Der Bundestag - Kontrolleur der Regierung?


Hausarbeit, 2003

9 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I Die Stellung des Bundestags im politischen System
1.1 Die Bundestag als Staatsorgan
1.2 Kontrollinstrumente des Parlaments

II Der Bundestag in der Tagespolitik
2.1 Regierungsmehrheit und Fraktionsdisziplin
2.2 Kontrollinstrumente der Opposition

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Rahmen dieser Abhandlung soll geklärt werden, ob der Bundestag ein autonomes Staatsorgan ist und als Kontrolleur der Regierung fungiert. Wenn man einen Blick ins Grundgesetz wirft, spricht vieles dafür, doch im Grundgesetz findet man auch keine Begriffe wie Regierungsmehrheit, Fraktionsdisziplin oder Opposition.

Verfolgt man hingegen die Äußerungen der Regierungs- und Fraktionssprecher, oder die politische Berichterstattung, so fallen derlei Begriffe wesentlich häufiger.

Zunächst wird also die formale Position des Bundestags im politischen System der BRD bestimmt, anschließend wird versucht diese verfassungsrechtliche Stellung auf ihren Bestand im politischen Alltag hin zu überprüfen. Der offensichtlich werdende Widerspruch zwischen Verfassungsfiktion und Verfassungsrealität, im Bezug auf das Verhältnis von Parlament und Regierung, muss jedoch kein Abgesang auf die Gewaltenteilung an sich sein. Wo die Trennlinie der Gewalten in der Realität verläuft und wie Kontrolle tatsächlich stattfindet, soll abschließend erörtert werden.

I Die Stellung des Bundestags im politischen System

1.1 Der Bundestag als Staatsorgan

Die Mitglieder des Bundestags werden in geheimer und direkter Wahl vom Volk bestimmt und sind nicht an Weisungen gebunden (Art. 38 Abs. 1). Sie sind an der Wahl aller weiteren bundesstaatlichen Organe beteiligt (Wahlfunktion), in den Gesetzgebungsprozess integriert (Legislativfunktion) und sollen die politischen und gesellschaftlichen Ansichten der Bevölkerung widerspiegeln (Artikulationsfunktion). Durch die direkte Legitimation vom Volk und seinen Einfluss auf alle weiteren Staatsorgane sowie die Gesetzgebung nimmt der Bundestag eine zentrale Position im politischen System der BRD ein.[1] Hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands ist jedoch die Kontrollfunktion des Parlaments von besonderer Bedeutung.

Der Bundestag soll das Regierungshandeln, im Sinne der Gewaltenteilung, kontrollieren. Die Gewaltenteilung ist das „Konzept zur Anordnung von Institutionen und deren Funktionen mit dem Ziel den Missbrauch staatl. Gewalt zu verhindern“.[2] Das so genannte “klassische Gewaltenteilungskonzept“[3] geht auf Montesquieus Unterscheidung der drei Staatsfunktionen (Legislative, Exekutive, Judikative) zurück und wurde 1949 vom Parlamentarischen Rat im Grundgesetz der BRD verankert:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ (Art.20 Abs.2 GG)

Formal gesehen ist also der Bundestag als Ganzes ein Legislativ-Organ und soll dem Exekutiv-Organ Bundesregierung kontrollierend gegenüber stehen.

1.2 Kontrollinstrumente des Parlaments

Um seine Kontrollfunktion ausüben zu können wurden dem Parlament einige Instrumente zugedacht. Der Bundestag selbst ist vollkommen autonom, keiner externen Kontrolle unterworfen und gibt sich gemäß Artikel 40 Absatz 1 GG eine eigene Geschäftsordnung. Das Parlament kann die Regierung zur Stellungnahme zwingen, dieses Petitionsrecht geht auf die Artikel 17, 17a u. 45c GG zurück und ist in der Geschäftsordnung genauer festgelegt. Man findet dort unter anderem die einzelnen Petitionsrechte (§100-106 - kleine Anfrage, große Anfrage, mündliche Anfrage = Fragestunde, Aktuelle Stunde, Regierungsbefragung) und nähere Bestimmungen zum verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Petitionsausschuss (§108-112). Zudem gibt es noch die vorgeschriebenen Ausschüsse für Angelegenheiten der EU und Auswärtige Angelegenheiten sowie den Ausschuss für Verteidigung (Art. 45; 45a; 45c GG).

Laut Grundgesetz hat der Bundestag das Recht die Anwesenheit der Mitglieder der Bundesregierung einzufordern (Art. 43 Abs. 1 GG), des Weiteren kann er auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder Untersuchungsausschüsse einsetzen (Art. 44 Abs.1 GG). Ein Untersuchungsausschuss verfährt strafrechtlich, er kann Zeugen und Sachverständige vernehmen und weiterführende Ermittlungen durch Gerichte und Verwaltungsbehörden einleiten. Der Verteidigungsausschuss kann ebenfalls, insofern mindestens ein Viertel seiner Mitglieder dies beschließt, als Untersuchungsausschuss in Sachen der Landesverteidigung aktiv werden.

