Inhaltsverzeichnis
1. Die Einleitung
2. Ein Portrait über Johann Christoph Gottsched
2. 1. Biographie
2. 2. Seine Ideen
2. 3. Gegner und Liebhaber seiner Dichtkunst
3. „Sterbender Cato“ - eines seiner größten Werke
3. 1. Allgemein
3. 2. Handlung und Personen
3. 3. Weitere Werke
4. Der Schluss
Literaturliste:
J. Chr. Gottsched „Sterbender Cato“ / Reclamverlag
Brockhaus - Die Enzyklopädie, Band 9
Deutsche Bibliographische Enzyklopädie, Band 4
Kindlers Neues Literatur Lexikon, Band 6
Lexikon THEATER International, Henschel Verlag Berlin 1995
Die Schauspielerin – eine Kulturgeschichte, Renate Möhrmann, Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2000
Metzler Literatur Chronik, Volker Meid, Verlag J. B. Metzler, 1998
Metzlers Autoren Lexikon, Deutsprachige Dichter und Schriftsteller, Verlag J. B. Metzler, 1994
Internet - Recherche
http://www.deutsch-digital.de/daten/literaturarchiv/28.4.doc
http://www.mdr.de/geschichte/personen/117321.html
1. Einleitung
Aufmerksam bin ich auf Johann Christoph Gottsched nur geworden, weil ich im Deutschunterricht eine Information in der Bibliothek zu ihm raussuchen sollte. Da ich mir aufgeschrieben hatte, in welchem Buch ich diese Information finden konnte, war die Recherche kein Problem. Weil mich Rom interessiert, war ich sehr erfreut zu erfahren, dass er den „Sterbenden Cato“ geschrieben hat. Cato ist eine der interessantesten Personen seiner Zeit. Diese Arbeit vereint sowohl das Leben und Wirken Gottscheds, als auch eine Analyse dessen Meisterwerks „Sterbender Cato“.
2. Ein Portrait über Johann Christoph Gottsched
2. 1. Biographie
Am 02.02.1700 wird Johann Christoph Gottsched in Juditten in Ostpreußen als Sohn des Pfarrers Christoph Gottsched und dessen Frau Anna Regina Biemann geboren. Mit 14 Jahren beginnt er an der Universität Königsberg sein Studium der Theologie, geht jedoch später zur Philosophie, Mathematik, Physik, klassische Philosophie, Poesie und Rhetorik über. Gefördert wurde er von seinem Lehrer Johann Valentin Pietsch, Professor für Poesie und Beredsamkeit, Arzt und Besitzer der Hofapotheke in der Königsberger Junkerstraße. Besonders das Werk des Philosophen Christian Wolff, ein Vertreter der Aufklärung, beeinflusste ihn zeitlebens. 1719 verteidigte er seine erste Dissertation über ein meteorologisches - physikalisches Thema. 1723 legte Gottsched sein Magisterexamen in Philosophie ab. Ein Jahr später ging er nach Leipzig, da er wegen seiner beträchtlichen Körpergröße befürchten musste, von den Werbern des Königs zu den "Langen Kerls" eingezogen zu werden. In Leipzig hatte er das Glück, gleich als Erzieher der Kinder des Universitätsrektors Johann Burkhard Mencke tätig zu sein. 1725 veröffentlichte er „die vernünftigen Tadlerinnen“. Im gleichen Jahr begann er mit seinen Vorlesungen an der Leipziger Universität, wo er 1730 außerordentlicher Professor für Poesie und 1734 ordentlicher Professor der Logik und Metaphysik wurde.
