Theoretische Fundierung der Prozessmodellierung durch verbale, semiformale und formale Darstellung einer kombinierten Prozess- und Datenmodellierung. Auf Basis der Entity-Relationship- und Petrinetz-Technik wird eine formale Erweiterung um genestete Relationen und eine Integration der ER-Technik in die Petrinetz-Technik vorgenommen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Definitionsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Modellierung betrieblicher Informationssysteme als Problem des Informationsmanagements
1.1 Ziele und Aufgaben
1.2 Gliederung und Ziel der Arbeit
2 Petrinetze als Modellierungstechnik für betriebliche Informationssysteme
2.1 Modellierung betrieblicher Informationssysteme
2.2 Das Modellierungspotenzial von Petrinetzen
2.2.1 Allgemeine Potenziale von Petrinetzen
2.2.2 Spezielle Potenziale ausgewählter Petrinetz-Typen
2.2.2.1 K/I-Netze
2.2.2.2 B/E-Netze
2.2.2.3 S/T-Netze
2.2.2.4 Pr/T-Netze
2.3 Modellierungsdefekte von Petrinetzen
2.3.1 Komplex strukturierte Datenobjekte
2.3.2 Unabhängig voneinander ausführbare Arbeitsschritte
2.3.3 Undefinierte Werte
2.4 Ansätze zur Heilung der Modellierungsdefekte
3 Ansätze zur Heilung der Modellierungsdefekte von Petrinetzen mit Hilfe der Entity-Relationship-Technik
3.1 Das Modellierungspotenzial der Entity-Relationship-Technik
3.1.1 Semiformale Datenmodelle
3.1.2 Formale Datenmodelle
3.1.3 Resümee
3.2 Komplexe Datenobjekte in E-R-Modellen
3.2.1 Normalisierung komplexer Datenobjekte
3.2.2 Genestete Relationen zur Modellierung komplexer Datenobjekte
3.2.2.1 Das Modellierungspotenzial genesteter Relationen
3.2.2.2 Genestete Relationen als Erweiterung des Entity-Relationship-Modells
3.2.2.3 Genestete Relationen als Sichten auf das Entity-Relationship-Modell
3.3 Manipulation von Daten in genesteten Relationen
3.3.1 Begründung des Manipulationsbedarfs
3.3.2 Defekte bei der Manipulation von Daten in genesteten Relationen
3.3.3 Ansätze zur Heilung der Manipulationsdefekte
3.3.3.1 Inklusionsordnung
3.3.3.2 Objektordnung
3.3.3.3 Ordnungsdefinition und Ordnungsgleichung
3.3.3.4 GPNF-Instanzen
3.3.3.5 Negativ einer Instanz
3.3.4 Filtertabellen zur semiformalen Beschreibung der erweiterten Ausdrucksmittel
3.3.4.1 Das Modellierungspotenzial von Filtertabellen
3.3.4.2 Operationen auf genesteten Relationen mit Filtertabellen
3.3.4.2.1 Selektion von Daten
3.3.4.2.2 Einfügen und Löschen von Daten
3.4 Resümee
4 Integration von Ausdrucksmitteln der E-R- in die Petrinetz-Technik
4.1 NF²-Relationen/Transitionen-Netze
4.2 Netzkomponenten
4.2.1 Stellen und genestete Relationen
4.2.2 Kanten und Filtertabellen
4.2.3 Transitionen und Schaltregeln
5 Evaluation
5.1 Beurteilungskriterien
5.2 Bewertung der Modellierungstechnik
5.2.1 Modellierungsfähigkeit
5.2.2 Integration
5.2.3 Flexibilität
5.3 Kritische Würdigung
Literaturverzeichnis
Anhang
Petrinetz-Definitionen
Fallstudie
Eidesstattliche Versicherung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Crew-Anforderung als Formular
Abbildung 2: Die drei Konzepte eines Systems
Abbildung 3: Modellierung betrieblicher Informationssysteme
Abbildung 4: Geschäftsvorfall "Flugvorbereitung" als K/I-Netz
Abbildung 5: Flugvorbereitung als B/E-Netz
Abbildung 6: Flugvorbereitung als S/T-Netz
Abbildung 7: Flugzeugzuweisung als Pr/T-Netz (Teil 1)
Abbildung 8: Flugzeugzuweisung als Pr/T-Netz (Teil 2)
Abbildung 9: Sperren eines Datenobjektes
Abbildung 10: E-R-Modell ohne Attribute
Abbildung 11: E-R-Modell mit Attributen
Abbildung 12: Ausschnitt aus einem E-R-Modell
Abbildung 13: Beispiel für ein NR/T-Netz
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aufbau der Arbeit
Tabelle 2: Flugzeug mit flachen n -Tupeln dargestellt
Tabelle 3: Aufteilung von Daten über mehrere Tabellen
Tabelle 4: Nullwerte in einem flachen n -Tupel
Tabelle 5: Daten in Non First Normalform
Tabelle 6: Daten in erster Normalform
Tabelle 7: Daten in dritter Normalform
Tabelle 8: Komplexes Datenobjekt als geschachtelte Tabelle
Tabelle 9: Genestete Relation in Tabellenform
Tabelle 10: Hergeleitetes Datenobjekt in Tabellenform (1)
Tabelle 11: Hergeleitetes Datenobjekt in Tabellenform (2)
Tabelle 12: Mehrere Flugzeuge gleicher Bauart
Tabelle 13: Tupel eines komplexen Datenobjekts (Beispiel 1)
Tabelle 14: Mitarbeiter mit veränderlichen Qualifikationen
Tabelle 15: Tupel als komplexes Datenobjekt (Beispiel 2)
Tabelle 16: Zwei Instanzen des Datenmodells "Flugzeug"
Tabelle 17: Vereinigung und Schnittmenge mit der Inklusionsordnung
Tabelle 18: Zwei Instanzen des Datenmodells "Mitarbeiter"
Tabelle 19: Vereinigung und Schnittmenge mit der Objektordnung
Tabelle 20: Nicht antisymmetrische Instanzen
Tabelle 21: Instanzen der Relation „Aufgabe“
Tabelle 22: Verschmelzen von Instanzen mit Ordnungen
Tabelle 23: Negativ einer Instanz i1
Tabelle 24: Datenbestand für die Abfrage von Daten
Tabelle 25: Ergebnis einer Selektion
Tabelle 26: Hinzufügen von Tupeln (1)
Tabelle 27: Hinzufügen von Tupeln (2)
Tabelle 28: Hinzufügen von Tupeln (3)
Tabelle 29: Startmarkierung eines NR/T-Netzes
Tabelle 30: Bewertung der Modellierungsfähigkeit
Tabelle 31: Bewertung der Integration
Tabelle 32: Bewertung der Flexibilität
Tabelle 33: Gesamtbewertung der Modellierungstechnik
Definitionsverzeichnis
Definition 1: Netz
Definition 2: Datenmodell
Definition 3: Entity-Typ
Definition 4: Beziehungs-Typ
Definition 5: Instanz (einzelwertige Attribute)
Definition 6: Instanz (mengenwertige Attribute)
Definition 7: Inklusionsordnung
Definition 8: Objektordnung
Definition 9: PNF-Instanzen
Definition 10: Ordnungsdefinition und Ordnungsgleichung
Definition 11: Generalized Partitioned Normal Form (GPNF-) Instanzen
Definition 12: Negativ einer Instanz
Definition 13: Bewerteter Top-Level-Term, Instanziierung eines Terms
Definition 14: NR/T-Netz
Definition 15: Aktivierte Transition
Definition 16: Schalten einer Transition
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Logisch-mathematische Symbole
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Modellierung betrieblicher Informationssysteme als Problem des Informationsmanagements
1.1 Ziele und Aufgaben
„Alles Leben ist Problemlösen. Alle Organismen sind Erfinder und Techniker, gute oder weniger gute, erfolgreich oder weniger erfolgreich im Lösen von technischen Problemen.“[1]
Betriebswirtschaftliche Probleme[2] entstehen aus unternehmerischen Zielen sowie den daraus resultierenden Aufgabenstellungen. Sie werden auf der Basis von Informationen[3] gelöst. Informationen dienen der Problembeschreibung, der Formulierung einer Frage und der Problemlösung: Die Problembeschreibung wird durch gegebene Informationen, eine Frage durch gesuchte Informationen repräsentiert. Eine Frage zu beantworten bedeutet, eine Problemlösung vorzuschlagen[4]. Die Möglichkeiten der Problemlösung hängen von den vorhandenen Informationen zur Problembeschreibung und den realisierbaren Lösungsalternativen ab. Deshalb müssen Informationen über das Problem und seine Lösungsmöglichkeiten beschafft werden[5].
