Medienrecht in Italien


Seminararbeit, 2004

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Statt einer Einleitung

2 Zur Situation der Medien in Italien
2.1 Entwicklung und heutiger Stand
2.1.1 Zeitungen in Italien
2.1.2 Fernsehen in Italien
2.2 Silvio Berlusconi
2.2.1 Wirtschaftliche Anfänge
2.2.2 Politischer Werdegang
2.2.3 Berlusconis Mediengeschäfte

3 Medienrecht in Italien
3.1 Dekreto Berlusconi (1985)
3.2 Legge Mammi (1990)
3.3 Legge Maccanico (1997)
3.4 Legge Gasparri (2003/2004)

4 Fazit: Italien - eine Telekratie?

Literaturverzeichnis:

1 Statt einer Einleitung

„Der Bürger arbeitet in der Firma des Präsidenten (dem Staat, zum Beispiel),

geht in den Supermarkt des Präsidenten einkaufen,

der voller Produkte ist, die vom Präsidenten beworben werden;

dann geht er in sein Haus zurück, das vom Präsidenten gebaut wurde,

sieht das Fernsehen des Präsidenten (Rai und Fininvest) oder das Pay Tv des Präsidenten;

wenn er keine Lust hat, kann er sich immer noch mit einem Buch oder einer Schallplatte zerstreuen, die vom Präsidenten herausgegeben wurde;

ansonsten blättert er in den Zeitungen des Präsidenten und wählt zwischen dem Theaterhäusern (Oper oder Sprechtheater) und den Kinos des Präsidenten, eines, das ein Konzert, ein Theaterstück oder einen vom Präsidenten produzierten Film bringt;

am Sonntag geht er in das Stadion des Präsidenten, in dem man zur Mannschaft des Präsidenten hält, im Sommer reist er mit der Agentur des Präsidenten;

in den Werbeunterbrechungen, währende die Spots vorbeiziehen singt er, um sich zu zerstreuen, die Hymne des Präsidenten.

Was schlecht daran ist?

Es ist das Leben, das seit Jahren die (glücklichen) Fininvest-Angestellten leben.

Ach ja, die Handys sind von Olivetti, die Autos von Fiat und die Reifen von Pirelli: eine Abwechslung“[1]

2 Zur Situation der Medien in Italien

2.1 Entwicklung und heutiger Stand

Viel Schlechtes ist über die italienische Medienlandschaft gesagt worden. In einer Studie zur internationalen Pressefreiheit, durchgeführt von der Organisation „Reporter ohne Grenzen“, erreichte Italien nur Platz 53 hinter Entwicklungsländern wie Ghana oder Bolivien. So besorgniserregend die Situation aus unserer Sicht auch scheint, man muss sie im Kontext der gewachsenen italienischen Medienlandschaft sehen, die sich vor allem in zwei Punkten von der Deutschen unterscheidet: Die große Bedeutung des Fernsehens (und nicht der Zeitungen) einerseits und die langjährige Verflechtung von Politik und Medien andererseits.

Im Folgenden werden beide Punkte ausführlicher beschrieben:

2.1.1 Zeitungen in Italien

Italienische Tageszeitungen sind qualitativ hochwertig, aber wenig verbreitet. Außer dem „Corriere della Serra“ und „La Stampa“ findet man kaum bedeutsame überregionale Zeitungen. Relativ erfolgreich sind dagegen die täglich erscheinenden Sportzeitungen.

Ein Hauptgrund für diese spezifische Entwicklung dürfte in der relativ späten Alphabetisierung der Bevölkerung liegen: Noch vor 100 Jahren konnten 17 der 22 Millionen Italiener nicht lesen. Massenpresse oder Generalanzeiger konnten, anders als in Deutschland oder Frankreich nicht Fuß fassen. Stattdessen gab es kleinere Publikationen für die gebildete Oberschicht.

Immer noch kaufen nur 117 von 1000 Italienern täglich eine Zeitung; in Deutschland sind es dreimal so viele. Bei diesen Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass Mitte der 70er Jahre ein Zeitungsserben nur durch massive staatliche Subventionen verhindert werden konnte. Welche Folgen diese staatlichen Zuwendungen für die journalistische Unabhängigkeit hatten, kann man sich leicht ausmalen.

