In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden durch das Bevölkerungswachstum und die Industrialisierung die materiellen Voraussetzungen für ein machtpolitisches Ausgreifen der USA über die kontinentalen Grenzen erreicht. Es kam auch zum Krieg mit Spanien um die Hegemonie in Mittelamerika. Das Bruttosozialprodukt stieg rasch an und die USA entwickelten sich zu einer bedeutenden Industriemacht. Der Flottenausbau etablierte die USA auch als eine der großen Seemächte. Auch in der alten Welt versuchte die amerikanische Diplomatie ihren Einfluß zu vergrößern. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges hatte ein „American Empire“ Konturen angenommen: Mit einer Kolonie (Philipinen), mit Territorien unter US-Gouverneuren, mit Flottenstützpunkten und Protektoraten, sowie Staaten, deren Politik wesentlich von US-Konzernen kontrolliert wurden. Im Ersten Weltkrieg konnte die ursprünglich angestrebte Neutralität nicht erhalten werden. Der Krieg trug zum Exportaufschwung bei und damit zur Überwindung der Rezession von 1913. Blokademaßnahmen der Mittelmächte durch England, Waffentransporte durch amerikanische Schiffe, der U-Bootkrieg durch das Deutsche Reich und diplomatische Verwicklungen führten zum Kriegseintritt der USA. 4.9 Mio Amerkaner wurden zu den Waffen gerufen. Der Kriegsausgang ist bekannt. 1920 erhielt der Vertrag von Versailles im Senat nicht die nötige Zweidrittel-Mehrheit. Die USA blieben deshalb dem Völkerbund fern. 1921 wurde mit Deutschland ein separater Friedensvertrag geschlossen. 1923 verließen die letzten US-Besatzungssoldaten das Rheinland. Die USA waren unter Wilsons Führung die wahren Sieger des Ersten Weltkrieges und stiegen zur Weltmacht auf.
1. Vorgeschichte
In den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts schufen das Bevölkerungswachstum und die fortschreitende Industrialisierung die materiellen Voraussetzungen für ein machtpolitisches Ausgreifen der USA über die kontinentalen Grenzen hinaus. Gleichzeitig setzte sich unter dem Eindruck periodisch auftretender Wirtschaftskrisen die Auffassung durch, dass ökonomische Prosperität auch von der Eroberung und Sicherung überseeischer Märkte abhängig wäre.
Zwischen 1865 und der Jahrhundertwende hatte sich die amerikanische Bevölkerungszahl um mehr als das Doppelte von rund 37 Millionen auf 76 Millionen vergrößert. 1915 erreichte sie die 100Millionen-Grenze. Hinter dieser Dynamik blieben die großen Staaten Europas zurück, beispielsweise stieg Deutschlands Bevölkerung von 1870 bis 1914 von 40 auf 70 Millionen. Einen wesentlichen Beitrag zum Bevölkerungswachstum der USA leistete die Einwanderung. Im Zeitraum von 1870 bis 1914 nahmen die USA 25 Millionen Menschen in einer der „größten Wanderbewegungen der Weltgeschichte“[1] auf.
Das amerikanische Bruttosozialprodukt stieg in raschem Tempo und der Gesamtexport machte im Jahre 1900 schon 30% der Produktion aus, obwohl dabei Konkurrenten wie Großbritannien, Deutschland, Russland und Japan die amerikanischen Interessen bedrohten. Der Aufstieg der USA zur Industriemacht veränderte auch die Weltlage. In Verkehrung der Monroe-Doktrin „Amerika den Amerikanern“ von 1823, strebten die USA seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aktiv die Vorherrschaft auf dem amerikanischen Doppelkontinent an. Mit dem Argument amerikanische Interessen schützen zu müssen, kam es 1898 zum Krieg zwischen den USA und Spanien um die Hegemonie über Mittelamerika und den karibischen Raum.