Betriebliche Informationssysteme (im folgenden auch kurz: BIS) bestehen aus Menschen und Maschinen, die durch den Austausch und die Verarbeitung von Informationen innerhalb eines organisatorischen Rahmens miteinander kommunizieren[6]. Diese Kommunikation kann von Mensch zu Mensch, Mensch zu Maschine, Maschine zu Mensch und Maschine zu Maschine erfolgen. Der Schwerpunkt dieser Arbeit richtet sich auf technikgestützte BIS. Diese weisen mindestens eine technische –i.d.R. computergestützte– Komponente auf.
Ziel des Einsatzes von BIS ist es, die Wirtschaftlichkeit der betrieblichen Systeme, aber auch der Informationssysteme selbst zu gewährleisten. Dieses Ziel setzt sich aus der Reduzierung der Kosten und der Erhöhung des Nutzens für die BIS, vor allem aber aus den Nutzensteigerungen in indirekten Bereichen zusammen[7]. Nutzensteigerungen in indirekten Bereichen können z.B. durch die Beschleunigung zentraler Geschäftsprozesse erreicht werden[8].
Weitere relevante operationale Teilziele der BIS sind Flexibilitätssteigerungen, Reduzierung der Durchlaufzeiten bei den Informationsprozessen, eine möglichst große Aufgabenbezogenheit, Qualitätssteigerungen der Informationen und der Informationsprozesse, die Beherrschung der Systemkomplexität bei gleichzeitig hohem Integrationsgrad sowie die sich daraus ergebenden, auf den Markt gerichteten Ziele indirekter Bereiche[9].
Unternehmen stehen daher vor der Aufgabe, den Einsatz der Ressource Information[10] und die damit verbundenen Geschäftsprozesse zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Aufgrund dieser Aufgaben empfiehlt es sich, den Informationsbedarf und die Geschäftsprozesse eines Unternehmens zu modellieren. Dabei wird die Hypothese vertreten, dass die Komplexität der aus den o.g. Aufgaben resultierenden Probleme mit Hilfe von Modellen besser handhabbar ist. Zweck dieser Modelle ist es, BIS zu repräsentieren, d.h. sprachlich zu rekonstruieren und zu implementieren[11]. Auf Basis dieser Informationssystem-Modelle können Geschäftsprozesse und der damit verbundene Informationsbedarf eines Unternehmens geplant, analysiert, modifiziert, dokumentiert und in das BIS implementiert werden. Es wird die Hypothese vertreten, dass damit eine Senkung der Prozesskosten und/oder eine qualitative Verbesserung der Prozesse erreicht wird.
Die in der Betriebswirtschaftslehre häufig verwendete natürliche Sprache besitzt jedoch bestimmte Eigenschaften, die für die Modellierung von BIS nachteilig sind[12]. Dies betrifft ihre fehlende Eindeutigkeit und mögliche Widersprüche. Verbale Beschreibungen sind deshalb für die Modellierung von BIS nur bedingt geeignet. Die für Entscheidungs- und Planungsprobleme in der Betriebswirtschaftslehre verwendete mathematische Sprache ist zwar exakter und verifizierbar, aber für den Adressaten in der Unternehmenspraxis häufig nicht oder nur schwer verständlich[13]. Formale Sprachen allgemein können jedoch helfen, Begriffe und Zusammenhänge zu klären oder zu präzisieren[14]. Mitunter kann eine formale Beschreibungssprache zur Realisierbarkeit innovativer strategischer Ansätze beitragen, da entsprechend formal beschreibbare Konzepte in ein EDV-System implementierbar sind[15].
Um diesen unterschiedlichen Anforderungen an Beschreibungssprachen gerecht zu werden, könnten für die Modellierung von BIS eine oder mehrere Modellierungssprachen verwendet werden, die stufenweise Transformationen von einer verbalen zu einer formalen Beschreibung ermöglichen. So könnten natürlich sprachliche Beschreibungen als Grundlage für die Modellierung von BIS verwendet und durch eine stufenweise Formalisierung die o.g. Probleme verbaler Beschreibungen reduziert werden. Die Konzeption einer solchen Modellierungssprache ist das Thema dieser Arbeit.
1.2 Gliederung und Ziel der Arbeit
In dieser Arbeit wird ein Konzept zur Repräsentation betrieblicher Informationssysteme durch Kombination von Entity-Relationship- (E-R-) und Petrinetz-Technik[16] erstellt. Ausgehend von Petrinetzen als Modellierungstechnik für BIS werden in Kapitel 2 die Potenziale und die Defekte dieser Technik aufgezeigt. In Kapitel 3 werden die Potenziale der E-R-Technik beschrieben. Dabei wird aufgezeigt, wie die Potenziale der E-R-Technik die zuvor beschriebenen Defekte der Petrinetz-Technik heilen können.
Die verfügbaren Publikationen[17], die sich mit einer solchen Kombination befassen, sind für Informatik-Laien i.d.R. nicht oder nur schwer verständlich. Das ist u.a. darin begründet, dass unterschiedliche Ansätze auf verschiedenen Abstraktionsebenen mit unterschiedlichen, teilweise schwer nachvollziehbaren Beispielen überwiegend formal-mathematisch beschrieben werden.
Daher werden in den Kapiteln 3 und 4 Elemente unterschiedlicher Ansätze zusammengefügt und anhand eines einheitlichen, praxisrelevanten Beispiels erklärt. Dieses Beispiel wird verbal, und anschließend mit Hilfe der Modellierungstechniken sowohl semiformal als auch formal beschrieben. Die semiformale Beschreibung wird dabei in Form einer grafischen Beschreibung als Schnittstelle zwischen verbaler und formaler Beschreibung verwendet[18].
In Kapitel 4 werden die erarbeiteten Ausdrucksmittel der E-R-Technik mit den erarbeiteten Ausdrucksmitteln der Petrinetz-Technik kombiniert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Aufbau der Arbeit
In Kapitel 5 wird abschließend evaluiert, welchen Beitrag dieser Ansatz für die Repräsentation von BIS leistet. Dabei wird angenommen, dass aus einem positiven Beitrag zur Repräsentation von BIS ein positiver Beitrag für das Informationsmanagement folgt.
Zur Veranschaulichung der Modellierungstechniken wird das Problem des sog. „Crew-Scheduling“ verwendet[19]. Es handelt sich dabei um ein Problem, das im Rahmen des operativen Managements von Fluggesellschaften auftritt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Crew-Anforderung als Formular
Anhand dieses, in Abbildung 1 angedeuteten Beispiels wird schrittweise erläutert, wie durch die kombinierte Modellierung mit E-R- und Petrinetz-Technik ein BIS repräsentiert werden kann. Abbildung 1 zeigt ein Formular, mit dem eine Cockpit-Crew für einen Flug von Düsseldorf nach Rom angefordert wird. Der Flug wird mit einem Airbus-320 durchgeführt, für den als Crew-Mitglieder ein Pilot und ein Copilot benötigt werden. Von den mathematischen Modellen zur Lösung des Crew-Scheduling-Problems wird abstrahiert und auf die in Fußnote 19 aufgeführte Literatur verwiesen. Das hier verwendete Beispiel fokussiert die Repräsentation eines BIS, mit dem sichergestellt werden soll, dass die zur Lösung des Crew-Scheduling-Problems benötigten Informationen bereit gestellt werden.