Was die politische Berichterstattung angeht, sind Zeitungen sehr Kommentarlastig, die Trennung von Meinung und Nachricht ist oft unscharf.

2.1.2 Fernsehen in Italien

Nach einer Studie des italienischen Sozialforschungsinstituts „CENSIS“ von 2001 ist das Fernsehen zumindest quantitativ das wichtigste Informationsmedium der Italiener. Es erreicht vor allem bildungsferne Schichten, die insgesamt leichter beeinflussbar sind. Italien hat im europaweiten Vergleich die „eifrigsten Fernsehkonsumenten und die schlechtesten Zeitungsleser“[2].

Die Fernsehlandschaft Italiens bildet ein stabiles Duopol in dem die öffentlich-rechtlichen RAI-Sender Berlusconis „Mediaset“ gegenüberstehen. Andere Sender spielen kaum eine Rolle: Die drei staatlichen Sender RAI 1, RAI 2 und RAI 3 und Berlusconis Privatsender Italia 1, Rete 4 und Canale 5 haben zusammen einen Marktanteil von 90 Prozent[3]. In diesem, zwischen zwei Senderfamilien aufgeteilten, Markt verschiebt sich das Mächtegleichgewicht immer mehr zu Berlusconis Gunsten. 2002 hatte er mit seinen drei Sendern zusammen erstmals mehr Zuschauer als die RAI. Auch bei den Werbeeinnahmen liegt er seit längerem vorne: Seine Sender kassieren 38,8 Prozent aller Werbegelder, während die RAI-Sender nur 18,6 Prozent der Werbeinnahmen erhalten[4].

Die RAI gerät in Folge dieser Entwicklung wirtschaftlich zunehmend unter Druck. Sie versucht den Rückgang der Anzeigenerlöse dadurch zu stoppen, dass sie sich vom Programm immer stärker den privaten Sendern annähert und dadurch die Idee vom staatliche „Qualitätsfernsehen“ untergräbt.

Die Geschichte des Fernsehens in Italien ist auch eine Geschichte der politischen Einflussnahme auf die Medien. Die RAI war nie unparteiisch; ihre drei Kanäle waren von Anfang an unter den einflussreichsten Parteien aufgeteilt. Ein Beispiel für diese Praxis findet sich bei Nicole Tranfaglia:

„In den Jahren der Mitte-Links-Regierung hatte man die drei staatlichen Sender sozusagen aufgeteilt, wobei der Opposition des Mitte-Rechts-Bündnisses die Nachrichtensendung TG2 des zweiten Kanals und der Regierung die TG1 und TG3 des ersten und dritten Programms der RAI überlassen wurden. Die Programmdirektoren der Fernsehsender waren Gewährsmänner der Regierungsmehrheit, während die Leiter der Rundfunksender in einigen Fällen die Politik der oppositionellen Minderheit vertraten.“[5]

Eine Situation, die für deutsche Verhältnisse wohl unvorstellbar wäre. Zwar gibt es parteipolitische Präferenzen bei einigen Rundfunkräten, aber soweit, die Tagesschau der SPD und die Heute-Nachrichten der CSU zuzusprechen, würde wohl kaum jemand gehen.

Die schon immer sehr enge Verflechtung von Politik und Medien hat unter der Regierung Silvio Berlusconis noch zugenommen. Er kontrolliert sowohl seine eigenen Privatsender als auch - indirekt - die Sender der RAI und bestimmt dadurch über 90 Prozent des Fernsehprogramms. Wie es dazu kam, wird im nächsten Kapitel geschildert.

2.2 Silvio Berlusconi

Eine der Tatsachen, die stark zur Mythenbildung um Berlusconi beigetragen hat, ist sein kometenhafter Aufstieg „vom Staubsaugervertreter zum Multimillionär“[6]. In der Tat stammt der 1936 in Mailand geborene Silvio Berlusconi aus kleinbürgerlichen Verhältnissen - sein Vater war Bankangestellter, seine Mutter Hausfrau. Seine späteren geschäftlichen und politischen Erfolge verdankt er aber, wie man im Folgenden sehen wird, nicht nur seinem Fleiß und Können, sondern auch der erfolgreichen Instrumentalisierung von Kontakten und dem mehr als kreativen Umgang mit Vorschriften.

