, erstickt seine süßesten Freuden des Lebens in der Blüte und ermordet sich selbst."(II,1)

Dieser euphorischen Preisung der Freiheit steht sein eigener Kleingeist entge­gen, der seinen Sohn Fritz im Gefängnis sitzen lässt, während er auf die Aus­sagen von Fremden vertraut.(III,3) Der Geheime Rat stellt Ansprüche auf, denen er selbst nicht gerecht wird. Er befindet seinen Sohn für schuldig aufgrund der Tatsache, daß er sich im Arrest befindet. Trotz seinem liberalen Positionen aus dem Ge­spräch mit Pastor Läuffer(II,1), wird der Geheime Rat am in der entspre­chenden Situation als starrer Aristokrat und dummer Pedant bloßgestellt.[34] Nach einer solchen konse­quenten Wendung der Ansichten, kann man ihn nur noch als Schwätzer betrachten. Dennoch sind Major und Geheimer Rat die aufge­klärten, fortschrittlichen Standespersonen, denen an einem Kompro­miß mit dem Bürgertum gelegen ist. Den Kontrast zu den aufgeklär­ten und natürlichen Men­schen der Schlußszene verkörpert vor allem die Majorin. Ihr zur Seite stehen der Graf Wermuth und Herr von Seiffenblase. Sie erschöpfen sich ganz in der Rolle der schlechten Ari­stokraten, die zu keinen Zugeständnissen an das Bür­gertum bereit sind. Lenz zeichnet sie als Verlogen und notorisch Übertrei­bend.[35]

Lenz teilt den Adel in zwei Kategorien: Tätig und Untätig; je nachdem Bereit­schaft zum fortschrittlichen Umdenken vorhanden ist. Dieser Teil des Adels, der nicht zu einer Neuorientierung bereit ist, wird von der Majorin, dem Grafen und Herr von Seiffenblase repräsentiert. Sie sind demon­strativ von der Schlußhar­monie ausgeschlossen. Das tätige Indivi­duum ist ein Symbol der Bürgerlichkeit. Die "Fontanelle" der Majo­rin(II,6) brandmarkt sie regelrecht als krank und faul.

Mit der Verführung fällt auch Gustchen aus dem Kreis der integeren Personen, obwohl sie dadurch einen Opferstatus erhält. Sie lässt sich mit einer angestell­ten, mittellosen Person ohne Stand ein. Eine Heirat ist von vornherein ausge­schlossen. Gustchen betrügt ihren Bräuti­gam. Dabei geschieht diese Affäre aus Langeweile, man kann gar nicht von Liebe zwischen ihr und dem Hofmeister sprechen. Ihre Be­ziehung entstand lediglich aus den beengten Verhältnissen und Mangel an Gesprächspartnern im Hause von Berg. Daraus kann sich keine heroische Liebe über die Standesschranken hinweg entwickeln. Immerhin ist Gustchen die Einzige, die Läuffer jemals beim Vorna­men nennt. Der Hofmeister heißt Hermann Läuffer.(II,5) Aber die ganze Beziehung hat etwas schwer Ver­zweifeltes und es bleibt im Dunklen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Möglicherweise vertreten Auguste und Fritz die neue Adelsschicht, denen an einer Annäherung zum Bürgertum gelegen ist. Die Harmonie des Endes macht einen sehr instabilen Eindruck, ein Rückfall in das traditionelle Standesgefüge ist wohl wahrscheinlich.

