Waldorfpädagogik - Darstellung und Kritik


Hausarbeit, 2004

10 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geisteswissenschaftliche Grundlagen der Waldorfpädagogik
2.1. Die anthroposophische Temperamentenlehre
2.2. Die Jahrsiebte und die Viergliedrigkeit des Menschen

3. Konzept der Waldorfschule
3.1. Organisation der Schule
3.2. Die Schullaufbahn der Waldorfschule
3.3. Besonderheiten der Waldorfschule
3.3.1. Epochenunterricht
3.3.2. Eurythmie
3.3.3. Kunst
3.3.4. Fremdsprachenunterricht
3.4. Die Rolle des Klassenlehrers

4. Vor - und Nachteile der Waldorfpädagogik

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Emil Molt, Direktor der Waldorf Astoria-Zigarettenfabrik, gründete im September 1919 in Stuttgart die erste Waldorfschule, um den Kindern seiner Arbeiter eine bessere Lebenschance zu bieten.

Er beauftragte Rudolf Steiner (*25.02.1861, t30.03.1925) die Schule zu leiten und eine neue pädagogische Grundlage zu schaffen. Daraus entstand die Waldorfpädagogik.

Zunächst übernahm die Fabrik die Kosten der Schule, doch 1920/21 kam es zur Trennung und die Eltern mussten die anfallenden Kosten selber übernehmen.

Heute ist die Waldorfschule in der BRD mit ca. 170 Schulen vertreten, international sind es ungefähr 600 Schulen.

Immernoch ist die Pädagogik der Waldorfschule ein Geheimnis für viele, da sie sich so sehr von der Pädagogik der staatlichen Schule unterscheidet. Da viele Leute ihre Grundlagen nicht kennen, kommt es für sie gar nicht in Frage ihre Kinder auf diese Schule zu schicken. Doch warum beschäftigen sich so wenige mit ihr?

In meiner Hausarbeit versuche ich die Inhalte der Waldorfschule sachlich zu beschreiben, sie soll als Information über die Schule genutzt werden können.

Ich werde auf die Besonderheiten der Schule eingehen, beispielsweise versuche ich den Eurythmieunterricht zu erläutern und somit zu veranschaulichen.

Jedoch werde ich auch die Nachteile der Schule darstellen und werde ihre Kritikpunkte aufzeigen.

Abschließend werde ich noch meine eigene Meinung zu dem Thema äußern.

Die Waldorfpädagogik ist und bleibt umstritten, ich werde auf den folgenden Seiten nur versuchen , sie einigen Menschen näher zu bringen und verständlicher zu machen.

2. Geisteswissenschaftliche Grundlagen der Waldorfpädagogik

Laut Steiner besteht zwischen dem irdischen und dem vorgeburtlichen Leben ein großer Zusammenhang: Das Kind hat sich bereits im geistigen Zustand seine Eltern ausgesucht, bei denen es wiedergeboren wird. Es hatte bereits vor der Geburt eine Seele, welche über sein weiteres Leben entscheidet.

Dieser Glauben beruht auf Imagination, Inspiration und Intuition.

Rudolf Steiner formuliert hierzu zwei Vorraussetzungen seiner anthroposophischen Lehre:

„1. Hinter der sichtbaren gibt es eine unsichtbare Welt, die zunächst den Sinnen verborgen ist.
2. In jedem Menschen ruhen Fähigkeiten, durch deren bewußte, willentliche Entwicklung er in diese verborgene Welt einzudringen vermag.“[1]

Durch Training der geistigen Fähigkeiten lässt sich ein Organ entwickeln, welches diese Kräfte des Übersinnlichen erfassen kann. Mit diesem Training beschäftigen sich Anthroposophen ihr Leben lang, es ist ihr Ziel eins mit dem Übersinnlichen zu werden.

2.1. Die anthroposophische Temperamentenlehre

Bei ihrer Einschulung werden die zukünftigen Waldorfschüler durch den Klassenlehrer und einen anthroposophischen Schularzt auf ihre Temperamente hin untersucht. Die Ergebnisse hieraus werden später bei der Klassenbildung und der Sitzordnung berücksichtigt und ausschlaggebend sein.