1727 war Gottsched Senior und Reorganisator der "deutsch-übenden Gesellschaft", später "Deutsche Gesellschaft" genannt, eine Position, in der er sehr bald angefeindet wurde und deshalb 1738 wegen Streit den Club verließ. Er betreute aber weiterhin ihre Zeitschrift „Beyträge zur Critischen Historie der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit“. Daneben arbeitete er seit 1726 mit der Neuberschen Theatertruppe zusammen. Er vermittelte dieser Theatergruppe 27 Stücke. Diese Zusammenarbeit mit Caroline Neuber trug dazu bei, den bisher wenig geachteten Schauspielerberuf sozial aufzuwerten. Leider brach die Zusammenarbeit mit Caroline Neuber 1741. Von 1727 bis 1740 war Gottsched der unangreifbare Kulturpapst, der die Entstehung der bürgerlichen Literaturgesellschaft eingeleitet hatte. Die Erstaufführung des „Sterbenden Catos“ fand 1731 durch die Schauspielgruppe um F.C. Neuber statt. 1735 heiratete der Ostpreuße die Danzigerin Luise Adelgunde Victoria Kulmus (auch die „Gottschedin“ genannt), eine gelehrte und begabte Frau, die ihm in seinen literarischen Bestrebungen tatkräftig zur Seite stand und auch selbst Dramen verfasste, so das bekannteste "Die Pietisterei im Fischbeinrock". Man meint sogar, dass sie die bessere Schriftstellerin war. 1739 war er schließlich Rektor der Universität Leipzig. In der dortigen Universitätsbibliothek befindet sich heute noch eine Sammlung seiner Briefe. Sein Ansehen reichte weit über den sächsischen und preußischen Raum hinaus. Gottsched kam 1744 noch einmal nach Königsberg und wurde mit großen Ehren empfangen. Später wurden ein Platz, eine Straße und die Volksschule in Juditten nach ihm benannt. Eine Gedenktafel schmückte sein Geburtshaus.
Am 26. Juni 1762 verstarb die „Gottschedin“ in Leipzig. Gottsched gab nach ihrem Tod ihre Biographie heraus.
Später am 1.August 1765 heiratete er Ernestine Susanna Katharina von Neunes, verstarb aber dann schon ein Jahr später am 12. Dezember 1766 im Alter von 66 Jahren.[1]
Eine Gottschedgesellschaft, gegründet 1901 von dem Literaturhistoriker Eugen Reichel und von Ernst Wichert, dem Richter und Dichter aus Insterburg, bemühte sich das Andenken an den Gelehrten wach zuhalten.
2. 2. Seine Ideen
Dichtung – in seinem Sinne – müsse den Menschen erziehen und moralische Grundsätze vermitteln. Die literarische Formvorgabe für diese Aufgabe sieht Gottsched im französischen Klassizismus und der Antike. In seinem 1730 erschienenen Werk „Versuch einer Critischen Dichtkunst“, darinnen erstlich die allgemeinen Regeln der Poesie, hernach alle besonderen Gattungen der Gedichte, abgehandelt und mit Exempeln erläutert werden: Überall aber gezeigt wird, dass das innere Wesen der Poesie in einer Nachahmung der Natur bestehe. Anstatt einer Einleitung ist Horatii Dichtkunst in deutsche Verse übersetzt und mit Anmerkungen erläutert, versucht Gottsched, Grundregeln für alle literarischen Gattungen zu bestimmen. Schon der Titel ist Programm: Es werden Regeln vorgestellt, nach denen der Dichter ein lyrisches, dramatisches oder episches Werk kunstvoll erschaffen kann. Das kennen wir von Aristoteles, ein antiker Poet.
Die Dichtungstheorie Gottscheds lehnte alles Wunderbare und Unwahrscheinliche in der Dichtung ab und verlangt die Einhaltung von Ort, Handlung und Zeit. Er plädiert für Deutlichkeit und Moralität. Dichtung sollte den Menschen erziehen, ihn sittlich bessern, indem sie seinen "gesunden Menschenverstand" ansprach.
Das Theater, wie es sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts präsentierte, war ihm zuwider.[2] Über die Erfahrungen seiner Theaterbesuche schreibt er: "Lauter schwülstige und mit Harlekinslustbarkeiten untermengte Haupt- und Staatsaktionen, lauter unnatürliche Romanstreiche und Liebesverwirrungen, lauter pöbelhafte Fratzen und Zoten waren dasjenige, so man daselbst zu sehen bekam.".[3]
Als Aufklärer dem Vernunftprinzip und der Moral verpflichtet, sah er in diesen Verwilderungen einen negativen Einfluss auf das Publikum.
