Nach dem Ende des Ost-West Konfliktes ist der Ruf nach einem Recht, ja sogar der Pflicht der UNO zu humanitären Interventionen in Krisengebieten lauter geworden. Die Vereinten Nationen sahen sich in ihrer Geschichte nun einem gänzlich veränderten Konflikttypus, dem innerstaatlichen Konflikt; und der Herausforderung zur Weiterentwicklung des Konzeptes der Friedenssicherung und deren Durchsetzbarkeit gegenübergestellt.
Politisch ging es um die Frage, ob die internationale Staatengemeinschaft bereit und in der Lage sein würde, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Sozialkatastrophen wie Massensterben durch Hungersnöte, Bürgerkriege, Verelendung etc. wirksam vorzugehen.
Dies impliziert natürlich auch den Gegenstand der Diskussion, inwieweit eine Intervention, also ein direkter Eingriff in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten, völkerrechtlich legitimiert, d.h. mit den Grundprinzipien der Charta der Vereinten Nationen vereinbar ist.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem speziellen Fall der humanitären Intervention der UNO in Somalia ab 1991. Als Unterscheidungsmerkmal zu anderen UN-Blauhelm-Einsätzen, z.B. im Irak oder im ehemaligen Jugoslawien wurden erstmals in der Geschichte Blauhelm-Soldaten ermächtigt, zur Durchsetzung ihres Mandates auch Waffengewalt einzusetzen.
Neben den verschiedenen Phasen des Einsatzes und der Erklärung der doch recht komplizierten Konfliktursachen, soll ein Schwerpunkt der Arbeit auf der Frage liegen, warum es den Vereinten Nationen, bzw. Soldaten der beteiligten Staaten trotz massivem Personal und Truppenpräsents und technisch-logistischem Aufwand nicht gelungen ist, den Bürgerkrieg zu beenden und das Land aus seinen chaotischen Verhältnissen zu befreien.
Es muss geprüft werden, ob es nicht versäumt wurde in der Entstehungsphase des Konfliktes die Mittel der Preventive diplomancy genügend eingesetzt zu haben. Außerdem ob es vertretbar war, das Mandat von einem reinen Peacekeeping-Einsatz, der es am Anfang war, zu einer Peaceenforcement-Operation ( Friedenserzwingung) auszuweiten. Spielten hierbei nationalstaatliche Interessen, explizit genannt der USA, eine Rolle?
Anschließend folgt im letzten Kapitel eine Erklärung der Gründe für das Scheitern der UNO-Mission in Somalia.
Gliederung:
1.Einleitung
2. Das Sicherungssystem der UNO
2.1.Peacekeeping
3. Der Krieg in Somalia
3.1. Vorgeschichte
3.2. Siad Barre
3.3. Die Ära nach Barre
3.4. Die humanitäre Katastrophe
4. Die Intervention - Der UNO-Einsatz in Somalia
4.1. Vorgeschichte
4.2. UNSOM 1
4.3. UNITAF
4.4. UNSOM 2
5. Die Rolle der USA
6. Gründe für das Scheitern des UNO - Einsatzes in Somalia
7. Zusammenfassung
1. Einleitung
Nach dem Ende des Ost-West Konfliktes ist der Ruf nach einem Recht, ja sogar der Pflicht der UNO zu humanitären Interventionen in Krisengebieten lauter geworden. Die Vereinten Nationen sahen sich in ihrer Geschichte nun einem gänzlich veränderten Konflikttypus, dem innerstaatlichen Konflikt; und der Herausforderung zur Weiterentwicklung des Konzeptes der Friedenssicherung und deren Durchsetzbarkeit gegenübergestellt.
Politisch ging es um die Frage, ob die internationale Staatengemeinschaft bereit und in der Lage sein würde, gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Sozialkatastrophen wie Massensterben durch Hungersnöte, Bürgerkriege, Verelendung etc. wirksam vorzugehen.
Dies impliziert natürlich auch den Gegenstand der Diskussion, inwieweit eine Intervention, also ein direkter Eingriff in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten, völkerrechtlich legitimiert, d.h. mit den Grundprinzipien der Charta der Vereinten Nationen vereinbar ist.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem speziellen Fall der humanitären Intervention der UNO in Somalia ab 1991. Als Unterscheidungsmerkmal zu anderen UN-Blauhelm-Einsätzen, z.B. im Irak oder im ehemaligen Jugoslawien wurden erstmals in der Geschichte Blauhelm-Soldaten ermächtigt, zur Durchsetzung ihres Mandates auch Waffengewalt einzusetzen.
Neben den verschiedenen Phasen des Einsatzes und der Erklärung der doch recht komplizierten Konfliktursachen, soll ein Schwerpunkt der Arbeit auf der Frage liegen, warum es den Vereinten Nationen, bzw. Soldaten der beteiligten Staaten trotz massivem Personal und Truppenpräsents und technisch-logistischem Aufwand nicht gelungen ist, den Bürgerkrieg zu beenden und das Land aus seinen chaotischen Verhältnissen zu befreien.
Es muss geprüft werden, ob es nicht versäumt wurde in der Entstehungsphase des Konfliktes die Mittel der Preventive diplomancy genügend eingesetzt zu haben. Außerdem ob es vertretbar war, das Mandat von einem reinen Peacekeeping-Einsatz, der es am Anfang war, zu einer Peaceenforcement-Operation ( Friedenserzwingung) auszuweiten. Spielten hierbei nationalstaatliche Interessen, explizit genannt der USA, eine Rolle?
Anschließend folgt im letzten Kapitel eine Erklärung der Gründe für das Scheitern der UNO-Mission in Somalia.
2. Das Sicherungssystem der UNO
Die Friedenssicherung findet als zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft explizit Beachtung in Artikel 1 der UNO-Charta.[1]
Als Grundmuster der Konfliktbeilegung müssen neben denen in Kapitel 6 aufgeführten Maßnahmen zur friedlichen Beilegung auch die in Kapitel 7 beschriebenen Sanktionsmaßnahmen benannt werden. Diese stellen aber von ihrer Art her ein letztes Mittel dar, das erst nach dem Ausschöpfen sämtlicher Alternativen zur Anwendung kommen kann.
Verantwortlich für die Durchsetzung solcher in Kapitel 7 beschriebenen Maßnahmen ist alleine der UN-Sicherheitsrat.
Das Regelwerk der Vereinten Nationen (VN) lässt nur in sehr wenigen speziellen Ausnahmefällen einen militärischen Einsatz mit Streitkräften zu. Als theoretisches Beispiel eines Ablaufes muss der Sicherheitsrat zuerst nach Artikel 39 der UN-Charta eine Friedensgefährdung feststellen. Anschließend wird der Friedensbrecher aufgefordert seine Aggressionen zurückzunehmen. Dieser Forderung sind meist schon gewaltlose Sanktionsmaßnahmen gemäß Artikel 41 UNO-Charta vorausgegangen.[2] Erst nach der Feststellung, dass alle diese Maßnahmen sich als wirkungslos erweisen, können als letzte Möglichkeit gewaltsame, also auch militärische, Zwangsmaßnahmen gemäß Artikel 42 UNO-Charta gegen den Aggressor beschlossen werden.[3]
2.1. Peacekeeping
Als wichtigstes Instrument der Uno zur Konflikteindämmung, hat sich jedoch das Peacekeeping erwiesen. Obwohl nie exakt in einer Satzung der Uno beschrieben könnte eine Definition wiefolgt aussehen:
Der Zweck von Peacekeeping Operationen ist es, durch Installieren von Pufferzonen bewaffneten Konflikten vorzubeugen oder im Falle eines schon laufenden Konfliktes ein schnelles Ende durch „Einfrieren“ des Konfliktes zu erreichen.[4]
Es erscheint logisch, dass der Erfolg oder Nichterfolg einer Peacekeeping Operation von der Organisation, aber auch in sehr starkem Maße von den gegebenen Umständen des Konfliktes abhängt. Handelt es sich um bilaterale Konflikte und wird eine UN-Resolution von beiden Seiten anerkannt (z.B. 598 Irak/Iran) ist der Einsatz aufgrund der Überschaubarkeit (feste Grenzen, klare Fronten) eher lösbar und von kürzerer Dauer als z.B. bei multinationalen oder multiethnischen Auseinandersetzungen.[5] Als Beispiel ist hier ein immer wieder aufflammender Bürgerkrieg zu nennen.
Als zentrales Problem, so auch in Somalia, ergab sich für die UN-Blauhelm Soldaten in Konflikten dieser zweiten Art, die nicht eindeutige Identifikation und/oder die große Anzahl von Streitparteien.
