Vom Sehen und den Sinnen. Zu philosophischen Aspekten des menschlichen Kommunikationsvermögens in Anlehnung an Rene DESCARTES "Dioptrik"


Skript, 2003

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. DESCARTES „Dioptrik“ und eine philosophische Einordnung
2.1. Vom Licht
2.2. Von der Brechung
2.3. Vom Auge
2.4. Von den Sinnen im Allgemeinen
2.5. Von den Bildern im Auge
2.6. Vom Sehen

3. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

GERTRUD LEISEGANG hat „Descartes Dioptrik“ im Rahmen ihrer Dissertationsschrift an der Freien Universität zu Berlin im Jahre 1954 in der Reihe „Monographien der Naturphilosophie“ einem philosophisch interessierten Publikum zugänglich gemacht.

LEISEGANG verweist darauf, dass die „Dioptrik“ Bestandteil des ersten veröffentlichten Werkes von DESCARTES ist, welches aus insgesamt vier Abhandlungen besteht: aus dem „Discours de la methode“, der „Meteorologie“, der „Geometrie“ und schlussendlich der „Dioptrik“.

DESCARTES selber, so LEISEGANG, habe betont, dass der „Discours de la methode“ ohne die Erkenntnisse der drei anderen „Versuche (essais)“ nicht wertzuschätzen sei und vermerkt hinsichtlich ihrer eigenen Betrachtungsintentionen: „ Trotz dieses Hinweises auf die philosophische Bedeutung dieser unmittelbar an den „Discours“ anschließenden Schrift, wurde sie in der Geschichte der Philosophie nie behandelt, und es wurde bisher nicht untersucht, was sich aus dieser ersten Anwendung der Methode und für diese selbst und Descartes Denkweise ergibt.“ (1 )

Der Autor dieses Skriptes möchte einige philosophische Aspekte des menschlichen Kommunikationsvermögens in Anlehnung an die genannte Schrift DESCARTES in einer alltagsnahen und assoziativen Form beschreiben, welche gleichsam auch dazu angetan ist, Grundlage für Kurs – oder Prüfungsgespräche bei Ausbildungs – bzw. Studiengruppen in Kommunikation und Philosophie zu sein.

Da dem Autor selbst zudem die Glaukom – Problematik nicht unbekannt ist, liegt das Phänomen des Sehens sozusagen „augenscheinlich“ in seinem Interessenbereich.

2. DESCARTES „Dioptrik“ und eine philosophische Einordnung

Rene DESCARTES „Dioptrik“ ordnet sich mit Bezug auf dessen philosophisches Gesamtwerk in die naturphilosophischen Anschauungen, hier speziell der mathematischen Physik ein. DESCARTES, dessen philosophisches Streben untrennbar mit der streitbaren Skepsis des Hinterfragers verbunden ist, will dieses Streben durch die Philosophie als eine Art von Universal – Mathematik vorwärts bringen. Nach seiner Überzeugung haben wir an der „Wahrheit“ unserer Empfindung zu zweifeln.(2 )

Erkennbar, und dies vor allem im mathematischen Sinne, sind Räume und deren Ausdehnung als Raumerfüllung. In der Ausdehnung von Räumen ist die Möglichkeit von Bewegungen in ihnen mitgedacht und ist daher ein zentrales Element in der „Dioptrik“.

Sehen und Sinne liegen bei ihm in der menschlichen Seele begründet, deren Sitz er in der Zirbeldrüse zu wissen glaubt.

2.1. Vom Licht

Wie stark DESCARTES trotz seines philosophischen Rationalitätsanspruches des „Ich denke, also bin ich“ den Emotionen Bedeutung beimisst, lassen seine Eingangsworte zum ersten Kapitel der „Dioptrik“ erkennen: „ Unsere ganze Lebensführung hängt von unseren Sinnen ab. Von ihnen ist der Gesichtssinn der umfassendste und edelste.“ (3 )

Bei der Darstellung des Phänomens „Licht“ bedient sich DESCARTES nach eigenen Aussagen der Methodik der Astronomie. Einzelne Beobachtungen lassen in ihrer Summe zunächst unsichere Schlüsse zu.

DESCARTES wählt zur Darstellung der Wirkungsweise von Licht den Stock des Blinden, mit dem dieser tastend „sieht“. So wie der Stock den Blinden mit der Außenwelt verbindet, stellt das Licht als Übertragungsmedium den Zusammenhang zwischen Sonne und dem Betrachter von Dingen her. Farben von Gegenständen, welche ich mittels meiner Augen wahrnehme, sind nach DESCARTES nichts anderes als Rückstrahlungen des empfangenen Lichtes durch Bewegungen der Körper vor meinem Auge. DESCARTES setzt also den Stock des Blinden als „Empfänger“ der Wahrnehmungen von Körperbewegungen mit den Sehwahrnehmungen des menschlichen Auges gleich, wenn er schreibt: „...Menschen, die von Geburt an blind sind...bedienen sich des Stockes ihr ganzes Leben lang und man kann beobachten, wie vollkommen und genau sie, man könnte geradezu sagen „mit Händen sehen.“ Der Stock ist ihnen in Ermanglung des Gesichtes geradezu ein sechster Sinn geworden.“ (4 )

Für bemerkenswert halte ich hier die Tatsache der Gleichsetzung von Augenlicht bzw. Sehvermögen mit den Begriffen des Gesichtssinns bzw. mit dem des Gesichtes selber durch DESCARTES. Wir wissen aus den heutigen Vorgängen der modernen menschlichen Kommunikation, welchen großen Wert Menschen während ihrer Gespräche auf einen „offenen Blick“ legen und wie beispielsweise unsympathische Gesichtsausdrücke mit einem „falschen Blick“ gleichgesetzt werden. Selbst die cineastisch zur Legende gewordene Aufforderung: „Schau mir in die Augen, Kleines!“ lässt auf den Zusammenhang zwischen wichtigen Gesprächsinhalten und einem konzentrierten Blick zueinander schließen...