Wichtigster Angriffspunkt war für ihn hierbei der „Hanswurst" auf der Theaterbühne. Diese Lieblingsfigur des volkstümlichen Theaters vollführte improvisierend Scherze und derbe Späße, die meist mit der Bühnenhandlung keinen inneren Zusammenhang hatten und einzig und allein Gelächter auslösen sollten. Als Gegenbeispiel errichtete Gottsched gemeinsam mit Caroline Neuber und ihrer Theatergruppe eine Musterbühne in Leipzig, von der die "Neuberin" in einer symbolischen Handlung den Hanswurst 1737 persönlich hinunter stieß.[4]
2. 3. Gegner und Liebhaber seiner Dichtkunst
Die entschiedensten Gegner seiner Theorie waren die Schweizer Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger. Sie sahen den Reiz der Dichtung im Gegensatz zu Gottsched nicht in der moralischen Besserung der Menschen, sondern in ihrer Wirkung auf das Gemüt, auf die sinnlichen Empfindungen und gaben dem Irrationalen in der Dichtung ein Recht. Damit begann ein Widerstreit der Theorien, aus dem die Schweizer letztlich als Sieger hervorgingen. Auch Zeitgenossen in Sachsen setzten sich sowohl mit Gottscheds Theorien als auch mit seinen Werken kritisch auseinander. So der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim, dessen Dichtungsauffassung im Gegensatz zur Regelpoetik Gottscheds stand. Das aufklärirische Trauerspiel „Sterbender Cato“, welches Gottscheds eigene Dichtungstheorie beispielhaft umsetzen sollte, zitierte Gleim scharfzüngig: "Wie dieser Sachse Cato spricht, So sprach der Römer Cato nicht; Hört er die Reden des Poeten, Er würde sich noch einmal töten!“[5]
Gotthold Ephraim Lessing verdrängte schließlich 1758 Gottsched mit seiner eigenen Literaturtheorie endgültig als Poetiker, indem er sich ausdrücklich gegen die französische Klassik wandte und Shakespeare zum neuen Ideal erhob. Er ließ ihn in seinem 17. Literaturbrief nicht ungeschoren, wenn er schreibt: „ ,Niemand‘, sagen die Verfasser der Bibliothek, wird leugnen, dass die deutsche Schaubühne einen großen Teil ihrer ersten Verbesserung dem Herrn Professor Gottsched zu danken habe. Ich bin dieser Niemand; ich leugne es geradezu. Es wäre zu wünschen, dass sich Herr Gottsched niemals mit dem Theater vermengt hätte. Seine vermeinten Verbesserungen betreffen entweder entbehrliche Kleinigkeiten oder sind wahre Verschlimmerungen [...] er ließ den Harlekin feierlich vom Theater vertreiben, welches selbst die größte Harlekinade war, die jemals gespielt worden; kurz, er wollte nicht sowohl unser altes Theater verbessern, als der Schöpfer eines ganz neuen sein. Und was für eines neuen? Eines französisierenden; ohne zu untersuchen, ob dieses französisierende Theater der deutschen Denkungsart angemessen sei oder nicht...“[6]
So umstritten das Wirken Gottscheds auch sein mochte, seine Abhandlungen über die "Deutsche Sprachkunst" fanden weithin Anerkennung. Selbst in Österreich setzte sich seine "Sprachkunst" durch, so dass im Theresianum in Wien ein Lehrstuhl für deutsche Sprache eingerichtet wurde. Kaiserin Maria Theresia lobte anlässlich eines Empfanges 1749 den Ostpreußen.
Der Preußenkönig Friedrich II. nannte den Gelehrten amüsiert einen "cygne saxon", einen "sächsischen Schwan", der "die Herbheit der Töne einer barbarischen Sprache mildern werde". Seinem Königsberger Freund, dem Pfarrersohn Christian Coelestin Flottwell, erzählt Gottsched in einem Brief von der Begegnung mit dem König im Jahr 1757. Friedrich der Große ließ sich einige Übersetzungen Gottscheds aus dem Französischen vorlesen und verglich sie dabei mit dem Original. Obwohl er viele deutsche Worte nicht verstand, kritisierte er doch sehr gründlich und lobte wieder viele Stellen. Der oben erwähnte Christian Coelestin Flottwell war es übrigens, der in Königsberg nach Leipziger Vorbild eine "Deutsche Gesellschaft" ins Leben rief. Sie sollte ein Bindeglied zwischen Universität und Bürgerschaft sein und dem Gedanken der deutschen Bildung dienen. 1743 erhielt die Gesellschaft königliches Privileg und nannte sich daraufhin Königliche Deutsche Gesellschaft. Flottwell wurde ihr erster Direktor. Diese Gesellschaft war die erste freie bürgerliche Vereinigung in der Geschichte Ostpreußens; sie bestand bis 1945 fort.
3. „Sterbender Cato“ eines seiner größten Werke
3. 1. Allgemein
Sterbender Cato, ein Trauerspiel, nebst einer Critischen Vorrede, darinnen von der Einrichtung desselben Rechenschaft gegeben wird.