Umso wichtiger erscheint es, dass der Auftrag klar umgrenzt sein muss und durch eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrates gedeckt ist. Außerdem muss der Einsatz (in der Regel) von dem jeweiligen Gastland zumindest gebilligt werden.
Es bleibt gerade beim letzten Punkt in der Diskussion über die völkerrechtliche Legitimität solcher Einsätze die Frage, inwieweit eine Regierung oder ein Regime, das nur noch als Staatshülle ohne jegliche Machtbefugnisse existiert oder noch komplizierter, ein sich gerade an die Macht geputschter General, über die Stationierung von UN-Truppen entscheiden oder sie ggf. verhindern kann.[6]
Grundsätzlich aber, um auch die wichtigsten Prinzipien des Peacekeeping zurückzukehren, steht nicht die Anwendung des kollektiven Zwangs im Vordergrund, sondern Zusammenarbeit und Konsensfindung durch einen unparteiischen Dritten.
Bei dieser Konzeption der Konfliktbeilegung wird bewusst auf Schuldzuweisung und Bestrafung verzichtet.[7]
Die bewusst vorgegebene strikte Neutralität der eingesetzten Kräfte (Stichwort: „Diplomaten in Uniform“) hat neben dem Ziel nicht selber als Partei in den Konflikt verwickelt zu werden, auch zum Zweck, den Status des geduldeten Beobachters und Vermittlers zwischen den Parteien nicht zu verlieren.
Um dies zu gewährleisten, haben die Stationierungsländer sogar Einfluss auf die Zusammensetzung der internationalen Friedensgruppe. Obwohl die Bereitstellung der Soldaten für Peacekeeping Operationen auf Freiwilligkeit beruht, wird ein zahlenmäßiges Gleichgewicht der Kontingente angestrebt, um die Abhängigkeit von einem Staat oder Staatengruppe zu vermeiden.[8]
Vom Peacekeeping abzugrenzen sind die „Enforcement measures“, die kollektiven Zwangsmaßnahmen auf Grundlage von Kapitel 7 der UNO-Charta, die zwar auch als friedensschaffende oder friedensherstellende Einsätze bezeichnet werden, aber bei denen es sich um Kampfeinsätze handelt, die mit Kampftruppen gegen einen Aggressor durchgeführt werden.[9]
Da es sich im zu behandelnden Fall, der Intervention in Somalia, besonders nach dem Übergang von UNSOM 1 zu UNSOM 2 gerade um den Einsatz von solchen militärischen, also auch kämpfenden Truppen handelt, sei darauf hingewiesen, dass die UNO zwar in solch einem Fall die theoretische Verfügungsgewalt besitzen sollte, sie aber in der Praxis staatenabhängig mit einem direkten Mandat versehen abgegeben wird.
3. Der Krieg in Somalia
3.1. Vorgeschichte:
Das somalische Volk ist, trotz Gemeinsamkeit von Sprache, Kultur und Religion (95% der Bevölkerung sind islamische Sunniten), sehr inhomogen.[10] Als ethnische Kategorie ist Somali nicht klar umgrenzt. Es gibt Gruppen, die sich im Zuge der Islamisierung sich mehr und mehr als Somali begreifen, und es gibt ein Übergangsfeld zwischen Ormo und Somali, in dem sich Gruppen nach Opportunität mal mehr als das eine, mal mehr als das andere definieren.
Ein historisches Charakteristikum ist die Gliederung des Volkes in eine Vielzahl von Clans, die sich meist auf patrilinearer Abstammung berufen.[11] Diese Verwandtschaftsverbände bilden ein flexibles segmentäres System, in dem je nach bedarf Solidargemeinschaften und kurzfristige Allianzen zwischen den, zumeist nomadisch lebenden Menschen, geschlossen wurden. Diese Clanverbindungen spiegeln nicht nur die Struktur des menschlichen Zusammenlebens, sie sind auch noch immer Machtbasis einer jeden somalischen Regierung.[12]
Der Einflussbereich solcher Clan- und Subclanverbindungen als wichtigstes Element der Sozialstruktur wird deutlich, wenn man sich bewusst macht, dass ein übergeordnetes hierarchisches Staatsgebilde in Somalia nie vorhanden war. So ist eine Identifikation mit den Begriffen und Strukturen eines Staates oder einer Nation für die meisten Somali fremd. Die Loyalitätsverpflichtungen des Einzelnen bestanden vorrangig gegenüber dem eigenen Subclan.
Nach der Aufteilung Somalias unter den Kolonialmächten Großbritannien, Italien und Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts, sahen sich die Somalis zum ersten Mal mit übergeordneten, zudem noch christlichen Staatsgebilden konfrontiert.
1960 wurde Somalia unter Vereinigung der ehemaligen Kolonien Britisch- und Italienisch-Somaliland unabhängig.
3.2. Siad Barre
Der Versuch, ein demokratisches Mehrparteiensystem einzuführen, scheiterte. Die postkolonialen Staaten Afrikas mussten sich mit dem auseinandersetzen, was die Kolonialherrschaft ihnen hinterlassen hatte. In Somalia gab es große Unterschiede zwischen den von verschiedenen Kolonialmächten besetzten Teilen des Landes. Die britischen Bereiche prägte ein elitäres Gefüge und die strikte Trennung von Politik und Verwaltung. Im Süden hingegen war die bürokratische Tradition Italiens wirksam. Weitere Strukturprobleme brachte eine nicht vorhandene somalische Schriftsprache und damit eingehend, die je nach Kolonialgebiet verschiedenen Amtsprachen. Hinzu kam, dass sich die öffentlichen Investitionen auf die Zentren im Süden des Landes konzentrierten, diesem Trend folgte auch das ausländische Kapital. Entsprechend größer wurde die (urbane) Armut im Süden des Landes.
Wie in den meisten jungen afrikanischen Staaten war es auch in Somalia nach der Unabhängigkeit 1960 von Anfang an ein Problem, dass durch die willkürlichen Grenzziehungen der Kolonialmächte und das damit vorgegebene staatliche Terrain viele Stämme und Volksgruppen in unterschiedlichen Staaten lebten. So lebten viele Somalis auch in Djibouti, Äthiopien und Kenia. Aus diesem Grund stritt Anfang der 60er Jahre eine Guerillabewegung, die sogenannte Shifta, mit Unterstützung von Seiten Somalias für die Angliederung des Nordens und Osten Kenias an Somalia.[13]
So war die Situation von Anfang an durch unterschiedliche Gruppierungen, verschiedene politische Tendenzen und von einem „Quasi-Staat“ geprägt, der von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt wurde.
1969 putschte sich der Oberbefehlshaber der somalischen Streitkräfte, Mohammed Siad Barre, an die Macht. Seine Versprechen, die Clanwirtschaft zu zerschlagen, die als Quelle von Vetternwirtschaft und Korruption bezeichnet wurde und das Land nicht nur wirtschaftlich zu modernisieren, stellten sich schnell als Lügen heraus. Seine tatsächlichen Maßnahmen, der Aufbau eines umfassenden „Staatsicherheitsdienstes“, der Oppositionelle jederzeit beliebig verfolgen konnte und die Manipulation der Clanstrukturen als zentrales Mittel der eigenen Herrschaftssicherung, führten seine Äußerungen ad absurdum und ließen die ihm anfangs erlangte Unterstützung im Volk verlieren.[14]
Entsprechend der historischen Gegebenheiten formierten sich die nun folgenden Oppositionen gegen Barre nach Clans getrennt.
1977 marschierte die somalische Armee in Ost-Äthiopien (Ogaden) ein, um die dort lebenden Somalis durch einen Eroberungskrieg mit dem gesamten somalischen Volk zu vereinen. Der Ogaden-Krieg endete mit einer Niederlage Siad Barres und der Massenflucht äthiopischer Somalis.
Die folgende Verstärkung der politischen Krise in Somalia führte zu einem Putschversuch gegen Siad Barre, der zwar nicht erfolgreich war, aber dennoch zu einem Legitimitätsverlust des Regimes in Mogadischu beitrug.
1981 gründeten Mitglieder des im Norden ansässigen Clan das Somali National Movement (SNM). Mit Unterstützung durch Äthiopien führte das SNM einen bewaffneten, ständig eskalierenden Guerillakrieg gegen das Barre-Regime. Seine Machtbasis begann zu schrumpfen; zudem brach der Staatsapparat langsam zusammen, da ausländische Zahlungen aufgrund der instabilen Lage eingestellt wurden.
1988 eskalierte der Guerillakampf zum offenen Krieg, der vom Norden aus aufs ganze Land übergriff. 1989-90 verlor das Regime in Mogadischu vollständig die Kontrolle, staatliche Institutionen waren nicht mehr funktionsfähig, die Regierungsarmee löste sich auf.