Die begonnene Gleichsetzung zwischen Licht und Stock setzt DESCARTES fort, indem er schreibt: „ Denken Sie sich, das Licht eines leuchtenden Körpers sei nichts anderes als eine gewisse Bewegung oder eine sehr schnelle und lebhafte Bewegung, die unser Auge durch die Vermittlung der Luft und anderer durchsichtiger Körper ebenso erreicht, wie Bewegung oder Verharren der Körper dem Blinden durch die Vermittlung des Stockes bekannt werden.“ (5 )

Neben dem Sender – Empfänger – Prinzip wird hier zudem die Tatsache augenscheinlich, dass Licht und Stock als sozusagen austauschbare Medien (Kommunikation) verwendet werden können, um gleichgeartete Bewegungen (Informationen) zu vermitteln. Diese Bewegungen erhebt DESCARTES zur zentralen Kategorie, wenn er fortfährt: „Dadurch wird es Ihnen sofort nicht mehr merkwürdig erscheinen, dass das Licht seine Strahlen in einem Augenblick von der Sonne zur Erde ausbreiten kann. Denn Sie wissen, dass die Bewegung, in die man das Ende des Stockes versetzt, in einem Augenblick auf das andere Ende übertragen wird, selbst wenn ein so grosser Abstand wie der von der Erde zu Himmel dazwischen ist.“(6 )

Bewegungs – und Informationsausbreitung sind damit gleichsam grenzenlos, erfahren jedoch auch Ablenkung, wie DESCARTES am Beispiel des auf einen sich bewegenden Ball treffenden Lichtes darstellt, welches eben durch die verschiedenen Bewegungsausbreitungen gebrochen wird. Der betrachteten Lichtbrechung in der Naturphilosophie kann heute die Untersuchung der Entstehung und des Filterns von Informationen in der Kommunikationsphilosophie ebenbürtig gesetzt werden.

2.2. Von der Brechung

Nach DESCARTES ist eine durch einen Schläger gegen einen Ball veranlasste Bewegung vor allem durch Lage und Haltung des Ersteren abhängig : „Es ist leicht einzusehen, dass seine Bewegung von der Kraft abhängt, mit der er vom Schläger geschlagen wurde.. Dieselbe Kraft hätte den Ball ebenso gut veranlassen können, sich nach einer anderen Richtung...zu bewegen.“ (7 )

Nichts anderes erleben wir in unserem Kommunikations – und Informationszeitalter: Es geht nicht nur um den Inhalt der jeweiligen Informationen als vielmehr um die Art und Weise, wie sie „bewegt“ sprich an Mann und Frau gebracht wird. Nachrichten über Terror und Naturkatastrophen zur „richtigen“ Tages- , also damit Sendezeit platziert, treffen uns wie der buchstäbliche Schlag, während scheinbar belanglose Randbemerkungen in der sendezeitlichen Nähe der Wetteraussichten lediglich eine Art Registrieren unsererseits hervorrufen können.

2.3. Vom Auge

Bei der Beschreibung des Auges als Sehorgan konstatiert DESCARTES zunächst „eine recht harte und dicke Haut, die wie ein rundes Gefäß alle inneren Teile umschließt“ und vermerkt zugleich „eine andere dünne Haut, mit der die erste innen wie mit einer Tapete ausgeschlagen ist.“ Zentrum ist hier ein „optischer Nerv, der aus einer großen Anzahl dünner Fäden zusammengesetzt ist, deren Enden sich im ganzen Raum ausbreiten.“ Diese zweite Haut, so DESCARTES, „hat in der Mitte ein kleines rundes Loch, das man Pupille nennt. Sie erscheint ganz schwarz in der Mitte des Auges, wenn man es von außen betrachtet. Dieses Loch hat nicht immer die gleiche Größe. Der Teil der Haut, in dem das Loch sich befindet, schwimmt frei in...dünner Flüssigkeit. Diese Haut scheint ein kleiner Muskel zu sein, der sich ausdehnen oder zusammenziehen kann, je nachdem, ob wir nähere oder fernere Gegenstände betrachten und ob sie mehr oder weniger beleuchtet sind, oder wir sie genauer oder weniger genauer unterscheiden wollen.“ (8 ) Der Meister ergänzt: „ Es ist zu bemerken, dass diese Bewegung eine willkürliche genannt werden muss, wenn auch gewöhnlich der, der sie ausführt, sie nicht beachtet. Sie hört darum nicht auf, vom Willen abzuhängen...“ (9 ) (Hervorhebungen – M. S. )

DESCARTES belegt mit dieser naturwissenschaftlichen Beschreibung unseres Sehvorganges, daß wir dadurch allein schon von unserem körperlichen Potential her in der Lage sind in der Lage sind, selektiv wahrzunehmen.

Dieses „Geschäft“ erledigen das menschliche Bewusstsein und das menschliche Unterbewusstsein offensichtlich gerade im Hinblick auf kommunikative Prozesse in trauter „Kooperation“. Landläufig – volkstümlich wird die selektive Wahrnehmung oftmals mit der Maxime: „Wir nehmen das wahr, was wir wahrnehmen wollen“ beschrieben, und gerade dieses findet ja bei DESCARTES Vorgang des „Unterscheiden – Wollens“ seinen Ausdruck. Hierzu gibt es in der Kommunikation unzählige Beispiele, welche gleichsam so plastisch wie umstritten erscheinen. – Das frisch verliebte Paar nimmt beim Spaziergang durch die Stadt das Glück anderer Verliebter und gleich noch die augenscheinlich vielen Kinderwagen wahr, wobei der Liebebekümmerte eben diese Wahrnehmungen auch suchen kann, um seinen Schmerz erst recht gebührend zu zelebrieren.