Es gibt vier Temperamente, deren Einteilung wahrscheinlich auf Hippokrates zurückgeht. Dieser hat den Säftehaushalt im menschlichen Körper als Ursache von Krankheit und Gesundheit erklärt.

Die vier Temperamentennamen lauten cholerisch (von Galle, griech. Chole), sanguinisch (von Blut, griech. Sanguis), phlegmatisch (von Schleim, griech. Phlegma) und melancholisch (von schwarzer Galle, griech. Melaina Chole).

Das Temperament nimmt laut Rudolf Steiner eine Vermittlerrolle zwischen dem Vererbten und dem Individuellen ein. Es zeigt sich sowohl physisch als auch psychisch in verschiedenen Merkmalen:

- Melancholiker: hager und knochig, tiefsinnig, grübelnd
- Phlegmatiker: wohlgenährt und rund, schwach, ruhig, faul
- Sanguiniker: zartgliedrig, leicht ablenkbar und oberflächlich
- Choleriker: muskolös, breitschultrig, kurzer Hals, stark, leicht erregbar und jähzornig

Ein Mensch mit einem z. B. cholerischen Temperament neigt zu heftigen Reaktionen und unkontrollierten Wutausbrüchen. Deswegen benötigt ein solches Kind einen entschlossenen und gefestigten Erzieher, der auch nicht nachgibt, wenn das Kind einmal schmollt. Er muss auf eine Beruhigung des Kindes warten, darf es nicht mit autoritären Mitteln unter Druck setzen. Das Kind will aus seinem Inneren heraus, es braucht feste Maßstäbe, nur dann kann es zu einer eigenen Persönlichkeit werden.

Die Temperamente spielen auch bei der Verteilung der Sitzplätze eine große Rolle: Phlegmatiker und Choleriker sitzen außen, Melancholiker und Sanguiniker innen. So sollen die Schüler aus den Handlungsweisen der anderen lernen. Keinesfalls dürfen sie sich gegenseitig stören oder ablenken. Eine Gruppe, welche nur aus Phlegmatikern besteht, kann sich sehr schnell langweilen, deshalb ist es wichtig, die Temperamente untereinander zu mischen.

2.2. Die Jahrsiebte und die Viergliedrigkeit des Menschen

Rudolf Steiner begründete die anthroposophische Erziehungslehre, die auf der Basis der anthroposophischen Menschenkunde aufgebaut wurde.

In der Theorie von Steiner gibt es zwei physiologische Erscheinungen, welche die Hauptwendepunkte in der Entwicklung bilden: der Zahnwechsel und die Geschlechtsreife. Er geht von einer Viergliedrigkeit des Menschen aus, d.h. alle sieben Jahre wird ein neuer Leib im Kind geboren.

Viergliedrigkeit benennt er es deshalb, weil der Zusammenhang zu den vier Elementarzuständen (fest, flüssig, gasförmig, wärmehaft) und den vier Naturreichen (Tier, Mensch, Pflanze, Mineralien)gebildet werden muss.

Das erste Jahrsiebt, das sich bis zum Alter von sieben Jahren streckt, beginnt mit der Geburt des Kindes. Dies ist der Anfang des physischen Lebens auf der Welt. Das Kind lernt in dieser Phase durch Nachahmung, weshalb der Erzieher darauf achten muss, dass in der Gegenwart des Kindes nur das geschieht, was von ihm nachgeahmt werden darf. Zudem sollte der Erzieher besonders in dieser Phase darauf achten, ein Vorbild für das Kind darstellen.

In der zweiten Geburt wird der Ätherleib gebildet, welcher die Phase zwischen sieben und vierzehn Jahren bestimmt. Äußerlich steht hier die Beendigung des Zahnwechsels im Vordergrund.

In dem Abschnitt soll eine, vom Kind selbst gesuchte Autorität unmittelbare Anschauung liefern, an der der junge Mensch Gewissen, Gewohnheiten und Neigungen durch Nachfolge herausbilden kann. In dieser Phase ist das Gedächtnis des Kindes mit dem „Bildekräfteleib“[2] verbunden, was bedeutet, dass das Kind lernt Vorstellungen zu bilden, welche sich in ihm tief einprägen. Beispielsweise nimmt das Kind in der Phase Schriftzeichen als Form wahr, kennt jedoch ihre Bedeutung nicht.