Mit dem Sieg der USA wurde Kuba US-amerikanisches Protektorat. Die USA sicherten sich in der Folge mehrere Territorien u.a. die Hawaii-Inseln, dessen bedeutender Hafen Pearl Harbor ein ideales Sprungbrett nach Asien bot. Auch gegenüber Mexiko kam es 1914 und 1916 zu militärischen Interventionen. 1914 wurde der 82 km lange Panamakanal unter amerikanischer Leitung und mit amerikanischer Finanzierung nach 8-jähriger Bauzeit fertiggestellt und von Präsident Wilson feierlich eröffnet. Der Kanal verkürzte den Seeweg von der Ost- zur Westküste der USA um ca. 8000 Seemeilen, was große wirtschaftliche, und auch militär-strategische Bedeutung hatte.[2]
Inzwischen war der Flottenausbau rasch vorangetrieben worden, sodass die USA seit 1907 an zweiter Stelle der Seemächte standen. Sie trachteten Aktionen anderer Mächte zu verhindern, die der Monroe-Doktrin entgegenstanden und reagierten darauf besonders empfindsam. Im Kern enthielt Präsident James Monroes Botschaft von 1823 auch eine Warnung an die europäischen Mächte und Russland, dass die Vereinigten Staaten jegliche Rekolonisierung oder den Erwerb neuer Kolonien in Amerika als Gefahr für ihre eigene Sicherheit betrachten würden Das erfuhren Engländer, Deutsche und Italiener, als sie 1902 die Regierung von Venezuela, die den Staatsbankrott erklärt hatte, durch eine gemeinsame Flottenexpedition zur Anerkennung ihrer Schulden zwingen wollte.
Vor Theodore Roosevelts Drohung, notfalls die Flotte einzusetzen, wichen sie zurück und fanden sich mit einem Schiedsgericht ab. Diese Aktion bzw. Krise belastete vorübergehend die Beziehungen der USA zu den europäischen Mächten. Roosevelt verkündete 1904 eine sogenannte „Ergänzung“ ('corollary)[3] zur Monroe-Doktrin. Sie warnte lateinamerikanische Regierungen durch Fehlverhalten Situationen heraufzubeschwören, die europäische Mächte zum Eingreifen veranlassen könnten. Bei offenkundiger Unfähigkeit der Verantwortlichen würden sich die USA gezwungen sehen, die Aufgaben einer „internationalen Polizeimacht“ (internationalpolice power) auszuüben und für Ordnung, Stabilität und Sicherheit zu sorgen. Eine Rolle, die gerade in der letzten Zeit durch den umstrittenen IRAK-Krieg wieder deutlich geworden ist.
Ein weiter Schwerpunkt der amerikanischen Außenpolitik vor dem ersten Weltkrieg bildete Ostasien, wo sich die Großmächte seit dem japanisch-chinesischen Krieg von 1895, das zerfallende China in Interessensphären aufteilten und die USA Gefahr liefen, ins Hintertreffen zu gelangen, weil die Amerikaner von den Japanern als Störenfriede in Asien betrachtetet wurden. Die Amerikaner misstrauten den japanischen Absichten in China und unterstützten deswegen ab 1911, als die Revolution ausbrach, die national chinesischen Kräfte gegen die Japaner.
Auch in der „Alten Welt“, deren Atmosphäre sich durch Rüstungswettläufe und Koalitionsbildungen immer gefährlicher auflud, versuchte die amerikanische Diplomatie ihren Einfluss zu vergrößern. Es wurde deutlich, dass die europäischen Mächte mit einem neuen Akteur auf der politischen Bühne zu rechnen hatten. Die USA verschlossen sich allerdings dem Freundschaftswerben des deutschen Kaisers, weil sie weder in Europa noch in Asien in eine Frontstellung mit England geraten wollten. Statt dessen traten sie als „Apostel des Friedens“[4] und Repräsentanten einer neuen Epoche der internationalen Zusammenarbeit auf. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges, hatte ein „American Empire“ Konturen angenommen, nicht als Kolonialreich im herkömmlichen Sinne, sondern als weltweites System verschiedener Rechtstitel und abgestufter Einflussmöglichkeiten. Neben der einzigen
- „echten“ Kolonie, den Philippinen - deren Einwohnern 1916 die Unabhängigkeit in Aussicht gestellt wurde - gehörten hiezu:
- Territorien mit U.S.-Gouverneuren (Puerto Rico, Hawaii),
- Flottenstützpunkte auf dem Weg nach Asien (Samoa, Guam, Midway u.a. Pazifikinseln),
- Protektorate, in denen der U.S.-Botschafter wie ein Statthalter residierte (Kuba, Panama, Dominikanische Republik, Haiti, Nicaragua) und
- Staaten, deren Politik weitgehend von U.S.-Konzernen kontrolliert wurde (Costa Rica und Honduras von der United Fruit Co. und das afrikanische Liberia vom KautschukProduzenten Firestone).