Siad Barre herrschte wesentlich nur noch über die Hauptstadt, während sich im Rest des Landes anarchische zustände ausbreiteten.
1989 entstanden auch die zwei weiteren großen Oppositionsgruppen, zum einen der United Somali Congress (USC) aus der Landesmitte, zum anderen das Somali Patriotic Movement (SPM) aus dem Süden Somalias. Ab August 1990 koordinierten die drei Hauptoppositionsgruppen ihr militärisches Vorgehen mit dem Ziel, Siad Barre zu stürzen und durch eine Koalitionsregierung und eine Versöhnungskonferenz eine politische und wirtschaftliche Neuordnung des Landes vorzunehmen.
3.3. Die Ära nach Barre
Um die recht komplexe Situation der rivalisierenden Kräfte während und nach dem Untergang des Regimes Barre zu verstehen ist eine genauere Sicht der Ereignisse zu dieser Zeit erforderlich. Außerdem soll sie in Verbindung mit dem Aspekt der humanitären Katastrophe und dem eigentlich als Staat nicht mehr existierendem Gebilde Somalia deutlich machen, in welche Lage die meisten Menschen in der Region waren und unter welchem Zwang zum Handeln sich die UNO befand.
Im Januar 1991 drangen USC (United Somali Congress)-Truppen unter Führung Generals Farah Aidid nach andauernden Kämpfen in die Hauptstadt Mogadischu ein, zwangen Siad Barre zur Flucht und stürzten dadurch endgültig das Machtzentrum.
Am Morgen des 29.Januar 1991 verkündete Radio Mogadischu, dass Ali Mahdi der neue Präsident Somalias sei und eine provisorische Regierung gebildet habe. Erst jetzt bot der USC unter Mahdi den beiden anderen großen Gruppen SPM (Somali Patriotic Movement) und SNM (Somali National Movement) an, sie an einer Übergangsregierung zu beteiligen. Jedoch konnten sich die Oppositionsgruppen nicht einigen, wie die Ära nach Barre aussehen sollte. vielmehr brachen offene Machtkämpfe aus, denn der USC hatte den Fehler gemacht, eine neue Regierung auszurufen, ohne andere Oppositionsgruppen an der politischen Neugestaltung wesentlich zu beteiligen[15]
Dieser Bruch der ursprünglichen Koalitionsvereinbarung von 1990 stellte den Ursprung des Bürgerkrieges in Zeit nach Barre dar.
Während das SNM die Regierungsübernahme Ali Mahdis als nichtig bezeichnete, sagte der SPM der USC-Führung unmittelbar den Kampf an. Auch innerhalb des USC selbst, unter Führung des General Aidids, der nicht derselben Fraktion wie Ali Mahdi angehörte und der an der Regierungsbildung nicht beteiligt gewesen war, wurde die neue Regierung nicht anerkannt. Aufgrund dieser Zersplitterung wurde die geplante Versöhnungskonferenz auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die unsichere politische Lage förderte Sezessionsbestrebungen im Norden des Landes und führte im Mai 1991 zur Unabhängigkeitserklärung der „Republik Somaliland“ in den Grenzen der ehemaligen britischen Kolonie durch das SNM.
Es gelang aber weder institutionelle Strukturen zu schaffen, noch Anerkennung von Außen zu erlangen.
Im Juli 1991 fand in Djibouti eine Konferenz statt (Djibouti Accords), auf welcher der USC und fünf weitere Bewegungen übereinkamen, den Präsidenten Ali Mahdi für zwei weitere Jahre anzuerkennen. Zwar wurde Mahdi durch die Anerkennung seiner Präsidentschaft durch Staaten wie Ägypten, Italien und Saudi-Arabien legitimiert, tatsächlich erlangte seine Interimsregierung nie wirkliche Autorität. Denn in Djibouti war ausgerechnet der, gerade mit großer Mehrheit neu gewählte Vorsitzende des USC, General Aidid, gänzlich übergangen worden. Aidid erkannte folglich die Mahdi-Regierung nicht an und entzog ihr sämtliche Unterstützung, was die Spaltung des USC nach sich zog.
Auch in dieser Sache zeigt sich erneut, wie sich Machtstrukturen ausschließlich auf Clanzugehörigkeit stützen. In diesem Fall ist die Unterscheidung auf Sub-Clanniveau.
Ali Mahdi weiß im Wesentlichen seinen Subclan des Herab-Clans der Hawiye, die Abgal, hinter sich und im Falle von General Aidid ist dies ein anderer Herab-Subclan, die Habr Gidir.[16]
Im September 1991 kam es zu ersten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern Aidids und Mahdis um die Nachfolge des inzwischen geflohenem Diktators Barre. Der militärisch überlegene Aidid hatte bereits im Oktober einen Großteil der Hauptstadt erobert, was mit der fast vollständigen Zerstörung Mogadischus einherging und schließlich auf weite Teile des Landes übergriff.
3.4. Die humanitäre Katastrophe
Die Lage verschlimmerte sich stetig: Durch den permanenten Krieg waren ganze Ernten nicht eingebracht oder zerstört worden. Der flächendeckende Zusammenbruch des ohnehin nur spärlichen Gesundheitswesen und der Nahrungsmittelversorgung, sowie eine noch zusätzlich eintretende Dürre, führte das Land in eine absolute Katastrophe.
Allein die Zahl der Hungertoten für das Jahr 1992 wird auf 350.000 bis 450.000 geschätzt. Fast 3 Millionen Menschen waren auf der Flucht.[17] Die Organisation „Save the Children“ beziffert die Zahl der verhungerten Kinder alleine in Mogadischu auf täglich 200.[18]
Doch war die Katastrophe vorhersehbar? Dr. Peter Fuchs, ehemaligen Generaldirektor des IKRK, bemerkte später auf einem Kongress noch vorsichtig:
„ Nach dem Sturz von Siad Barre dann im Jahr 1991,…, setzte eine totale Lähmung der Infrastruktur, eine Migration riesiger Bevölkerungsteile gegen urbane Zentren, eine totale Unterbrechung des Nomaden- und Bauernzyklus ein. Das sind die drei Elemente, die voraussagen ließen, dass die humanitäre Dramatik und die humanitäre Katastrophe vor der Tür stehen.“[19]
Da die UNO im Januar 1991 ihre noch verbliebenen Stab aufgrund der sich immer weiter eskalierenden Lage ins benachbarte Kenia abzog, verblieben nur noch Nichtregierungsorganisationen (NGO´s) in Somalia.[20] Diese waren mit der Situation nicht nur hoffnungslos überfordert, ihre Hilfslieferungen avancierten auch immer mehr zum Hauptinteresse der Bürgerkriegsparteien. Sie waren gezwungen, um überhaupt Nahrungsmittel an die mittlerweile 4 Millionen Bedürftigen verteilen zu können, einen Großteil ihrer Sendungen den rivalisierenden Clans zu überlassen. Der Rest wurde mit privaten Söldnern und strategischen Geflecht der Clanallianzen gesichert, die das finanzielle Maß besonders der kleineren Organisationen oft nicht zuließen.
Ein anderes zentrales Problem, mit dem der spätere UNO-Einsatz gerechtfertigt wurde, stellten die regelmäßigen Plünderungen der Hilfslieferungen dar. Angeblich gingen bis zu 80% der bereitgestellten Hilfsgüter verloren. Das IKRK, als fast einzige Organisation durchgehend während dieser Zeit vor Ort, bestreitet diese Zahlen und spricht von 10-20%.[21]
Klar scheint aber jedenfalls zu sein, dass die Lage Anfang 1992 ein Maß angenommen hatte, dass der Weltöffentlichkeit nicht verborgen blieb. Die tägliche Medienberichterstattung tat ein Übriges dazu, dass ein Handeln seitens der Völkergemeinschaft immer dringlicher erschien.
4. Die Intervention- Der UNO-Einsatz in Somalia
4.1.Vorgeschichte
Die UNO, zu dieser Zeit auch um den Jugoslawien-Konflikt bemüht, reagierte am Anfang eher zögerlich. Die erste wirklich nennenswerte Aktivität war die Entsendung des Sonderbeauftragten James Jonah (ehemaliger stellvertretender UN-Generalsekretär) im Januar 1992 durch den damals neuen UN-Generalsekretär Boutros-Ghali. Die zwischenzeitig erstmals mit Somalia beschäftigende Resolution Nr.733 vom 23.Januar 1992 beinhaltete Appelle an die Bürgerkriegsparteien, die Kämpfe zu beenden und verhängte ein Waffenembargo für ganz Somalia.