Im dritten Jahrsiebt, von vierzehn bis einundzwanzig Jahre, wird der Astral-oder Empfindungsleib geboren. Dieser Körper beinhaltet Schmerz, Lust und Trieb. Die vorangegangene innere Harmonie wird nun zerstört, damit der Jugendliche sich als Individualist sehen kann. Nur so kann er zu einer selbst geschaffenen Harmonie gelangen und ein persönliches Innenleben bilden. Der Mensch ist nun reif genug sich ein eigenes Urteil zu bilden und selbstständiger zu werden. Dabei soll er vom Lehrer unterstützt werden.

Im letzten Jahrsiebt wird der Ich-Körper freigesetzt. Erst jetzt ist der Mensch geistig selbstständig und mündig. Er ist nun fähig wissenschaftlichem Unterricht zu folgen.

3. Konzept der Waldorfschule

3.1. Organisation der Schulen

Die Waldorfschule ist eine Privatschule, welche sich von den Spenden der Eltern finanziert, was jedoch nicht als Schulgeld angesehen wird.

Sie hat als einzige Privatschule einen eigenen, spezifischen Waldorflehrplan.

Auch die Feriengestaltung kann die Waldorfschule individuell vornehmen. Sie besitzen die selbe Anzahl an Ferientagen wie die staatlichen Schulen, können sie jedoch selber verteilen.

Im System der Waldorfschule sind die Grundschule und die weiterführende Oberschule zusammengefasst. So ergibt die Schule eine Gesamtschule, deren Schulzeit 12 Jahre beträgt.

Es gibt keinen Direktor in der Schule. Die Lehrer unterscheiden sich nur in ihrer Initiative und dem Arbeitseinsatz. Es gilt das Prinzip der Selbstverwaltung.

3.2. Die Schullaufbahn der Waldorfschule

Die Kinder bleiben von der Einschulung bis zu ihrem Abschluss in einer Klasse. Dabei kann kein Kind sitzenbleiben, da es dann nicht mehr am Unterricht teilnehmen könnte, der seiner psychosozialen Reife entspricht.

Der Lehrplan der Schule orientiert sich an den verschiedenen Entwicklungsstufen.

So bekommen die Schüler der 1. Klasse überwiegend Märchen vorgelesen, in der 2. Klasse dann Fabeln. Im 3. Schuljahr kommen die biblischen Geschichten an die Reihe, danach folgen nordische Mythologie, griechische Mythologie, römische Geschichte, Rittertum, Reformation und als letztes die Erzählungen von Faust.

Waldorfschüler bekommen keine Zensuren, sie erhalten bis zur 12. Klasse ausschließlich Beurteilungen. Diese werden unter Berücksichtigung der jeweiligen Temperamente und der geistigen und körperlichen Entwicklung geschrieben.

Ein Schüler, der nach erfolgreichem Abschluss der 12. Klasse sein Abitur machen möchte, muss dieses schulextern schreiben. Der Lehrer schickt hierzu Themen für die „Nicht-Schüler Prüfung“ ein, wofür keine Vorzensuren gezeigt werden müssen.

Diese „Nicht-Schüler Prüfung“ unterscheidet sich deutlich von der normalen Abiturprüfung: anstelle von vier Prüfungsteilen muss der Waldorfschüler acht Prüfungen ablegen, vier schriftliche und vier mündliche. Er wird also in jedem seiner Fächer geprüft, aus deren Ergebnissen sich seine Abiturnote zusammensetzt.

3.3. Besonderheiten der Waldorfschule

3.3.1. Epochenunterricht

In der Waldorfschule gibt es drei verschiedene Unterrichtsformen: den Hauptunterricht, den Übungsunterricht und das Handwerk.

Der Hauptunterricht wird epochenweise gelehrt, d.h. ein Fach wird vier Wochen lang jeden Morgen in den ersten zwei Stunden unterrichtet. So wird mit allen Fächern vorgegangen, die keine kontinuierliche Übung brauchen. Dazu zählen Deutsch, Mathematik, Geschichte, Sachkunde, Erdkunde, Menschenkunde, Tierkunde, Pflanzenkunde, Physik, Chemie und Geometrie. Der Inhalt eines Halbjahres soll so im Zusammenhang unterrichtet werden, wobei die Schüler sich völlig auf ein Thema konzentrieren können und nicht nach 45 Minuten in ein anderes Fach wechseln müssen.