Die meisten Staaten Mittel- und Südamerikas waren inzwischen schon so stark auf den nordamerikanischen Markt ausgerichtet, dass sich auch ihr politischer Handlungsspielraum immer weiter verringerte.
In der westlichen Hemisphäre übten die USA also bereits eine Hegemonie aus, und in Europa und Südostasien machte sich ihr Gewicht immer stärker bemerkbar.[5]
2. Der Erste Weltkrieg
Wie seine Vorgänger war auch Präsident Thomas Woodrow Wilson (1856-1924, 28. Präsident der USA von 1913-1921) bemüht, den Außenhandel der Vereinigten Staaten auszudehnen. Da sich gerade seit der Zeit seines Amtsantrittes eine beunruhigende wirtschaftliche Rezession ausbreitete, war dieses Anliegen besonders dringend geworden. Andererseits wünschte Wilson, dass sich die amerikanische Nation unter seiner Führung mit dem ganzen Gewicht ihres Ansehens für Weltfrieden, Rüstungsbeschränkung und schiedsgerichtliche Lösung politischer Konflikte einsetzte. Er war indessen vor allem mit innenpolitischen Problemen beschäftigt, als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Er unternahm alles, um den USA die Neutralität zu erhalten. Auf die Dauer erwies sich das allerdings als unmöglich. Die amerikanische Industrie stellte sich sehr rasch auf den Kriegsbedarf Englands und Frankreichs ein; sie lieferte Kriegsmaterial und Nahrungsmittel in stetig zunehmenden Mengen. Dieser Exportaufschwung trug entscheidend zur Überwindung der Wirtschaftsrezession von 1913 bei. Dies war begleitet von einem Rückgang des Handelsverkehrs mit den Mittelmächten. Bis zum Frühjahr 1917 hatten die amerikanischen Banken den Alliierten bereits 2,3 Milliarden Dollar an Krediten gewährt.[6]
Das Problem der USA und ihres folgenden Kriegseintrittes, hatte nicht nur eine ökonomische Seite: Die politischen und moralischen Faktoren spielten ebenfalls eine bedeutende Rolle. Seit dem Ausbrechen der Feindseligkeiten hat das amerikanische Volk leidenschaftlichen Anteil an den Geschehnissen in Europa genommen. Das Mitgefühl mit dem schweren Los Frankreichs und Belgiens war weit verbreitet. Das rücksichtslose Vorgehen der deutschen Heeresleitung und die Überheblichkeit der deutschen Politiker ließen einen möglichen Sieg der Mittelmächte als Gefahr für die nationale Sicherheit der USA erscheinen.[7]
Englische Blockademaßnahmen sollten die Mittelmächte von den Weltmeeren abschnüren während gleichzeitig amerikanische Transporter alles nach England trugen, was zur Fortführung des Kampfes erforderlich war. Auf die Blockade antwortete Deutschland mit dem U-Boot-Krieg.
Eine Welle des Schreckens und der Empörung wurde durch die Versenkung der „Lusitania“ im Frühjahr 1915 ausgelöst. Das deutsche U-Boot U20 traf am 7. Mai 1915 an der irischen NO-Küste auf dieses 32 000 t große englische Passagierschiff der Cunard-Line und versenkte es mit einem einzigen Torpedoschuss. Das Schiff hatte nicht nur 1959 Passagiere, sondern auch Gewehr-Munition für England an Bord. Nur rund ein Drittel der Menschen konnte gerettet werden. Unter den 1198 Toten befanden sich auch 128 Amerikaner.[8]
Die Nachricht von der Versenkung löste antideutsche Demonstrationen in den USA aus.