Leipzig, zu finden in Teubners Buchladen.[7]
Vorerst muss ich bemerken, dass einige Zitate in den folgenden Texten nur mit einer Zeilenzahl versehen sind. Überall wo dies auftritt, ist eine Textstelle aus dem Buch „Sterbender Cato“ von Johann Christoph Gottsched dargestellt.
„Sterbender Cato“ ist eines der Werke die Gottsched nicht allein geschrieben hat. Es stammen nämlich nur 174 Verse der 1648 Verse von ihm – die restlichen Verse sind aus den Cato – Dramen von Joseph Addison (1713) und François Deschamps (1715) entlehnt. Die Erstaufführung durch Gottsched war in Leipzig im Januar 1731 auf der Neuberschen Bühne. Beschrieben wird der Selbstmord des Catos in ausführlicher Weise. Die Tragödie ist in 5 Handlungen gegliedert, die sich noch mal in mehrere Auftritte unterteilen. Zu Anfang schrieb er eine „Critische Vorrede“. Das war ein weiterer Versuch die Schaubühne zu verbessern. Hierbei versucht er eine Wiederbelebung der Alexandrinervers-Tragödie. Das Werk hatte einen ungeheuren Erfolg, obwohl es gegen viele Kritiker kämpfen musste, darunter Immanuel Jakob Pyra oder G. E. Lessing.[8]
3. 2. Handlung und Personen
Die Personen Cato, Cäsar und Pharnaces sind im Vordergrund, da in ihrer konfrontierenden Darstellung der Konflikt von Tugend und Laster am deutlichsten zum Ausdruck kommt. Arsene wäre in ihrer Darstellung als Frau, als Liebende, als Staatsführerin, als Tochter, von mindestens ebenso großer Bedeutung für das Thema wie Pharnaces, bleibt aber hier unberücksichtigt, weil Arsene nach ihrer Rolle im Drama eine Figur der Nebenhandlung darstellt.
Zunächst wird die gefühlsmäßige Einstellung und Haltung ausgesprochen: "Mein Haß hat sich bisher der Freundschaft gleichgestellt:/ Ich bin den Römern gram. .../" (Zeile 351 ff.). Sodann wird erklärt, wie es zu diesen Gefühlen kam: Er diente den Römern, weil sie erfolgreich waren, kämpfte gegen Mithridates, weil dieser schwach war. In Wirklichkeit ist seine Römerfreundschaft aber nur Verstellung aus Berechnung, weil er mit Hilfe der Römer selbst König werden wollte. Sobald er dies war, ließ er die Maske fallen. Am Ende kommt dann die (falsche, auf Irrtum beruhende) moralische Begründung: "Doch, Felix, der Erfolg zeigt itzt das Gegenteil" (Z. 375) und weiter, daran anschließend Schluss auf die Handlung: "Geh, Timon und Arbat soll augenblicklich gehn,/ Und Cäsarn Catos Kopf mit nechstem zugestehn/..." (Z. 379 ff.). Es folgt die Wiederholung der Hauptargumente: "Ich weiche, so wie sie, dem Glücke, so ihn schützen/ Auf Lastern liegt sein Grund, durch Laster wirds gestützet." (Z.401 ff.)
Wesentlicher Bestandteil der Rede ist wie im angeführten Beispiel die moralische Reflexion, sei es aus dramaturgischen Gründen in sehr einseitigen Dialogen (wie im obigen Beispiel mit den Bedienten) ausgesprochenen, aus Mangel an anderen darstellerischen Mitteln oder als Bestandteil des Versuches andere zu überzeugen, als rhetorisches Mittel genutzt: Ein Appell an die eigene Vernunft und die des Gesprächspartners.
Wichtig ist dabei aber festzustellen, dass wie gerade bei Pharnaces die rhetorische Form, wie die Versform des ganzen Stückes und der Stil der Äußerungen, völlig der Auffassung Gottscheds von der unvernünftigen lasterhaften Leidenschaftlichkeit, wie auch der Forderung der Poetik nach Natürlichkeit des Sprechens.
Pharnaces, König von Pontus, der den jüngeren Bruder Arsenens, Pacor, hinterlistig ermorden ließ, will Arsene, jetzige Königin von Parthien, heiraten, um seine Macht zu vergrößern. Er ist auch mit Catos Römern verbündet und hofft auf die Hilfe Catos bei der Eheschließung. Als dieser sich nicht erpressen lässt, will er sich auf die Seite Cäsars, seines heimlichen Vorbilds, schlagen und dafür Cato töten, um sich Cäsar anzudienen. Als dieser seine Dienste entrüstet zurückweist, will er Arsenen rauben, und überfällt das Schloss, wird aber überwältigt.
