Motivlagen und Sozialstrukturanalyse der NutzerInnen von Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet und ein Exkurs zur Entstehung von Solidarität


Magisterarbeit, 2004

108 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EinleitungSeite

2 Wissensstand zu Internetmitfahrgelegenheiten und den Untersuchungsfragen
2.1. Definition und Beschreibung von Internetmitfahrgelegenheiten
2.2. Zum sozialwissenschaftlichen Kenntnisstand über Mitfahrgelegenheiten
2.3. Mitfahrzentralen von früher bis heute
2.4. Kenntnisstand zu den Internetmitfahrzentralen
2.5. Informationen zu den MitfahrerInnen
2.6. Bekannte Motivlagen der MitfahrerInnen
2.7. Das Trampen als Ursprung der Mitfahrideologie

3 Theorieteil I. : Sozialstruktur und Motivlagen in der „Erlebnisgesellschaft“
3.1. Die Erlebnisgesellschaft als aktuellste Diagnose der (west-)deutschen Gesellschaft
3.2. Die Semantik des Erlebens
3.3. Alltagsästhetische Schemata
3.4. Die fundamentale Semantik
3.5. Die Einteilung in Milieus
3.6. Das Selbstverwirklichungsmilieu
3.7. Das Unterhaltungsmilieu
3.8. Abgeleitete Hypothesen

4 Theorieteil II. : Motive als Determinanten rationalen Wahlverhaltens
4.1. Rational Choice : Skizzierung eines Theorieansatzes
4.2. Siegwart Lindenbergs Diskriminationsmodell der stochastischen Wahl
4.3. Abgeleitete Hypothesen
4.4. Der Einfluss des Umweltbewusstseins auf die Handlungswahl

5 Die Erhebung der Daten der MitfahrerInnen
5. Das Untersuchungsdesign
5.1. Zur Operationalisierung der Hypothesen
5.2. Erläuterung der Fragen im Fragebogen

6 Darstellung und statistische Analyse der Erhebungsdaten
6.1. Fahrtdaten und allgemeine soziodemographische Merkmale der MitfahrerInnen
6.2. Mitfahren versus Trampen
6.3. Die Gründe für die Nutzung
6.4. Alternativen zu einer Internetmitfahrgelegenheit
6.5. Ziele/Motive des Mitfahrens und die Nutzendifferenz der Alternativen
6.6. Der Umweltaspekt
6.7. Zufriedenheit und schlechte Erfahrungen
6.8. Zuordnung der MitfahrerInnen zu den Erlebnismilieus nach Schulze
6.9. Vergleich der MitfahrerInnen mit der allgemeinen Bevölkerung

7 Ergebnisinterpretation und Prüfung der Hypothesen
7.1. Empirische Überprüfung des Diskriminationsmodells
7.2. Die Motive der MitfahrerInnen: Zeit und Geld einsparen
7.3. Interpretation der Milieustruktur und Alltagsästhetik der MitfahrerInnen
7.4. Umwelteinstellungen
7.5. Internetmitfahrgelegenheiten und soziale Ungleichheit

8 Exkurs: Internetmitfahrgelegenheiten und Solidarität

9 Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

A1 Allgemeine Informationen zu Mitfahrzentrale.de...Seite

A2 Beispiel Seitenansicht Suchergebnisse für ausgewählte Fahrtstrecke

A3 Beispiel Detailansicht Fahrtangebot

A4 Beispiel Detailansicht Fahrtgesuch

A5 Briefanschreiben FahrerInnen

A6 Nachbefragung FahrerInnen

A7 Fragebogen

A8 Beispiel Gästebucheinträge „Schwarze Liste“ zu schlechten Erfahrungen

A9 Nachgefragt bei einem „Vielmitfahrer“

Der Sprachgebrauch orientiert sich an Marlies Hellinger und Christine Bierbach (1993): Eine Sprache für beide Geschlechter. Richtlinien für einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch. Bonn. www.unesco.de/pdf/ eine_sprache.pdf 1.5.2004