Hierbei werden keine Schulbücher benutzt, die Schüler sollen ausschließlich aus ihren eigenen Aufzeichnungen lernen. Sie legen Epochenhefte an, in die sie Tafelbilder übertragen und ihre eigenen Gedanken zum Thema festhalten. So können z. B. auch Bilder in die Hefte gezeichnet werden.

Nach Abschluss einer Epoche beginnen die Schüler mit einem neuen Heft.

Die Waldorfpädagogik geht davon aus, dass die Kinder einen besseren Bezug zu den Lerninhalten bilden können, wenn sie aus ihren eigenen Aufzeichnungen lernen.

Der Übungsunterricht findet unregelmäßig statt, ca. 2-3 Mal in der Woche. So werden Fächer wie Kunst, Religion und Sprachen unterrichtet.

Als letztes gibt es noch den Handwerksunterricht, welcher 2 Mal pro Woche stattfindet.

3.3.2. Eurythmie

Eine weitere Besonderheit der Waldorfschule ist der Eurythmieunterricht. Das Fach beinhaltet die Äußerung von Sprache, Kunst und Musik durch die Bewegung des Körpers. Eurythmie ist ein Pflichtfach, welches die gesamte Schullaufbahn unterrichtet wird.

Das Fach wurde 1912 von Steiner zunächst als Bühnenkunst erschaffen, heute unterscheidet man zwischen pädagogischer und Kunsteurythmie.

Die pädagogische Eurythmie will die Fähigkeiten des Ausdrucks und der Bewegen im Kind wecken und verstärken. Sie schult den menschlichen Körper und ist sowohl für den Ausdruck als auch den Eindruck.

Die Kinder werden zunächst an das Fach als Bewegungsspiel herangebracht, so sollen sie sich z.B. strecken wie ein Baum oder einen Stein darstellen. Erst später werden sie versuchen choreographische Formen in die Stücke zu bringen. Hierzu ist eine Menge Rücksicht und Aufmerksamkeit erforderlich, da jeder Schüler seine eigene Art der Bewegung hat, dies in einer Gruppe darzustellen erfordert Übung und Geduld.

3.3.3. Kunst

Dem künstlerischen Unterricht wird in der Waldorfschule sehr viel Bedeutung zugesprochen. Jedes Thema wird nicht nur im Unterricht besprochen, sondern auch auf künstlerische Weise behandelt. Musik, Kunst und auch Theater spielen stehen oft im Mittelpunkt der Handlung.

Die Kinder sollen so eine Ebene finden, in der sie sich ausdrücken können, sie sollen ihre Seelen öffnen und nach außen bringen.

Das der Bereich dieser Kreativität eine große Rolle spielt sieht man auch daran, dass es eine Monatsfeier gibt, die „..das Herz der ganzen Waldorfpädagogik..“[3] bildet.

Bei dieser Feier am Ende jedes Monats zeigt jede Klasse sowohl den Eltern als auch den restlichen Schülern, was sie in diesem Monat gelernt haben. Dies kann in Form eines Liedes, eines Schauspiels oder sonstigem ausgedrückt werden.

3.3.4. Fremdsprachenunterricht

Der Fremdsprachenunterricht beginnt bereits in der 1. Klasse. Die Schüler beginnen mit zwei Fremdsprachen, entweder mit Englisch und Französisch oder mit Englisch und Russisch.

Die Kinder sollen sich noch nicht auf die einzelnen Vokabeln konzentrieren, vielmehr sollen sie den Klang der Sprache aufnehmen. Das Sprechen der Sprachen wird häufig durch rythmische Bewegungen verstärkt, so sollen die Kinder lernen die Sprache zu kontrollieren.

Die Einführung in die Grammatik und die Vokabeln folgt erst in den späteren Schuljahren.