2.2.1 Wirtschaftliche Anfänge

Nach seiner Schulzeit studierte Berlusconi Jura und stellte seine Geschäftstüchtigkeit als Staubsaugervertreter unter Beweis. Außer dem arbeitete der „geborene Selbstdarsteller“[7] als Animateur auf Kreuzfahrtschiffen. Seine erste Million verdiente er nach dem Abschluss im Baugeschäft. 1963 baute er die Satellitenstadt in Mailand, für die er später auch ein „internes Fernsehsystem namens Telemilano“[8] gründete (siehe Punkt 2.2.3). Er profitierte von dem italienischen Wirtschaftswunder der 60er Jahre, das die Nachfrage nach Wohnungen steigen ließ. Woher die Gelder für seine ersten Investitionen stammten, ist noch nicht abschließend geklärt. Man vermutet, dass zumindest ein Teil aus Drogengeldern der lombardischen Mafia stammen[9]. Im Juni 1977 gründete Berlusconi die Holding „Fininvest“ (Finanziaria d’Investimento GmbH), unter deren Dach bis heute die meisten seiner Geschäfte versammelt sind.

Heute gehören zu Berlusconis Imperium unter anderen der Fußballverein „AC Mailand“, die Werbe- und Vermarktungsagentur „Publitalia“, die Kaufhauskette „Standa“ und Italiens größter Buch- und Zeitschriftenverlag „Mondadori“.

2.2.2 Politischer Werdegang

Berlusconis politischer Aufstieg begann 1993 mit der Gründung der rechtspopulistischen Partei „Forza Italia“, mit der er bereits wenig später, im März 1994, bei den Parlamentswahlen gewann. Die traditionellen italienischen Parteien befanden sich zu diesem Zeitpunkt in einer Vertrauenskrise. Der rasante Aufstieg eines Geschäftsmannes zum Staatsmann in nur hundert Tagen wird aber vor allem dem sehr professionellen Wahlkampf und der großen Medienpräsenz zugeschrieben, über die Berlusconi durch seine Fernsehsender verfügte. „In den Augen der Kritiker führte Berlusconi einen „audiovisuellen Staatsstreich“ durch, in dem er die Telekratie ausrief.“[10]

Diese erste Phase der Regentschaft Berlusconis endete allerdings bereits sieben Monate später, weil die „Lega Nord“ aus der Regierung austrat und die Koalition zerbrach. Bis zu seiner Wiederwahl im Jahr 2001 blieb Berlusconi in der Opposition und zog die Fäden eher im Hintergrund. Seine - für italienische Verhältnisse - extrem lange Regierungszeit seit 2001 wird wohl frühestens mit den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2006 enden.

2.2.3 Berlusconis Mediengeschäfte

Die Keimzelle von Berlusconis Medienimperium war der 1974 eröffnete Sender „Telemilano-Canale 5“ - anfangs ein winziger Sender für die von ihm gebaute Luxus-Wohnsiedlung in Mailand, der bis 1980 zu einem professionellen Betrieb ausgebaut wurde. Weil zu diesem Zeitpunkt nur regionale Privatsender erlaubt waren, griff der Geschäftsmann zu einem Trick um überregional zu senden: Er kopierte die Sendungen auf Videokassetten und strahlte sie zeitversetzt in mehreren Städten gleichzeitig aus. „So konnte das Publikum den den Eindruck gewinnen, ein nationales TV-Programm zu sehen, in Wahrheit spielten jedoch lauter kleine TV-Stationen dieselbe Videokassette ab.“[11]

Bereits zwei Jahre später, 1982, übernimmt der Medienzar den Sender „Italia Uno“ und