1. Einleitung

„Ein Verlust ist anzuzeigen. Die zeitgenössische Literatur hat einen Topos verloren, die Erziehungsberechtigten eine nächtliche Sorge und das europäische Straßenbild einen Verkehrsteilnehmer. Es gibt keine Tramper mehr. (…) Das hat viel damit zu tun, dass jene Generation, die gemeinhin das Gros der Anhalter stellt, keine Lust mehr auf Leichtsinn hat und Angst vor Kontrollverlust- deshalb gibt es nur noch die kommerzialisierte und domestizierte Variante, die Mitfahrzentrale.“ (Florian Illies: FAZ, 3.8.2000)

Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes dieser pointierten Feststellung von Florian Illies bietet sein „Nachruf“ einen guten Einstieg in meine Magisterarbeit, die sich der Betrachtung der NutzerInnen von im Internet arrangierten Mitfahrgelegenheiten als einer der historisch jüngsten Varianten des organisierten Mitfahrens widmet und dabei auch eine vergleichende Sicht auf das Trampen einnimmt.[1]

Dazu möchte ich zunächst die Themenwahl begründen, die sich nicht nur aus den Anknüpfpunkten für zwei soziologische Theorieparadigmen (Lebensstil und Rational Choice) und der Möglichkeit ihrer weiteren Erprobung ergibt, sondern vor allem aus einem vermuteten praktischen Nutzen: So könnten Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet das in verkehrsinfrastruktureller und ökologischer Hinsicht problematische hohe PKW-Verkehrsaufkommen reduzieren, wenn sie für höhere Besetzungsgrade in Anbetracht einer in Deutschland nachwievor wachsenden Unterbesetzung von Fahrzeugen des Individualverkehrs (indiziert an der weiteren Zunahme des PKW-Bestandes[2] ) sorgen würden. Ein zweiter, positiver Effekt von Internetmitfahrgelegenheiten könnte in der Gewährleistung oder gar Erhöhung der Mobilität von Personen liegen, die anderenfalls häufiger zu Hause bleiben müssten, weil eine Fahrt sonst nicht für sie bezahlbar wäre. Mitfahrgelegenheiten würden demnach sozialer Ungleichheit entgegenwirken betrachtet man räumliche Mobilität als Erfordernis um an modernen funktional differenzierten (und dadurch multizentrischen und räumlich weitläufigen) Gesellschaften teilzunehmen.

Familie, PartnerInnen, FreundInnen, Ausbildungs- und Arbeitsorte finden sich immer seltener an einem Ort und dies oft schon in einem jungen Alter, wenn das Budget zu begrenzt ist, um sich regelmäßig die teils mehr als 300 % teureren Preise der Deutschen Bahn leisten zu können.[3] Drittens schließlich könnten Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet als eine Art bürgerliche Selbsthilfe zur Gewährleistung ebendieser Mobilität angesehen werden wenn staatlich subventionierte öffentliche Verkehrsunternehmen wie die Deutsche Bahn AG nicht mehr zufrieden stellen. Anders nämlich als bei den traditionellen Städtemitfahrzentralen werden über die Mitfahrseiten im Internet die Mitfahrgelegenheiten von FahrerInnen und MitfahrerInnen in direkter gegenseitiger Absprache selbstständig organisiert was die Bildung von Vertrauen und Solidarität nach sich ziehen und darüber hinaus das Verkehrsgeschehen besänftigen könnte, das in Deutschland momentan von RaserInnen, DränglerInnen und panzerartigen, vom US-amerikanischen Automarkt kopierten S.U.V (Suburban Utility Vehicle) z.B. des Fabrikats ,,Volkswagen“ (Touareg) unsicher gemacht wird.[4]