3.4. Die Rolle des Klassenlehrers

Der Klassenlehrer unterrichtet seine Klasse die ersten acht Schuljahre, wobei er jeden Schüler bereits schon vorher kennengelernt hat. Er ist dabei, wenn der Schularzt sie auf ihre Temperamente untersucht und hat dabei Mitspracherecht. Außerdem führt der Lehrer Gespräche mit den Eltern, die ihre Kinder bei der Schule anmelden wollen und ist es letztendlich, der seine Klasse zusammenstellt.

Seine Klasse unterrichtet er im Epochenunterricht und soweit es seine Zeit zulässt noch in so vielen anderen Fächern wie möglich. Erst nach diesen acht Jahren erhalten die Schüler häufiger wechselnde Lehrer.

Es ist seine Funktion sich auch über den Unterricht hinaus um sein Schüler zu kümmern, er hilft ihnen bei privaten Problemen und besucht sie regelmäßig zu Hause. Dabei versucht er so eng wie möglich mit den Eltern zusammen zu arbeiten und sie zu unterstützen.

Dieser häufige Kontakt zwischen Klassenlehrer und Schüler soll laut Steiner dazu dienen, die Veränderungen des Kindes genauestens verfolgen zu können.

Auch für den Unterricht ist die lange Zusammenarbeit förderlich, da er ihn aufeinander aufbauen kann und immer wieder Verknüpfungen zu bereits behandelten Themen suchen kann.

Häufig hat es den Anschein, der Lehrer sei kein Aussenstehender sondern Teil der Klassengemeinschaft, der mit ihnen Probleme bewältigt und Gespräche führt.

4. Vor – und Nachteile der Waldorfpädagogik

Wie auch jedes andere Schulsystem hat die Waldorfschule sowohl Stärken als auch Schwächen, jedoch ist sie die wohl umstrittenste Schule von allen.

Eine der Stärken ist es jedoch, das es keinen Leistungsdruck gibt, da die Benotung an der Schule wegfällt. Damit werden auch die Probleme der Schulangst minimiert. Die Schüler können morgens befreit zur Schule gehen. Wie oft jedoch haben Schüler von staatlichen Schulen das beklemmende Gefühl in sich, welches von nicht gemachten Hausaufgaben oder dem Zweifel, ob man genug gelernt hat hervorgeht. Das Wegfallen der Benotung wirkt sich auch positiv auf das Miteinander der Schüler aus, sie werden nicht von anderen gehänselt oder als dumm betitelt. Durch die persönliche Beurteilung bekommen die Schüler Beachtung, sie fühlen sich als Individuum und stehen so nicht im Konkurrenzkampf zu ihren Mitschülern.

An der Waldorfschule gibt es keine Selektion, die Schüler bleiben von der ersten Klasse bis zu ihrem Abschluss zudsammen. Hierbei geht der Lehrer auf die individuellen Veranlagungen der Schüler ein und achtet darauf, dass diese gefördert werden.

Die hervorgehobene Rolle des Klassenlehrers ist auf der einen Seite durchaus positiv, da mit der Zeit eine Freundschaft entsteht, in der der Lehrer seine Schüler intensiver als andere Lehrer kennenlernen kann.

Auf der anderen Seite jedoch kann eine Antipathie zwischen Schüler und Lehrer schnell einen Schulwechsel zur Folge haben, da man es dem Kind nicht zumuten will, acht Jahre mit dem verhassten Lehrer zu verbringen. Auch die Intuitionspädagogik des Lehrers ist fraglich, er mischt sich damit nur allzu oft in die Erziehung der Eltern ein.

Eines der umstrittensten Fächer überhaupt bildet das Fach Eurythmie. Wenn Schüler entdecken, dass es dieses Fach auf keiner anderen Schule gibt werden sie (wie auch ihre Eltern) fragen, wozu es denn überhaupt gut sei, wenn es sonst keiner lernt. Diese Frage lässt sich nicht beantworten, jedoch zeigt der Unterricht , was für eine Freude Kinder daran haben sich zu präsentieren, sich zu bewegen. Es schadet keinem Kind, es gibt ihnen jedoch mehr Körperbewußtsein und Selbstvertrauen. Eurythmie kann auch als Ausgleich vom Schultag gesehen werden, die Kinder müssen zwar auch mitdenken, jedoch geschieht dies auf spielerische Art und Weise.