Das bedeutendste Instrument des Parlaments ist jedoch das konstruktive Misstrauensvotum (Art. 67 GG). Der Bundestag kann dem Bundeskanzler das Misstrauen aussprechen, allerdings nur, indem er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt, deshalb nennt es sich auch konstruktives Misstrauensvotum.

Einzelnen Regierungsmitgliedern kann das Parlament nicht das Misstrauen aussprechen, es kann allerdings Entlassungsanträge stellen, welche für den Bundeskanzler jedoch nicht bindend sind.

II Der Bundestag im politischen Alltag

2.1 Regierungsmehrheit und Fraktionsdisziplin

Die Bundestagsmitglieder sind verfassungsrechtlich gesehen „Vertreter des Ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ (Art.38 Abs.1 Satz 2 GG) und „dementsprechend sollten die Parteien nur “bei der politischen Willensbildung des Volkes“ mitwirken (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), was zugleich auch bedeutet: nicht bei der politischen Willensbildung des Staates[4], beziehungsweise des Staatsorgans Bundestag.

In der Realität wäre das Parlament jedoch nahezu entscheidungsunfähig, wenn jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen folgen würde ohne sich abzusprechen: „Ausschlaggebend für die Handlungsfähigkeit des Parlaments wird daher dessen Gliederung in Fraktionen bzw. Gruppen als parlamentarische Handlungseinheiten, sichtbar darin, dass sie zumindest geschlossen abstimmen (Fraktionsdisziplin)“[5]

Es mag zwar innerhalb der Fraktionen bzw. Parteien zu manchem Thema durchaus Dissens herrschen, doch wird dieser meist intern ausgetragen. In den öffentlichen Plenarsitzungen und gegenüber den Medien wird Geschlossenheit demonstriert.[6]

Da der Bundeskanzler vom Parlament gewählt wird, hat die Fraktion der Regierungspartei, bzw. haben die Fraktionen der Regierungskoalition, zwangsläufig die Mehrheit im Bundestag inne. Diese Mehrheit wird als Regierungsmehrheit bezeichnet und führt das “klassische Gewaltenteilungskonzept“ (Art.20 Abs.2 GG) ad absurdum, denn „die demokratische Mehrheitsregel erlaubt es, dass eine bloße Mehrheitsgruppierung im Parlament – faktisch die jeweilige Regierungskoalition – über die Beschlussfassung des Parlaments insgesamt (des Parlaments als Staatsorgan) entscheidet.“[7] Die Regierungsmehrheit ist an die Bundesregierung gebunden und steht der Opposition gegenüber, die Gewaltenteilung findet also in der Realität nicht zwischen Parlament und Regierung sondern allenfalls im Parlament selbst statt.

Der Politikwissenschaftler Eberhard Schütt-Wetschky spricht hier von einem “neuen Gewaltenteilungskonzept“ und unterscheidet zwischen inhaltlicher und staatsrechtlicher Gewaltenteilung. Während die “klassische Gewaltenteilung“ formal besteht, sei sie materiell gescheitert. Die “neue Gewaltenteilung“ findet nicht zwischen den Staatsorganen Bundestag und Bundesregierung statt, sondern zwischen Regierungsmehrheit und Opposition. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Gewaltenteilung im herkömmlichen Sinne, sondern um politische Kontrolle.[8] Die Regierungsmehrheit kann aus offensichtlichen Gründen die Kontrollfunktion nicht wahrnehmen, denn Kontrolle kann nur stattfinden, wenn divergierende Interessen vorhanden sind.[9]

Nun gilt es zu prüfen, inwieweit eine Kontrolle durch die Opposition stattfinden kann um, hinsichtlich der Fragestellung, abschließend zu klären, ob zumindest Teile des Parlaments als Kontrolleur der Regierung agieren.

2.2 Kontrollinstrumente der Opposition

Die Opposition stellt die politische Alternative zur Regierung dar und hat, trotz ihrer Minderheit im Parlament, auch rechtliche Mittel, mit denen sie Kontrolle ausüben kann.

Das Grundgesetz ermöglicht der parlamentarischen Minderheit anhand einiger Vorschriften von der Mehrheitsregel (Art 42 Abs. 2 GG) abzuweichen. So kann beispielsweise auf Antrag eines Drittels der Bundestagsmitglieder eine Sitzung erzwungen werden (Art. 39 Abs. 3 GG) und auf Antrag eines Viertels der Mitglieder, wie bereits oben angeführt, ein Untersuchungsausschuss konstituiert werden (Art. 44 Abs. 1 GG). Alle Ausschüsse, so auch der Untersuchungsausschuss, werden jedoch den Mehrheitsverhältnissen des Bundestags entsprechend aus Vertretern des Parlaments gebildet und sind somit ebenfalls in Interessengruppen gegliedert. Allerdings kann die Opposition durch einen Untersuchungsausschuss die öffentliche Aufmerksamkeit auf politische Themen oder Missstände lenken. Durch die Petitionsrechte können ebenfalls Themen aufgegriffen und vertieft, bzw. in den Vordergrund gerückt werden.