1984 kommt noch der Sender „Rete 4“ zur Senderfamilie hinzu. Gleichzeitig baute Berlusconi seine Marketingfirma „Publitalia“ aus, denn er hatte bereits früh die wirtschaftlichen Zusammenhänge des jungen Medienmarktes durchschaut: „Solange man die Vermittlung von Werbung einem Dritten überließ, gab man eine große Gewinnspanne freiwillig ab. Wer auf eine eigene Werbevermittlungsfirma zählen konnte, machte das große Geld.“[12]

Damit dieser geniale Wertschöpfungszyklus auch in Zukunft reibungslos funktionierten konnte, musste die Mediengesetzgebung in Berlusconis Sinne ausfallen. Wie genau die Entwicklung des Medienrechts aussah und welchen Einfluss der Medienmogul auf sie hatte, wird in den nächsten Kapiteln zu untersuchen sein.

3 Medienrecht in Italien

Lange Zeit war das hervorstechendste Merkmal der Mediengesetzgebung in Italien ihre weitgehende Abwesenheit: „Die Geschichte des italienischen Rundfunks ist von der Machtlosigkeit der Gesetzgeber gekennzeichnet.“ [13] Zwar schreibt der Artikel 21 der Italienischen Verfassung die Meinungs- und Pressefreiheit fest, darüber hinaus gab es aber bis 1985 kaum rechtliche Schranken für die Medien. Die Gesetzgebung in diesem Bereich ist träge und legalisiert oft im „nacheilenden Gehorsam“[14] das, was in der Realität längst existiert (z.B. die Privatsendern). Auch die „notorische Instabilität vieler italienischer Regierungskoalitionen“ trug dazu bei, die „sprunghafte und inkonsistente Politikgestaltung“[15] im Medienbereich zu verstärken. Die folgenden Kapitel geben einen Überblick der Mediengesetzgebung von 1985 bis 2004.

3.1 Dekreto Berlusconi (1985)

Berlusconi hatte durch die geschickte Vernetzung seiner Lokalsender klammheimlich einen landesweiten Privatsender geschaffen (siehe 2.2.3) und damit das staatliche Fernsehmonopol untergraben. Als Reaktion auf diese Entwicklung schalteten im Oktober 1984 drei Amtsrichter in Rom, Turin und Pescara die Sender des Berlusconi-Networks ab. Sie sahen in der Benutzung von Hochfrequenzbrücken einen Angriff auf das Fernsehmonopol des Staates[16].

Berlusconi konnte sich allerdings der Unterstützung der Bevölkerung und seines Freundes und „Ziehvaters“[17], dem Premierminister Bettino Craxi, sicher sein.

Craxi erließ innerhalb von vier Tagen, am 20. Oktober1984, ein Notdekret mit einer mehr als amüsanten Begründung: „ Die Eilverordnung wurde im Namen eines „primären nationalen Interesses“ erlassen, wobei es sich um die nächste Folge von „Dallas“ handelte.[18]. Zum ersten Mal waren damit die landesweiten privaten Networks legalisiert.

Als die im Parlament heftig umstrittene Verordnung nach 60 Tagen endgültig verabschiedet werden sollte, musste Craxi die Zustimmung per Vertrauensfrage erzwingen.

Das Gesetz war eindeutig auf die Bedürfnisse von Berlusconis Medienimperium zugeschnitten - „im großen und ganzen eine Generalamnestie für die Privatsender“[19].

Was als Provisorium gedacht war, hielt sich dank mehrmaliger Verlängerung der Frist mehr als fünf Jahre - bis schließlich 1990 mit dem „Legge Mammi“ das erste wirkliche Mediengesetz kam.