Der ehemalige Präsident Theodore Roosevelt, der einst als Deutschenfreund galt, forderte nun den Kriegseintritt gegen Deutschland.
Präsident Wilson protestierte in schärfster Form und berief sich dabei auf das Recht der Bürger neutraler Staaten, auch die Passagierschiffe kriegführenden Staaten benutzen zu dürfen. Die deutsche Regierung wies den Protest mit der Begründung zurück, dass die Lusitania Munition an Bord hatte (das hatten die Deutschen über Geheimdienstermittlungen erfahren) und daher für die deutsche Marine als Kriegsschiff zu gelten hatte.
Daraufhin trat der amerikanische Außenminister William Lennings Bryan zurück, weil er meinte, dass durch die ultimativen Protestnoten Wilsons die USA in einen Krieg verwickelt werden könnten. Nach Bryans Meinung hatten die Deutschen ein Recht zu verhindern, dass seinen Feinden Kriegsmaterial geliefert wird. Wenn solche Schiffe Passagiere an Bord nehmen in der Hoffnung, dass sie dann nicht angegriffen würden, so sei das mit einer Armee zu vergleichen, die zu ihrem Schutze Frauen vor sich herführe.[9] Die Mehrheit der Bevölkerung war immer noch gegen einen Kriegseintritt. Wilson verfocht nach wie vor die strikte Aufrechterhaltung der selbstdefinierten amerikanischen Neutralitätsrechte, nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch gegenüber England.
Im Interesse der freien amerikanischen Schifffahrt wandte er sich ebenso scharf gegen die englischen Blockademaßnahmen wie gegen die deutschen U-Boot-Angriffe auf Handelsschiffe. Die engsten Berater Wilsons vertraten fast ausschließlich proenglische Argumente. Nachdem es als Folge der Lusitania-Krise am 4. Mai 1916 zu einer Abmachung des deutschen Reiches mit den USA bezüglich Einschränkung des U-Boot-Krieges gekommen war, desavouierte das Deutsche Reich diese Regelung zu Beginn des Jahres 1917 mit der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges. In Berlin setzten sich um diese Zeit die Befürworter eines „Siegfriedens“ durch, die glaubten, Großbritannien durch den U-Boot-Krieg in die Knie zwingen zu können, bevor die USA überhaupt in der Lage wären, militärisch wirksam zu intervenieren.[10] Diese Annahme sollte sich letztlich als kriegsentscheidender Irrtum erweisen. Die Versenkung amerikanischer Schiffe und die Affäre um die Depesche des deutschen Staatssekretärs des Äußeren Arthur Zimmermann, die vom englischen Geheimdienst abgefangen und entschlüsselt werden konnte (Versuch, Mexiko zu einem Bündnis gegen die USA zu bewegen, in das auch Japan einbezogen werden sollte) waren die auslösenden Faktoren für die Entscheidung der USA zur Kriegserklärung an Deutschland.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus: Current, Richard u.a.: American History. A Survey. -New York 1965, S. 664.
Am 2. April 1917 rief Wilson den Kongress zur Entscheidung über den Krieg gegen Deutschland zusammen. Wilson begründete seinen Antrag mit deutschen Rechtsbrüchen sowie mit der Gefährdung des Handels und der Sicherheit der USA. Gleichzeitig gab er eine moralische Rechtfertigung, indem er den Krieg zum “Kreuzzug für die Demokratie“ und zum „war to end all wars“ machte.[11] Er sprach:
„It is a fearful thing to lead this greate peacefull people into warBut the right is more precious than peace, and we shall fight for the things which we have always carried nearest our hearts.. .for a universal dominion of right by such a concert of free peoples as shall bring peace and safety to all nations and make the world itself at last free”.[12]
Vier Tage später stimmte der Kongress der Kriegserklärung zu und der Präsident unterzeichnete sie. So schwer sich die Amerikaner mit der Entscheidung für den Krieg getan hatten, so intensiv und verbissen mobilisierten sie nun ihre großen menschlichen und materiellen Ressourcen. Obwohl sich Hunderttausende freiwillig zum Militär meldeten, wurde im Mai 1917 die Wehrpflicht durch den „Selective Service Act“ eingeführt, die insgesamt 9,6 Millionen Amerikaner zwischen 18 und 45 Jahren erfasste. 4,9 Millionen von ihnen wurden rekrutiert.[13] In Frankreich kamen zwei Millionen Amerikaner zum Einsatz, davon ca. 400 000 Schwarze, die aber strikt getrennt blieben und hauptsächlich für Arbeiten hinter der Front eingesetzt wurden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus: Current, Richard u.a.: American History. A Survey. -New York 1965, S. 666.