09. Wenzeslaus

Das Leben der auftretenden Bürger ist vollständig auf den Adel aus­gerichtet, es gibt nicht die Alternative eines selbstständigen bürger­lichen Lebens. In das bürgerliche Leben erhält man wenig Einblick, da Läuffer, sein Vater, Wenzes­laus, die Pätusfamilie oder Rehaar in ihrer Art nicht repräsentativ das Bürgertum darstellen. Aber die Bürger werden klar als die tätige Gesellschaftsschicht dar­gestellt, am deutlichsten im Schulmeister Wenzeslaus. Vergleichsweise nimmt die Handlung mit bürgerlicher Beteiligung dennoch wenig Raum ein. Huyssen stellt deshalb fest: Es "fehlt in Lenz´ Stück der aufgeklärte Bürger".[36] Keine der Figuren fungiert als Projektionsfläche bür­gerlicher Gesellschaftsvorstellungen. Im Gegenteil, die bürgerlichen Gesellschaftsvorstellungen blamieren sich in ihren Vertretern. Dabei ist der Geheime Rat in Szene (II,1) der Hauptvertreter bürgerlicher Interessen. Die Bürger sind nahezu ausschließ­lich Dialogpartner des Adels. Teilweise ist in ihre Charaktere die devote Haltung gegenüber dem Adel eingeschrieben. Das ist besonders bei Rehaar und Pastor Läuffer der Fall. In der Person Rehaars wird die Unterwürfige Haltung als Me­thode bloßgestellt, die jedes Gefühl der Ungerechtigkeit hinnimmt, gleichzeitig aber die Person selbst nicht weiter zum rechtmäßigen Handeln verpflichtet.(V,2)

Wenzeslaus ist die Karikatur des aufgeklärten Bürgers, der mit der Reglemen­tierung seines Daseins aus den Prinzipien der Vernunft, sein menschliches Le­ben eingebüßt hat. Seine Thesen werden schon allein durch sein Wesen miß­kreditiert. Denn er vertritt durchaus ernst zu ­nehmende Positionen und ist in sei­nem Selbstverständnis als Bürger wesentlich sicherer als Läuffer. Seine bür­gerliche Arbeitsmoral, die das Arbeiten zum konstituierenden Element des Le­bens macht und alle weiteren Tätigkeiten des Lebens darauf ausrichtet, eman­zipiert ihn vom Adel. Aber er führt dieses selbstbestimmte Leben auf Kosten seines Körpers. Die Verstümmelung des Körpers, die Läuffer mit der Kastration an sich vornimmt, hat bei Wenzeslaus längst stattgefunden. Er wendet Gewalt gegen sich an und befür­wortet sie als Mittel zum gottgefälligen Leben. Dement­sprechend singt er ein Hosianna auf Läuffers Kastration. Wenzeslaus, der sich noch am sinnvollsten im Leben eingerichtet hat und dessen Lebens­weisheiten zwar altbacken, aber anwendbar sind, wird durch seine komplette Lebensfüh­rung kompromittiert. Der Preis, den er für seine Freiheit und Mündigkeit zahlt, ist zu hoch. Er lebt ein Märtyrerleben für die bürgerliche Gesellschaft.

10. SCHLUSS

Im Ganzen erhält man den Eindruck, das sich die Verfehlungen des Adels und der Bürger die Waage halten und keine Seite für sich moralische Integrität be­anspruchen kann. Man erkennt deutlich Lenz´ Alibiabsicht, die Bürger nicht in einem zu gutem Licht erscheinen zu lassen. Es geht nicht darum, einer Partei die Vorteile der Anderen zu zeigen. Vielmehr werden beiden die gemeinsamen Ursprünge und die Möglichkeit des gegenseitigen Nutzens vorgeführt. Eine Er­fahrung des Dramas ohne Kraftmensch ist die, das die Menschen gleich sind und ihnen die selben Gefahren drohen. Zu dieser Überlegung gehört auch die Desavouierung, mit deren Hilfe Lenz die äußere Erscheinung bricht. Sie ist ein Mittel um die anderen Seiten der Figur ebenfalls darzustellen. Auch wenn sie hier meistens kompromittierend eingesetzt wird. Die Bloßstellungen sind ein nicht immer probates Mittel, aber sehr effektiv.