2 Petrinetze als Modellierungstechnik für betriebliche Informationssysteme
2.1 Modellierung betrieblicher Informationssysteme
Die theoretische Grundlage zur Strukturierung von Problemen bildet in dieser Arbeit die Systemtheorie[20]. Für das Verständnis von Systemen sind das strukturale, das funktionale und das hierarchische Systemkonzept zu unterscheiden[21] (vgl. Abbildung 2). Dabei fokussiert das Strukturkonzept die Elemente und deren Beziehungen untereinander, es soll zeitlich unabhängig gültige Aussagen über das System wiedergeben. Das funktionale Konzept[22], teilweise auch als Systemverhalten bezeichnet, betrachtet, wie sich etwas verhält. Zum funktionalen Konzept gehört auch das logische Verknüpfungsmuster der im System ablaufenden Prozesse sowie die Beziehungen zur Umwelt. Die tatsächlichen zeitlichen Prozessverläufe werden als das dynamische Verhalten des Systems bezeichnet. Unter dem hierarchischen Aspekt wird der Umstand verstanden, dass die Elemente eines Systems sowohl Sub-Systeme repräsentieren und zugleich Teil eines Super-Systems sein können. Von Sub-Systemen abzugrenzen sind Teil-Systeme, bei denen Elemente und Beziehungen einer Systemebene nach einem Kriterium zusammengefasst werden. Ein Element kann somit zu mehreren Teil-Systemen gehören, jedoch nur zu einem Super-System. Die Hierarchisierung von Systemen ist insbesondere von Bedeutung, um Komplexität, wie sie realen Systemen eigen ist, zu beherrschen[23].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ähnlich: Ropohl (1978), S.15.
Abbildung 2: Die drei Konzepte eines Systems
Ein Modell wird verstanden als „das Ergebnis einer Konstruktion eines Modellierers, der für Modellnutzer eine Repräsentation eines Originals zu einer Zeit als relevant mit Hilfe einer Sprache deklariert [...]. Ein Modell setzt sich somit aus der Konstruktion des Modellierers, dem Modellnutzer, einem Original, der Zeit und einer Sprache zusammen“[24]. Ein Informationssystem-Modell stellt eine spezifische Modellart dar, die Informationen in einem betrieblichen System fokussiert[25]. In Anlehnung an die zuvor zitierte allgemeine Definition eines Modells kann ein Informationssystem-Modell, das betriebliche Informationssysteme fokussiert, wie folgt als spezielles Modell definiert werden: „Ein Informationsmodell ist das Ergebnis einer Konstruktion eines Modellierers, der für Anwendungssystem- und Organisationsgestalter Informationen über zu modellierende Elemente eines Systems zu einer Zeit als relevant mit Hilfe einer Sprache deklariert“[26].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Modellierung betrieblicher Informationssysteme
Abbildung 3 verdeutlicht, wie bereits Anfangs erläutert, dass sich aus unternehmerischen Zielen und Aufgaben die Notwendigkeit des Managements der Ressource Information ergibt. Daraus ergibt sich als Aufgabe des Informationsmanagements die Modellierung von BIS.
Auf dieser Basis sollte vor dem Prozess der Modellierung der notwendige Detaillierungsgrad eines Modells bestimmt werden, damit eine ökonomisch sinnvolle Relation zwischen den Kosten der Erstellung und dem späteren Nutzen des Modells erzielt wird[27].
Weiter verdeutlicht Abbildung 3, dass BIS in Prozess-, Daten- und Organisationsstruktur[28] unterteilt werden können. Die Prozessstruktur bezieht sich insofern auf die funktionale Komponente des Systems, als dass sie anzeigt, wie sich das System verhält. Sie wird als „strukturale Beschreibung des Verhaltensaspektes eines Systems“[29] interpretiert. Die Daten- und Organisationsstruktur[30] wird dagegen als statische und strukturale Komponente eines BIS interpretiert[31].
Der Fokus dieser Arbeit ist ein Konzept zur kombinierten Modellierung von Prozess- und Datenstrukturen. Dabei fokussiert die Petrinetz-Technik die Prozess- und die E-R-Technik die Datenstrukturen. Von der expliziten Behandlung der Organisationsstruktur, genauer: der Struktur der Aufbau organisation, wird damit abgesehen. Diese ist jedoch implizit in der Prozessstruktur enthalten, da einzelne Funktionen bestimmten Organisationseinheiten zuzuordnen sind. Die Prozessstruktur fokussiert damit die Ablauf organisation eines Unternehmens. Eine Zuordnung bestimmter Organisationseinheiten zu einzelnen Funktionen der Prozesse kann so bspw. durch eine zusätzliche informale Beschriftung der Funktionssymbole, oder formal über die Integration in Datenobjekte erfolgen[32].
2.2 Das Modellierungspotenzial von Petrinetzen
2.2.1 Allgemeine Potenziale von Petrinetzen
Die Grundlage für Petrinetze[33] wurde von PETRI 1962 im Rahmen einer Dissertation mit dem zweideutigen Titel[34] „Kommunikation mit Automaten“[35] gelegt. Eine in dieser Dissertation beschriebene Theorie wurde in den darauf folgenden Jahren unter der Bezeichnung „Petrinetze“ weltweit bekannt[36].
Petrinetze können als grafischer Formalismus zur Beschreibung von Prozessstrukturen verwendet werden. Sie ermöglichen die Beschreibung sequenzieller, sich gegenseitig ausschließender sowie nebenläufiger Aktivitäten[37], die nicht determiniert sein müssen. Mit Petrinetzen können Zustände eines Geschäftsprozesses explizit modelliert werden, und es sind Analysetechniken zum Validieren und Verifizieren der konstruierten Modelle verfügbar[38]. Petrinetze besitzen ein „solides“ theoretisches Fundament und es ist möglich, „Petri-Netz-artige Darstellungen mit speziellen, anwendungsnahen graphischen Symbolen“[39] zu verwenden, wodurch eine semantisch gehaltvolle Darstellung erreicht werden kann.
Auf Petrinetzen basierende Modellierungsansätze haben sich als „tragfähig für die Modellierung, die Analyse und die Durchführung realer Geschäftsprozesse herausgestellt“[40]. Der erfolgreiche Einsatz von Petrinetzen für die Modellierung von Prozessstrukturen im akademischen Bereich[41] ermutigte Unternehmen, auf der Petrinetz-Technik basierende kommerzielle Modellierungssoftware anzubieten[42]. Die verfügbare Modellierungssoftware unterstützt z.T. auch die automatisierte Implementierung der Prozessmodelle in EDV-Systeme, bspw. in Workflow-Management-Systeme (WfMS)[43].
Petrinetze unterstützen die Komplexitätsreduzierung u.a. durch die Möglichkeit der Vergröberung und Verfeinerung der Netzelemente[44]. Ein Petrinetz wird verfeinert, indem ein Netzelement durch ein weiteres Netz ersetzt wird. Umgekehrt wird ein Petrinetz vergröbert, indem ein bestehendes Netz zu einem Netzelement zusammengefasst wird.
2.2.2 Spezielle Potenziale ausgewählter Petrinetz-Typen
Für die Modellierung mit Petrinetzen werden von der Theorie verschiedene Petrinetz-Typen angeboten, die sich durch ihre unterschiedlichen Netzkomponenten klassifizieren lassen. Dazu gehören[45] Petrinetze mit Kanälen und Instanzen (K/I-Netze)[46], Bedingungen und Ereignissen (B/E-Netze)[47], Stellen und Transitionen (S/T-Netze)[48] sowie Prädikaten und Transitionen (Pr/T-Netze)[49]. Im folgenden wird die Anwendung dieser vier Netz-Typen anhand des Beispiels der Fluggesellschaft für die semiformale und formale Beschreibung von BIS erläutert. Dabei wird aufgezeigt, dass Unterschiede hinsichtlich der Eignung dieser Netztypen für eine kombinierte Modellierung von Prozess- und Datenstrukturen bestehen.
2.2.2.1 K/I-Netze
Abbildung 4 (s.u.) zeigt ein K/I-Netz, mit dem der Geschäftsvorfall „Flugvorbereitung“ vereinfacht modelliert wurde. Mit dem in dieser Abbildung dargestellten Netz wird semiformal beschrieben, dass Informationen über das verfügbare Flugpersonal und die vorhandenen Crewanforderungen für eine Crewzusammenstellung benötigt werden. Informationen über Crewanforderungen ergeben sich aus einer Flugzeugzuweisung, für die wiederum Informationen über durchzuführende Flüge und verfügbare Flugzeuge benötigt werden. Nach der Crewzusammenstellung findet eine Vollständigkeitsprüfung statt, mit der überprüft wird, ob für alle Aufgaben (Pilot, Copilot, usw.) entsprechendes Personal zugeordnet wurde. Das Ergebnis des hier beschriebenen Geschäftsvorfalls ist ein Einsatzplan.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Geschäftsvorfall "Flugvorbereitung" als K/I-Netz
An dieser Stelle wird ein Vorteil der semiformalen Beschreibung in Abbildung 4 gegenüber der verbalen Beschreibung deutlich: Bereits dieser stark vereinfachte Zusammenhang kann nur verhältnismäßig schlecht verständlich verbal beschrieben werden. Eine weitere Stärke der Petrinetze ist die Formalisierbarkeit dieser semiformalen Beschreibung. Dadurch ist es möglich, eine verbale Beschreibung in eine leichter kommunizierbare semiformale Beschreibung zu überführen, diese semiformale Beschreibung wiederum in eine formale Beschreibung zu überführen und umgekehrt. Es wird nun erläutert, wie aus der semiformalen Beschreibung in Abbildung 4 eine solche formale Beschreibung hergeleitet werden kann.