Frauen taten freiwillig Dienst als Krankenschwestern im U.S. Nurse Corps und als Schreibkräfte oder Technikerinnen bei der U.S. Navy und im U.S. Army Signal Corps. Als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen (conscientious objectors) wurden lediglich 4000 Amerikaner anerkannt.
Die ökonomische Mobilisierung fiel relativ leicht, weil die amerikanische Wirtschaft über genügend Produktionsreserven verfügte, um sowohl den militärischen Bedarf, als auch den zivilen Konsum zu befriedigen. Unter Einschluss der Lieferungen an die Verbündeten entfiel selbst auf dem Höhepunkt der Anstrengungen nur ein Viertel der Gesamtproduktion auf die Kriegsführung. Von einer Zwangs- oder Mangelwirtschaft wie sie die meisten Europäer erfuhren, war man in den USA also weit entfernt.
Obwohl die wirtschaftliche Mobilisierung keineswegs reibungslos vor sich ging (Fehlplanungen, Kompetenzstreitigkeiten, Koordinationsmängel), erzielten die Amerikaner innerhalb kurzer Zeit eine beeindruckende volkswirtschaftliche Leistung. Sie finanzierten nicht nur ihre eigenen Kriegsanstrengungen, sondern zum Großteil auch die ihrer europäischen Verbündeten, denn in den 33.5 Milliarden Dollar Gesamtausgaben waren 7 Milliarden Kriegskredite enthalten.
Zwei Drittel der Kriegskosten wurden durch Steuern aufgebracht, der Rest durch die Ausgabe von Kriegsanleihen, die als Liberty Bonds noch zusätzliche Propagandawirkung entfalteten. Die Preise stiegen allerdings kräftig und die Lebenshaltungskosten waren 1918 fast doppelt so hoch, wie 1913. Das Bruttosozialprodukt stieg von 40 auf 90 Milliarden, inflationsbereinigt von 40 auf 50 Milliarden Dollar.
Zu den Schattenseiten der nationalen Kraftanstrengung gehörten die Einschränkung von Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit, die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsgegnern und die Diffamierung ganzer Bevölkerungsgruppen (z.B. Deutschstämmige und Iren).[14]
- Auf dem Kriegsschauplatz
Zunächst konnte mit Hilfe des Konvoisystems eine wirtschaftliche Abschnürung Englands verhindert werden. Ein Schiffskonvoi in geschlossener Formation unter Begleitschutz von Zerstörern und kleinen Kreuzern konnte der U-Bootgefahr am Wirksamsten begegnen. Überdies steigert die amerikanische Teilnahme an der Blockade den ökonomischen Druck auf die Mittelmächte.
Nahezu unbehindert von U-Booten trafen die ersten Truppen der Amerikan Expeditionary Force (AEF) unter General John J. Pershing im Herbst 1917 in Frankreich ein.
Noch bevor sie in die Kämpfe eingreifen konnten, verkündete Präsident Wilson vor dem Kongress die amerikanischen Kriegsziele, die er in den berühmten „14 Punkten“ zusammenfasste. Die wichtigsten davon betrafen: Die Freiheit der Meere und den unbehinderten Welthandel, die Begrenzung der Rüstungen; die Rückgabe der von den Mittelmächten besetzten Gebiete und die Verwirklichung des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung; die Gründung eines „Völkerbundes“ (League of Nations) der dafür sorgen sollte, dass eventuelle Konflikte gewaltfrei gelöst würden. Wie wir heute wissen waren das gute Vorsätze, die zum Großteil nicht wirksam in die Realität umgesetzt werden konnten. Auf den Schlachtfeldern Frankreichs gewann der amerikanische Einsatz an Menschen und Material ab Frühjahr 1918 ausschlaggebende Bedeutung: Nach dem russischen Separatfrieden von Brest-Litowsk schien sich die Balance zugunsten der Mittelmächte zu neigen.