„In der Kommunikationsforschung wird die Tendenz der Rezipienten von Kommunikation, nur bestimmte Inhalte wahrzunehmen, d.h. solche, die ihre eigenen Überzeugungen bestätigen, sie bestärken oder ihnen zumindest nicht widersprechen, und demgegenüber solche Inhalte, die ihnen widersprechen oder nicht entsprechen oder auch für ihre Überzeugungen irrelevant sind, nicht wahrzunehmen, als selektive Wahrnehmung bezeichnet.“ (10 ) Etwas offener wird dieser Vorgang übrigens mit dem Begriff des „perceptual sense“ als „Wahrnehmungsabwehr“ beschrieben. (11 )

2.4. Von den Sinnen im Allgemeinen

In seinen Ausführungen „Von den Sinnen im Allgemeinen“ geht DESCARTES von der menschlichen Seele als Sitz der Empfindungen. aus, denn: „ Man weiß bereits zur Genüge, daß es die Seele ist, die empfindet, und nicht der Körper. Das bemerkt man, sobald die Seele durch eine Ekstase oder eine vertiefte Kontemplation vom Körper abgelenkt wird.“ (12 )

Auch mit diesen beiden Begriffen lassen sich wiederum Bezüge zum Kommunikationsvermögen des Menschen assoziieren.

„Ekstase“ (griechisch: „Außer – Sich – Stehen“) kennzeichnet einen seelisch – emotionalen Zustand, welcher in seiner Kausalität oftmals auch mit religiösen Gemütszuständen in Verbindung gebracht wird. Hierbei kommt es oftmals zu einer übersteigerten Reaktionsfähigkeit oder aber auch zu einer scheinbaren Abgestumpftheit gegenüber den Reizen der Außenwelt, welche ihren Ausdruck sowohl in hyperaktiver Motorik aber auch in melancholische – phlegmatischer Passivität finden kann.13

„Kontemplation“ (lateinisch: Betrachtung) wird als ein Sich – Versenken in geistige Belange zur Erlangung tiefer Erkenntnisse, z. T. ebenfalls religiös motiviert, gedeutet.

Der Meister fährt fort: „Und man weiß, dass die Empfindung eigentlich nicht dadurch zustande kommt, dass die Seele sich in den Gliedern befindet, die den äußeren Sinnen als Organe dienen, sondern dass sie im Gehirn ihren Sitz hat, von wo aus sie das Vermögen ausübt, das man Allgemeinsinn nennt.“

Diese Passage enthält m. E. für die Betrachtung des Kommunikationsvermögens eine grundlegende Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass DESCARTES sich, das menschliche Hirn betreffend, besonders für die sog. Zirbeldrüse interessiert hat. In „Über die Leidenschaften der Seele“ meint der Meister, einen Übergang vom sensiblen in den motorischen Bereich entdeckt zu haben, indem er „Lebensgeister“ annimmt welche durch gasförmige Substanzen Stürme in der Zirbeldrüse hervorrufen. (14 )

Diese Lebensgeister (esprits animaux), „ die wie die Luft oder ein leichter Wind von den Räumen und Höhlungen des Gehirns ausgehen und durch die Röhrchen durch die Muskeln fliessen“ (15 ), schaffen nach DESCARTES nicht nur Verbindungen zwischen Seele und Körper, sondern stellen aus heutiger interdisziplinärer Sicht den Bezug zum sog. Hormon (Harmonie !) „Melatonin“ dar.

DESCARTES betont hierbei mit Bezug auf vorherige Kollegen Naturphilosophen, wie etwa KEPLER, daß wir nicht nur Bilder sehen, sondern unser Gehirn diese durch Zeichen und Worte, welche den Bildern nicht unbedingt gleichen müssen, ergänzt werden.

DESCARTES bemüht zur Verbildlichung der Sache das Beispiel eines Kupferstichs, welcher, handwerklich betrachtet, aus Tusche und Papier besteht, uns in seiner künstlerischen Gestaltung jedoch auch Städte, Wälder, Menschen u.ä. wahrnehmen lässt. DESCARTES mißt den Bildern in unserem Gehirn deshalb eine so große Bedeutung bei, weil sie es durch ihre Bewegung der Seele ermöglichen, sie, eben die Bilder zu empfinden, ebenso wie der Blinde durch seinen Stock Bewegungserregungen durch die Körper erhält, welche in seinem Gehirn eigene Empfindungen von den jeweiligen Eigenschaften des ertasteten Körpers hervorrufen.

Kommerziell als körpereigene Wunderdroge gefeiert und ohne eigenen Releasing – Faktor und eigenen Regelkreis existierend (16 )sorgt Melatonin für gesunden Schlaf und bewirkt dadurch u.a. auch dessen Folgen:

- Ausgeglichenheit
- Konzentrationsvermögen sowie
- Stressresistenz

Alle drei stehen als unabdingbare Voraussetzung für sowohl rational als auch emotional intelligente Kommunikation im Sinne von Harmonie und Verständigung.