Pharnaces ist das moralische Gegenbild zu Cato, das personifizierte Laster besonders in der Politik.
1. Die berichteten Handlungen: im Rückgriff: Tötung Pacors (heimtückischer Mord aus Machtgier) im Botenbericht: Überfall auf das Schloss aus Machtgier, Rachsucht und vielleicht auch Verzweiflung.
2. Die dargestellten Handlungen: Heuchelei, ein Freund der Römer zu sein, Erpressung Catos und Arsenes, Schmeichelei und Appell an die Lasterhaftigkeit gegenüber Cäsar
Die Motive sind: Rachgier, Hass, Ehrsucht, Wut, Glut, Gewalt etc. Typisch für ihn und seine "theoriegeleitete Praxis" im Sinne der Tugendlehre Gottscheds ist:
1. Der Lasterhafte muss sich den Schein der Tugend leihen, um Erfolg zu haben, seine wahren Motive verheimlichen, die wirklichen oder angeblichen Untugenden der anderen moralisch geißeln, kurz gesagt: gerecht scheinen, um ungerecht sein zu können. Pharnaces handelt so jedoch interessanterweise nicht nur aus dem inneren Zwange seiner Lasterhaftigkeit heraus, sondern mit vollem Bewusstsein, was eigentlich im Widerspruch zu Gottscheds Tugend- und Erkenntnisauffassung steht: Hier ist die erwartete Zuschauerreflexion zum Bestandteil des dargestellten falschen Bewusstseins geworden.
2. Die innere Verbindung von Unbeherrschtheit, ausschweifender Begierde, mangelnder Einsicht, Lasterhaftigkeit und Erfolglosigkeit: Wut, Glut, Gewalt, Glücksgläubigkeit etc., illustriert durch sein Aufbäumen gegen die Überlegenheit der Gegner im Überfall auf das Schloss, auch damit Gegenbild des unterliegenden, aber in seiner Tugendhaltung siegenden Cato.
3. Er sieht die Welt nicht von der Vernunft eines weisen Schöpfers regiert an, sondern von Schicksals und Glück, weshalb er sich mit allen Mitteln am kurzfristigen individuellen äußeren Erfolg orientiert, und nicht an der allgemeingültigen Tugend, deren Erfolg oft erst auf lange Sicht "nachträglich" sichtbar wird. In Zeile 645 ff. zeigt sich, dass er schon die Wendung des Glücks erkannt hat, aber glaubt es sich durch das Laster wieder günstig stimmen zu können: „Durch Morden; Glut und Stahl verkehrt sich das Geschick, / So meinem Haupte droht, in ein erwünschtes Glück./“ Selbst Pharnaces hat erkannt, dass der Erfolg Kriterium der Richtigkeit der Handlungen ist. Ihm fehlt nur noch die Einsicht in die durchgängige Bestimmtheit aller zeitlichen Handlungsfolgen durch Gott gemäß dem Prinzip der Gerechtigkeit. Aber wie aus seinem bösen Tun am Ende doch noch Gutes entstehen soll, bleibt ungewiss.
Am deutlichsten wird die "theoriegeleitete Praxis" Pharnaces′ in seinen vorhin schon erwähnten Gesprächen mit dem vertrauten Diener Felix nach dem gescheiterten Erpressungsversuch Catos und Arsenes. Hier spricht er seine Ziele und Motive, den Ursprung seiner Haltung und seine Prinzipien, am deutlichsten aus:
“Ich habe wider ihn den Römern zwar gedient, weil ihrer Waffen Glück im Orient gegrünt. (Z. 355 ff.)
...
Nunmehro leg ich denn auch die Verstellung nieder. bewußte Verstellung
So lange Rom geblüht, sah ich sein Wachstum an
Als einer, der es haßt, doch nicht ihm schaden kann. unterdrückter Haß
Erwege, wie vergnügt ich nachmals zugesehen, Appell an die böse Begierde
Als durch der Zwietracht Wut die Trennungen geschehen. Lust am Bösen
Wenn der Parteien Schwert sich wechselseitig schlug, (Bürgerkrieg)
Ein Römer wider Rom Gewehr und Harnisch trug.
Um meine Rache nun vollkommen auszuüben, Rachgier (Z. 362 ff.)
...
...Jedoch ich muß nur schweigen, Verstellung, Heuchelei
Um dies Geheimnis noch nicht jedem anzuzeigen. (Z. 377 ff.)
...