Jonah führte mit den Hauptbürgerkriegsparteien Gespräche über einen Waffenstillstand, die aber ergebnislos blieben. Im Anschluss erklärte er öffentlich, General Aidid sei das Haupthindernis für Fortschritte, während Mahdi der Entsendung einer Peacekeeping Mission zugestimmt habe.
Abgesehen davon, dass dies nicht für das Verhandlungsgeschick Jonahs sprach, büßten die VN (Vereinten Nationen) schon bei Beginn der Verhandlungen ihre Neutralität ein.
Die Verweigerung Aidids zu Blauhelmen hatte ihren Grund auch darin, dass man auf Seiten der UNO Ali Mahdi von vorhinein als rechtmäßigen Interims-Präsidenten anerkannt hatte. Aidid, der zu dieser Zeit einen Großteil Somalias kontrollierte, und auch ein Großteil der Somalier selbst tat dies nicht. Der General befürchtete nun eine weitere Stärkung der Position Mahdis durch die Stationierung der UNO-Truppen.[22]
Weiterhin ließ die grundsätzliche Beschränkung der VN auf die beiden Anführer Mahdi und Aidid außer Acht, dass es Versuche anderer Clans gab, zwischen den Kontrahenten zu vermitteln. Vielleicht wäre eine fortschreitende Polarisierung zu verhindern gewesen, wenn die VN diesen Vermittlungsversuchen mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte.[23]
Hatten also in dieser Frühphase der Vermittlungen Instrumente der Preventive Diplomancy, wenn man in dieser schon eskalierten Situation überhaupt von präventiven Maßnahmen noch sprechen darf, insgesamt versagt? Oder ist das schlichte Fehlen von genauen Informationen über die Kräfteverhältnisse im Land ein Grund, dass ein kurzfristig aufgebautes System international koordinierter humanitärer Hilfe nicht anlaufen konnte (Anmerkung: Schiffe mit Hilfslieferungen lagen vor Mogadischu!)? Ein gleichzeitiger Waffenstillstand wäre dazu von Nöten gewesen.
Dieser gelang aber erst im März 1992 auszuhandeln. Das Abkommen beendete zwar vorerst die intensiven Kämpfe, nicht aber weiter stattfindenden Plünderungen der Hilfslieferungen in Somalia. Innerhalb der VN wies man die Bitte Jonahs um ein 500 Mann starkes Bataillon zum Schutz der Konvois im Landesinneren zurück und plante stattdessen 50 Blauhelme bei Aidid und Mahdi zu stationieren.[24]
Dieses Faktum und die Einverständniserklärung zum Waffenstillstand wurde nach langen Verhandlungen am 3.März 1992 von beiden Parteien unterzeichnet.
Realistisch glaubte niemand an einen fortwährenden Bestand einer solchen Erklärung. Denn beide Parteien ließen schon während den Verhandlungen keinen Zweifel daran weiter militärisch gegeneinander vorzugehen.
Mahdi ließ die Stadt Kismayu im Süden des Landes durch verbündete Truppen erobern[25], während Aidid eine neue Großoffensive starte, um seinen Herrschaftsbereich in Mogadischu selbst auszuweiten. Angeblich verstieß nach Aidid die UNO selbst gegen die Resolutionen, indem sie Mahdi logistisch mit Waffen und Geld unterstützten.[26]
Eine zweite Resolution der VN (Nr. 746) kam inhaltlich Nr. 733 sehr nahe. Sie beinhaltete nochmals den Appell, die Sicherheit der technischen Teams und des Personals von humanitären Organisationen zu gewährleisten. Gleichzeitig bemühte man sich um eine Friedenskonferenz. Generalsekretär Boutros Ghali forderte die Entsendung von Truppen zur Überwachung des Waffenstillstandes und zur Bewachung und Verteidigung der Hilfstransporte.[27]
4.2. UNSOM 1
Auf diese Anfrage hin beschloss der Sicherheitsrat im April 1992 mit der Resolution 751, die Entsendung von 50 VN-Beobachtern nach Mogadischu. Sie sollten den ausgehandelten Waffenstillstand überwachen. Außerdem bestand die Option auf 500 Soldaten (Blauhelme).
Damit begann die United Nation Operation in Somalia- UNSOM 1.
Als Zeichen, auch für einen diplomatischen Neuanfang, löste im April 1992 der Algerier Mohammed Sahnoun den bisherigen UNO-Sonderbotschafter James Jonah in seiner Funktion ab. Dieser konnte aber trotz seines Verhandlungsgeschick mit verschiedenen Clanführern und seiner bei vielen Somalis geachteten Persönlichkeit nicht verhindern, dass sich die Hilfsorganisationen weiter Zielscheiben der Gewalt waren.
Dies führte zu einer weiteren Verschlechterung der humanitären Versorgungslage. Die auf ihren Höhepunkt zusteuernde Hungerkatastrophe löste eine intensive weltweite Medienberichterstattung aus.
Unter diesem massiven Druck handelten auch die Mitglieder der VN. Nach monatelangem politischem Gezerre trafen im September die ersten der 500 UN-Blauhelm Soldaten ein.
Doch aufgrund der unkoordinierten Lage und der umherstreifenden Milizen waren die 50 Beobachter und 500 pakistanischen Blauhelme im Hafen von Mogadischu blockiert, „so dass die UNO während des ganzen Jahres 1992 nicht operationell wurde.“[28]
Damit verwandelt sich auch die Resolution 775 vom 28.8.1992, in der das Mandat der UNO über die Hauptstadt hinaus auch auf andere Teile Somalias ausgedehnt wurde und außerdem auch andere somalische Oppositionsparteien in die Gespräche mit einbezogen werden sollten, zum reinen theoretischen Akt.
Immer mehr zeigt sich, so merkte auch Sahnoun, wie abhängig die UN-Mitarbeiter und Blauhelme vor Ort von dem Wohlwollen General Aidids waren, der zu dieser Zeit die militärischen Karten in der Hand hielt. Als eindeutigen Beweis hierfür ist die Verweigerung Aidid zu sehen, die Stationierung von weiteren 3000 Blauhelmsoldaten zu dulden.
Diese Entscheidung, vom Sicherheitsrat Ende August einstimmig in Resolution 767 beschlossen, erfolgte ausschließlich auf Anraten Boutros-Ghalis, ohne vorherige Absprache mit Vertretern somalischer Bewegungen und Clanführern. Sahnoun, als Sonderbeauftragter der UNO, sprach sich vehement gegen diese Entscheidung des Sicherheitsrates aus und verließ im September, aufgrund nicht zu klärender Meinungsverschiedenheiten mit Boutros-Ghali, Somalia.
Das Vorgehen des Sicherheitsrates hatte die Glaubwürdigkeit Shanouns gegenüber General Aidid, dem er zugesichert hatte, eine Präsenz der VN würde nicht gegen seinen Willen ausgebaut, untergraben. Er kritisierte später öffentlich, dass sich die VN angesichts der menschlichen Tragödien in Somalia an die Regeln des internationalen Verkehrs hielten, die aber hier keinen Sinn mehr hätten. Man dürfte Somalia nicht weiter als einen Staat wie jeden anderen behandeln, in dessen Angelegenheiten man sich nur mit Zustimmung „aller Beteiligten“ einmische. So überlasse man das Land in Wirklichkeit den Banditenführern und die Bevölkerung ihrem schlimmen Schicksal.[29]
Hatte sich also die UNO schuldig gemacht, indem sie nicht schneller und aktiver gegen das Leid der Bevölkerung vorgegangen ist? Überlegungen, die diese Frage betreffen möchte ich gesondert und zusammengefasst im letzten Kapitel betrachten.
Klar schien zu sein, dass man sich nun diplomatisch auf einem schwierigen Weg befand. Aidid reagierte prompt und sah die Resolution 776 als Beweis dafür, dass die VN auf Seite Ali Mahdis standen, der ja seit langem die Entsendung einer großen Friedenstruppe zur Stärkung seiner eigenen Position gefordert hatte. So wertete Aidid die Resolution als Ende der gemeinsamen Strategie und Beginn einer Invasion seines Landes. So waren die Konfliktlinien
schon vorgezeichnet und es verwunderte kaum noch, dass sich Aidids Milizen in den folgenden Wochen immer unverhohlener gegen pakistanische Blauhelm-Soldaten und UNO- Mitarbeiter wanden.
Inzwischen musste auch die UNO zugeben, dass nur 20-30% der Hilfsgüter die Hungernden erreichten. Es müssten Unsummen an Schutzgeldern an die Bürgerkriegsparteien gezahlt werden.