In einem Netz mit Kanälen und Instanzen[50] stellt jeder Kanal (Kreis) eine passive Systemkomponente dar, die lagern, speichern, Zustände annehmen und Objekte sichtbar machen kann. Jede Instanz (Rechteck) stellt eine aktive Systemkomponente dar, die für die Erzeugung, den Transport und die Veränderung von Objekten verantwortlich ist. Ein Pfeil zeigt einen logischen Zusammenhang, räumliche Nähe, Zugriffsrechte oder unmittelbare Kopplung an. Mit einem Pfeil wird keine „reale“ Systemkomponente repräsentiert, sondern immer eine abstrakte, gedankliche Beziehung (Relation). Zeigt ein Pfeil von einer Instanz auf einen Kanal, gehört die Instanz zum Vorbereich des Kanals. Zeigt umgekehrt ein Pfeil von einem Kanal auf eine Instanz, gehört die Instanz zum Nachbereich des Kanals. Ein K/I-Netz wird i.d.R. mit natürlichsprachlichen Anschriften versehen, präzise Schaltregeln existieren dagegen nicht.
Für die folgende formale Definition wurde zur Vereinfachung –zusätzlich zur natürlich sprachlichen Beschriftung– jeder Kanal mit si, i = 1,..., m, jede Instanz mit tj, j = 1,..., n beschriftet (vgl. Abbildung 4).
Das Beispiel aus Abbildung 4 zeigt ein Netz N = (S, T, F) mit S = { s1, s2, s3, s4, s5 }, T = { t1, t2, t3 } und F = {(s1, t2), (s2, t1), (s3, t1), (t1, s4), (t2, s4), (s4, t2), (s4, t3), (t3, s5)}. Die Elemente aus S werden allgemein Stellen und die Elemente aus T werden allgemein Transitionen genannt. F ist die Flussrelation[51] von N.
In K/I-Netzen stellen die S -Elemente Kanäle, die T -Elemente Instanzen dar. Diese Mengen müssen bestimmten Bedingungen genügen, damit sie ein Netz im Sinne eines K/I-Netzes beschreiben. Alle in den folgenden Kapiteln erläuterten Netze können als Erweiterungen dieses Petrinetz-Typs aufgefasst werden. Sie müssen daher auch den nun folgenden Bedingungen genügen[52].
Definition 1: Netz
Ein Tripel N = (S, T, F) heißt Netz, falls gilt:
(i) S, T sind endliche Mengen
(ii) S Ç T = Æ
(iii) S È T ¹ Æ
(iv) F Í (S ´ T) È (T ´ S)
Es lässt sich festhalten, dass mit der Petrinetz-Technik Prozessstrukturen durch Kreise, Rechtecke und Pfeile semiformal beschrieben werden können. Weiter können Prozessstrukturen durch Mengen, die bestimmten Bedingungen genügen, formal beschrieben werden.
2.2.2.2 B/E-Netze
Abbildung 5 (s.u.) zeigt ein B/E-Netz. Es wurde ein Ausschnitt des Netzes aus Abbildung 4 gewählt, um die Größe des Modells auf ein Mindestmaß zu reduzieren und das Problem der kombinierten Modellierung von Prozess- und Datenstrukturen zu fokussieren.
In einem B/E-Netz stellen die Kreise Bedingungen dar, die erfüllt (wahr) sein müssen, damit das nachfolgende Ereignis eintreten kann. Eine erfüllte Bedingung wird durch eine Marke (schwarzer Punkt im Kreis, auch als „Token“ bezeichnet) repräsentiert. In dem hier konstruierten Systemzustand sind die Bedingungen „Flugdurchführung“ (s2) und „Verfügbare Flugzeuge“ (s3) wahr[53]. Daher kann das Ereignis „Flugzeugzuweisung“ (t1) eintreten. Nach dem Eintreten des Ereignisses „Flugzeugzuweisung“ werden die Stellen s2 und s3 nicht wahr, und die Stelle s4 wird wahr. Solange mindestens eine Bedingung im Vorbereich nicht wahr ist, kann das nachfolgende Ereignis nicht eintreten. Ein B/E-Netz wird formal wie ein K/I-Netz definiert, jedoch um sog. Startmarkierungen und Schaltbedingungen erweitert (vgl. Anhang: Petrinetz-Definitionen).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Flugvorbereitung als B/E-Netz
Im Gegensatz zu K/I-Netzen können mit B/E-Netzen Bedingungen, z.B. für die Ausführung eines Arbeitsschritts, repräsentiert werden. Eine erfüllte Bedingung kann alternativ auch als das Vorhandensein eines Objekts interpretiert werden. Mit dieser Interpretation lässt sich aber in jeder Stelle lediglich ein Objekt repräsentieren. Auch wird von der Struktur des zu repräsentierenden Objekts abstrahiert, das Objekt kann nur „sein“ oder „nicht sein“. Für die Modellierung von BIS sind B/E-Netze daher nur auf einem hohen Abstraktionsniveau anwendbar. Mitunter werden B/E-Netze schnell groß und unübersichtlich, z.B. müsste bereits bei der Möglichkeit, dass drei Flugzeuge gleichzeitig verfügbar sind, jeweils eine Bedingung für jedes Flugzeug modelliert werden.
Für B/E-Netze lässt sich daher festhalten, dass zusätzlich Bedingungen und das Vorhandensein von Objekten repräsentiert werden können bzw. kann. Das ist jedoch im Kontext von BIS nur auf einem hohen Abstraktionsniveau mit großen, unübersichtlichen Netzen und daher sehr schlecht möglich.
2.2.2.3 S/T-Netze
In Stellen/Transitionen- (S/T-) Netzen (vgl. Abbildung 6) werden die Kreise als Objektbehälter interpretiert. Eine Kapazitätsbeschränkung (k) legt für jede Stelle eine maximale (möglicherweise unendliche) Anzahl von Objekten fest, die in der Stelle zu einem Zeitpunkt vorkommen darf. Die Objekte werden als „anonyme“ Marken repräsentiert, die keine Eigenschaften (Werte) besitzen. Transitionen können schalten, d.h. sie sind aktiviert, wenn in jeder Stelle im Vorbereich genügend Marken entsprechend einer für jede Kante angegebenen Kantengewichtung w vorhanden sind und wenn in jeder Stelle im Nachbereich eine ausreichende Kapazität für zusätzliche Marken entsprechend der jeweiligen Kantenbeschriftung w ist. Wenn eine aktivierte Transition schaltet, wird die an den Eingangskanten angegebene Anzahl von Marken aus den jeweiligen Stellen im Vorbereich entfernt und die an den Ausgangskanten angegebene Anzahl von Marken in die jeweiligen Stellen im Nachbereich eingefügt. Formal werden S/T-Netze gegenüber B/E-Netzen um Kapazitäten der Stellen und Kantenbeschriftungen erweitert. Die Schaltregel muss entsprechend angepasst werden (siehe Anhang: Petrinetz-Defintionen).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Flugvorbereitung als S/T-Netz
Im Vergleich zu B/E-Netzen kann in S/T-Netzen den Stellen eine Anzahl vorhandener Objekte zugeordnet werden. Zusätzlich können für die Stellen Kapazitätsbeschränkungen und durch Kantengewichtungen der Verbrauch an Objekten pro Arbeitsschritt angegeben werden. Von Objektstrukturen wird in S/T-Netzen jedoch ebenfalls abstrahiert. Für die Modellierung von BIS impliziert diese Beschränkung, dass von den Eigenschaften eines Objekts abstrahiert werden muss.
Damit lässt sich festhalten, dass S/T-Netze Kapazitäten und den Verbrauch von Objekten repräsentieren können. Das stellt eine Verbesserung gegenüber B/E-Netzen dar. Da jedoch weiterhin von Objektstrukturen abstrahiert werden muss, lassen sich Objekte nur schlecht modellieren.