Mein Ruhm erfodert das! Was wagt man um ein Reich: Ruhmsucht, Machtstreben
Ein glücklich Bubenstück sieht oft der Tugend gleich. (Z. 383 ff.)
...
Ich weiche so wie sie (die Götter), dem Glücke, so ihn schützet.
Auf Lastern liegt sein Grund, durch Laster wirds gestützet.“
Der Ehrsucht opfert er ganz Rom und alles auf:
Vor Catons Mord erfolgt für mich noch mehr darauf! Berechnung
Wohlan, nun will ich auch die Unschuld nicht mehr hören; Abwehr des Gewissens
Ich muß, wie Cäsar tat, die Macht durch Bosheit mehren.
Ein Frevel hilft mir leicht und schafft mir Thron und Ruh; Illusion des Glücks, Laster als Mittel
Cato, Führer der republikanischen Römer, in Utica unter dem Schutze Arsenes, der Königin der Parther und wie sich herausstellt, Tochter Catos, ist zunächst mit Pharnaces gegen Cäsar, den Zerstörer der Republik, verbündet. Um seine republikanische Tugend nicht preiszugeben, widersteht er allen Versuchungen und allem Zureden (durch Phocas, seinen Diener, Domitius, Cäsars Diener, Cäsar, Arsene), sich mit Cäsar auszusöhnen, trennt sich von Pharnaces, lehnt das Königtum seiner Tochter ab, verzichtet auf Flucht und tötet sich selbst.
Die Motive Catos: Arsene spricht bewundernd von seiner Standhaftigkeit und Gleichgesinntheit. Cato selbst nennt seine Unverzagtheit in der Not als Motiv seines Ausharrens und spricht damit die Gottschedsche Regel zum Verhalten in Unglücksfällen aus, fühlt sich getrieben, Arsene zu beschützen, was den Pflichten gegenüber seinen Mitmenschen entspricht; Catos Lust ist in Jammer und Verdruss verkehrt, als er erfährt dass seine Tochter Königin ist, was sie als Römerin nicht sein darf: Abscheu und Unlust gegenüber der Untugend. Ihn rührt nichts als Recht und Billigkeit. Cato ist zunächst voll Hoffnung. Später ist er voll Scham und fast verzweiflungsvoll, weil er den Großmut Cäsars nicht leugnen kann. Am Ende hat er keine Hoffnung, den Endzweck zu ereichen, er empfindet Gram, ohne Angst und ein schlechtes Gewissen zu fühlen, ohne sich eines Lasters bewusst zu sein: Er interpretiert seinen Zustand also als Unglück ohne eigenes Verschulden. Er spricht trotz seiner Absicht sich zu töten von Hoffnung, da er wie Gottsched an sein Weiterleben nach dem Tode glaubt. Er ist nach Aussage seiner Tochter ein zärtlicher Vater, voller Güte und "gelind". Phenice, Arsenes Dienerin, bezeichnet ihn jedoch als streng, hart und mitleidlos, weil er dem Unglück nicht weicht. Er zweifelt am Ende an seiner Tat, beruft sich aber auf die allgemeinmenschliche Schwäche, die auch den Besten vom Tugendpfade wanken lässt.
Catos Äußerungen über Tugend und Affekte entsprechen völlig den zu Anfang dargelegten Prinzipien von Gottscheds. Sie finden sich vor allem in der 5. Handlung, 1. Auftritt, in dem Cato gelegentlich der Lektüre von Platon (Phaidon) über den Tod meditiert, der Diskussion mit Phocas über Laster und Tugend, Aberglaube und Vernunftmoral in der 1. Handlung, 4. Auftritt, vor allem aber in dem den Mittel- und Höhepunkt des Dramas bildenden Dialog zwischen Cato und Cäsar in der 3. Handlung, 3. Auftritt.
Zusammenfassend kann gesagt werden:
1. Cato lehnt Laster als Mittel der Tugend ab. 2. Cato stellt die Tugend über das Leben.
3. Cato richtet sich nur nach dem von der Natur eingepflanzten Vernunfttrieb zur Tugend, glaubt an die Macht und den letztendlichen Sieg der Tugend. Sein unentschuldbarer letzter Akt stellt diese Lehre in Frage.
4. Cato lehnt als Bürger und republikanischer Staatsmann Tyrannendienste ab.
5. Cato analysiert die Tyrannenherrschaft kritisch als Ausdruck von Lastern: Machtstreben, List, Wut, Verstellung, Laster, Schuld, Grausamkeit, Verbrechen, Verführung und Ehrsucht. Das wird in der Darstellung des Charakters Cäsars nicht plausibel.