Den Vertretern der UNO war klar, dass die Situation in der bestehenden Form nicht fortzuführen sei. Für ein strikteres Durchgreifen im Kampf gegen die Hungersnot und den Rebellen benötigte man aber eine neue Resolution, die sie nicht nur zu Zuschauern verdammte, sondern autorisierte, ihre Handlungsbereitschaft unter Beweis zu stellen.
Aufgrund der Ereignisse folgte auf UNSOM 1, mit der wiederum einstimmig beschlossenen Resolution 794, Operation Restore Hope.
4.3. UNITAF
Die Resolution 794 vom 3.12.1992 ermöglichte eine direkte Intervention in Somalia. Dieser Beschluss enthielt die Übernahme der Zuständigkeit für die innere Gewalt und die Wiederherstellung von Recht und Ordnung im Land. Boutros-Ghali wies zu Recht darauf hin, dass diese Entscheidung einer militärischen Intervention im Sinne der humanitären Hilfe einmalig in der Geschichte der UNO sei.[30]
Aber was hat den Generalsekretär und den Sicherheitsrat zu einer Transformation eines traditionellen Peacekeeping Einsatzes zweiter Generation zu einer „mission defense“, einem robusten Blauhelm-Einsatz, einem Peacekeeping-Einsatz der dritten Generation also, bewogen?
Ein großes Interesse bestand darin, das Ansehen der VN zu verbessern, also die in Somalia angeschlagene Autorität durch ein entschlossenes Auftreten wieder zu vervollständigen. Wesentlich dabei war auch die im Juni 1992 vom Generalsekretär vorgelegte `Agenda für den Frieden’.
Darin plädierte er für eine Reform der UNO, ein Ausbau der Präventivdiplomatie zur Kriegsverhütung, Verbesserung im Bereich der Friedensschaffung und Friedenskonsolidierung und das Aufstellung einer Interventionsstreitmacht unter dem Kommando der VN.[31]
Gerade beim letzten Punkt war sich Boutros-Ghali aber auch im Klaren, dass eine Intervention, die jetzt rechtmäßig und seiner Meinung dringend nötig war, nur mit Hilfe der US-Regierung möglich war. Diese trat bisher in diesem Konflikt eher zurückhaltend in Erscheinung. Nun aber erklärten sie sich bereit, Soldaten zur Verfügung zu stellen und die militärische Befehlstruktur der UNITAF -Truppen zu übernehmen.
Im Dezember 1992 flog man 2.800 US-Marines ins Land. Sie hatten das Ziel die Sicherheit im Land soweit wieder herzustellen, dass humanitäre Organisationen wieder arbeiten konnten und sollten die „Auslösung eines politischen Prozesses begünstigen.“[32]
Dies alles passierte vor dem Hintergrund einer gewissen Ungeduld, in einem derart verflochtenen, von einzelnen Machtinteressen bestimmten Konflikt eine einfache und schnelle Lösung zu finden. Diesen „Gordischen Knoten“ zu zerschlagen schien weitaus einfacher, als ihn durch eine langsame Politik zu entwirren.[33]
Doch die Erwartungen auf eine internationale Lösung des Konflikts, die durch die im Dezember vom US-Botschafter Oakley vermittelte Einigung zum Waffenstillstand zwischen den Parteien und im Dezember einberufene „Nationale Versöhnungskonferenz“ wurden enttäuscht. Die verfolgte Doppelstrategie von militärischer Sicherheit für die Hilfsorganisationen und Entwaffnung der Milizen auf der einen und dem diplomatischen Ringen um eine politische Lösung unter Einbeziehung aller relevanten Gruppierungen auf der anderen Seite misslang.
Zwar verbesserte sich die humanitäre Lage vieler hungernder Somalis durch Eintreffen der dringend benötigten Hilfsgüter, aber der Bürgerkrieg wütete weiter. Verschiedene Clanallianzen waren nicht bereit das unterzeichnete Communiqué einzuhalten.
Als Gründe hierfür sehen Autoren wie Weber[34] den massiven Druck der international, aber auch zum großen Teil von der UNO, auf die Parteien ausgeübt wurde, so das klar sein musste, dass der Vertrag nicht von langer Dauer sei.
4.4. UNSOM 2
Die rechtliche Grundlage für den Beginn der Mission UNSOM 2 bildet die Resolution 814. Sie enthielt den Hinweis, dass „die Situation in Somalia nach wie vor eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Region darstellt“[35].
Die nun beginnende Mission ist als Ausweitung des Mandates von UNSOM 1-Mission zu sehen, enthält aber als zentrales neues Element das Peaceenforcement, die Friedensdurchsetzung. So hatten die UNO Truppen jetzt die Aufgabe, viel wichtiger die rechtliche Grundlage, die Clanmilizen gegebenenfalls auch mit militärischer Gewalt zu entwaffnen.
Die US-Administration sicherte sich durch den amerikanischen Stellvertretender der Mission und durch den neuen UN Sonderbeauftragten Howe einen direkten Einfluss.
Die Ereignisse in den folgenden Wochen schienen zu bestätigen, dass die Mission nun auf einen direkten Konflikt zwischen UNO-Truppen und den Milizen von General Aidid zusteuerte. Nach dem Tod von 23 pakistanischen UNO Soldaten, die trotz Warnung einen Radiosender Aidids nach Waffen durchsuchten, autorisierte der Sicherheitsrat am 6.6.1993 die „Neutralisierung von feindlichen Radiosendern“ und die Festnahme der Schuldigen für den Angriff auf die Pakistanis.
Damit hatte die Auseinandersetzung eine neue Dimension erreicht, in der klar schien, dass nun in militärische Aktionen direkt gegen die Milizen vorgegangen wurde. So begannen am 12.6.1992 mehrtägige Luftangriffe und die Entsendung von Bodentruppen. Das Hauptquartier Aidids und seine Basen in Mogadischu selbst wurden unter Beschuss genommen.
Die UNO- Soldaten wollten mit direkten, „punktgenauen“ Aktionen intervenieren, gerieten aber zunehmend aufgrund der chaotischen Zustände in Kampfhandlungen mit Milizen und auch bewaffneten Einheimischen, deren Unterscheidung für die kämpfenden Truppen fast unmöglich war.
Die Lage eskalierte weiter und gelangte mit der Bombardierung eines Häuserkomplexes am 12. Juli, in dem ein Treffen von Aidids Führern ausgemacht wurde, zu einem nur noch schwer zu kontrollierenden Höhepunkt. Bei dem Angriff wurden ausgerechnet die Ältesten verschiedener Clans und Unterclans, die zusammen nach einer politischen Lösung rangen, um sie der UNSOM vorzulegen, getötet. Die Attacke war gezielt auf Aidid, traf aber praktisch die Gesamtheit der Clans und „das ist in Somalia die Katastrophe, die passieren kann. Denn in diesem Moment gab es eine erneute Solidarität zwischen allen Clans und Unterclans gegen die UNSOM.“[36]
Nun war es offensichtlich, dass die vor allem amerikanischen Truppen unter UNO Flagge jegliche Neutralität und die erstrebte Vermittlerrolle verloren hatten. Sie waren jetzt selbst eine der Konfliktparteien geworden und wurden so auch von der Bevölkerung wahrgenommen.
Am Vorgehen der Kräfte, besonders nach dem Angriff auf das Dingfer-Krankenhaus (17. Juli), übten nationale wie internationale Organisationen scharfe Kritik in Bezug auf Einhaltung von Menschenrechte bei den Aktionen. Auch kamen Berichte über Kriegsverbrechen und Folter an die Öffentlichkeit. Neben Amnesty International stellt auch die Menschenrechtsorganisation „African Rights“ in ihrem im Juli 1993 veröffentlichten Bericht zahlreiche Fälle von Verstößen gegen Menschenrechte und das Kriegsvölkerrecht von Seiten der UNO-Soldaten fest. Außerdem wird vielen Soldaten ein nicht akzeptables Maß an Rassismus gegenüber den Somalis bescheinigt.[37]
Diese Behauptungen sind im Einzelnen nicht mehr zu prüfen. Eine eingesetzte Untersuchungskommission kam zu keinem eindeutigen Ergebnis.
Klar schien nur, dass sich die Aktionen nun fast gänzlich auf die Festnahme oder Tötung von Aidid, der als Hauptverantwortlicher ausgemacht wurde, konzentrierte.
In der UNO mehrten sich die Kritiker, die vor allem durch weltweite Berichterstattung und noch schlimmer durch keine konkreten vorlegbaren Beweise für eine echte Besserung der Lage unter Druck standen. Besonders gegen die Art von „Strafaktionen“, wie die direkte Bombardierung von Aidids Hauptquartier, kam international Kritik auf.