Der Bezug zur Kunst ist durchaus ein Vorteil der Schule, die Kinder können sich so selbstständig mit Themen auseinandersetzten und sie kreativ ausleben. Auch hier können Kinder immer wieder kurze Zeit entspannen, ihre Gefühle zu Papier bringen.

Auch die Theorie des Epochenunterrichts ist gut, da es keine Unterbrechungen in der Vermittlung des Lernstoffes gibt. In der Praxis jedoch passiert es nur zu oft, dass ein Kind über einen längeren Zeitraum erkrankt, eine ganze Epoche nachzuholen ist nur schwer möglich für das Kind. Es fehlt ihm auch der Druck, das Thema für eine anstehende benotete Prüfung aufzuholen, da es auch ohne den Stoff zu kennen weiterkommt.

Der Unterricht der Waldorfschule ist lehrerzentriert, da jedoch jedes Kind eine andere Lerngeschwindigkeit hat, können langsamere Kinder leicht den Anschluss verpassen.

Auch auf die wichtigen Unterrichtsformen wie Gruppenarbeit, Schulbücher oder Unterstützung und Benutzung elektronischer Geräte wird gänzlich verzichtet. Die zentralen Richtlinien der Waldorfschule gehen immernoch auf Rudolf Steiner zurück, der diese Methoden nicht in seinen Lehrplan aufgenommen hat. Für Außenstehende wirkt dies veraltet, da der Lehrplan nicht an die neue Zeit angepasst worden ist und anti-aufklärerisch wirkt.

Auch die Eltern werden in vielen Dingen übergangen, trotz ihrem hohen Engagement. Die Elterschaft sind diejenigen, die die Schule finanzieren, trotzdem werden sie von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen.

Allgemein schottet sich die Waldorfschule stark von der Außenwelt ab, was ihr schnell den Ruf einer Sekte eingehandelt hat. Sie bemühen sich kaum Informationen über sich zu verbreiten, Dinge richtig zu stellen oder Interessierten einen Einblick in ihren Alltag zu gewähren..

Werden sie auch oft als Weltanschauungsgemeinschaft bezeichnet, sie streiten dies heftig ab, da es keine anthroposophische Indoktrination und Unterricht in Anthroposophie gäbe. Dies ist ein weiterer Schwachpunkt: die Anthroposophen verbergen ihre Hintergründe in dem sie das Fach nicht lehren, welches kaum einer versteht. Dies stellt ein großes Informationsdefizit dar. Die Waldorfpädagogik bleibt unbegründet für Außenstehende.

In der Pädagogik zeichnet sich ein „Antiintellektualismus“ ab, da laut Steiner erst ab dem 14. Lebensjahr Anfänge des eigenständigen Denkens und der Autonomie vorhanden seien. Die Pädagogik widersetzt sich dem Selbstständigkeitsstreben der Jugendlichen.

In dem Zusammenhang ist auffällig, dass es in der Waldorfschule keinen Unterricht in Pädagogik gibt, den Schülern werden keine Ansichten anderer Pädagogen vorgestellt. So erhält der Mensch laut Piaget abstraktes Denken mit 14 Jahren, bei Steiner erreicht er es erst im Alter von 21 Jahren, wenn er seinen Schulabschluss gemacht hat.

Auch die Temperamentenlehre wirkt in der heutigen Zeit überholt, da man das Wesen eines Menschen nicht allein durch sein Temperament definieren kann; auch hier bleiben die Aussagen von Piaget außen vor.

5. Schluss

Das Thema der Waldorfschule hat mich als Außenstehende nie wirklich interessiert. Ich habe mich auch kaum mit ihr beschäftigt, bis zu dem Zeitpunkt an dem ich in der Schule Pädagogikunterricht hatte und alle Schulformen besprochen wurden.

Die Pädagogik der Waldorfschule ist für mich etwas unfassbares, ich denke man kann sie nur verstehen, wenn mant ihre Hintergründen versteht. Dies jedoch wird einem nicht einfach gemacht, viele Informationen werden zurückgehalten.