6. Er weiß, dass der Geist unsterblich ist, dass Gott die Tugend belohnen wird, auch wenn "hier auf Erden" die Tyrannen herrschen.
7. Er glaubt an die Macht des Schicksals, aber nicht als die höchste Macht und weist solche Auffassungen schroff ab, glaubt vielmehr unverzagt an die langfristige Überlegenheit der Tugend.
Von Gottscheds Moraltheorie weicht allein ab, dass er meint, sich selbst töten zu dürfen und es dann auch tut, und dass er keine Einigung mit Cäsar sucht, obwohl er sogar in dessen Großmut eine Tugend erkennt und die teilweise Berechtigung seiner Siege anerkennen muss.
Seiner unglücklichen Lage entspräche die Geduld, die Unverzagtheit. Diese besitzt er am Ende nicht mehr. Er grämt sich - hat also sein Vertrauen in Gottes Lenkung verloren und ist gewissermaßen an seinem eigenen Tugendideal irregeworden. Eigensinn ist vielleicht im Spiel: Er stellt sein eigenes Wähnen über die Sicherheit der Vernunft, findet keinen Ausweg und verzweifelt. Der Tod erscheint ihm als letztes Mittel, dem Laster zu entgehen, als ob das Leiden unter einer Tyrannei Untugend wäre.
Cäsar, der alle seine Gegner bis auf Cato besiegt hat, kommt nach Utica, um die Hand Arsenes zu gewinnen, die ihre Liebe zu ihm jedoch verliert, und Cato Frieden und gemeinsame Herrschaft anzubieten. Den Antrag des Pharnaces, ihm durch die Tötung Catos zu dienen, weist er empört zurück und warnt Cato. Auch nach dem Scheitern seines Versuches, Catos Freundschaft oder sein Nachgeben zu erreichen, bewundert er weiter seinen Charakter.
In der Handlung kommt schon zum Ausdruck, dass Cäsar als Erfolgsmensch dargestellt wird, dem außerdem die alten Fürstentugenden der Milde und des Großmutes eigen sind. Mit dem Erfolg steht er in Kontrast zu Cato, seine Milde könnte der Grund für ein Einlenken Catos sein, das dieser jedoch abweist.
Motive Cäsars: Durchgängig wird von Cäsar selbst und anderen das Streben nach Ehre besonders hervorgehoben. Daneben wird sein Heldenmut, edles Tun, etc..
Cäsar selbst bezeichnet sich als wahrheitsliebend und ohne Verstellung, freut sich nicht an der Furcht, sondern an der Liebe der Menschen, wie es der rechte Staatsmann nach Gottsched soll, lehnt Rachgier, Blutvergießen ab, empfindet daran nicht wie Pharnaces Freude. Pharnaces unterstellt ihm seinem eigenen Charakter gemäß Machtstreben, Ehrsucht und Lasterhaftigkeit. Cäsar interpretiert sein eigenes Verhalten als unverstandenes Streben nach Gerechtigkeit für sich selbst, wozu ihm der Krieg als Mittel diente. Im Gespräch mit Cato spricht er von seinem Friedenswillen, Gerechtigkeitsstreben, Wunsch glücklich zu machen. Gegenüber Pharnaces lehnt er Hinterlist u. Bosheit, Freveltaten und List ab.
Cato charakterisiert seine Motive natürlich anders als Cäsar selbst: Er spricht von Tyrannei, Schande, Laster, Verwegenheit und List, Lust an den "Tränen", Wut, Ungerechtigkeit, Falschheit, Rachgier, List und Ränke, Herrschsucht und Ehrsucht. Cäsar sei "der tollen Ehrsucht Knecht". Cäsar orientiert sich vor allem am Ratschluss der Götter, also am Glück, das ihm bis jetzt günstig war. Er kennt aber dessen Wandelbarkeit und sucht daher den langfristigen Erfolg. Er orientiert sich auch an der Natur der Sache, wie Gottsched es fordert, aber nicht an ihrem abstrakten Tugendwert, wie Cato dies tut, obwohl beide Positionen nach Gottscheds Theorie zum selben Ergebnis führen müssten.
Cäsars Charakter wird am deutlichsten in seiner Antwort auf Pharnaces:
Wie frech erkühnst du dich, durch solche Freveltaten
Die Bosheit deiner Brust vor Cäsarn zu verraten?