2.2.2.4 Pr/T-Netze
Abbildung 7 und Abbildung 8 (s.u.) zeigen ein Pr/T-Netz mit einer Startmarkierung bzw. einer Folgemarkierung. Pr/T-Netze ermöglichen die Integration objektbezogener Aspekte. Jeder Stelle des Netzes wird, vereinfacht ausgedrückt, eine „Tabelle“ (genauer: eine Menge an Prädikaten mit veränderlichen Ausprägungen) zugeordnet, die diese objektbezogenen Aspekte in Form von Attributen (z.B. Flug#, Start, Ziel, ...) repräsentiert. Der Aufbau einer solchen Tabelle wird im folgenden als Datenstruktur bezeichnet, die damit bezweckten Repräsentationen von Objekten werden Datenobjekte genannt.
Den Transitionen werden Schaltbedingungen und Schaltwirkungen in Form prädikatenlogischer Ausdrücke zugeordnet. Die Schaltbedingung muss erfüllt sein, damit eine Transition schalten und die Schaltwirkung eintreten kann. Die Kanten werden mit Mengen von Variablentupeln beschriftet, deren Stelligkeit gleich der Stelligkeit der dazugehörigen (adjazenten) Prädikaten-Menge der Stelle ist. Das Ergebnis dieser Schaltwirkung wird an die nachfolgende „Tabelle“ der Stelle „weitergereicht“, die Startmarkierung wird in eine Folgemarkierung transformiert.
Als Schaltbedingung könnte z.B. definiert werden, dass ein Flugzeug mindestens über so viele Sitze verfügen muss, wie Plätze für den durchzuführenden Flug benötigt werden. Als Schaltwirkung könnte z.B. bei einer Flugbuchung (hier nicht dargestellt) definiert werden, dass die Anzahl der verfügbaren Plätze für einen bestimmten Flug um die Anzahl x reduziert wird (für die formalen Definitionen der Pr/T-Netze siehe Anhang: Petrinetz-Definitionen).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Flugzeugzuweisung als Pr/T-Netz (Teil 1)
Abbildung 8 (s.u.) stellt das Schalten der Transition Flugzeugzuweisung (t1) in bezug auf die Startmarkierung von Abbildung 7 dar. Für den Flug# 455 wird ein Flugzeug mit mindestens 150 Plätzen benötigt. Das Flugzeug# 12 erfüllt mit 155 Sitzen diese Bedingung. Da das Flugzeug# 12 einen Piloten und einen Copiloten („Aufgaben“) benötigt, wurde der Stelle Crewanforderung (s2) für jede zu erfüllende Aufgabe jeweils ein n -Tupel (d.h. insgesamt zwei n -Tupel) zugeordnet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Flugzeugzuweisung als Pr/T-Netz (Teil 2)
Pr/T-Netze heben einen Teil der Restriktionen von B/E- und S/T-Netzen hinsichtlich der Repräsentation von Objekten durch die Möglichkeit der Verwendung von Datenobjekten auf. Sie sind damit –scheinbar– gut geeignet zur Beschreibung von Prozess- und den zugehörigen Datenstrukturen. Wie im folgenden noch zu zeigen ist, bestehen jedoch auch bei Pr/T-Netzen Restriktionen, durch die eine Repräsentation von BIS erschwert wird.
2.3 Modellierungsdefekte von Petrinetzen
2.3.1 Komplex strukturierte Datenobjekte
Wie in Kapitel 2.2.2.4 bereits angedeutet wurde, sind Pr/T-Netze hinsichtlich der Datenobjekte auf „flache“ Tabellen (d.h. unstrukturierte n -Tupel) beschränkt[54]. Komplex strukturierte Datenobjekte (im folgenden auch kurz: komplexe Datenobjekte), wie z.B. das Formular aus Abbildung 1 (S. 6), lassen sich dagegen nicht unmittelbar mit Pr/T-Netzen modellieren.
Die Beschränkung auf unstrukturierte n -Tupel führt dazu, dass zusammengehörige Aspekte eines komplexen Datenobjekts in mehreren Zeilen einer Tabelle –oder alternativ über mehrere Tabellen verteilt– beschrieben werden müssen. Um z.B. den in Abbildung 1 dargestellten Flug durchführen zu können, wird genau ein Flugzeug benötigt. Für dieses eine Flugzeug ist jedoch eine Cockpit-Crew erforderlich, die aus mehreren Personen besteht, nämlich aus Pilot und Copilot. Da unstrukturierte n -Tupel nur einzelwertige Ausprägungen der Attribute enthalten dürfen[55], besteht ein Zwang, das Formular aus Abbildung 1 relativ umständlich zu modellieren. Bereits der triviale Zusammenhang „Flugzeug-Crew“ würde das in Tabelle 2 dargestellte künstliche Konstrukt erzwingen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Flugzeug mit flachen n -Tupeln dargestellt
Künstlich ist an Tabelle 2, dass die Ausprägungen der Attribute Flugzeug#, Typ und Sitze doppelt angegeben werden müssen, damit beide Aufgaben erfasst werden können. Die Verwendung von mehreren Attributen (z.B. „Aufgabe1“, „Aufgabe2“ usw.) ist unbefriedigend, weil so für jede potenzielle Aufgabe ein einzelnes Attribut verwendet werden müsste, wodurch das Modell unübersichtlich würde. Alternativ könnten diese redundanten Daten durch eine Aufteilung über zwei Tabellen weitgehend vermieden werden (vgl. Tabelle 3)[56]. Dann müsste die Beschreibung der verfügbaren Flugzeuge aber zugleich auf zwei Stellen im Netz verteilt werden, was ebenfalls eine künstliche und unübersichtliche Beschreibung wäre. Mitunter könnte dadurch in komplexen Modellen der Fall eintreten, dass durch einen Fehler des Modellierers zwar das Löschen des Flugzeugs modelliert, das Löschen der zugehörigen Aufgaben jedoch vergessen wird. In einem solchen Fall spricht man von Inkonsistenzen hinsichtlich des Modells und damit später auch der Datenbestände[57].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Aufteilung von Daten über mehrere Tabellen
Es lässt sich festhalten, dass Pr/T-Netze für die Modellierung von komplexen Datenobjekten lediglich mittelmäßig geeignet sind. Das ist darin begründet, dass komplexe Strukturen, wie sie Datenobjekten i.d.R. eigen sind, zu komplizierten und künstlichen Netzkonstruktionen führen, da der Zugriff einer Transition auf alle zu einem Datenobjekt gehörigen Tupel nur umständlich modelliert werden kann.
2.3.2 Unabhängig voneinander ausführbare Arbeitsschritte
Das Problem der Modellierung von Nebenläufigkeit[58], d.h. unabhängig voneinander ausführbarer Arbeitsschritte, folgt aus dem Problem, dass komplexe Datenobjekte in Pr/T-Netzen nur umständlich modelliert werden können. So könnte dasselbe Formular –falls in digitalisierter Form vorliegend– gleichzeitig für mehrere Arbeitsschritte und unterschiedliche Mitarbeiter im Zustand „in Bearbeitung“ sein. Wenn aber ausgeschlossen werden soll, dass ein Sachbearbeiter gleichzeitig mehrere Arbeitsschritte ausführt, d.h. mehrere Formulare gleichzeitig am Bildschirm geöffnet hat, dann ist die Einführung einer „künstlichen“ Prädikat-Stelle „Formular-gesperrt“ nötig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ähnlich: Oberweis (1996a), S. 108.
Abbildung 9: Sperren eines Datenobjektes
Angenommen, es soll beschrieben werden, dass dasselbe Datenobjekt „Flugzeug“ an unterschiedlichen Arbeitsplätzen unabhängig voneinander bearbeitet wird. So ist es bspw. denkbar, dass an bestimmten Arbeitsplätzen den Flugzeugen Crews zugewiesen werden und an anderen Arbeitsplätzen für dieselben Flugzeuge Eintragungen für erforderliche Inspektionen vorgenommen werden.
Wenn aber ausgeschlossen werden soll, dass ein Sachbearbeiter in einem EDV-System z.B. gleichzeitig für mehrere Flugzeuge Crew-Zuweisungen vornimmt, dann ist die Einführung der oben erwähnten künstlichen Prädikat-Stelle „Formular-gesperrt“ notwendig. Da in Pr/T-Netzen keine komplexen Datenobjekte zugelassen sind, kann ein Formular mit dem Status „Formular-gesperrt“ in anderen Arbeitsschritten nicht mehr bearbeitet werden.