Im Rahmen meines Pädagogik-LKs habe ich einmal eine Waldorfschule besucht und mich dort mit einer Lehrerin unterhalten. Schnell hat man gemerkt, dass ihr Wissen über die Anthroposophie auch nicht grösser war als meins, oder sie uns nicht daran teilhaben lassen wollte. Auch ihr Umgang mit den Schülern hat mich nachdenklich gemacht: es gäbe keine Vorschriften für ihre Schüler, sie kann sich als Autorität nicht über sie stellen. Während dem Gespräch zwischen ihr und meinem LK mussten wir mehrmals den Raum wechseln, da neugierige Schüler um uns herum soviel Lärm machten, dass wir die Lehrerin kaum verstanden haben. Jedoch hat sie nie gesagt, dass sie etwas ruhiger sein sollten.

Auch die Räume haben mich verwirrt, teilweise sogar etwas amüsiert: es gibt keine Ecken in einer Waldorfschule, alles ist abgerundet. Dies soll zeigen, dass sich alles im Gleichgewicht hält, alle Energien werden im Raum behalten und können nicht an die Ecken hinaus aus dem Raum fliehen, so die Lehrerin.

Das war das letzte Mal als ich mich mit dieser Schule beschäftigt hatte.

Als ich nun mein Thema zugeteilt bekommen habe „Waldorfpädagogik: Darstellung und Kritik“ musste ich an diesen Besuch denken.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich es schaffen würde, die Pädagogik der Waldorfschule subjektiv zu beschreiben, da ich so viele Eindrücke von dieser Schule habe, die mich immernoch verwirren.

Meine Beurteilung der Waldorfpädagogik würde nicht sehr positiv ausfallen, ich kann mich nicht mit ihr identifizieren und selbst wenn ich wollte, würden mit etliche Steine in den Weg gelegt werden.

Bei der Beschaffung meiner Materialien habe ich dieses bereits gemerkt: die meisten Bücher sind „schwammig“ geschrieben, wirkliche Informationen kann man ihnen nicht entnehmen.

Mich hat mein Besuch in der Schule damals sehr geprägt was dieses Thema angeht, es hat mir gezeigt, dass eine konfuse und verwirrende Pädagogik auch in ihrer Umsetzung teilweise verwirrend ist.

6. Literaturverzeichnis:

Abendroth, Walter: Rudolf Steiner und die heutige Welt. Ein Beitrag zur Diskussion um die menschliche Zukunft. München: List, 1969.

Barz, Heiner: Der Waldorfkindergarten. Geistesgeschichtliche Ursprünge und entwicklungspsychologische Begründung seiner Praxis. 2. erweiterte Aufl. Weinheim; Basel: Beltz, 1990.

Carlgen, Frans: Erziehung zur Freiheit. Die Pädagogik Rudolf Steiners. Berichte aus der internationalen Waldorfschulbewegung. Herausg. Johannes M. Mayer und Wolfgang Niehaus. Bearbeitete Ausgabe. Stuttgart: Fischer, 1981.

Lindenberg, Christoph: Waldorfschulen: angstfrei lernen, selbstbewußt handeln. Praxis eines verkannten Schulmodells. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1975.

Eigene Unterlagen.

[...]


[1] Barz, Heiner: Der Waldorfkindergarten. Geistesgeschichtliche Ursprünge und entwicklungspsychologische Begründung seiner Praxis. 2. erweiterte Auflage. Weinheim; Basel: 1990. S. 14

[2] Eigene Unterlagen.

[3] Lindenberg, Christoph: waldorfschulen: angstfrei lernen, selbstbewußt handeln. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1975. S. 119.

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Waldorfpädagogik - Darstellung und Kritik
Hochschule
Technische Universität Berlin
Autor
Jahr
2004
Seiten
10
Katalognummer
V108968
ISBN (eBook)
9783640071579
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waldorfpädagogik, Darstellung, Kritik
Arbeit zitieren
Arabelle Weigel (Autor:in), 2004, Waldorfpädagogik - Darstellung und Kritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108968

Kommentare

  • Gast am 2.12.2006

    Zu oberflächlich und subjektiv.

    Das ist immer die Gefahr dabei, wenn sich Menschen zu dem Thema äußern, obwohl sie sich nicht intensiv genug damit beschäftigt haben: oberflächlich, subjektiv ( auch wenn der Autor es als solches vorher ankündigt) nicht aktuell und aus dem Zusammenhang gerissen!

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Titel: Waldorfpädagogik - Darstellung und Kritik



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