Pharnaz, du denkst wohl nicht, dass ich ein Römer bin!
Ich hasse den Betrug! Kein schändlicher Gewinn Offenheit
kann mein gesetztes Herz zur Hinterlist bewegen, Standhaftigkeit
Und soll ich heute noch den Zepter niederlegen. Konsequenz
Geh, schäme dich ins Herz, dass du ein König bist Ehrgefühl
Und zum Verräter wirst. Mein Schwert braucht keine List! Wahrheitsliebe
Die Götter haben mir bisher den Sieg verliehen: Schicksalsglaube
Soll ich vor Utica zuletzt den kürzern ziehen,
Wohlan, ich bin bereit und weiche dem Geschick
Und geb dem Cato selbst die Freiheit Roms zurück!
Du aber sieh dich für, dass die Verrätereien, Erfolgsorientierung
Womit du schwanger gehst, dir selber wohl gedeihen. (Z. 1031 ff.)
3. 3. Weitere Werke
- 1725/26 Die vernünftigen Tadlerinnen
- 1727 /28 Der Biedermann
- 1729 Grundriss zur vernunftmäßigen Redekunst
- 1730 Versuch einer Critischen Dichtkunst
- 1733 – 34 Erste Gründe der gesamten Weltweisheit, darinnen solle philosophische Wissenschaften in ihrer natürlichen Verknüpfung in zween Teilen abgehandelt werden
- 1732 – 44 Beyträge zur Critischen Historie der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit
- 1736 Ausführliche Redekunst
- 1744/48 Grundlegung der deutschen Sprachkunst
- 1740 – 45 Atalanta; Agis, der König zu Sparta; Die parisische Bluthochzeit; Die Opern; Deutsche Schaubühne nach den Regeln und Exempeln der Alten
- 1745 – 54 Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften und freien Künste
- 1748 Grundlegung einer deutschen Sprachkunst
- 1750 Neueste Gedichte
- 1757 – 65 Nötiger Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst[9]
4. Schluss
Zusammenfassend kann man sagen, dass Johann Christoph Gottsched ein sehr vielseitiger Mensch war. Er war Dramatiker, Bühnenreformer, Dramentheoretiker und Professor der Poesie, Logik und Metaphysik in einem. Er führte einen ständigen Kampf gegen die Verderbnis der Bühne und errang dabei auch Erfolg. Gottscheds Wirken sind weitgehend in Vergessen geraten. Oft wurde er kritisiert von anderen Aufklärern und hatte viele Feinde. Ohne ihn hätte wohl die Literaturgeschichte ganz anders ausgesehen. Er wertete den Schauspielerberuf sehr auf, sodass auch deutsche Schauspieler genauso angesehen waren wie italienische oder französische.
Das Buch hat mir wirklich gut gefallen, obwohl mir der Schreibstil der Aufklärung etwas missfällt. Ich möchte hiermit das Buch sehr empfehlen, weil es mich sehr zum Nachdenken angeregt hat.
[...]
[1] Informationen für seine Biographie größtenteils aus: Lexikon THEATER International, Seite 336 Deutsche Bibliographische Enzyklopädie, Band 4, Seite 111 ff. Brockhaus - Die Enzyklopädie, Band 9, Seite 16 ff. Metzlers Autoren Lexikon, Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller, Metzler 1994, Seite 268 ff.
[2] Kindlers Neues Literatur Lexikon, 1998 by Kindler Verlag GmbH München, Band 6, Seite 726, Spalte 2, von M. Schm.
[3] Kindlers Neues Literatur Lexikon, Band 6, Seite 726, Spalte 1
[4] Lexikon THEATER International, Seite, 633 ff.
[5] www.mdr.de/geschichte/personen/117321.html
[6] Lessing: Briefe, die neueste Literatur betreffend, Briefwechsel über das Trauerspiel (mit Mendelssohn und Nicolai; hg. Schulte-Sasse); http://www.deutsch-digital.de/daten/literaturarchiv/28.4.doc
[7] zitiert von dem Titelblatt aus dem Buch „Sterbender Cato“ von 1732 erschienen 2002 in Stuttgart als Bibliographisch ergänzte Ausgabe
[8] Kindlers Neues Literatur Lexikon (1998 in München), Band 6, Seite 726, Spalte 1
[9] Zeittafel aus dem „Sterbender Cato“ von Johann Christoph Gottsched, S.89 ff.
- Arbeit zitieren
- Maxi Kraft (Autor:in), 2003, Gottsched, Johann Christoph - Sterbender Cato, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108501