3.2 Legge Mammi (1990)

Erst durch massiven Druck kam es 1990 zu einem neuen Mediengesetz: Im Januar 1990 traten die italienischen Journalisten in Streik. Wenig später stellte der Präsident des Verfassungsgerichts dem Parlament ein Ultimatum: „ Noch vor den Sommerferien müsse das lange überfällige Mediengesetz verabschiedet sein - sonst werde das jahrelange Provisorium zugunsten Berlusconis für Verfassungswidrig erklärt.“[20]

Die Drohung wirkte: bereits im Mai 1990 trat das nach dem Postminister Oscar Mammi benannte „Legge Mammi“ in Kraft - ein zaghafter Versuch, Berlusconis Macht in rechtliche Schranken zu weisen: „Auch wenn es einige wenige Beschränkungen hinsichtlich der Expansion kommerzieller Fernsehveranstalter enthielt, legalisierte es im wesentlichen die bestehende Struktur.“ [21]

Die Inhalte des Gesetzes lassen sich unterteilen in Kartellbestimmungen, Auflagen für die Werbung und Mindestquoten für Europäische Filmproduktionen:

- Kartellbestimmungen: Niemand darf mehr als drei nationale Fernsehsender besitzen. Wer mehr als 16 Prozent der Tageszeitungsauflage besitzt, darf keinen Sender besitzen. Ein Konzern darf nicht mehr als 20 Prozent seines Umsatzes mit Massenmedien machen.
- Werbung: Staatliche Sender dürfen nicht über einem Anteil von maximal 12 Prozent Werbung pro Stunde liegen, für Privatsender gilt ein Limit von 18 Prozent
- Europäische Produktionen müssen einen Anteil von 40 Prozent des Fernsehprogramm ausmachen (dieser Teil des Gesetzes setzt eine EU-Fernsehrichtlinie um).[22]

Über die Einhaltung des „Legge Mammi“ sollte ein sogenannter „Garante per la radiodiffusione e l’editoria“ (kurz: „Garante“) wachen. Er hatte aber - ähnlich dem deutschen Presserat - keine Durchsetzungsbefugnisse[23]. Dem „Legge Mammi“ wurde allgemein vorgeworfen, dass es viel Deutungsspielraum und Schlupflöcher offen ließ. So übertrug zum Beispiel Silvio Berlusconi eine seiner Tageszeitungen an seinen Bruder Paolo, um das Gesetz zu umgehen.[24]

Das italienische Verfassungsgericht erklärte das „Legge Mammi“ im September 1994 für unzulässig, weil es nur den Interessen von „Fininvest“ diene und nicht der Meinungsfreiheit. Es fordert bis August 1996 ein neues Gesetz und so unternahm die Regierung unter Romano Prodi 1996 einen neuen Versuch, ein Rundfunkgesetz zu schaffen.

3.3 Legge Maccanico (1997)

Das nach dem Postminister Antonio Maccanico benannte Gesetz sollte eigentlich die bereits bestehenden Kartellklauseln und Werbelimits noch einmal verschärfen und konkretisieren. Allerdings scheiterten viele der gegen die Marktmacht von „Mediaset“ gerichteten Punkte am Wiederstand der Opposition, sodass schließlich nur eine deutlich abgeschwächte Version des Entwurfes verabschiedet wurde.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

- Berlusconis Sender „Rete 4“ soll bis 2004 auf Satellit geschaltet werden, um eine terrestrische Frequenz freizumachen
- Forderung nach einem Frequenzplan, allerdings ohne Zeitlimit.
- Erstmals exakte Definition der „dominanten Marktposition“: Kein Unternehmen darf mehr als 30 Prozent der Umsätze im Fernsehmarkt beziehungsweise 20 Prozent des gesamten Kommunikationssektors (inklusive Print und Radio) auf sich vereinen.[25]
- Die Aufgabe des „Garante“ übernimmt ein Aufsichtsorgan namens „Autoriá per le garanzie delle communicazioni“, dessen Mitglieder von Parlamentsausschüssen beider Kammern gewählt werden. Die wichtigsten Aufgabenfelder des Gremiums sind Jugendschutz, Kontrolle der Werbequoten und Aufsicht über Pluralismus.[26]

Obwohl im „Legge Maccanico“ der Wille zur Reform spürbar ist, vermochte es nicht, das Duopol von RAI und „Mediaset“ zu durchbrechen: „Versucht man eine Bilanz der legge Maccanico zu ziehen, so muss man sagen, dass einerseits der Wille zur Reform vorhanden gewesen ist, da lange brachliegende Initiativen wie zum Beispiel konzentrationsrechtliche Bestimmungen und die Errichtung einer unabhängigen Medienaufsichtsbehörde angegangen wurden. Andererseits hat dieses Gesetz am Duopol RAI-Mediaset nichts verändert und keine Chance für einen dritten Pol eröffnet. Der Grund dafür ist die schlechte Umsetzung.“[27]