Es wird eine Gemeinschaft beschworen, mit der die gesellschaftlichen Pro­bleme lösbar wären. Diese Gemeinschaft setzt sich aus allen Bevölkerungs­schichten zusammen. So treten bei Lenz sämtliche Schichten in Erscheinung und die Schlußharmonie geschieht Stände und Schichten übergreifend. Der Kompromiß findet statt, nachdem die Figuren zur Räson gekommen sind . Die Wirklichkeit belehrt die Machthaber. Mit dem sozialpragmatischen Impetus si­chert sich Lenz Einfluß auf die Gesellschaft. Er nutzt seine Möglichkeiten poli­tisch zu arbeiten. Dabei stand nicht die Politik im Vordergrund, doch politisches Denken war fester Bestandteil der Kunst. Auch deshalb war Lenz gezwungen sein Stück anonym zu veröffentlichen. Lenz ist vergleichsweise politisch enga­gierter als der Großteil der Sturm und Drang Autoren. Er bemüht sich um eine Wirkung seiner Stücke, sie sollen Folgen haben. Bemerkenswert scheint mir besonders der Massenanspruch, also Lösungen für alle Schichten, anzubieten. Deshalb ist es nicht auszumachen wer im Zentrum dieses Dramas steht. Letzt­lich ist es die ganze Gesellschaft. Wenn Läuffer je im Zentrum des Stückes stand, so ist er es am Ende nicht mehr. Sein Name steht zumindest für Bewe­gung und in dieser verbleibt er bis zum Ende. Er verliert im Laufe des Stückes immer weiter an Be­deutung. Das Stück teilt sich auf verschiedene Handlungs­plätze und unabhängige Handlungsstränge verlaufen parallel. Der Hofmeister wird systematisch aus dem Zentrum des Geschehens gerückt, die ei­gentlichen Prozesse finden im Haus des Majors von Berg statt. Aber es ist im eigentlichen Sinne kein Ende, vielmehr ein Abbruch der Übertragung. Ohne besondere An­strengung kann man den Gang der Dinge weiterdenken.

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[...]


[1] J. Jacobs "Prosa der Aufklärung" München 1976. S.16

[2] H. Schlaffer "Der Bürger als Held" Frankfurt/Main 1973. S.140

[3] H.A. Korff "Die Dichtung des Sturm und Drang im Zusammenhange der Geistesgeschichte" (Reprint), New York/London 1972.

[4] R. Pascal "Der Sturm und Drang" Stuttgart 1977. S.74

[5] Arnold Hauser ”Sozialgeschichte der Kunst und Literatur” München 1990. S.635

[6] Lenz "Der neue Menoza" (II,6) In: "Werke und Briefe in 3 Bänden" Hg. S. Damm, Bd. I, Leipzig 1987.

[7] Alan C. Leidner "The impatient muse" London 1994. S.48

[8] zu dieser Einteilung: A. Huyssen "Drama des Sturm und Drang" München 1980. S.78

[9] A.C.Leidner S. 47

[10] Vor allem: Götz, Karl Wild, Karl Moor In der Erzählung "Der Landprediger" führt Lenz diese Konstella­tion exemplarisch am Selbsthelfer Joseph Mannheim aus.

[11] Als deus ex machina Lösung erscheint mir der Lotteriegewinn Pätus´ in Sz.

[12] Klaus R. Scherpe "Dichterische Erkenntnis und `Projektemacherei´" In: M. Wacker "Sturm und Drang" Darmstadt 1985. S. 282

[13] H.A. Korff, S. 49

[14] A.A.C. Earl of Shaftesbury "Soliloquy: or, Advice to an Author and Charakteristics of Men, Manners, Opinions, Times." erschienen: Glouchester 1710.

[15] Lenz "Anmerkungen zum Theater" (Erstdruck 1774) In: "Werke" Bd. II, S. 648

Der wahre Dichter "nimmt Standpunkt" und schafft wie die "kleinen Götter" seine eigene Welt.