Ausbleibende Melatonin – Ausschüttungen können frühzeitiges Altern, Unkonzentriertheit und Disharmonien von Körper und Seele befördern können und damit den von DESCARTES beschriebenen „Allgemeinsinn“ angreifen. “...denn man kennt Verwundungen und Krankheiten, die nur das Gehirn verletzten und dadurch ganz allgemein alle Sinne behindern.“ (17 )

DESCARTES spricht zudem aber auch ein Phänomen an, welches sich in der modernen Ausdrucksweise als „Kompensation von Defiziten“ im menschlichen Körper und dem dazugehörigen Kommunikationsvermögen der Sinne einstellt: „Man kennt gewisse Unfälle, bei denen nur ein einziger Nerv verletzt wurde, aber alle Teile des Körpers, in die der Nerv mit seinen Ästen hineinreichte, die Empfindung verloren, ohne dass die der anderen Körperteile verringert wurde.“ (18 )

Zum einen kann also das menschliche Körpervermögen der natürlichen Anlage nach selbst kompensieren. Andererseits kann bewusst geführte und gesteuerte menschliche Kommunikation irreparable Schäden versuchen, zu kompensieren, wenn, wie im folgenden Beispiel, der visuelle Kommunikationskanal unwiederbringlich ausgefallen ist

FRÜHFÖRDERUNG BEI BLINDEN KINDERN (Pädagogische Akademie des Bundes, Wien (Österreich)

Bedeutung der Sprache

Das Ziel bei blinden Kindern ist eine Sprache auszubilden, die so wenig wie möglich Abweichungen von der Sprache der Sehenden hat, da die Sprache eine wichtige Funktion für das blinde Kind übernimmt:

Die Sprache ersetzt, vervollständigt oder verfeinert die unvollständige bzw. eingeschränkte oder fehlende visuelle Wahrnehmung, indem sie Wahrnehmungsdaten besonders hervorhebt oder überhaupt erst vermittelt.

Die Sprache korrigiert inadäquate Abbilder, die durch die Unvollständigkeit der Sinne entstehen.

Die Sprache stimuliert und aktiviert die eingeschränkte visuelle Wahrnehmung, indem sie den Wahrnehmungsprozeß motiviert, die Konzentration auf das Wahrnehmungsobjekt erhöht, die Einstellung zum Wahrnehmungsprozeß reguliert, Verfahren und Techniken zur Informationsaufnahme steuert.

Die Sprache stützt die Vorstelllungen früherer Wahrnehmungsprozesse, indem sie diese mit neu entstandenen Vorstellungen vergleicht und damit die Vorstellungs- und Begriffsbildung festigt bzw. präzisiert.

Die Sprache vermittelt, ergänzt und korrigiert visuelle Perzeptionsresultate, indem sie andere Wahrnehmungsbereiche (taktile, auditive, kinästhetische) aktiviert, um sie für die Kontrolle, Korrektur und Kompensation visueller Perzeptionsresultate auszunutzen.

Ziel der Spracherziehung

Die rehabilitative Spracherziehung ist auf die Verhinderung bzw. Beseitigung sprachlicher Auffälligkeiten gerichtet, wobei der prophylaktische Aspekt überwiegt. Sie hat also das Ziel, die lexikalisch-semantische, die morphologisch-syntaktische und die phonologische Komponente der Sprache so auszubilden, daß es so wenig wie möglich Abweichungen von der Sprache des Sehenden gibt. Ebenso ist die Sprache in Bezug auf die Kompensation der Beeinträchtigung von entscheidender Bedeutung für die Lebensqualität.

Folgende Ziele stellen sich nun bei der Förderung von blinden Kindern:

Wecken bzw. Erhalten des Kommunikationsbedürfnisses, das sich bei Blinden sehr häufig nicht ohne bewußt gesetzt Stimulation herausbildet.

Ausbau und Stützung der unmittelbar-emotionalen Kommunikationsformen - unter der Erschwernis des wegfallenden Blickkontakts.

Befähigung des blinden Kindes zur Kommunikation, d. h. Befähigung zum Einsatz kommunikativer Mittel, welche Blinde vor einer sozialen Isolation bewahrt.

Verhütung oder Beseitigung von Verbalismen (Worthülsen, mit ungenauer oder falscher Bedeutung).

Korrektur oder Beseitung weiterer sprachlicher Auffälligkeiten.

Befähigung zum Einsatz der Sprache als kompensatorische Hilfe bei visuell nicht oder nur unvollständig Wahrnehmbarem, seien es konkrete Gegenstände, Abläufe oder nonverbale Signale der Kommunikationspartner.

Abbau von Störungen der Gesprächsbereitschaft, weil es im Lebensalltag immer wieder darauf angewiesen ist.

Methodische Regeln zur Stimulierung der gefährdeten Sprachentwicklung

Das Fehlen der visuellen Wahrnehmung führt beinahe zwangsläufig zur Hemmung bzw. Blockierung der vorsprachlichen Entwicklung. Eine optimale Spracherziehung muß an diesem Gefährdungsmoment ansetzen und hat die vorsprachliche Entwicklung einschließlich der Herausbildung der kommunikativen Aspekte so zu stimulieren, daß ein verzögerungsfreier Sprachbeginn gesichert wird.

Regel 1: (fehlender Blickkontakt, auditive und taktile Kontaktformen)

Durch den Wegfall des Blickkontakts besteht die Gefahr einer Verzögerung der nonverbalen Kommunikation und damit auch die Verzögerung des eigentlichen Sprachbeginns. Es ist daher eine Kompensation dieser elementar-emotionalen Kommunikationsform, z. B. durch vermehrten Körper-, Haut- und Stimmkontakt von - nöten. Der blinde Säugling sollte so wenig wie möglich allein gelassen werden.