Es lässt sich das Fazit ziehen, dass Restriktionen hinsichtlich der Nebenläufigkeit von Schaltvorgängen auf unterschiedlichen Komponenten desselben komplexen Datenobjekts nur sehr umständlich modellierbar sind. Daher kann festgehalten werden, dass Pr/T-Netze für die Modellierung von Nebenläufigkeit lediglich mittelmäßig geeignet sind.
2.3.3 Undefinierte Werte
Das Problem der undefinierten Werte[59] betrifft in dem hier verwendeten Beispiel das Einfügen von Fluganforderungen, für die noch nicht bekannt ist, wie viele Sitzplätze benötigt werden. In einem solchen Fall müssten vordefinierte Nullwerte eingeführt werden, die angeben, dass für den betreffenden Flug noch nicht feststeht, wie viele Sitzplätze benötigt werden. Um eine konsistente Behandlung von Nullwerten sicherzustellen, müssten zusätzliche Integritätsbedingungen eingeführt werden, die eine konsistente Behandlung solcher Nullwerte sicherstellen.
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Tabelle 4: Nullwerte in einem flachen n -Tupel
Würde bspw. der Fall eintreten, dass die Anzahl der benötigten Plätze für einen einzutragenden Flug noch nicht bekannt ist, so ließe sich dies nicht durch die Zahl „0“ darstellen. Zeile 1 in Tabelle 4 könnte nämlich interpretiert werden derart, dass für den Flug# 455 keine Plätze benötigt werden. Daher müsste für ein betroffenes Pr/T-Netz vereinbart werden, dass bspw. der Wert „N.B.“ dahingehend zu interpretieren ist, dass nicht bekannt ist, wie viele Plätze benötigt für den Flug benötigt werden.
Es lässt sich festhalten, dass in Pr/T-Netzen eine umständliche Einführung von Nullwerten notwendig ist, um leere Mengen repräsentieren zu können. Wünschenswert ist dagegen, leere Mengen explizit repräsentieren zu können.
2.4 Ansätze zur Heilung der Modellierungsdefekte
(1) Abstraktion von Datenstrukturen
Durch die Verwendung von B/E- und S/T-Netzen kann generell von Datenstrukturen abstrahiert werden[60], d.h. Objekte werden als Marken ohne weitere Eigenschaften (Attribute) modelliert. Auch kann das Systemverhalten dann nicht explizit in Abhängigkeit von bestimmten Objekteigenschaften beschrieben werden, sondern nur in Abhängigkeit von dem Vorhandensein eines Objektes. Alternativ könnte zwar jede Objekteigenschaft in B/E-Netzen durch eine Bedingung und in S/T-Netzen durch eine Marke repräsentiert werden. Das bedeutet jedoch eine Aufblähung des Netzes und ist bei im Umfang über Trivialbeispiele hinausgehenden Anwendungen kaum praktikabel.
(2) Verwendung eines einfachen Datenmodells
Aufgrund der fehlenden Schnittstelle zwischen komplexen Datenobjekten und Pr/T-Netzen kann zur Datenmodellierung ein (Meta-)Datenmodell eingesetzt werden, das keine komplexen Datenobjekte zulässt[61]. Damit wird jedoch nur das Schnittstellenproblem zwischen Pr/T-Netzen und Datenstrukturen gelöst, nicht jedoch die Probleme der Beschreibung komplexer Datenobjekte, der Nebenläufigkeit und der undefinierten Werte.
(3) Zulassen komplexer Datenobjekte
Die zuvor genannten Ansätze heilen die Modellierungsdefekte von Petrinetzen durch eine Reduzierung des Modellierungspotenzials, lösen aber nicht die zuvor beschriebenen Defekte der Pr/T-Netze. Um diese Defekte zu heilen, ohne das Modellierungspotenzial zu reduzieren, müssten komplexe Datenobjekte und die Möglichkeit zur Manipulation dieser (d.h. hinzufügen, ändern und löschen) in Petrinetze integriert werden, idealerweise mit der Möglichkeit der Heilung des Nebenläufigkeit-Defekts und der Repräsentation undefinierter Werte von Attributen. Aus diesen Anforderungen folgt jedoch, dass man dafür in einem ersten Schritt die Restriktion Datenobjekte müssten als flache n -Tupel konstruiert sein fallen lassen muss. Denn wie bereits z.T. erläutert wurde, resultieren die Probleme aus dem Zwang zur Modellierung der Datenobjekte als flache n -Tupel.
3 Ansätze zur Heilung der Modellierungsdefekte von Petrinetzen mit Hilfe der Entity-Relationship-Technik
Im diesem Kapitel wird eine zusätzliche Modellierungstechnik für die Modellierung von Datenstrukturen eingeführt. Dabei wird von dem für die Datenmodellierung verbreiteten Entity-Relationship- (E-R-) Ansatz ausgegangen, da dieser unabhängig von EDV-technischen Implementierungsaspekten, intuitiv verständlich[62] und formalisierbar[63] ist. Dieser E-R-Ansatz wird anschließend derart erweitert und formal definiert, dass daraus abgeleitete komplexe Datenobjekte mit Petrinetzen kombiniert werden können. Durch eine solche Kombination sollen dann sowohl Prozess- als auch Datenstrukturen eines BIS Modelliert werden können.
3.1 Das Modellierungspotenzial der Entity-Relationship-Technik
Der Entity-Relationship- Ansatz wurde 1976 von Chen als konzeptuelles Datenmodell vorgestellt[64]. Die Entity-Relationship- Technik (E-R-Technik) bezieht sich auf dieses konzeptuelle Datenmodell, das im folgenden um die für die hier behandelte Problematik relevanten Aspekte erweitert wird.
Chen definiert „Entity“ als ein „Ding“, das deutlich („distinctly“) identifiziert werden kann und nimmt an, dass zwischen Entities Beziehungen (Relationen) existieren[65]. Auf der Grundlage dieses Ansatzes wurden verschiedene Varianten und Erweiterungen entwickelt[66], die in der betrieblichen Praxis z.T. Verbreitung gefunden haben[67].
[...]
[1] Popper (2002), S. 257.
[2] Probleme werden verstanden als Abweichungen eines Ist- Zustands vom Soll-Zustand.
[3] Informationen werden verstanden als das, was vielfältige pragmatische Komponenten aufweist, Wissen (d.h. die für wahr erachteten Sätze) voraussetzt, Neuigkeitsgrad besitzt, zeitpunktbezogen ist und beliebige mit menschlichem Handeln verbundene Träger besitzt. Informationen weisen enge Beziehungen zum Wissen auf, weil sie einerseits Wissen voraussetzen und andererseits zu einer Veränderung des Wissenstandes führen können. Daten werden nicht als „inhaltsfrei“ verstanden, da auch Rohdaten Informationen darstellen können. Sie werden statt dessen als spezifische Informationen betrachtet, die Aussagen über die Realität vor dem Hintergrund einer bestimmten Vorstrukturierung treffen. Daten setzen damit eine Strukturierung der Welt voraus, zu der es Daten geben kann, vgl. Schütte (1998), S. 1-5, Fußnote 5.
[4] Vgl. Schmidt (1999), S. 1.
[5] Vgl. Schmidt (1999), S. 11.
[6] Vgl. Antweiler (1995), S. 12 f.
[7] Vgl. Antweiler (1995), S. 42.
[8] Vgl. Österle (1996), S. 1. Danach ist ein Geschäftsprozess dann besser, wenn er mit niedrigeren Kosten und/oder in höherer Qualität als zuvor abgewickelt werden kann.
[9] Vgl. Antweiler (1995), S. 43.
[10] Während Information als Gestaltungsobjekt früher oftmals nur in Form dispositiver Tätigkeiten Berücksichtigung fand, wird sie heute zum einen als Produkt und zum anderen als Produktionsfaktor explizit wahrgenommen, vgl. Antweiler (1995), S. 4 f. sowie S. 4, Fußnoten 13 und 14.
[11] Die Repräsentation umfasst die Beziehung eines Begriffs zu dessen semantischer/pragmatischer Bedeutung als Objekt in der Realität oder Fiktion.
[12] Für eine weitergehende untersuchende Darstellung verschiedener Spracharten siehe Dittmann (2002).