Neben diesem meines Erachtens überprüfenswerten Potential[5] spricht auch noch ein quantitativer Grund für eine Beschäftigung mit Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet- so liegen im Fall einer der europaweit größten Mitfahrzentralen im Internet www.mitfahrzentrale.de Nutzungszahlen vor, die deren kontinuierliche Zunahme an NutzerInnen seit ihrer Gründung 1998 dokumentieren und für deren gestiegene Bedeutung als Mobilitätsform in Deutschland sprechen.[6]

Schließlich könnte auch das Nichtvorliegen einer empirischen Studie zu dem Thema Internetmitfahrgelegenheiten (auch die Städtemitfahrzentralen blieben bislang unerforscht) als Grund angeführt werden, wobei dies angesichts der nachwievor zahlreichen unerforschten sozialen Phänomene stark von den jeweiligen Relevanzkriterien abhängt.

Nach diesen einleitenden Überlegungen zur thematischen Relevanz soll nun die eigentliche Fragestellung der Arbeit präzisiert werden: Wie schon im Titel angekündigt, sollen die MitfahrerInnen in der Sozialstruktur der aktuellen deutschen Gesellschaft verortet werden. Dazu verwende ich die kultursoziologische Theorie Gerhard Schulzes die von der Existenz sogenannter Erlebnismilieus ausgeht- diesen will ich die MitfahrerInnen zuordnen. Auch meine zweite Fragestellung nach den Motiven, die die MitfahrerInnen zum Mitfahren bewegen, wird zum Teil mit durch Schulzes Theorie abgedeckt insofern sich fragen lässt, ob angesichts der von ihm konstatierten zunehmenden Erlebnisorientierung eine solche auch die Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten motiviert. Schulzes Theorie stelle ich mit dem Diskriminationsmodell von Siegwart Lindenberg dann eine kulturalistisch erweiterte Variante der Rational Choice Theorie gegenüber- ein Vorgehen dass sich aus bisherigen Ergebnissen der soziologischen Verkehrsmittelwahlforschung ableitet die eine starke Dominanz materieller Faktoren (wie Zeit und Geld) als Bestimmungsgründe für die Verkehrsmittelwahl feststellen konnte die in besonders offensichtlichem Maße rationaler Nutzenabwägung gehorchen welche auch eine der Grundprämissen des Lindenbergschen Modell darstellt. Neben diesen beiden Hauptfragen will ich zudem eher am Rand fragen, inwiefern Internetmitfahrgelegenheiten solidarisierend wirken und zur Zufriedenheit aller Beteiligten klappen und ferner den Umweltaspekt anschneiden- beide male unter Berücksichtung von Rational Choice Subtheoremen zu ebendiesen Phänomenen.

Die empirische Überprüfung und Beantwortung der Fragen erfolgt dann auf der Grundlage einer standardisierten Befragung von 150 MitfahrerInnen die eigens zur Überprüfung der Hypothesen durchgeführt wurde. Das erste Kapitel der Arbeit bietet ferner einen Überblick mit der unentbehrlichen Definition und Beschreibung von Internetmitfahrgelegenheiten und der Darlegung der bisherigen Kenntnisse über die MitfahrerInnen und deren Motive. Schließlich erfolgt dort auch eine Betrachtung zum Trampen, den TramperInnen und ihren intrinsischen Motiven vor dem Hintergrund der Frage, ob dieselben Motive auch noch bei Internetmitfahrgelegenheiten vorherrschen und inwiefern TramperInnen und MitfahrerInnen über einen ähnlich soziokulturellen Hintergrund verfügen.