Bei der Konferenz in Nairobi im August 1993 stellten etliche UNO Beamte und Regierungsvertreter die bisherige UNSOM Strategie in Zweifel. In dem aufgesetzten Papier heißt es: „für viele hat sich durch die UNSOM Offensive die Rolle der VN in Somalia bedenklich gewandelt, nämlich von der eines Mittlers und Helfers beim nationalen Wiederaufbau zu einem aggressiven Aktivisten im undurchschaubaren politischen und militärischen Sumpf.“[38]
So wie der Beginn der Mission, wurde auch ihr Ende maßgeblich von den USA bestimmt.
Mit der Ankündigung des amerikanischen Präsidenten Clinton, die US-Soldaten bis Ende März 1994 aus Somali abzuziehen, war ein Ende der Mission abzusehen.
Die plötzliche Entscheidung der USA, sich aus Somalia zurückzuziehen, wurde sehr davon beeinflusst, dass die Fernsehstationen massakrierte US-Soldaten zeigten, die man durch die Straßen von Mogadischu schleifte. Der amerikanischen Öffentlichkeit war der Sinn des Somalia-Einsatzes bei solchen Bildern nicht mehr zu vermitteln.[39]
Hier kann man das erste Mal auch von der offiziellen Einsicht Kenntnis nehmen, dass die Mission im Ganzen gescheitert ist. Den verbliebenen Blauhelmsoldaten aus Indien, Pakistan, Ägypten und anderen Ländern gelang es nicht, trotz erneuten diplomatischen Initiativen, das Land aus seinen anarchischen Zuständen zu befreien.
Der mehr als zweijährige UNO-Einsatz, an dem sich zeitweise bis zu 30.000 Soldaten beteiligten und der Kosten von circa 5 Milliarden Dollar verursachte, konnte das Land nicht befrieden.[40] So, oder so ähnlich, könnte die ernüchternde Bilanz der Mission in Somalia aussehen. Denn selbst das eigentliche anfängliche Ziel der Blauhelmsoldaten, den ausgehandelten Waffenstillstand zu überwachen, wurde nicht erreicht, bzw. geriet mit dem Verlauf der Ereignisse in den Hintergrund.
Eine Darstellung der miteinander verbundenen Gründe für das Scheitern soll im letzten Kapitel folgen. Zunächst möchte ich noch auf die Rolle der USA in dieser Mission eingehen, da sie meiner Meinung nach nicht nur für den Beginn, sondern auch für den Verlauf von entscheidenden Merkmalen geprägt war.
5. Die Rolle der USA
Die Rolle der USA bei dem Konflikt und der Intervention in Somalia selbst wandelte sich bedeutend.
1991 war es die US-Regierung, die sich gegen die Befassung mit Somalia im Sicherheitsrat aussprach und auch danach verweigerte sie einem entschiedenen Vorgehen der VN die Zustimmung. Ende 1992 bot der bereits abgewählte, noch amtierende US-Präsident Georg Bush dem Generalsekretär Boutros-Ghali jedoch an, 30.000 Soldaten für eine befristete im Auftrag des Sicherheitsrates zur Verfügung zu stellen. Auf Empfehlung Boutros-Ghalis verabschiedete der Sicherheitsrat die entsprechende Resolution 794 und wenige Tage später begann die Intervention.[41]
Doch warum, so stellt sich die Frage, wandelte sich das Interesse einer US-Beteiligung am Krisenherd Somalia vom (fast) neutralen „Zuschauer“ zu einem Hauptakteur bei den militärischen Aktionen UNITAF/UNSOM 2? Wiederum muss man bei der Suche nach Motiven eine Vielzahl von Überschneidungen feststellen.
Zum einen gab es eine außenpolitische Triebfeder, nämlich die nach Außen gerichtete Glaubwürdigkeit, die Präsident Bush im Dezember 1990 in seiner Rede über die „neue Weltordnung“ klargemacht hatte. Man konnte nun, als einzig verbliebene Supermacht und nach dem Wegfall der Blockadepolitik im Sicherheitsrat, die Krisenherde dieser Region nicht mehr links liegen lassen. Somalia sollte ein Präzedenzfall werden, um das „Recht auf eine humanitäre Intervention“[42] durchzusetzen.
Sicher spielen auch strategische, bzw. geopolitische, Überlegungen eine Rolle. Gerade in dieser doch nicht sehr stabilen Region um den Golf von Aden, den persischen Golf und Indischem Ozean benötigte man aus amerikanischer Sicht Präsenz. Außerdem liefen die Rechte der USA für die Nutzung des Hafens von Berbera 1992 offiziell aus.
Eine andere strategischer Überlegung, so führt Eikenberg an, sei der Wunsch die islamistischen Bewegungen in der Region (ausgehend vom Sudan) zu unterbinden.[43]
Der gewichtigste und letztlich entscheidende Grund aber war die internationale Berichterstattung über das Elend der somalischen Zivilbevölkerung in allen Medien.
Der daraus resultierende Druck einer nicht nur in den USA vorherrschenden medialen Gesellschaft zwang die USA und deren Administration praktisch zum Handeln.
Ausschlaggebend waren aber vor allem die Machbarkeitserwägungen des amerikanischen Militärs. Zum Oberkommandierenden von UNITAF wurde Generalleutnant Robert Johnson, zum politischen Koordinator wurde Robert Oakley ernannt. Man hielt eine militärische Intervention für machbar, d.h. in einem kurzen Zeitraum mit geringen Verlusten durchführbar.
Die Interessendivergenz zwischen Generalsekretär Boutros-Ghali und der US-Militärs wurde im Verlauf des Einsatzes immer deutlicher. Boutros-Ghali wollte ganz Somalia in die Kontrolle durch UNITAF einbeziehen, nicht nur einzelne strategische Punkte. Er hatte vor dem Problem der einseitigen Entwaffnung gewarnt, dass einen Verlust der Balance zwischen den Kriegsparteien bedeuten könnte. So wollte er auch, dass UNITAF nachhaltig zur Friedenskonsolidierung beiträgt. Dies alles war nicht im Sinne oder der Strategie der amerikanischen Regierung.
Resigniert bemerkte der Generalsekretär später die unterschiedliche Interpretation der Formulierung „secure enviroment“[44] aus der Resolution 794. Dass die Amerikaner „ihre“ Interpretation der Resolution als Mandat begriffen, spricht für den Alleingang der USA und das ungleiche Verhältnis zwischen beiden Protagonisten. Die einseitige Zusammensetzung der UN-Truppen barg außerdem von vorhinein die Gefahr einer Interessenpolitik durch die USA.
6. Gründe für das Scheitern des UNO-Einsatzes in Somalia
Die Frage, ob man die Mission der UNO in Somalia generell als Misserfolg bewerten darf, impliziert meiner Meinung nach auch die Frage, ob sich an dem anarchischen Zuständen, mit Hungersnot, Bürgerkrieg, Staatszerfall usw. wirklich dauerhaft eine Änderung ergeben hat.
Dies ist im Kontext gesehen eindeutig nicht der Fall.
Die Idee mit friedenserzwingenden Maßnahmen die Symptome eines tiefen Konfliktes zu beseitigen, hat nicht funktioniert.
Schon während des Abzugs der UNO-Truppen lieferten sich rivalisierende Milizen in Mogadischu selbst, aber auch im Norden des Landes Gefechte. Die humanitäre Lage, zwischenzeitlich durch die massiven Hilfslieferungen abgefedert, verschlechterte sich erneut. Der Bürgerkrieg flammte wiederum richtig auf.
In solch einer Situation sind auch die von UN-Diplomaten ausgehandelten und von den Bürgerkriegsparteien unterzeichneten Waffenstillstandsabkommen nichtig.
Somit kann man die Mission in Somalia als gescheitert ansehen. Dieser Auffassung sind auch die meisten Autoren. Viele bezeichnen Somalia auch als größten Fehlschlag in der Geschichte der UNO.[45]
Doch was waren die Gründe dafür? Zum einen muss man zwischen den Versäumnissen vor dem Engagement der VN und während der Missionen (UNSOM 1, UNITAF, UNSOM 2) unterscheiden.
Die präventive Diplomatie mit dem Ziel der Konfliktvermeidung oder sofortigen Eindämmung wurde in Somalia schlichtweg zeitlich versäumt. Als der Sturz der Diktatur Barres Ende der 80er Jahre offensichtlich wurde, Ende 1988 die ersten bewaffneten Konflikte begannen und auch jedem ausländischen Beobachter klar wurde, dass Somalia keine staatliche Ordnung oder Instrumente zu eigenständigen Wiederherstellung dieser besaß, blieb die UNO bis auf die Entsendung von Beobachtern tatenlos.