[13] Die schwere Verständlichkeit formal-mathematischer Beschreibungen für Adressaten in der Unternehmenspraxis stellt insb. einen Nachteil in bezug auf die Kommunikation zwischen Informatikern/Mathematikern und Informatik-/Mathematik-Laien dar. Abweichend Scheer (1998), S. 1 f. Scheer nimmt an, dass „die in der Betriebswirtschaftslehre verwendete mathematische Sprache“ nicht für alle betriebswirtschaftlichen Problembeschreibungen anwendbar ist. Jedoch erläutert Scheer nicht, was genau unter „der“ mathematischen Sprache zu verstehen ist und für welche betriebswirtschaftlichen Problembeschreibungen eine solche Sprache anwendbar wäre. Für mögliche Anwendungen siehe z.B. Zelewski et al. (2001), insb. S. 196-200.
[14] Eine Folge begrifflicher Defizite können methodische Defizite sein, unter denen u.a. die Wirtschaftsinformatik leidet, vgl. Lehner (1996), S. 68-72.
[15] Beispiele der Vergangenheit haben gezeigt, dass innovative strategische Ansätze zur Gestaltung von Unternehmen scheitern, wenn sie sich nicht durch geeignete Informations- und Kommunikationstechnologien realisieren lassen. Dies gilt bspw. für die Ideen zu Management-Informationssystemen in den 70er genauso wie für den CIM-Gedanken in den 80er Jahren, vgl. Scheer (1996), S. 255.
[16] Techniken werden als Teilmenge wissenschaftlicher Methoden verstanden.
[17] Wie z.B. Bancilhon/Khoshafian (1989); Jaeschke (1996); Jaeschke et al. (1993); Jaeschke et al. (1994); Lamersdorf/Schmidt (1983); Oberweis (1996a); Oberweis (1996b); Oberweis et al. (1997a); Oberweis et al. (1997b); Oberweis/Sander (1996); Roth et al. (1988); Sander (1992); Sander (1993); Schek/Scholl (1983); Schek/Scholl (1986); Stucky et al. (1993); Thalheim (2000).
[18] Die formale Beschreibung wird dabei als Basis für eine Implementierung in ein EDV-System betrachtet. Sie ist jedoch unabhängig von einer maschinenorientierten Programmiersprache, vgl. Oberweis (1996a), S. 173-178.
[19] Ziel des Crew-Scheduling ist es, die Kosten von Flugzeug-Crews durch Optimierung der Einsatzpläne zu minimieren. Dieses Problem wird in der Fachliteratur mit Hilfe unterschiedlicher Ansätze behandelt. Murray (1961) präsentierte bereits 1961 einen Lösungsansatz; Levine (1996) diskutierte die Entwicklung eines genetischen Algorithmus als Lösungsansatz; Chu et al. (1997) behandelten das Problem als ganzzahliges Teilmengenproblem; Beasley/Cao (1998) versuchten das Crew Scheduling-Problem mit einem auf dynamischer Programmierung basierenden Algorithmus zu lösen; Lagerholm et al. (2000) präsentierten einen auf neuronalen Netzwerken basierenden Lösungsansatz; Ozdemir/Mohan (2001) entwickelten einen genetischen Algorithmus als Lösungsansatz; Yan/Chang (2002) sowie Yan/Tu (2002) favorisieren ein Netzwerk-Modell, das sie anhand von Flugdaten einer taiwanesischen Fluggesellschaft insb. für das Scheduling der Cockpit -Crew testeten.
[20] Für eine detailliertere Einführung in die allgemeine Systemtheorie siehe z.B. Krieger (1998). Die Systemtheorie wird in dieser Arbeit als Konzeptualisierungsmuster betrachtet, übereinstimmend Zelewski et al. (2001), S. 212.
[21] Vgl. Schütte (1998), S. 37-40.
[22] Das funktionale Konzept der Systemtheorie ist abzugrenzen von der funktionalen Organisation eines Unternehmens („Taylorismus“), die sich von der prozessorientierten Organisation dadurch unterscheidet, dass bei der funktionalen Organisation primär die Strukturen der Aufbauorganisation und Funktionshierarchien, bei der prozessorientierten Organisation dagegen primär die Prozessstrukturen betrachtet werden.
[23] Vgl. Krieger (1998), S. 14-17.
[24] Schütte (1998), S. 59. Vgl. auch Schütte (1997), S. 1. Dieser Arbeit liegt damit insb. die Annahme zugrunde, dass es keine reale Problemsituation gibt, die ohne das erkennende Subjekt das Ergebnis des Modellbildungsprozesses determiniert. Damit wird das Verständnis von Modellen als Abbilder der Realität explizit abgelehnt und Modelle statt dessen als Konstruktionen des Modellierers aufgefasst. Davon abweichend z.B. Sinz (1996), S. 125 f.
[25] Vgl. Schütte (1998), S. 63.
[26] Schütte (1998), S. 63. Schütte verwendet die Bezeichnung „Informationsmodell“. In dieser Arbeit wird der Begriff „Informationssystem-Modell“ synonym verwendet, da es sich um Informationsmodelle handelt, deren theoretische Grundlage die Systemtheorie ist.
[27] Vgl. Jaeschke (1996), S. 4.
[28] Jaeschke (1996), insb. S. 3, unterscheidet zwischen Ablaufschema, Informationsschema und Organisationsschema. In der hier verwendeten Terminologie ist dies mit Prozess-, Daten- und Organisationsstruktur gleichzusetzen, vgl. auch Abbildung 3. Ähnlich Scheer (1998), S. S. 32-38; Scheer trennt jedoch Funktions- und Steuerungssicht, die in dieser Arbeit als „Prozessstruktur“ zusammengefasst sind.
[29] Schütte (1998), S. 99.
[30] Die Organisationsstruktur bezieht sich auf die Struktur der Aufbauorganisation.
[31] Vgl. Schütte (1998), S. 99.
[32] Vgl. Oberweis (1996a), S. 178-186.
[33] Für eine informale Einführung in Petrinetze siehe Reisig (1985), für eine formale Einführung siehe Reisig (1991); für eine anwendungsorientierte Einführung siehe Baumgarten (1990). Für die Dissertation von Petri siehe Petri (1962). Diese Dissertation ist z.B. in der Universitäts-Bibliothek Bonn archiviert und kann dort eingesehen werden.
[34] Der Titel kann als Kommunikation von Menschen mit Automaten oder als Kommunikation zwischen Menschen mit Hilfe von Automaten verstanden werden.
[35] Vgl. Petri (1962).
[36] Vgl. Rozenberg (1991).
[37] Vgl. Oberweis (1996a), S. 98.
[38] Vgl. Aalst (1996), insb. S. 188 f.
[39] Oberweis (1996a), S. 176.
[40] Gruhn/Kampmann (1996), S. 383.
[41] Für einen Überblick über den Einsatz von Petrinetzen für die Modellierung von Prozessstrukturen im akademischen Bereich siehe Janssens et al. (2000), insb. S. 3 f. Für ein detailliertes Stärken/Schwächen-Profil für Petrinetze siehe Zelewski (1996), insb. S. 373.
[42] Für einen ausführlichen Überblick über auf Petrinetzen basierende Software für die Modellierung von Prozessstrukturen siehe Salimifard/Wright (2001), S. 669-673. Als Beispiele können das niederländische Unternehmen Pallas Athena BV mit der Software „Protos“, vgl. Protos (o.D.), das deutsche Unternehmen Promatis AG mit der Software „INCOME Processdesigner“, vgl. Income (o.D.), und das deutsche Unternehmen Software-Ley GmbH mit der Software „COSA“, vgl. Cosa (o.D.), genannt werden. In einer weiten Definition können auch ereignisgesteuerte Prozessketten als vereinfachte Form eines Petrinetzes verstanden werden, vgl. Schütte (1998), S. 99; Langner et al. (1997), S. 480-485. Für Details zu ereignisgesteuerten Prozessketten siehe Scheer (1998), S. 20.
[43] Vgl. bspw. Income (o.D.).
[44] Vgl. Reisig (1985), S. 67-75.
[45] Weiter werden u.a. zeitbehaftete, gefärbte, stochastische und synthetische Petrinetze angeboten. Diese Erweiterungen lassen sich jedoch z.T. mit den hier beschriebenen Netztypen konstruieren, vgl. Richter (1993), S. 73 f.
[46] Vgl. Baumgarten (1990), S. 49-76; Reisig (1985), S. 63-65.