[16] Lenz "Anmerkungen" S. 654 In: "Werke und Briefe in 3 Bänden" Hg. S.Damm, Bd. II, Leipzig 1987.

[17] Lenz "Anmerkungen" S. 648

[18] siehe die Verweise auf erschienene Bücher, sowie der Türkenkrieg 1768-74

[19] Peter von Matt, Seminarpapier, Universität Zürich SS 99

[20] "Deutsche Literaturgeschichte" Stuttgart 1992. S.134

[21] Lenz "Anmerkungen" S. 669

[22] A. Huyssen "Drama des Sturm und Drang" München 1980. S.115

[23] Lenz "Pandemonium Germanicum" In: "Werke" Bd. I, S. 269

[24] der Major, der Geheime Rat, die Studenten, Majorin

[25] die Kastration (V,3), Pätus wirft das Kaffeeservice aus dem Fenster (II,3) Hofm.; Seraphine versenkt das Juwelenkästchen im Hafen von Marseille (II,1) Die Freunde machen den Philosophen

[26] Klingers phantastische Ortswahl, Kampfbeschreibungen oder der überdimensionaler Held Karl Wild in "Sturm und Drang"

[27] u.a. Bildungsreform im Hofmeiser, Soldatenehen in den Soldaten

[28] die "Fontanelle" (II,6)

[29] A.C. Leidner, S. 105

[30] Pätus wirft das Kaffeeservice aus dem Fenster, weil er nach der Bemerkung Fritz´ entdeckt, daß der Kaffee nach Gerste schmeckt. (II,3) die "lächerliche Seite" des Majors (II,6), Wenzeslaus Reaktion auf Läuffers Kastra­tion (IV,3)

[31] Lenz Werke Bd. I, Anmerkungsapparat zum "Hofmeister" S. ??

[32] J.W. Goethe ”Dichtung und Wahrheit” München 1998. Bd. 10, 14. Buch, S.8

[33] H. Mayer, S.121

[34] v.a. in folgenden Szenen: (I,6), (III,3) und (IV,9)

[35] In Gegenwart des Grafen steigt der Lohn des Hofmeisters schlagartig auf 500 Dukaten.(II,3) Dem Graf selbst sind 600 Austern und 20 Flaschen Champagner "recht gut bekommen" (II,6)

Häufig gestellte Fragen zu Jakob Michael Reinhold Lenz' "Der Hofmeister"

Was ist das Hauptziel dieser Hausarbeit?

Diese Hausarbeit analysiert die Figuren in Jakob Michael Reinhold Lenz' Drama "Der Hofmeister oder die Vortheile der Privaterziehung". Sie untersucht, wie Lenz' Figuren paradigmatisch für seine weiteren Stücke sind und sich von den Intentionen der Aufklärer und dem Menschenbild des Sturm und Drang unterscheiden.

Welche Ziele verfolgte die literarische Bewegung des Sturm und Drang?

Der Sturm und Drang war Teil der Aufklärung, forderte politische Ziele in radikalisierter Form ein und wollte das monarchische System modifizieren. Die Autoren betonten Subjektivität und Emotionalität, wobei die Gesellschaft aus frei entfalteten Individuen bestehen sollte, deren Zusammenhalt gefühlsmäßig ist.

Wie unterscheidet sich das Menschenbild des Sturm und Drang von dem der Aufklärung?

Im Sturm und Drang wurde der Kraftmensch geschaffen und propagiert. Es entstand ein Typus von Protagonisten, der von Ehrgeiz und Rache zu Gewalttaten getrieben wird. Die neuen Menschen sollten weniger von Vernunft als von Emotion und subjektivem Empfinden geleitet werden.

Welche Rolle spielt der "Kraftmensch" im Werk von Lenz?

Lenz schuf in seinen großen Dramen keinen Kraftmenschen. Seine Stücke sind realistische Zeitstücke, in denen der Entwurf einer derartigen Person nicht durchzuhalten war. Lenz betrieb einen beträchtlichen Aufwand, um nicht zu einer Selbsthelferlösung zu gelangen.

