Mahnmal gegen Faschismus - Alfred Hrdlicka


Seminararbeit, 2000

17 Seiten


Leseprobe


Einleitung

„Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus“ von Alfred Hrdlicka ist in den Medien und in Österreich extrem diskutiert worden. (Bild1) Die Errichtung zog große Aufmerksamkeit auf sich, es wurde von verschiedenen Initiativen vom Abriss bedroht. Vielen Wienern galt es als Schandfleck, heute übersehen es die meisten Passanten. Die jüdische Gemeinde fühlte sich in Hrdlickas Mahnmal unverstanden, dem Künstler wurde der Mißbrauch der historischen Vergangenheit vorgeworfen. Um diesen Forderungen gerecht zu werden, wurde 12 Jahre später ein weiteres Denkmal errichtet, das auf den Wänden eines Kubus die Namen der 65000 österreichischen Opfer (zwischen 1938 und 1945) trägt. Die Stärken eines abstrakten Denkmals zeigen sich an Ulrich Rückriems ‚Monument für die Deportierten in der Moorweidenstraße‘ in Hamburg. Es stellt sich die Frage, weshalb gerade dieses Denkmal akzeptiert wird. Bei Hrdlickas Denkmal jedoch wurde immer die Frage nach der Integrität und der politischen Orientierung des Künstlers diskutiert. Im Folgenden werden sowohl Hrdlickas politische und künstlerische Überzeugung dargestellt und ein Einblick in die wichtigsten Überlegungen zu Anspruch und Wirkung von Holocaust-Denkmälern gegeben.

Beschreibung des Mahnmals

Das Mahnmal steht auf dem Albertinaplatz, gegenüber der Graphischen Sammlung und in direkter Nähe der Hofburg. Es befindet sich also in einer exponierten Zone zwischen der Einkaufsmeile Kärntner Straße, Hotel Sacher in einer Seitengasse und der von Touristen frequentierten Hofburg. Keine Absperrung oder ähnliches zwingt den Betrachter Abstand zu halten. Die gesamte Anlage besteht aus drei Stationen, die ebenerdig, ohne Sockel, direkt auf dem gepflasterten Platz aufgestellt sind. „Der Skulpturenpark spricht in vielerlei Sprachen gleichzeitig: mythologisch, historisch, politisch, realistisch, fragmentarisch, polemisch.“[1]

Zwei Granitblöcke von 1,50 m Höhe bilden einen schmalen Durchgang von 90 cm. Auf diesen vieleckigen Kuben stehen unregelmäßige Blöcke aus Carraramarmor, die 4.20 m bzw. 3.40 m hoch aufragen. Sie bilden zusammen das “Tor der Gewalt“ (Bild Hrd1, Hrd4), betitelt „Heimatfront“ und „Heldentod“.[2] Viele Fragmente von Körpern sind abgebildet. So zeigt der eine Block eine im Stehen gebärende Frau. Unweit davon das Gesicht eines toten Soldaten, sowie weitere Körper. Die Rückseite des gegenüber stehenden Blocks bildet ein weiterer Soldat mit Gasmaske und einem Dolch in der Hand. (Bild Hrd3). Hrdlicka möchte, daß beim Durchschreiten des Tores eine beängstigende Wirkung entstehen soll.[3] Der Blick fällt auf die im rechten Winkel dahinter am Boden liegende, aus Bronze gegossene, Figur des “Straßenwaschenden Juden“ als Zentrum des Mahnmals. An der Figur fällt die nahezu naturalistische Ausführung der Partie des Gesichtes und der Hände auf, während der Körper ein roh behauener steinerner Block geblieben ist. So wird ein liegender älterer Mann, mit Halbglatze und Vollbart erkennbar, der mit einer übergroßen Bürste in einer erniedrigenden Prozedur die Straße waschen muß. Auf dem Rücken der weniger als lebensgroßen Figur wurde Stacheldraht angebracht, um die Figur zu schützen. Gegen diese Darstellung mußte sich Hrdlicka mehrfach verteidigen, warf man ihm doch vor, so die Juden ein weiteres Mal zu erniedrigen. Hrdlicka hält dem entgegen, daß niemand in den Verdacht komme, Jesus zu erniedrigen, wenn er ihn am Kreuz genagelt zeige.[4] Die Plastik soll anschaulich den extremsten Moment der Erniedrigung darstellen:

„Er symbolisiert nicht nur den Beginn der Rassenverfolgung, die sich damals im Vergleich zu Auschwitz und anderen Schreckensorten vergleichsweise harmlos ausnahm, sondern auch die Ohnmacht des Einzelnen gegenüber der Gewaltherrschaft. Die kontrastierenden Proportionen sollen das wirkungsvoll unterstreichen.“[5]