Mit Hilfe der amerikanischen Truppen konnte die deutsche Schlussoffensive Westen im Juni 1918 zum Stehen gebracht und in der Folge die gegnerischen Armeen zurückgedrängt werden. Anfang September griff Pershing mit seiner Armee das abgekämpfte deutsche Westheer an. Sie zerschlug den Frontbogen bei St. Mihiel, durchstieß die Argonnen und stand vor Sedan, als das deutsche Reich am 11.November 1918 im Wald von Compiegne um Waffenstillstand ersuchte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Krieg die Vereinigten Staaten rund 113 000 Gefallene (zur Hälfte Seuchentote), 220 000 Verwundete und 22 Milliarden Dollar gekostet.
Am 28. Juni 1919 wurden die Verträge von Versailles unterzeichnet. Bei der Schlussabstimmung im Senat im März 1920 verfehlte der Versailler Vertrag knapp die notwendige Zweidrittel-Ratifizierungsmehrheit. Die USA blieben deshalb dem Völkerbund fern und nahmen auch die Sicherheitsgarantie zurück, die Wilson Frankreich auf der Friedenskonferenz gegeben hatte. 1921 wurde eine separater Frieden mit dem Deutschen Reich geschlossen. 1923 verließen die letzten amerikanischen Besatzungstruppen das Rheinland.
Wilson erhielt den Friedensnobelpreis, doch sah er sein Lebenswerk durch die Niederlage in der Abstimmungsdebatte als zerstört an, obwohl die USA unter seiner Führung die wahren Sieger des Ersten Weltkrieges waren und zur Weltmacht aufstiegen. Die Idee der kollektiven Sicherheit, die mit Wilsons Namen verbunden bleibt, wurde im zweiten Weltkrieg unter geänderten Umständen erneut aufgegriffen.[15]
Literaturverzeichnis
- Current, Richard u.a.: American History. A Survey. -New York 1965.
- Dahms, Hellmuth Günther: Grundzüge der Geschichte der Vereinigten Staaten. 2. Aufl. -Darmstadt 1991.
- Guggisberg, Hans R.: Geschichte der USA. 4. Aufl.-Stuttgart 2002.
- Heideking, Jürgen: Geschichte der USA.- 3.Auflage.-Basel, -Tübingen 2003.
- Landauer Carl: Sozial-und Wirtschaftsgeschichte der vereinigten Staaten von Amerika.- Stuttgart 1981.
- Mason, John: Makers of History.-London 1980.
-eutsche Ausgabe: Kaiser, Hans (Hg.): Gestalter der Geschichte.-Klagenfurt 1991.
- Sautter, Udo: Die Vereinigten Staaten. Daten, Fakten, Dokumente. -Basel,-Tübingen 2000.
- Koerner, Peter: Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Bd. 2, Trommelfeuer und Massenangriffe. München 1969 (Heyne Dokumentation, Bd. HD 2).
- Koerner, Peter: Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Bd. 3, Kriegswende und Kriegsende.- München 1969 (Heyne Dokumentation, Bd. HD 3).
- Koerner, Peter: Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Bd.4, Der Krieg zur See. -München 1969 (Heyne Dokumentation, Bd. HD 4).
- Vidal-Naquet, Pierre/Bertin, Jacques: Historischer Bildatlas. Daten und Fakten der Weltgeschichte.- München 1991.
- Zentner, Christian: der große Bildatlas zur Weltgeschichte.-München 1982.
- Zierer, Otto: Kleine Geschichte großer Nationen, -Berlin, -Darmstadt,-Wien 1976.
[...]
[1] Heideking, Jürgen: Geschichte der USA. 3. Aufl.-Tübingen 2003. S. 227.
[2] Ebd., S.238.