2. Wissensstand zu Internetmitfahrgelegenheiten und den Untersuchungsfragen

2.1. Definition und Beschreibung von Internetmitfahrgelegenheiten

Unter Mitfahrgelegenheiten sollen im folgenden in der Regel einmalige Mitnahmeangebote von PKW-FahrerInnen verstanden werden, die auf Fernstrecken über ein oder mehrere freie Plätze in ihrem Fahrzeug verfügen und diese entgegen einer Fahrtkostenbeteiligung einem prinzipiell unbegrenzten Kreis von MitfahrerInnen anbieten.[7] Die Vermittlerrolle zwischen anbietenden FahrerInnen und suchenden MitfahrerInnen kam dabei seit der Professionalisierung des Mitfahrwesens (Anfang der achtziger Jahre) vor allem den Büros von Mitfahrzentralen in deutschen Großstädten zu. Die Vermittlungen erfolgen hier auf Basis eines festen Kilometerpreises wobei von den MitfahrerInnen eine Vermittlungsgebühr zu entrichten ist und gewähren MitfahrerInnen wie auch FahrerInnen ferner Sicherheitsgarantien in Form von Versicherungen (Haftpflicht und Fahrtausfallsersatz) und Ausweispflicht. Heute nun finden sich zunehmend Fahrgemeinschaften im Internet durch das Schalten oder bloße Lesen von Mitfahrangeboten und -gesuchen auf speziellen Internetseiten (Mobilitätsplattformen) ohne Vermittlung Dritter zusammen. Als eigentlichem Untersuchungsgegenstand beschränkt sich die weitere Beschreibung auf diese Art von Mitfahrgelegenheiten, die ich auch als Internetmitfahrgelegenheiten bezeichne.

In Deutschland wird der virtuelle Mitfahrmarkt dabei aktuell von zwei Mobilitätsplattformen dominiert[8], den Seiten www.mitfahrzentrale.de und www.mitfahrgelegenheit.de. Während Mitfahrzentrale.de seit 1998 existiert und inzwischen Seitenableger für andere europäische Länder eröffnet hat (z.B. www.mitfahrzentrale.ch), wurde Mitfahrgelegenheit.de erst im Jahr 2000 von vier Würzburger Studenten gegründet die sich zu einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) zusammengeschlossen haben. Dagegen ist Mitfahrzentrale.de ein Projekt der Europe Alive Medien GmbH, die neben deren Betrieb auch noch Software zum Betrieb von Pendlerdatenbanken anbietet (vgl. www.pendlernetz.de).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1.1: Startseite Mitfahrgelegenheit.de Quelle: www.mitfahrgelegenheit.de 6.3.2004, 14 Uhr.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1.2.: Startseite Mitfahrzentrale.de Quelle: www.mitfahrzentrale.de 6.3.2004, 14 Uhr.

Im Vergleich erweist sich Mitfahrzentrale.de als die umsatzorientiertere Seite, da einige der Seitenangebote kostenpflichtig sind, so die Einsicht der Telefonnummern der FahrerInnen, oder spezielle Angebote wie eine „Premiummitgliedschaft“. Hingegen sind sämtliche auf Mitfahrgelegenheit.de angebotenen Leistungen unentgeltlich und die SeitenbesucherInnen werden geduzt, so dass das Ambiente (zusammen mit dem grünen Corporate Design und dem weichen Schrifttyp Arial) stärker informell wirkt und meines Empfindens einen gewissen alternativ-studentischen Touch hat. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Mitfahrseiten besteht darin, dass bei Mitfahrgelegenheit.de sämtliche von den FahrtanbieterInnen gemachte Adressangaben bei der Auflistung der Suchtreffer sofort sichtbar sind während bei Mitfahrzentrale.de nur die Möglichkeit zur Versendung einer anonym gerichteten E-Mail besteht oder aber über einen kostenpflichtigen 0190-Telefonanruf die Telefonnummer des betreffenden Anbieters erfahren werden kann. Ob dies eine Aufspaltung der MitfahrerInnen in Datenschutzmisstrauische und Datenschutzunbedenkliche bzw. generell mehr Sicherheitsbedachte oder Risikobereite bewirkt, sei dahingestellt.