Das „Legge Maccanico“ ereilte ein ähnliches Schicksal wie seine Vorgänger: Es wurde im November 2002 vom Verfassungsgericht für rechtswidrig erklärt, „weil darin kein fester Zeitpunkt für die Öffnung von terrestrischen Fernsehfrequenzen genannt worden war.“[28]

3.4 Legge Gasparri (2003/2004)

Auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts reagierte Silvio Berlusconi mit einem Gesetzesentwurf, der Fernseh-, Werbe- und Zeitungsmarkt in Italien völlig neu ordnen sollte.[29]

Das nach Kommunikationsminister Maurizio Gasparri benannte „Legge Gasparri“ trat am 29. April 2004 in Kraft, es ist aber möglich, dass das Verfassungsgericht noch Einwände gegen das Gesetz erhebt. Der Verabschiedung des Gesetzes ging ein Streit mit Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi voraus, der sich wegen „schwerwiegender verfassungsrechtlicher Bedenken“[30] weigerte, seine Unterschrift unter den Entwurf zu setzen.

Der Kernpunkt des „Legge Gasparri“ ist die Definition eines „Integrierten Kommunikationssystem“(auch: „SIC“), in dem unter anderem Zeitungs-, Tv-, Kino- und Werbemarkt zusammengefasst werden. An diesem Gesamtmarkt dürfen private Anbieter nur 20 Prozent halten. Auf den ersten Blick stellt das Gesetz eine Verbesserung gegenüber der bisherigen 30 Prozent-Grenze dar. In Wirklichkeit handelt es sich aber um Augenwischerei: Durch die Neudefinition wird der Gesamtmarkt ist so riesig, dass Berlusconi unter 20 Prozent bleibt, sein Einfluss aber sehr groß ist: „Dadurch aber, dass sich das Gesetz nun auf alle Arten von Medien bezieht, wird Berlusconis tatsächliche Medienmacht durch die Neuregelung ausgedehnt werden.“[31]

Auch um seinen Sender „Rete 4“ zu legalisieren, bedient sich Berlusconi eines Tricks: Er erhöht im „Legge Gasparri“ die Zahl der zugelassenen terrestrische Sender von zehn auf fünfzehn. Dadurch bleibt er auch in diesem Bereich unter der 20 Prozent-Marke. Mit diesem Kunstgriff verhindert er einen enormen Verlust von Werbeeinnahmen: „Sein Sender Rete 4 hätte beim Ausweichen auf Satelliten nur noch mit etwa sechs Millionen Euro Werbeeinnahmen (bisher 300 bis 350 Millionen) rechnen können.“[32]

Der Pluralismus im Fernsehen soll, so Berlusconi, in Zukunft durch neue digitale TV-Kanäle gewährleistet werden. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass ein Konkurrent in diesem Feld Fuß fasst. Nach einer Untersuchung des italienischen Kartellamts baut der italienische Fernsehmarkt „hohe Hürden für neue Wettbewerber“ auf und wirkt durch die „ Dominanz der beiden großen Mediengruppen (..) negativ auf den Start von digitalem terrestrischem Fernsehen.“[33]

Weitere Inhalte des neuen Gesetzes: Ab 2009 sind Crossmediale Verflechtungen erlaubt; auch Fernsehsender können also Zeitungen erwerben: „.. nach der neuen Regelung darf er (Berlusconi, Anm. d. A.) künftig fast unbeschränkt Tageszeitungen in sein Medienreich einverleiben, was ihm bisher verwehrt war. Auch bei der TV-Werbung räumt das Gesetz die letzten Anstandshürden.[34]