[3] Heideking, Jürgen: Geschichte der USA.- 3.Auflage.-Basel, -Tübingen 2003. S.239.
[4] Ebda. S.243. Vergl.auch: Guggisberg, Hans R.: Geschichte der USA. 4. Aufl.-Stuttgart 2002, S.159-167.
[5]. Heideking, Jürgen: Geschichte der USA.- 3.Aufl..-Basel, -Tübingen 2003. S. 243-244. Vergl.auch:
Guggisberg, Hans R.: Geschichte der USA. 4. Aufl.-Stuttgart 2002, S. 162-167.
[6] Guggisber, Hans R.: Geschichte der USA. 4. Aufl.-Stuttgart 2002, S.168.
[7] Ebd., S. 167-168.
[8] Current, Richard u.a.: American History. A Survey. -New York 1965, S.653- 654.
[9] Current, Richard u. a.: American History. A Survey. -New York 1965, S. 654. Vergl. auch: Chronik des 20. Jahrhunderts, S.185.
[10] Heideking, Jürgen: Geschichte der USA.- 3.Aufl..-Basel, -Tübingen 2003. S. 263.
[11] Heideking, Jürgen: Geschichte der USA.- 3.Aufl..-Basel, -Tübingen 2003. S. 264.
[12] Current, Richard u.a.: American History. A Survey. -New York 1965, 657.
[13] Dahms, Hellmuth Günther: Grundzüge der Geschichte der Vereinigten Staaten.2. Aufl. -Darmstadt 1991, S.130.Vergl.auch: Heideking: Geschichte der USA, S. 265
[14] Heideking, Jürgen: Geschichte der USA.- 3.Aufl..-Basel, -Tübingen 2003, S. 265-267.
Häufig gestellte Fragen
1. Was sind die Voraussetzungen für das machtpolitische Ausgreifen der USA über die kontinentalen Grenzen hinaus im späten 19. Jahrhundert?
Bevölkerungswachstum und fortschreitende Industrialisierung schufen die materiellen Voraussetzungen. Zudem setzte sich die Auffassung durch, dass ökonomische Prosperität von der Eroberung und Sicherung überseeischer Märkte abhängig sei.
2. Wie entwickelte sich die Bevölkerung der USA zwischen 1865 und 1915?
Die Bevölkerungszahl vergrößerte sich von rund 37 Millionen (1865) auf 76 Millionen (um die Jahrhundertwende) und erreichte 1915 die 100-Millionen-Grenze. Einwanderung trug wesentlich zu diesem Wachstum bei.
3. Welche Rolle spielte der Aufstieg der USA zur Industriemacht in der Weltlage?
Die USA strebten aktiv die Vorherrschaft auf dem amerikanischen Doppelkontinent an und intervenierten, um amerikanische Interessen zu schützen, wie im Krieg gegen Spanien 1898.
4. Welche Gebiete sicherten sich die USA um die Jahrhundertwende?
Kuba wurde US-amerikanisches Protektorat. Die USA sicherten sich mehrere Territorien, darunter die Hawaii-Inseln und intervenierten in Mexiko.
5. Welche Bedeutung hatte der Panamakanal für die USA?
Der Panamakanal verkürzte den Seeweg von der Ost- zur Westküste der USA erheblich und hatte große wirtschaftliche und militärstrategische Bedeutung.
6. Wie reagierten die USA auf Aktionen anderer Mächte in Lateinamerika?
Die USA reagierten empfindsam auf Aktionen, die der Monroe-Doktrin entgegenstanden, und drohten notfalls mit militärischer Intervention, um Ordnung und Stabilität zu gewährleisten ("internationale Polizeimacht").
7. Welchen Schwerpunkt setzte die amerikanische Außenpolitik in Ostasien?
Die USA unterstützten die national chinesischen Kräfte gegen die Japaner, da sie den japanischen Absichten in China misstrauten.
8. Welche Rolle spielten die USA am Vorabend des Ersten Weltkriegs in der europäischen Politik?
Die USA versuchten ihren Einfluss zu vergrößern, verschlossen sich aber dem deutschen Freundschaftswerben, um nicht in eine Frontstellung mit England zu geraten. Sie traten als "Apostel des Friedens" auf.