Die ersten Entwürfe für die Figur unterschieden sich deutlich. (Bild xxx) So stützte sich die erste Figur auf den Armen und Knien ab. Nachdem Touristen die Figur als Sitzbank benutzten, wurde sie stillschweigend ausgetauscht. Hinter dieser Figur sollte ursprünglich ein aus Bronze und Stein gestalteter „Bombentrichter“ im Boden eingelassen sein, zur Erinnerung an die Bombardierung des Philipp-Hofes in den letzten Kriegstagen. Möglicherweise wurde diese Station wegen dazu erforderlicher komplizierter Entwässerungsmaßnahmen nicht ausgeführt. Der nachfolgend aufgestellte circa 1,20 m hohe Kalksteinblock trägt eine reliefartige, aus einem Block aus Carraramarmor herausgehauene Halbfigur. Nur zwei Beine und das Gesäß sind ausgearbeitet, ein angewinkelter Unterarm ragt aus dem groben Stein hervor. Der Kopf der Figur ist nicht ausgebildet. Nach einer Aussage von Hrdlicka handelt es sich um Orpheus, den Hades betretend. Das Attribut des Orpheus, die Kithara, fehlt allerdings. Diese Station des Denkmals läßt zunächst die Assoziation von der Darstellung körperlicher Schönheit zu, die aber sogleich durch Widersprüche irritiert. Sie läßt einander durchaus widersprechende Deutungsansätze zu. Zunächst irritiert, daß ein Modellathlet im Stile Arno Brekers, der im Stechschritt der NS-Armee sein Bein zu schwingen scheint, in einem Mahnmal erscheint. Doch vor dem Hintergrund der griechischen Tragödie wird ein Zusammenhang denkbar. Orpheus‘ Mission, Eurydike zu befreien, mißlingt. In Orpheus ein Symbol für Kultur und Literatur an sich zu sehen und dies im Zusammenhang mit Deutschland auf das sprichwörtliche Volk der Dichter und Denker zu beziehen, erscheint bündig. Der Weg aus dem Hades hinaus kostet Orpheus seine Liebe und seine Dichtkunst, weil er sich seiner selbst unsicher wird. So wie sich die Deutschen von einem anderen Sänger verführen ließen und für ihn ihr humanistisches Erbe preisgaben oder mißbrauchten, wie sich die Dichter in den Dienst eines Regimes stellten, das gerade sie doch hätten erkennen müssen, verbannen sie ihre Kultur in das Reich des Todes. Ebenso kann Hrdlicka auf gerade die noch dreißig Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg so verfeinerte ästhetitizistische Kultur und Literatur des Jungen Wien mit ihren Protagonisten von zum Teil jüdischer Herkunft anspielen, die nun gänzlich vernichtet wird. Dies läßt sich ausweiten auf das gesamte europäische kulturelle Erbe: Orpheus steht dafür, daß Geist und Kultur selbstverschuldet getötet worden sind. Hinter dem Standbein der Orpheus-Figur ist das Gesicht eines Toten mit aufgerissenen Augen erkennbar. Hrdlicka erinnert hier an die in den Kellern des Philipp-Hofes nach einem Luftangriff eingeschlossenen Menschen, die nicht befreit werden konnten und Tage nach dem Luftangriff qualvoll starben. (Bild Hrd2) Diese Seite des Steinblocks ist von parallelen Furchen durchzogen, gleich den Lagerfugen eines Backsteingebäudes. Hrdlicka stellt hier, wie auch bei anderen Werken Tragödien oder Grausamkeiten ästhetisch dar. Er will eine widersinnige Spannung erzeugen zwischen Schönheit und Häßlichkeit. Die Schönheit der Figur zieht an, doch die Sage ist tragisch. Hrdlicka bedient sich bei dieser Gruppierung der griechischen Mythologie, wie z.B. bei der Marsyas Figur auf der Lichtwiese - ein zeitloser Verweis um den historischen Hintergrund zu verwischen und um vielfältige Assoziationen anzubieten.

Den Abschluß bildet ein teilweise glattgeschliffener Granitstein, der an eine Stele erinnert. Auf ihm ist die Unabhängigkeitserklärung Österreichs vom 27. April 1945 eingemeißelt. Es handelt sich um den ersten Aufruf der drei demokratischen Parteien, darunter die kommunistische Partei Österreichs, die die zweite Republik gründeten.

[...]


[1] Wolfgang Koch: „Das Mal des Mahnens.“ In: die tageszeitung, 27.08.1988, Seite 17-18.

[2] Paul Petzel: „Mahnmale - Zur Ästhetik des Erinnerns“.

[3] Patrick Horvath: „1988“: Alfred Hrdlicka im ORF-Mittagsjournal am 26.7.1988. www.medicalnet.at/horvath/1988.htm

[4] Hrdlicka, Alfred: Skulpturen, Zeichnungen, Druckgraphik 1945-1997, Zürich 1997, Seite 56.

[5] Hrdlicka, Alfred: Das Gesamtwerk. Schriften (Bd. IV) Seite 189.

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Details

Titel
Mahnmal gegen Faschismus - Alfred Hrdlicka
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Autoren
Jahr
2000
Seiten
17
Katalognummer
V108780
ISBN (eBook)
9783640069736
ISBN (Buch)
9783640862269
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mahnmal, Faschismus, Alfred, Hrdlicka
Arbeit zitieren
Peter Röthig (Autor:in)Katja Kaluga (Autor:in), 2000, Mahnmal gegen Faschismus - Alfred Hrdlicka, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108780

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