Außerdem wird die öffentlich-rechtliche RAI-Gruppe rückwirkend zum 1. Januar 2004 privatisiert, den Großteil der Aktien hält das Finanzministerium. Dadurch wird die Kontrolle des Staates über den Sender noch direkter, denn der Chef der RAI wird ab jetzt vom Finanzminister ernannt[35] - und der heißt seit dem 4. Juli 2004 Silvio Berlusconi. Seitdem der Ministerpräsident erklärte, er würde “bis auf Weiteres” dieses Amt übernehmen, kontrolliert er die RAI nicht mehr nur indirekt sondern höchstpersönlich: „In der neuen Position kann Berlusconi jetzt ganz direkt über ihn (gemeint ist Chefredakteur Clemente Mimun, Anm. d. A.) und die anderen Mitarbeiter der staatlichen Fernsehanstalt Rai befinden, denn als Finanzminister hält er praktisch 100 Prozent der Aktien an der Rai Holding, der Mutter-Gesellschaft des Staatssenders.“[36]

Das „Legge Gasparri“ ist in einem bisher ungekannten Ausmaß auf die Bedürfnisse von Berlusconis „Fininvest“ zugeschnitten. Man spricht von einer „Zäsur in der italienischen Medienpolitik“, und ein Abgeordneter der Oppositionspartei glaubt: „Jetzt gibt es für Berlusconi keinen Grund mehr, sich irgendwie moderat zu verhalten - er hat alles was er braucht.“ [37]

Treibt das neue Gesetz Italien in den Abgrund der Telekratie, wie Kritiker befürchten? Vielleicht. Aber wie im Folgenden festgestellt wird, setzt das „Legge Gasparri“ vor allem einen Weg fort, den die italienische Mediengesetzgebung seit Jahren beschreitet.

4 Fazit: Italien - eine Telekratie?

Nach dieser Betrachtung der italienischen Medienlandschaft und ihrer gesetzlichen Grundlagen scheint es so, als sei sie nicht durch strenge Gesetze gefesselt, sondern im Gegenteil durch das Fehlen solcher Gesetze verwuchert. Nur so konnte wohl ein derart ausgeprägtes - und meines Wissens in Europa einzigartiges - Duopol entstehen. Die Gesetze legitimierten meist nur den Status Quo und es entsteht der Eindruck, als sei das Verfassungsgericht die einzige Instanz, die der Medienkonzentration noch Einhalt gebieten kann.

Auf der anderen Seite muss man sich davor hüten, Silvio Berlusconi zu dämonisieren. Es stimmt zwar, dass er es verstanden hat, die Medien für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Dass sich Italien nie eine pluralistische Medienlandschaft entwickeln konnte, ist aber nicht allein seine Schuld. Auch andere Regierungen vor ihm haben die Medien zur Stabilisierung ihrer Macht eingesetzt. Die RAI hat eine lange Vergangenheit der Instrumentalisierung durch verschiedenste Parteien hinter sich: „Die Machtposition, die Silvio Berlusconi im italienischen Mediensystem erlangt hat, ist sicherlich einzigartig, stellt jedoch in gewisser Weise lediglich die Zuspitzung einer langen Tradition in Italien dar, nämlich der besonders engen Verbindungen zwischen dem politischen System auf der einen Seite und dem Mediensystem auf der anderen Seite.“[38]

Diese Tatsache gilt es im Auge zu behalten. Vielleicht haben die italienischen Medienkonsumenten aus dieser langen Tradition im Umgang mit parteiischen Medien eine Form des Skeptizismus entwickelt, die in der selbstgerechten Berichterstattung der deutschen Zeitungen bisher übersehen wurde.