9. Wie sah das "American Empire" am Vorabend des Ersten Weltkriegs aus?
Es war kein Kolonialreich im herkömmlichen Sinne, sondern ein weltweites System verschiedener Rechtstitel und abgestufter Einflussmöglichkeiten, inklusive Kolonien, Territorien, Flottenstützpunkten und Protektoraten.
10. Welchen Einfluss übten die USA in Mittel- und Südamerika aus?
Die meisten Staaten waren stark auf den nordamerikanischen Markt ausgerichtet, was ihren politischen Handlungsspielraum einschränkte.
11. Wie versuchte Präsident Wilson die Außenhandel der USA zu erweitern?
Wilson war bemüht, den Außenhandel der USA auszudehnen, um die wirtschaftliche Rezession zu überwinden. Gleichzeitig setzte er sich für Weltfrieden, Rüstungsbeschränkung und schiedsgerichtliche Lösung politischer Konflikte ein.
12. Wie veränderten sich die Beziehungen zwischen den USA und den Alliierten während des Ersten Weltkriegs?
Die amerikanische Industrie stellte sich auf den Kriegsbedarf Englands und Frankreichs ein und lieferte Kriegsmaterial und Nahrungsmittel. Amerikanische Banken gewährten den Alliierten Kredite.
13. Welche Rolle spielten politische und moralische Faktoren beim Kriegseintritt der USA?
Das Mitgefühl mit Frankreich und Belgien sowie die Überheblichkeit der deutschen Politik ließen einen Sieg der Mittelmächte als Gefahr für die USA erscheinen.
14. Wie reagierten die USA auf die deutschen U-Boot-Angriffe?
Die Versenkung der "Lusitania" löste eine Welle der Empörung aus. Präsident Wilson protestierte, berief sich auf Neutralitätsrechte, während die deutsche Regierung auf der Munitionsladung des Schiffes bestand.
15. Welche Faktoren führten zur Kriegserklärung der USA an Deutschland?
Die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, die Versenkung amerikanischer Schiffe und die Zimmermann-Depesche waren die auslösenden Faktoren.
16. Wie begründete Präsident Wilson den Kriegseintritt der USA?
Wilson begründete seinen Antrag mit deutschen Rechtsbrüchen, der Gefährdung des Handels und der Sicherheit der USA und machte den Krieg zu einem "Kreuzzug für die Demokratie".
17. Wie mobilisierten die USA ihre Ressourcen für den Krieg?
Durch die Einführung der Wehrpflicht und die Umstellung der Wirtschaft auf den militärischen Bedarf, finanziert durch Steuern und Kriegsanleihen.
18. Welche Einschränkungen gab es im Inland während des Krieges?
Einschränkung der Rede-, Meinungs- und Pressefreiheit, strafrechtliche Verfolgung von Kriegsgegnern und Diffamierung bestimmter Bevölkerungsgruppen.
19. Wie beteiligten sich die USA militärisch am Ersten Weltkrieg?
Durch die Bekämpfung der U-Bootgefahr durch das Konvoisystem und der Entsendung der American Expeditionary Force (AEF) unter General John J. Pershing nach Frankreich.
20. Was waren die "14 Punkte" von Präsident Wilson?
Amerikanische Kriegsziele wie die Freiheit der Meere, die Begrenzung der Rüstungen, die Rückgabe besetzter Gebiete, die nationale Selbstbestimmung und die Gründung eines Völkerbundes.
21. Welchen Einfluss hatten die amerikanischen Truppen auf den Kriegsverlauf?
Die amerikanischen Truppen trugen entscheidend dazu bei, die deutsche Schlussoffensive zu stoppen und die gegnerischen Armeen zurückzudrängen.
22. Welche Konsequenzen hatte der Versailler Vertrag für die USA?
Obwohl Wilson den Friedensnobelpreis erhielt, verfehlte der Versailler Vertrag die Ratifizierung im Senat, was dazu führte, dass die USA dem Völkerbund fernblieben.
- Arbeit zitieren
- Martin Gschwandtner (Autor:in), 2004, Die USA im Ersten Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108596