Was versteht man unter dem "sozialpragmatischen Impetus" bei Lenz?

Der sozialpragmatische Impetus ist Lenz' Bemühung, mit seinen Dramen auf die Gegenwart Einfluss zu nehmen. Das Ziel war, den Dialog zwischen den Ständen zu initiieren. Er griff damit voraus auf die "sozialrevolutionären" Ansprüche und Themen der Mainzer Republikaner, Büchners und des jungen Deutschlands.

Wie stellt Lenz die Machtdemonstrationen des Adels dar?

Lenz widmet sich den Machtstrukturen innerhalb des Hauses von Berg mit besonderer Sorgfalt. Er zeigt den Despotismus des Adels auf elementarster Kommunikationsebene, indem er Frechheit, Respektlosigkeit, Dummheit und gespielte Naivität verwendet, um allgemeingültige Konsens zu untergraben.

Was ist das Besondere an den Figuren in Lenz' "Hofmeister"?

Die Figuren geben einen Teil ihres bisherigen Selbstverständnisses auf und erklären, Veränderungen in ihren Leben vorzunehmen. Lenz vermittelt den Zuschauern die Unzulänglichkeit der Personen und ihrer Standpunkte, indem er sie in widersprüchliche Situationen verwickelt. Es geht darum, Alternativen zu den gesellschaftlichen Verhältnissen zu suchen.

Welche Rolle spielt Läuffer im Drama?

Der Hofmeister Läuffer wird auf traurige Art eingeführt, wobei seine Schwächen unmissverständlich ausgestellt werden. Er wird zum "artigen Männichen" komprimiert, das harmlos und zur Revolte unfähig ist. Seine vollständige Blamage und Demontage wird im Laufe des Stücks deutlich.

Wie wird der Adel in Lenz' "Hofmeister" dargestellt?

Das Stück intendiert primär eine Belehrung des Adels, da er durch seine Machtposition die Gegenwart gestaltet. Die Majorin und der Major werden in ihrer ländlichen Einfältigkeit gezeigt, wobei der Major eine gewisse Lernfähigkeit besitzt. Der Adel wird in tätige und untätige Kategorien unterteilt, je nach Bereitschaft zum fortschrittlichen Umdenken.

Welche Bedeutung hat die Figur Wenzeslaus im Kontext des Bürgertums?

Wenzeslaus ist die Karikatur des aufgeklärten Bürgers, der mit der Reglementierung seines Daseins aus den Prinzipien der Vernunft sein menschliches Leben eingebüßt hat. Er verkörpert die bürgerliche Arbeitsmoral und emanzipiert sich vom Adel, jedoch auf Kosten seines Körpers.

Welchen Schluss zieht die Hausarbeit über "Der Hofmeister"?

Die Hausarbeit kommt zu dem Schluss, dass sich die Verfehlungen des Adels und der Bürger die Waage halten und keine Seite für sich moralische Integrität beanspruchen kann. Das Drama vermittelt, dass die Menschen gleich sind und ihnen die selben Gefahren drohen. Die Desavouierung ist ein Mittel, um die anderen Seiten der Figur darzustellen. Lenz bemüht sich um eine Wirkung seiner Stücke und bietet Lösungen für alle Schichten der Gesellschaft an.

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Details

Title
Die Figurenkonzeption in J.M.R.Lenz "Der Hofmeister"
College
University of Zurich
Author
Hinrich Katsumian (Author)
Publication Year
1998
Pages
20
Catalog Number
V108474
ISBN (eBook)
9783640066711
Language
German
Tags
Figurenkonzeption Lenz Hofmeister
Product Safety
GRIN Publishing GmbH
Quote paper
Hinrich Katsumian (Author), 1998, Die Figurenkonzeption in J.M.R.Lenz "Der Hofmeister", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108474
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