Nach dem Abzug des UN-Sonderbeauftragten Sahnouns, der im Gegensatz zu seinen Nachfolgern Prioritäten auf die Zustimmung sämtlicher Clans und Oppositionsgruppen zur UNO-Intervention setzte, konzentrierten sich anschließende Verhandlungen immer nur auf die zwei größten Konfliktparteien, Aidid und Mahdi. Diese Reduktion der Verhandlungspartner seitens der VN auf nur zwei Köpfe verstieß grundlegend gegen die Prinzipien eines Peacekeeping- Einsatzes, die ausdrücklich eine Einbeziehung aller relevanten Konfliktparteien zur Konsensfindung fordert.
Entscheidende Fehler wurden schon zu Beginn der Mission UNSOM 1 deutlich. Mit der öffentlichen Erklärung, General Aidid sei das Haupthindernis für Friedensverhandlungen durch den ersten Sonderbeauftragten Jonah Anfang 1992, wurde eines der zentralsten Prinzipien jeglicher Peacekeeping- oder Blauhelm-Einsätze in Frage gestellt, das Prinzip der Neutralität.
Unzählige Beispiele im Verlauf der Mission bestätigen diese Strategie. General Aidid und seine Milizen wurden bewusst auch nach Außen, als eigentliche Ursache des Konfliktes ausgemacht.
So verwundert es wenig, dass Aidid selbst auch unter schwersten Vorbehalten gegen eine Intervention seitens der VN stand. Während er dem Waffenstillstand Anfang 1992 und der Entsendung von Beobachtern noch zustimmte und damit eigene Nachteile in Kauf nahm, da seine Offensive gegen Mahdi gerade startete, sprach er sich in der Folgezeit gegen jegliche militärische Intervention aus. Er selbst sah sich getäuscht, als während der Friedenskonferenz in Addis Abeba trotz eines Waffenstillstandes die Stadt Kismayu durch verbündete Truppen von Mahdi erobert wurde. Aidids Verbündete waren durch die Entwaffnungsaktionen der UNO zu schwach, um die Stadt zu verteidigen. Die UNO sah den Geschehnissen tatenlos zu.[46]
Dieses Beispiel verdeutlicht, wie notwendig es ist auch bei Entwaffnungsaktionen ein gewisses (militärisches) Gleichgewicht zwischen den Parteien anzustreben. Zum einen verhindert man dadurch eine rasche Umwälzung der Machtverhältnisse, zum anderen soll den Entwaffneten auch das Gefühl gegeben werden, die UNO agiere gerecht und bevorteile keine Seite.
Ein weiteres offensichtliches Versäumnis war die falsche Einschätzung der Kräfteverhältnisse im Land selber.
Man unterschätzte nicht nur Aidids militärische Macht, die er nicht nur über seine eigenen Milizen sondern besonders über Clanverbindungen zu anderen Warlords besaß, sonder auch seinen damit verbundenen Rückhalt in der somalischen Bevölkerung.
Es gelang nicht als sogenanntes „Gegengewicht“ zivile politische Kräfte zu fördern. Wiederum missachtete man kulturelle Gegebenheiten, indem man Anführer von Clanmilizen, die in keiner Weise mit den traditionellen Clanältesten identisch sind, als Verhandlungspartner zu Konferenzen einlud. Mit dieser Aufwertung setzte man auf die „falschen Kräfte.“[47]
Die anfängliche Sympathie in der Bevölkerung für den UNO-Einsatz schlug in Ablehnung um, als ihre Tradition und die gesellschaftlichen Eigenheiten missachtet und die UNO-Kräfte nach Meinung vieler Somalis parteiisch wurden.
Einer der Hauptgründe des Scheiterns zeigt sich darin, dass die UNO-Truppen spätestens seit dem UNITAF-Mandat (Ende 1992) selbst zur Bürgerkriegspartei wurden. Hiermit hatten sie jegliche Chance verloren, als Vermittler noch ernstgenommen zu werden.
Die Repräsentanten der UNO und die Soldaten der Truppe selbst wurden nicht mehr als unparteiische Puffer betrachtet, sondern als Feinde wahrgenommen und auch immer öfter in kämpferische Auseinandersetzungen hineingezogen.
Das erhoffte Ziel, mit Bekämpfung von insbesondere Aidids Milizen in Mogadischu den Bürgerkrieg einzudämmen, schlug fehl. Das militärische Eingreifen, seitens der US-Truppen, bewirkte eher eine Eskalation des Konfliktes.
Diese Situation hätte den Verantwortlichen in Somalia selbst, aber auch bei den VN, die regelmäßige Berichte über die Mission bekam, bekannt sein müssen. Die Aktivitäten der UNO-Truppe reduzierten sich immer mehr auf militärische Aspekte. Die Hungerbekämpfung geriet zunehmend in den Hintergrund.
Des weiteren wird immer wieder die Frage diskutiert, ob die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel gerechtfertigt war.
Nicht zu vergessen sei in diesem Zusammenhang, dass die Mission in Somalia als Peacekeeping – Einsatz begonnen hatte, und nur auf Anraten Boutros-Ghalis mit Elementen der Friedenserzwingung ausgestattet wurde. Diese wurden erst zur Anwendung gebracht, als es klar erschien, dass aufgrund der eskalierenden Lage für die Zivilbevölkerung, der Bedrohung der humanitären Einsatzkräfte und der gescheiterten diplomatischen Verhandlungen und regelmäßigen Brüche der ausgehandelten Waffenstillstandsabkommen, eine rein defensive Strategie ungeeignet erschien, die Lage zu kontrollieren.
Insofern waren zu Beginn der UNTITAF Mission die gewählten Mittel geeignet und erforderlich um die Bevölkerung und die Mitarbeiter der humanitären Organisationen vor Übergriffen zu schützen.
Allerdings wandelte sich das Bild während der Mission. Wie schon beschrieben bewirkten die zunehmend militärischen Aktionen, z.B. die „Jagd auf Aidid“[48], eine Eskalation der Gewaltanwendung. Hierbei wurden unzählige Zivilisten getötet und das Leid der Bevölkerung gesteigert. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist in diesem Stadium auf jeden Fall verletzt worden.
Diese Tatsache warf international neben der Frage der Rechtmäßigkeit auch die Frage des Sinns der Mission im Ganzen auf.
Ein weiterer negativer Effekt für die Mission war, dass Berichte über von UNO-Soldaten offensichtlich begangenen Menschenrechtsverletzungen erschienen. Erst nach massivem Protest von ausländischen Medien sah sich die UNO gezwungen Untersuchungen einzuleiten. Kein einziger Soldat wurde aber im Anschluss daran zur Verantwortung gezogen.[49]
7. Zusammenfassung
Der UNO-Einsatz in Somalia kann im Nachhinein als größter Misserfolg in der Geschichte der Vereinten Nationen angesehen werden. Es ist nicht gelungen die Situation in dem durch Bürgerkrieg und Hungersnot geplagten Land dauerhaft zu stabilisierten.
Auch die Ausweitung des Peacekeeping-Mandates UNSOM 1 durch friedenserzwingende Maßnahmen und die Autorisierung gegebenenfalls Resolutionen, wie z.B. die Entwaffnung der Milizen, auch mit Waffengewalt durchzusetzen brachten nicht den erwünschten Erfolg.
Die UNSOM-Missionen waren von Beginn an mit schwierigsten Verhältnissen und einem für Außenstehende schwer durchschaubaren Konflikttypus konfrontiert.
Nichts desto trotz wurden entscheidende Fehler schon vor dem eigentlichen Einsatz gemacht.
Das Zögern der Vereinten Nationen nicht schon 1989/90 in dem Konflikt zu vermitteln, kostete nicht nur unzählige Menschenleben, es beschädigte auch die Glaubwürdigkeit der UNO, die erst 1992 nach massiver weltweiter Berichterstattung Schlichtungsversuchen zwischen den Parteien unternahm.
Nach dem Abzug des Sondergesandten Sahnoun wurde eine Reduktion der Verhandlungspartner nur auf die Personen Aidid und Mahdi sichtbar, die wichtige kulturelle Eigenheiten, wie das weit verzweigte Clansystem, außer Acht ließ und sich nur auf die Köpfe der militärischen Auseinandersetzung konzentrierte. Hier wurden entscheidende und auch gemäßigte Kräfte nicht in einen Einigungsprozess miteinbezogen.
Weiter wurden von Anfang an durch eine Personifizierung des Konfliktes und einhergehende Stigmatisierung Aidids Grundsätze der Neutralität seitens der VN verletzt.