Regel 2: (Fehlen der visuellen Stimuli, andere Kontaktformen)

Da das Lächeln als auslösender Stimulus wegfällt, sind mehrere der anderen Kontaktformen gleichzeitig und häufiger einzusetzen.

Regel 3: (Information der Bezugsperson)

Es ist daher unumgänglich die Bezugsperson des Kindes so bald als möglich zu informieren und sie in das Frühförderprogramm aktiv einzubinden.

Regel 4: (taktile und auditive Nachahmung in der Lallphase)

Beim Erlernen mimischer, gestischer und mundmotorischer/artikulatorischer Aktivitäten spielt die Nachahmung eine bedeutende Rolle, diese wird jedoch überwiegend visuell vollzogen. Man kann dem blinden Kind die eigenen mimischen und Mundbewegungen abtasten lassen und die Lallbewegungen am Mund des Kindes durchführen. So kann man Defiziten der Ausdruchsmöglichkeiten, besonders auch Defiziten der Lauttypenvielfalt beim Lallen entgegenwirken.

Regel 5: (Entgegenwirken von Verbalien, durch bewußt gesetzte Situationen)

...Der Erwachsene kann ausgleichende akustische und/oder taktile Reize setzen. Zu beachten ist, daß die Situation eine täglich wiederkehrende sein muß, bei der alle sensorischen Eindrücke mit immer ein- und derselben Laut- bzw. Wortfolge verbunden werden. Statt der gestisch-mimischen Unterstützung des Verstehens sollte die Stimmodulation einen breiten Raum einnehmen.

Regel 6: (Entgegenwirken von Verbalien, durch auditive und taktile Reize)

Um Verbalien zu vermeiden, muß dem sensorisch bedingten Erfahrungsdefizit entgegengewirkt werden. Von Vorteil ist, daß dem Kind ständig der Gegenstand, die Eigenschaft, die Handlung, die Beziehung und das Wort gleichzeitig angeboten wird. Eine entsprechende Früherziehung wird also nicht losgelöst von er Gesamtentwicklung, besonders von der Entwicklung der Hand- und Ganzkörpermotorik und der Wahrnehmung gesehen. Die Begriffsbildung basiert auf einem nichtsprachlichen Erfahrungsschatz, jedoch vorwiegend visuell. Daher sollte der Erwachsene bewußt vermehrte akustische und taktile Reize stimulieren.

Es besteht eine Verbindung zwischen der auditiven Wahrnehmung und dem Greifen, also vom sensorischem Hörerlebnis zum motorischen Greiferleben.

Tastbewegungen sollten provoziert werden durch ausgewählte Tasteigenschaften; aktive Suchbewegungen mit der Hand sollten durch die gezielte Greifbewegung ersetzt werden. Dem blinden Säugling sollte viel in beide Hände gegeben werden, Dinge, die besonders weich oder hart, glatt oder rauh, kühl oder trocken sind.

Dabei spielt das vermehrte Setzen akustischer Reize eine besondere Rolle und das frühe Anbahnen des Richtungshörens...

Die Raumeroberung sollte man ganz bewußt mit dem Kind gestalten, beginnend mit dem Kennenlernen der Körperteile und deren Bewegungen und der Beziehungen dieser Körperteile zueinander (Bewegungsspiele). In Verbindung damit muß das Kind Erfahrungen machen mit der Schwerkraft, also der Haltung und dem Gleichgewicht. Später unterstützt der Erwachsene das Kriechen oder Gehen in den Raum hinein (Kriechen mit Anfassen, Führen, Anordnen der Möbel so, dass eine Orientierungslinie entsteht u. a.).

Regel 7: (Regel 6 + 7)

Auf diese Weise kann einer falschen unvollständigen oder quantitativ eingeschränkten Vorstellungsbildung entgegengewirkt werden. Dadurch werden die für den Prozess der Wortbedeutungszuordnung notwendigen Vergleichs-, Transfer- und Abstraktionsprozesse gestützt.

Regel 8: (Fragealter)

Das Fragealter, da es auf visuelle Reize basiert, fällt beim blinden Kind aus. Man muß daher die Umwelt "attraktiver" machen. Bestimmte Gegenstände müssen so aufbereitet werden, dass ihre Reizintensität steigt und eine Wißbegier weckt und später ein Erfragen auslöst. Außerdem kann man dem Kind das Stellen und Beantworten der Fragen vormachen und dies in ein lustbetontes Kommunikationsspiel einbauen ("Ich fühl, ich fühl, was kann das sein?"). Wenn man die Neugier des Kindes in bezug auf Gegenstände und Aktivitäten nicht weckt, kann dies zu einem Nachlassen der Intensität der Erkenntnistätigkeit, auch zum Nachlassen des sprachlichen Lernens, führen, so daß dies zu einer verzögerten Herausbildung des lexikalisch-semantischen Bereichs führt.

Regel 9: (Lautbildung)

Im phonologischen Bereich kann die Ausdifferenzierung der Laute ein Problem darstellen. Dies kann man fördern indem man Hand-Mund-Kontakt, also das Ertasten der Stellungen und Bewegungen der Sprechwerkzeuge, oder auch den Mund-Mund-Kontakt als Übung annimmt. Davon abgesehen, daß der Erwachsene dem Kind ständig das Wort in Verbindung mit dem Gegenstand anbietet, sollte das Tasten des Gegenstandes verbunden werden mit dem Abtasten der Sprechbewegungen des zugehörigen Wortes. Eine Kompensation ist daher das Schaffen taktiler Abbilder von den Sprechbewegungen und im Ausnutzen und Aktivieren der auditiven und kinästhetischen Differenzierungsfähigkeit mit dem Ziel der Kontroll- und Steuerfunktion. Es bieten sich Lieder, Gedichte, Reime und Bewegungsspiele an, da sie die Sprechgeschicklichkeit fördern und möglicherweise über Rhythmik und Melodie die Sprechlust wecken.