[47] Vgl. Baumgarten (1990), S. 111-116; Reisig (1985), S. 11-25; Reisig (1991), S. 19-33.
[48] Vgl. Baumgarten (1990), S. 77-110; Reisig (1985), S. 27-35; Reisig (1991), S. 70-85.
[49] Vgl. Baumgarten (1990), S. 193-222; Reisig (1985), S. 37-61; Reisig (1991), S. 132-145.
[50] Vgl. Reisig (1985), S. 63-65.
[51] (S ´ T) und (T ´ S) bezeichnen jeweils das kartesische Produkt aus S und T bzw. T und S.
[52] Für weitere, allgemein bekannte Petrinetz-Definitionen siehe Anhang: Petrinetz-Definitionen (S. 85-90). Diese Definitionen wurden Reisig (1985), Reisig (1986), Baumgarten (1990) und Oberweis (1996a) entnommen und an die hier verwendete Notation angepasst.
[53] Präziser wäre hier an den Stellen des Netzes die Verwendung der Beschriftungen „Informationen über Flugdurchführung vorhanden“, „Informationen über verfügbare Flugzeuge vorhanden“ und „Crewanforderung vorhanden“. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden aber die Beschriftungen aus Abbildung 4 beibehalten.
[54] Vgl. Oberweis (1996a), S. 105-109.
[55] Ein Attribut darf nur die Ausprägung „Pilot“ oder „Copilot“ annehmen, nicht jedoch die Ausprägung „Pilot, Copilot“.
[56] Das entspräche dem Vorgehen bei der Normalisierung, wie sie Codd vorschlägt, vgl. Codd (1970), S. 381 f.
[57] Mit einer Modellierungssoftware könnten solche Inkonsistenzen zwar automatisch erkannt und damit verhindert werden, das Problem künstlicher und unübersichtlicher Modelle wäre damit jedoch nicht gelöst.
[58] Vgl. Oberweis (1996a), S. 107 f.
[59] Vgl. Oberweis (1996a), S. 108 f.
[60] Vgl. Oberweis (1996a), S. 110.
[61] Vgl. Oberweis (1996a), S. 109 f.
[62] Vgl. Chen (1977), S. 9 f.
[63] Vgl. Thalheim (2000), S. 29-54.
[64] Für die Originalarbeit von Chen siehe Chen (1976) und Chen (1977). Für eine Einführung in die E-R-Modellierung siehe z.B. Rauh/Stickel (1997), S. 37-110, und Thalheim (2000), S. 29-54. Für erweiterte E-R-Techniken siehe Thalheim (2000), S. 55-424. Im Rahmen dieser Arbeit werden nur für die Thematik relevante Aspekte erläutert.
[65] Vgl. Chen (1977), S. 17.
[66] Vgl. Rauh/Stickel (1997), S. 87-101.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Thema dieser Arbeit?
Diese Arbeit befasst sich mit der Modellierung betrieblicher Informationssysteme (BIS) durch die Kombination von Entity-Relationship- (E-R-) und Petrinetz-Techniken. Ziel ist es, ein Konzept zur Repräsentation von BIS zu erstellen, das die Potenziale beider Techniken nutzt und ihre jeweiligen Defekte überwindet.
Was sind die Ziele und Aufgaben betrieblicher Informationssysteme (BIS)?
Das Hauptziel des Einsatzes von BIS ist die Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit betrieblicher Systeme, sowohl der BIS selbst als auch in indirekten Bereichen. Weitere Ziele sind Flexibilitätssteigerungen, Reduzierung der Durchlaufzeiten, Aufgabenbezogenheit, Qualitätssteigerungen und die Beherrschung der Systemkomplexität bei hohem Integrationsgrad. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, den Einsatz der Ressource Information und die damit verbundenen Geschäftsprozesse zu planen, zu steuern und zu kontrollieren, was eine Modellierung von Informationsbedarf und Geschäftsprozessen erfordert.
Was sind Petrinetze und wozu dienen sie?
Petrinetze sind ein grafischer Formalismus zur Beschreibung von Prozessstrukturen. Sie ermöglichen die Modellierung sequenzieller, sich gegenseitig ausschließender und nebenläufiger Aktivitäten. Verschiedene Petrinetz-Typen existieren (K/I-Netze, B/E-Netze, S/T-Netze, Pr/T-Netze) mit unterschiedlichen Potenzialen und Defekten bezüglich der Modellierung von BIS.
Welche Typen von Petrinetzen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt Petrinetze mit Kanälen und Instanzen (K/I-Netze), Bedingungen und Ereignissen (B/E-Netze), Stellen und Transitionen (S/T-Netze) sowie Prädikaten und Transitionen (Pr/T-Netze).
Welche Modellierungsdefekte von Petrinetzen werden identifiziert?
Die Arbeit identifiziert drei Hauptmodellierungsdefekte von Petrinetzen: die Schwierigkeit, komplex strukturierte Datenobjekte zu modellieren, die umständliche Darstellung unabhängig voneinander ausführbarer Arbeitsschritte (Nebenläufigkeit) und die Problematik undefinierter Werte.
Wie kann die Entity-Relationship-Technik (E-R-Technik) zur Heilung der Defekte von Petrinetzen beitragen?
Die E-R-Technik wird als zusätzliche Modellierungstechnik zur Modellierung von Datenstrukturen eingeführt. Sie ermöglicht die Darstellung komplexer Datenobjekte, was die Beschränkungen von Petrinetzen in diesem Bereich überwindet. Durch die Kombination der E-R- und Petrinetz-Techniken sollen sowohl Prozess- als auch Datenstrukturen eines BIS umfassender modelliert werden können.
Was ist der Entity-Relationship-Ansatz (E-R-Ansatz)?
Der E-R-Ansatz, eingeführt von Chen, ist ein konzeptuelles Datenmodell, das auf Entities (Dinge, die eindeutig identifiziert werden können) und Beziehungen (Relationen) zwischen diesen Entities basiert. Es dient als Grundlage für die Modellierung von Datenstrukturen.
Welches Beispiel wird zur Veranschaulichung der Modellierungstechniken verwendet?
Das Problem des "Crew-Scheduling" einer Fluggesellschaft wird zur Veranschaulichung der Modellierungstechniken verwendet. Es wird schrittweise erläutert, wie durch die kombinierte Modellierung mit E-R- und Petrinetz-Technik ein BIS repräsentiert werden kann.
Wie wird die Modellierungstechnik evaluiert?
In Kapitel 5 wird evaluiert, welchen Beitrag dieser Ansatz für die Repräsentation von BIS leistet. Dabei wird angenommen, dass aus einem positiven Beitrag zur Repräsentation von BIS ein positiver Beitrag für das Informationsmanagement folgt.
Welche Alternativen zur Modellierung von Datenstrukturen mit Petrinetzen gibt es?
Es gibt drei Hauptansätze: Abstraktion von Datenstrukturen, Verwendung eines einfachen Datenmodells und Zulassen komplexer Datenobjekte. Die ersten beiden Ansätze reduzieren das Modellierungspotenzial, während der dritte Ansatz (Zulassen komplexer Datenobjekte) darauf abzielt, die Defekte von Pr/T-Netzen zu heilen, ohne das Modellierungspotenzial zu verringern.
Warum ist das "Zulassen komplexer Datenobjekte" von besonderem Interesse?
Dieser Ansatz ist von besonderem Interesse, da er darauf abzielt, die Modellierungsdefekte von Petrinetzen zu überwinden, ohne das Modellierungspotenzial zu reduzieren. Dies erfordert die Integration komplexer Datenobjekte in Petrinetze, zusammen mit der Möglichkeit, diese zu manipulieren und Nebenläufigkeit zu behandeln.
Was bedeutet "Crew Scheduling" und wie wird es in dieser Arbeit verwendet?
Crew Scheduling ist ein Problem im operativen Management von Fluggesellschaften, bei dem es darum geht, die Kosten von Flugzeug-Crews durch Optimierung der Einsatzpläne zu minimieren. In dieser Arbeit dient es als Beispiel, um zu veranschaulichen, wie die kombinierte Modellierung mit E-R- und Petrinetz-Technik ein BIS repräsentieren kann, das die zur Lösung des Crew-Scheduling-Problems benötigten Informationen bereitstellt.
- Arbeit zitieren
- Urs Lässer (Autor:in), 2002, Repräsentation betrieblicher Informationssysteme durch Kombination von Entity-Relationship- und Petrinetztechnik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108904