Die einzige Möglichkeit einer rechtlichen Kontrolle bietet der “Gang nach Karlsruhe“ [10] (Art. 93 Abs. 1 GG). So können auf Beschluss eines Drittels des Parlaments bereits in Kraft getretene Bundesgesetze dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt und auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden (abstrakte Normenkontrolle). Eine weitere Möglichkeit stellt das Organstreitverfahren dar, dieses kann sogar von einzelnen Abgeordneten erwirkt werden um zu überprüfen, „ob ein Verfassungsorgan sich im Rahmen der ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Kompetenzen bewegt oder ob es durch eine Maßnahme den Antragsteller in seinen Kompetenzen verletzt oder unmittelbar gefährdet.“[11]

Die parlamentarische Minderheit kann die Bundesregierung also politisch unter Druck setzen, ihr Handeln öffentlich machen bzw. öffentlich kritisieren und ihre Gesetzgebung vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen. Ähnlich wie die parlamentarische Mehrheit, welche mit der Regierung zusammenwirkt, kann die Opposition zudem von “befreundeten“ Landesregierungen Unterstützung bei der Artikulation ihrer Kritik oder gar beim “Gang nach Karlsruhe“ erhalten.

Fazit

Besteht ein Unterschied zwischen Verfassungsfiktion und Verfassungswirklichkeit im Verhältnis von Parlament und Regierung? Diese Frage muss abschließend eindeutig mit ja beantwortet werden, doch „die rechtliche Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung ist Voraussetzung für die Teilung der politischen Macht zwischen Mehrheit und Minderheit“[12]. Die “neue Gewaltenteilung“ basiert also auf der rechtlichen Grundlage der “klassischen Gewaltenteilung“ und ist auf diese angewiesen.

Der Bundestag als Ganzes fungiert zwar nicht als Kontrolleur der Regierung, doch die parlamentarische Minderheit erfüllt diese Aufgabe. Sie kann ihre vermeintliche Ohnmacht in letzter Konsequenz durch den “Gang nach Karlsruhe“ kompensieren und schon durch die Androhung Druck auf die Regierung ausüben.[13]

Die Kontrolle der Regierung findet in der Realität nicht über die eigentliche Kontrollfunktion des Parlaments statt, sondern über die Artikulationsfunktion. Kontroverse Inhalte werden thematisiert und über die Medien transportiert, Konflikte werden weit über die Parlamentsgrenzen hinaus in der Öffentlichkeit ausgetragen und die normative Kontrolle findet durch den Bundesrat, das Bundesverfassungsgericht und vor allem an der Wahlurne statt.

Literaturverzeichnis

Nohlen, D. / Schultze, R.-O.: Lexikon der Politikwissenschaft / Band 1 A-M, München 2002

Rudzio, W.: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 6.Auflage, Opladen 2003

Schütt-Weschky, E.: Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive?, APuZ B28/2000

Sontheimer, K. / Bleek, W.: Grundzüge des politischen Systems der BRD, 9.Auflage, München 1997

Steffani, W.: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, Opladen 1997

Stüwe, K.: Das Bundesverfassungsgericht als verlängerter Arm der Opposition?, APuZ B28/2000

[...]


[1] Vgl. Rudzio,W.: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 6. Auflage, Opladen 2003, S. 235

[2] Schütmeyer, S.S. in Nohlen, D. / Schultze, R.-O.: Lexikon der Politikwissenschaft / Band 1 A-M, München 2002, S. 282

[3] Vgl. Steffani, W.: Gewaltenteilung und Parteien im Wandel, Opladen 1997, S. 38

[4] Schütt-Weschky,E.: Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive?, APuZ B28/2000, S. 5-14 / hier S. 7

[5] Rudzio,W. , Opladen 2003 S. 249-250

[6] Vgl. Schütt-Weschky,E., APuZ B28/2000, S. 5-14 / hier S. 8

[7] Ebd. S. 9

[8] Ebd. S.12

[9] Vgl. Sontheimer, K./Bleek, W.:Grundzüge des politischen Systems der BRD, 9.Auflage, München 1997, S.284

[10] Vgl. Stüwe,K.: Das Bundesverfassungsgericht als verlängerter Arm der Opposition?, APuZ B28/2000, S. 18-28 / hier S. 20

[11] Ebd. S. 20

[12] Schütt-Weschky,E., APuZ B28/2000, S. 5-14 / hier S. 11

[13] Vgl. Stüwe,K, APuZ B28/2000, S. 18-28 / hier S. 20

Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Der Bundestag - Kontrolleur der Regierung?
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Veranstaltung
Propädeutikum: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
9
Katalognummer
V108879
ISBN (eBook)
9783640070701
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Untertitel lautet: Besteht ein Unterschied zwischen Verfassungsfiktion und Verfassungsrealität im Verhältnis von Regierung und Parlament?
Schlagworte
Bundestag, Kontrolleur, Regierung, Propädeutikum, System, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Uwe Brüning (Autor:in), 2003, Der Bundestag - Kontrolleur der Regierung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108879

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