Regel 10: (Lautbildung, taktil bzw. auditiv)

Späteren artikulatorischen Beeinträchtigungen wirkt man mit einem allgemeinen Differenzierungstraining entgegen, z. B. mit dem Differenzieren von Geräuschen und Klängen, mit dem Differenzieren rhythmischer und melodischer Elemente (wie schnell - langsam, hoch - tief), von Haltungen und Bewegungen der Sprechwerkzeuge (wie Halten der vorgestülpten und gerundeten Lippen, Auf-und-ab-Bewegungen der Zungenspitze), die man das Kind an sich selbst "erspüren" lassen sollte. Somit schult man auch die kinästhetische Eindrucksempfindlichkeit, die der Kontrolle und Steuerung der Bewegungsvollzüge dient und damit das exakte Ausführen der Sprechbewegungen ermöglicht...

Regel 11 :(Kommunikationslust)

Wird bei diesen frühen Stimulationsversuchen mit dem Ziel der Verhütung negativer Auswirkungen der fehlenden oder eingeschränkten visuellen Wahrnehmung aus die Sprachentwicklung auch die Freude und die Lust am Kommunizieren erhalten, gestaltet sich die Arbeit an der Sprache weiterhin mit Sicherheit unkompliziert. Das Erhalten des Kommunikationsbedürfnisses wird auf jeder Altersstufe eine wesentliche Forderung der Spracherziehung sein.“ (19 )

Die Ansprache der verschiedenen Kommunikationskanäle bei dieser Konzeption aus dem Alltag der großartigen Arbeit innerhalb der Behindertenförderung geht in der weiteren Praxis über diese natürlich hinaus, und fühlt sich, beispielsweise im Zusammenhang mit dem „Neurolinguistischen Programmieren“ bzw. den „Neuen Lern – Programmen“ (NLP) dem Kommunikationsvermögen als Ganzes verpflichtet. Davon profitiert jeder Mensch, der lernt, arbeitet, liebt und damit kommuniziert. Alltagserfahrungen zeigen, dass nur wenige Menschen wissen, welches eigentlich der repräsentative Kanal ihres individuellen Kommunikationsvermögens ist.

So nutzt der visuelle Typ unbewusst vor allem den hier schon mehrfach erwähnten Sehsinn, und bringt dies auch in Worten wie „Ich habe da eine eigene Sichtweise “, „Das ist kein besonders schöner Anblick “ oder „In diesem Projekt fehlt der Durchblick “ zum Ausdruck.

Der auditive Typ zieht den Gehörsinn vor und äußert dies auch ebenso unbewusst mit solchen Bemerkungen wie „Ich höre gerade, dass...,“ „Wir sollten uns abstimmen “ oder „Der Redner sprach eintönig “.

Der kinästhetische Typ arbeitet vor allem mit dem recht komplexen Gefühlssinn, welcher ja in der genannten Förderkonzeptionen vorrangig als Kompensation angewendet wird. Haut (taktil), eigene Körperwahrnehmung (propriopzeptiv) und Gleichgewichtssinn (vestibulär) werden vorrangig eingesetzt. Kinästheten bedienen sich beispielhaft solcher Wortverbindungen wie „Ich bin sehr berührt “, „Wir sollten das Thema jetzt behandeln “ oder „Ich fühle mich bei dieser Entscheidung besser.“

Die eher gustatorische Wahrnehmung bezieht sich vor allem auf die Anwendung des Geschmackssinns und ist durch Redewendungen wie „Diese Kritik ist natürlich ein gefundenes Fressen “, „Ihre Bemerkung war nicht gerade geschmackvol l“ oder „Dieses Lied ist ein musikalischer Leckerbissen “ geprägt.

Die olfaktorische Wahrnehmung basiert auf dem Geruchssinn und hält z.T. drastische Äußerungen wie „Das stinkt mich an“ oder „Den kann ich überhaupt nicht riechen “ bereit.(20 )

2.5. Von den Bildern im Auge

Bezüglich des Sehens von Bildern durch das Auge gibt DESCARTES einschränkend zu bedenken: „Nachdem wir von der Vollkommenheit des Bildes gesprochen haben, muss ich Sie auf seine Mängel hinweisen. Der erste und hauptsächlichste besteht darin, dass es unmöglich ist zu erreichen, dass die von den verschiedenen Punkten ausgehenden Strahlen auch alle in ebenso vielen verschiedenen Punkten wieder vereinigt werden, gleichgültig welche Formen die einzelnen Teile des Auges haben mögen.“ (21 )

Aus der Sicht des Kommunikationsvermögens bedeutet dies nicht anderes, als das der Seh sinn, also der Sinn, mit welchem der aller Sinne mächtige kommunizierende Mensch den Hauptteil seiner Informationen aus der Außenwelt aufnimmt, an sich selbst schon a priori eingeschränkt ist, ohne daß wir dabei von einer Erkrankung auszugehen haben. Dieser Gedanke knüpft an das bereits beschriebene Phänomen der selektiven Wahrnehmung dahingehend an, dass also Informationen nicht nur unterschiedlich verarbeitet werden, sondern vorab schon unterschiedlich aufgenommen werden. Die alte philosophische Frage nach einer allgemeingültigen Erkennbarkeit der uns umgebenden Welt stellt sich also auch im Rahmen der Kommunikation über sie. Freilich ist also die Welt erkennbar und damit durch das Kommunikationsvermögen darstellbar, jedoch immer unter Berücksichtigung der verschiedenen Wahrheiten. Somit sind auch die verschiedenen möglichen Ebenen der Entstehung bzw. auch Lösung von kommunikativen Missverständnissen bzw. Konflikten klarer umrissen:

Ebene 1: Unterschiedliches Wahrnehmen durch unterschiedliches Sehen

Ebene 2: Unterschiedliche Wahrnehmungsverarbeitung

Ebene 3: Unterschiedliche Interpretation des unterschiedlich Wahrgenommenen

Ebene 4: Austausch über Unterschiede

Eben5: Optionen zu Einigung oder Konflikt

2.6. Vom Sehen

Die eben durch DESCARTES beschriebene unterschiedliche Sichtweise der Wahrnehmung von Bildern im Auge bezieht der Meister nunmehr auch generalisierend auf die Sinne und ihr Wirken auf die Seele, wenn er ausführt: „ Wenn nun auch dieses Bild, das auf diese Weise ins Innere unseres Kopfes gelangt, immer noch eine Ähnlichkeit mit den Gegenständen behält, von denen es ausgeht, so darf man sich doch, wie ich es Ihnen ja schon verständlich genug gemacht habe, die Sache nicht so vorstellen, als ob wir durch diese Ähnlichkeit eine Empfindung von ihnen bekommen, als ob es noch andere Augen in unserem Gehirn gäbe, durch die wir sie wahrnehmen könnten. Es sind vielmehr die Bewegungen, aus denen sich das Bild zusammensetzt, die unmittelbar auf unsere Seele wirken und, soweit sie eine Einheit mit unserem Körper bilden, von der Natur dazu hergerichtet sind, in ihr solche Empfindungen hervorzurufen.“ (22 ) Hervorhebungen – M. S.)

Was DESCARTES hier ausführt, ist für das Kommunikationsvermögen von besonderer Wichtigkeit: Jeder Mensch ist Denker seiner eigenen „Kopf – Welt“ und hat in ihr somit auch nur seine eigenen Erfahrungen und damit Vergleichsmöglichkeiten im Innenverhältnis seiner selbst. Diese Schlussfolgerung erklärt unsere sich im Verlaufe unseres Lebens festigenden Glaubenssätze, Prinzipien, Normen und Wertvorstellungen ebenso wie unser Beharrungs – bzw. Toleranzvermögen in sich wiederholenden Lebenssituationen. Um also im Außenverhältnis lebenstüchtig bestehen zu können bedarf es zwingend des Austauschs über andere Normen – und Wertesysteme eben gerade durch Kommunikation. Diese aber hat Einschränkungen ihres Vermögens durch die beschriebenen Besonderheiten der unterschiedlichen „Kopf – Welten“.

Diese Einschränkungen haben wir bisher nur auf den Sehsinn bezogen; jedoch auch hier geht DESCARTES generalisierend noch einen Schritt weiter, wenn er hinsichtlich unserer gesamten Emotionalität als unserem kommunikativen Gefühlszentrum schreibt: „Man muss sich unsere Seele so beschaffen denken, dass die Kraft der Bewegungen, die an den Stellen des Gehirns wirkt, von denen die kleinen Fädchen des optischen Nervs ausgehen, in ihr die Empfindung des Lichtes hervorruft und die verschiedene Art dieser Bewegungen die der Farben, so wie auch die Bewegungen der dem Gehör entsprechenden Nerven die Seele die Töne hören, die Nerven der Zunge den Geschmack empfinden lassen; und so lassen überhaupt die Bewegungen der Nerven des ganzen Körpers die Seele einen Reiz empfinden, wenn sie gemäßigt sind, und wenn sie heftig sind, einen Schmerz.“ (23 )

Das z.T. ganz unterschiedliche Sinnesempfinden ist es, welche unser Kommunikationsvermögen sowie dessen Praktizierung und die damit verbundenen Handlungsfolgen entscheidend beeinflußt. Denken wir nur , um in der eben zitierten Diktion von DESCARTES zu bleiben, an kommunikative Situationen, welche wir mit „Peinlichkeit“ verbinden. In diesem Wort steckt das Wort „Pein“ – Schmerz. Was ist peinlich ? Jemanden an etwas Unangenehmes erinnern ? Jemanden vor Scham schützen? Sich selbst einer schlechten Handlungsweise bezichtigen ? Unsere Auffassungen darüber gehen mitunter weit auseinander. Dem Vermögen und der Erfahrung nach sind wir in der Lage, peinliche Situationen als solche abzuschätzen, aber können wir mittels Kommunikation einen „einheitlichen Beurteilungsmaßstab“ für Peinlichkeit erstellen ? Diese Fragestellungen existieren in der alltäglichen Praxis beispielsweise im Bereich der Bewerbungen für den ersten und zweiten Arbeitsmarkt. Bewerber haben im Rahmen ihres Profils eine Selbsteinschätzung u.a. auch über ihre „Soft skills“ ( Soziale Kompetenzen) zu treffen. Eine dieser sozialen Kompetenzen ist die sog. „Leidensfähigkeit“. Wo beginnt und wo endet sie ? Ist sie nur im Zusammenhang mit Menschen – Berufen und dem damit augenscheinlichen Stress – und Konflikt – Potential von Bedeutung oder trifft sie im Zeitalter turbulenter und globaler Märkte auf immer mehr Berufsbilder zu ?. Wir merken an dieser Stelle, wie alltagsbedeutsam für uns der Austausch über unsere Empfindungen zunehmend wird.