Literaturverzeichnis:

Wissenschaftliche Quellen:

Bollich, Edith: Der Herr der Bilder. Silvio Berlusconi und die Rundfunkfreiheit in Italien. Marburg 2003

Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien zwischen Politik und Marktwettbewerb. In: Mediaperspektiven 11/2003. S. 517- 529

Renner, Jens: Der Fall Berlusconi. Rechte Politik und Mediendiktatur. Göttingen 1994

Tranfagl ia, Nicole: Informationsmedien. In: Berlusconis Italien - Italien gegen Berlusconi. Berlin 2003. S.116-130

Wallisch, Stefan: Aufstieg und Fall der Telekratie. Silvio Berlusconi, Romano Prodi und die Politik im Fernsehzeitalter, Wien 1997 S. 66-90

Sonstige Quellen:

Arens, Roman: Integriertes System. In: Frankfurter Rundschau. 24. Juli 2003. S.15

Arens, Roman: „Zeichen eines Putsches“. In: Frankfurter Rundschau. 27. Dezember 2003. S.15

Fromm, Thomas: Neues Gesetz stärkt Mediaset-Gruppe. In: Financial Times. 3. Dezember 2003. S. 5

Kohl, Christiane: Eigenbedarf. In: Süddeutsche Zeitung. 20. September 2002. S.17

Kohl, Christiane: Mächtige Freunde. In: Süddeutsche Zeitung. 23. Juli 2003. S.2

Kohl, Christiane: Der schwarze Kanal. In: Süddeutsche Zeitung. 4. Dezember 2003. S.35

Kohl, Christiane: Ciampi blockiert Berlusconis Mediengesetz. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Dezember

2003. S.35

Kohl, Christiane: Der besetzte Sender. In: Süddeutsche Zeitung. 6. Mai 2004. S.35

Kohl, Christiane: Hand in Hand. In: Süddeutsche Zeitung. 6. Juli 2004. S.15

Straub, Dominik: Berlusconi bedient sich. In: Frankfurter Rundschau. 30. April 2004. S.20

[...]


[1] Corrias, Pino; Gramellini, Massimo; Maltese, Curzio: 1994, zitiert nach Wallisch, Stefan: „Aufstieg und Fall der Telekratie“

[2] Tranfaglia, Nicole: Informationsmedien. S.118

[3] Fromm, Thomas: Neues Gesetz stärkt Mediaset-Gruppe

[4] ebd.

[5] ebd. S. 120f.

[6] Renner, Jens: Der Fall Berlusconi. S. 83

[7] ebd. S.86

[8] Bollich, Edith: Der Herr der Bilder. S. 56

[9] Renner, Jens: Der Fall Berlusconi. S. 89f.

[10] Wallisch, Stefan: Aufstieg und Fall der Telekratie. S. 125

[11] Kohl, Christiane: Mächtige Freunde

[12] Wallisch, Stefan: Aufstieg und Fall der Telekratie. S. 108

[13] Wallisch, Stefan: Aufstieg und Fall der Telekratie. S.85

[14] ebd.

[15] Beide Zitate: Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien. S. 518

[16] Kohl, Christiane: Mächtige Freunde.

[17] Renner, Jens: Der Fall Berlusconi. S. 91

[18] Bollich, Edith: Der Herr der Bilder. S.43

[19] ebd. S.44

[20] Renner, Jens: Der Fall Berlusconi. S.96

[21] Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien. S. 518

[22] Zahlen und Fakten: Wallisch, Stefan: Aufstieg und Fall der Telekratie. S.91f

[23] Bollisch, Edith: Der Herr der Bilder. S.47

[24] Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien. S. 518f

[25] ebd. S.519

[26] Bollisch, Edith: Der Herr der Bilder. S.49

[27] ebd. S.51

[28] Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien. S. 519

[29] Kohl, Christiane: Ciampi blockiert Berlusconis Mediengesetz

[30] ebd.

[31] Fromm, Thomas: Neues Gesetz stärkt Mediaset-Gruppe.

[32] Arens, Thomas: „Zeichen eines Putsches“.

[33] Zitiert nach: Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien. S. 520

[34] Kohl, Christiane: Der schwarze Kanal.

[35] ebd.

[36] Kohl, Christiane: Hand in Hand

[37] Kohl, Christiane: Der besetzte Sender.

[38] Mazzoleni, Gianpietro: Medienpluralismus in Italien. S. 517

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Details

Titel
Medienrecht in Italien
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V108833
ISBN (eBook)
9783640070244
ISBN (Buch)
9783656695738
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medienrecht, Italien
Arbeit zitieren
Franziska Walser (Autor:in), 2004, Medienrecht in Italien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108833

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