Die anfängliche Bekämpfung der Hungersnot und der Schutz vor Übergriffen auf die Hilfslieferungen geriet während der Mission UNSOM 2 immer mehr in den Hintergrund.
Durch gezielt militärische Schläge gegen General Aidid und die Unfähigkeit den Konflikt einzudämmen wurden die UNO-Soldaten selbst zur Bürgerkriegspartei.
Somalia sollte nach Meinung vieler Mitglieder der Vereinten Nationen ein Präzedenzfall werden, um zukünftig humanitäre Interventionen mit innerstaatlichen Konflikten, wie Bürgerkrieg oder soziale Katastrophen, zu rechtfertigen.
Das Beispiel Somalia zeigt, dass der massive militärisch gestützte Einsatz in Somalia ein externer Eingriff in einen sehr komplexen und eigendynamischen Konflikt war. Die Idee
mit friedenserzwingenden Maßnahmen die Symptome eines tiefen Konfliktes zu beseitigen, hat nicht funktioniert.
Die Erfahrungen in den letzten Jahren zeigen, dass es Veränderungen im Sicherheitskonzept der UNO gegeben hat und neue Strategien und neue Interpretationen der Konfliktbeilegung nach Kapitel 6 und 7 der UN-Charta gibt.
Diese Erfahrungen, auch aus Somalia, tragen dazu bei, die Verantwortung der Vereinten Nationen zu stärken auch bei innerstaatlichen Konflikten zu vermitteln.
Ein aktives und entschlossenes Auftreten der Weltgemeinschaft in Bezug auf Friedenssicherung und ein besonnenes, aber konsequentes Handeln am Einsatzort ist für die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen unerlässlich.
Literaturverzeichnis:
BOUTOS-GHALI, B.(1993): Die Agenda für den Frieden, Analysen und Empfehlungen des UN-Generalsekretärs, Forderung an die deutsche Politik, Bonn.
EIKENBERG, Katrin (1993): Somalia: Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO? In: MATTHIES, Volker (Hg), Frieden durch Einmischung?, Bonn.
FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum.
Frankfurter Rundschau vom 5.8.1992.
GREENWOOD Christopher (1998): Gibt es ein Recht auf humanitäre Intervention ? In: BRUNKHORST, Hauke ( Hg); Einmischung erwünscht? Frankfurt(Main).
HÖSGEN, Karlheinz (1991): Deutsche Soldaten in UNO-Friedenstruppen, Frankfurt(Main).
SCHLEE, Günter (1995): Regelmäßigkeiten im Chaos: Elemente einer Erklärung von Allianzen und Frontverläufen in Somalia. In: Afrika Spectrum 1995/3.
Süddeutsche Zeitung vom 4./5.3 1995.
WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage.
www.uno.de/charta/charta.htm#7
www.oelspuren.net/Krieg/somali/somali.HTM
www.naher-osten.de/zeitungsartikel/UNO-Militär_als_Menschenrechts/Erganzungsmaterial_somalia-UN/erganzugsmaterial-somalia-un.html
[...]
[1] www.uno.de/charta/charta.htm#1
[2] WEBER, Matthias (1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S.22.
[3] www.uno.de/charta/charta.htm#7
[4] WEBER, Matthias (1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 24.
[5] HÖSGEN, Karlheinz (1991): Deutsche Soldaten in UNO-Friedenstruppen, Frankfurt(Main), S.32.
[6] GREENWOOD Christopher (1998): Gibt es ein Recht auf humanitäre Intervention ? In: BRUNKHORST, Hauke ( Hg); Einmischung erwünscht? Frankfurt(Main), S.34.
[7] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 25
[8] WEBER, Matthias(1997 ): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S.28.
[9] WEBER, Matthias(1997 ): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 25.
[10] EIKENBERG, Katrin (1993): Somalia: Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO? In: MATTHIES, Volker: Frieden durch Einmischung, Bonn, S.187ff.
[11] SCHLEE, Günter (1995): Regelmäßigkeiten im Chaos:Elemente einer Erklärung von Allianzen und Frontverläufen in Somalia. In: Afrika Spectrum 1995/3, S.281.
[12] SCHLEE, Günter (1995): Regelmäßigkeiten im Chaos:Elemente einer Erklärung von Allianzen und Frontverläufen in Somalia. In: Afrika Spectrum 1995/3, S.278.
[13] SCHLEE, Günter (1995): Regelmäßigkeiten im Chaos:Elemente einer Erklärung von Allianzen und Frontverläufen in Somalia. In: Afrika Spectrum 1995/3, S.277.
[14] EIKENBERG, Katrin(1993): Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO?, In: MATTHIES, Volker (Hg): Frieden durch Einmischung, Bonn, S.187/188.
[15] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 59.
[16] SCHLEE, Günter (1995): Regelmäßigkeiten im Chaos:Elemente einer Erklärung von Allianzen und Frontverläufen in Somalia. In: Afrika Spectrum 1995/3, S.284.
[17] FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum, S.24.
[18] Frankfurter Rundschau vom 5.8.1992.
[19] FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum, S. 23.
[20] EIKENBERG, Katrin (1993): Somali: Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO?, In: MATTHIES, Volker (Hg): Frieden durch Einmischung ?, Bonn, S.25.
[21] FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum, S. 24.
[22] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 70.
[23] EIKENBERG, Katrin (1993): Somalia: Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO? In: MATTHIES, Volker (Hg): Frieden durch Einmischung ?, Bonn, S.191.
[24] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 71.
[25] www.oelspuren.net/Krieg/somali/somali.HTM
[26] www.oelspuren.net/Krieg/somali/somali.HTM
[27] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S.72.
[28] FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum, S. 26.
[29] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S.77,78.
[30] GREENWOOD Christopher (1998): Gibt es ein Recht auf humanitäre Intervention ? In: BRUNKHORST, Hauke ( Hg); Einmischung erwünscht? Frankfurt(Main), S.28.
[31] BOUTOS-GHALI, B.(1993): Die Agenda für den Frieden, Analysen und Empfehlungen des UN-Generalsekretärs, Forderung an die deutsche Politik, Bonn, S.56.
[32] FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum, S. 26.
[33] EIKENBERG, Katrin (1993): Somalia:Vom Krieg der Klans zum Krieg der UNO?, In: MATTHIES, Volker (Hg): Frieden durch Einmischung, Bonn, S. 195.
[34] WEBER, Matthias(1997 ): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S.81.
[35] GREENWOOD Christopher (1998): Gibt es ein Recht auf humanitäre Intervention ? In: BRUNKHORST, Hauke ( Hg); Einmischung erwünscht? Frankfurt(Main), S.28.
[36] FUCHS, Peter (1993): IKRK und UN in Somalia, In: VOIGT, Wolfgang (Hg): Völkerrecht und humanitäre Operationen in Somalia und im ehemaligen Jugoslawien-Satzungsfragen des DRK, Bochum, S.28.
[37] www.naher-osten.de/zeitungsartikel/UNO-Militär_als_Menschenrechts/Erganzungsmaterial_somalia-UN/erganzugsmaterial-somalia-un.html
[38] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 91.
[39] www.oelspuren.net/Krieg/somali/somali.HTM
[40] Süddeutsche Zeitung vom 4./5.3 1995.
[41] EIKENBERG, Katrin (1993): Somalia: Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO? In: MATTHIES, Volker (Hg), Frieden durch Einmischung?, Bonn, S.187ff.
[42] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 114.
[43] EIKENBERG, Katrin (1993): Somalia: Vom Krieg der Clans zum Krieg der UNO? In: MATTHIES, Volker (Hg), Frieden durch Einmischung?, Bonn, S.194/195.
[44] Genauer Passus: “Nothing the offer by Member States aimed at establishing a secure enviroment for humanitarian relief operations in Somalia as soon as possible” (In: Mayal,1996, S.198ff).
[45] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 97.
[46] WEBER, Matthias(1997): Der UNO-Einsatz in Somalia, Denzlingen, 1.Auflage, S. 107.
[47] SCHLEE, Günter (1995): Regelmäßigkeiten im Chaos:Elemente einer Erklärung von Allianzen und Frontverläufen in Somalia. In: Afrika Spectrum 1995/3, S. 289.
[48] www.naher-osten.de/zeitungsartikel/UNO-Militär_als_Menschenrechts/Erganzungsmaterial_somalia-UN/erganzugsmaterial-somalia-un.html
[49] www.oelspuren.net/Krieg/somali/somali.HTM
- Arbeit zitieren
- Massimo Meurer (Autor:in), 2002, Internationale Friedensschaffung in Afrika - Das Beispiel der humanitären Intervention in Somalia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108645