Wie umfassend im naturphilosophischen Sinne DESCARTES diese Zusammenhänge unserer Sinne mit unserem Wahrnehmuns – uns Kommunikationsvermögen schon gesehen haben muß, verdeutlicht seine Anmerkung: „Verändern wir das Auge, um es der Entfernung eines Gegenstandes anzupassen, so ändert sich damit ein bestimmter Teil unseres Gehirns. Das ist von der Natur so eingerichtet, damit unsere Seele diesen Abstand bemerken kann.“ (24 ) Eine offensichtliche und für uns mehr oder minder bewusste „Naturvernunft“ steuert unseren Empfindungsvorgang und kontrolliert, wie hier am Beispiel des Sehens, den Rahmen.

3. Fazit

Im Kapitel „Vom Sehen“ schlussfolgert DESCARTES, dass es zusammengesetzte Bewegungen sind, welche auf unsere Seele wirken und welche von der Natur selbst ursprünglich so ausgestattet sind, dass sie bei uns solche Empfindungen entstehen lassen können.

Hierfür entwickelt DESCARTES „Standortfaktoren“ der beweglichen Gegenstände: Das Licht, mit welchem die Gegenstände bestrahlt werden und es auch selbst ab – bzw. weitergeben; die Farbe, welche ja übrigens auch durch Bewegungen gemischt und entstanden ist.

Johann Wolfgang GOETHE hat späterhin eben dieses Bewegungsphänomen im Rahmen seiner Farbenlehre gebührend beleuchtet und weiterentwickelt.

Die Lage eines Körpers gehört zu diesen Faktoren, welche natürlich selbst im Zustand scheinbarer Ruhe eines Körpers als momentan und relativ zu betrachten ist; der Abstand zu anderen Körpern und des Raumes generell, wobei hier der Grad der Relativität durch den ständigen Wechsel anderer Bewegungen zu den eigenen Bewegungen eines Körpers noch zunimmt; die Größe eines Körpers, welche hinsichtlich Beharrung oder Veränderung wieder in einem unmittelbaren Verhältnis zur Bewegung steht; letztendlich die Form des Gegenstandes, welche sich ebenso wandeln kann. Sich also selbst bewegend, rufen die Gegenstände Bewegungen unserer Nerven hervor, welche daher ständig Reize an unsere Seele weitergeben.

Überzeugend belegt DESCARTES dieses „Reiz – Feuerwerk“ der Nerven mit der Erinnerung an eine Schmerzempfindung durch einen bewegt ausgeführten Schlag, welcher uns „Sterne sehen“ lässt.

Somit ist DESCARTES nicht nur im wortwörtlichen Sinne seiner gewählten astronomischen Methode treu geblieben, sondern hat in seiner „Dioptrik“ als Erster das Licht deutlich als Übertragungsmedium zwischen den Dingen und unseren Empfindungen dargestellt und und damit eine Säule des menschlichen Kommunikationsvermögens näher beleuchtet.

Quellenverzeichnis

[...]


(1 ) G. LEISEGANG, Descartes Dioptrik, Meisenheim am Glan 1954, S. 9.

(2 ) J. HIRSCHBERGER, Geschichte der Philosophie. Neuzeit und Gegenwart, Freiburg im Breisgau 1980, S. 91 – 93.

(3 ) G. LEISEGANG, Descartes Dioptrik, Meisenheim am Glan 1954, S. 69.

(4 ) Ebenda, S. 70.

(5 ) Ebenda, S. 71

(6 ) Ebenda.

(7 ) Ebenda, S. 76

(8 ) Ebenda, S. 85

(9 ) Ebenda, S. 86.

(10 ) Vgl. „Selektive Wahrnehmung“ in: http://www.medialine.focus.de

(11 ) Vgl.: H. LEGEWIE u. W. EHLERS, Bewusstseinsprozesse und Soziale Wahrnehmung in: Handbuch moderne Psychologie, Augsburg 1999, S. 123

(12 ) G. LEISEGANG, Descartes Dioptrik, Meisenheim am Glan 1954, S. 87.

(13 ) Ebenda.

(14 ) Vgl.: R. DESCARTES, Die Leidenschaften der Seele, Hamburg 1996

(15 ) G. LEISEGANG, Descartes Dioptrik, Meisenheim am Glan 1954, S. 87.

(16 ) Vgl.: J. FAUTECK, Melatonin sagt dem Körper, wann es Nacht ist, in::www.aerztlichepraxis.de/db/shownews/)

(17 ) G. LEISEGANG, Descartes Dioptrik, Meisenheim am Glan 1954, S. 87

(18 ) Ebenda.

(19 ) (http://www.pab.asn-wien.ac.at) (Sämtl. Hervorhebungen i. S. v. „Kompensation von Defiziten des Kommunikationsvermögens“ – M. S.)

(20 ) Vgl.: http:// www.nlp.de

(21 ) G. Leisegang, Descartes Dioptrik, Meisenheim am Glan 1954, S. 94.

(22 ) Ebenda, S. 99

(23 ) Ebenda.

(24 ) Ebenda, S. 103.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Vom Sehen und den Sinnen. Zu philosophischen Aspekten des menschlichen Kommunikationsvermögens in Anlehnung an Rene DESCARTES "Dioptrik"
Veranstaltung
Kommunikationsphilosophie und Personalführung
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V108898
ISBN (eBook)
9783640070893
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sehen, Sinnen, Aspekten, Kommunikationsvermögens, Anlehnung, Rene, DESCARTES, Dioptrik, Kommunikationsphilosophie, Personalführung
Arbeit zitieren
Michael Schröpfer (Autor:in), 2003, Vom Sehen und den Sinnen. Zu philosophischen Aspekten des menschlichen Kommunikationsvermögens in Anlehnung an Rene DESCARTES "Dioptrik", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108898

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