Aus Platzmangel und aufgrund des ähnlichen Aufbaus der beiden Seiten beschränke ich mich im folgenden bei der Beschreibung der einzelnen Schritte des Zustandekommens einer Internetmitfahrgelegenheit auf das Seitenangebot von Mitfahrgelegenheit.de, aus deren Mitfahrangeboten auch die Stichprobe für die empirische Befragung gezogen wurde.[9]

Zunächst gilt als Grundvoraussetzung für MitfahrerInnen, dass sie 1. Zugang zum Internet haben und 2. von der Existenz solcher Seiten wissen. Der rasche Erfolg der Mitfahrangebotsseiten im Internet hat jedoch dafür gesorgt, dass diese inzwischen von zahlreichen „Linkpartnern“ aus empfohlen werden; im Fall von Mitfahrgelegenheit.de bspw. den Internetseiten des Nachrichtenmagazins SPIEGEL oder des Leipziger Stadtmagazins KREUZER (Stand 03/04) und (sehr) vereinzelt auch in Printmedien Erwähnung finden. Vor allem dürfte sich die Neuigkeit innerhalb der Gruppen der HauptnutzerInnen, die StudentInnen und auf der Seite der Fahrenden WochenendpendlerInnen zu stellen scheinen, durch deren verstärkte Binnenkommunikation an Universität oder Arbeitsplatz rasch weiterverbreitet haben.

BesucherInnen der Seite haben mehrere Möglichkeiten, eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Die einfachere, da nicht an eine Registrierung gebundene, ist dabei das Durchsehen der Datenbank auf vorhandene Fahrtangebote und –gesuche. Dazu lassen sich sämtliche Inserate sortiert nach Abfahrtort, -tag und danach, ob es sich um Angebote oder Gesuche handelt, anzeigen.[10] Die zweite, kaum aufwendigere aber mit einer (möglicherweise abschreckenden[11] ) Registrierung einhergehende Form eine Mitfahrgelegenheit zu finden, ist die Aufgabe eines eigenen Angebots oder Gesuchs. Für die dazu notwendige Registrierung müssen neue Mitglieder persönliche Daten in Form ihres Namens, ihrer Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail angeben und ob sie rauchen. Sie erhalten dann per E-Mail ihr Passwort und Login, dass sie zur Aufgabe von Inseraten auf der Seite berechtigt. Das heißt aber, dass einzig eine gültige E-Mail Adresse genügt, um selbst zu inserieren, da Postadressen keiner Überprüfung unterliegen.

Die Aufgabe eines Inserats erfolgt dann mittels einer standardisierten Suchmaske. Dabei müssen folgende Angaben gemacht werden: 1. ob es sich um ein Gesuch oder Angebot handelt 2. ob es sich um ein einmaliges oder regelmäßiges Inserat handelt 3. ob die Fahrt nur innerhalb Deutschlands oder auch dem europäischen Ausland erfolgt. Zusätzlich sind Detailangaben zu Datum und Abfahrtort und Ankunftsort nötig, wobei anbietende FahrerInnen bis zu drei Zwischenstoppstationen angeben können. FahrerInnen können darüber hinaus auch ihr Autokennzeichen angeben (freiwillig) und ob RaucherInnen zugelassen sind. Auch steht ein Feld für individuelle Bemerkungen zur Verfügung, das gerne genutzt zu werden scheint und in einigen Fällen zu relativer Textproduktion anregt (insb. Details zu Uhrzeit und Preis, dem Autotyp und Fahrstil, Verhaltenserwartungen an die andere Seite). In der Praxis dürfte eine Mitfahrgelegenheit also auch oft durch eine Kombination der Möglichkeiten Lesen und Selbstinserieren zustande kommen; jedoch scheint es eine sehr starke Tendenz dahingehend zu geben, dass FahrerInnen inserieren und MitfahrerInnen lediglich die Datenbank nach einem für sie passenden Angebot durchforsten, was sich am Verhältnis von Angeboten : Gesuchen deutlich ablesen lässt[12].

Wenn nun InteressentInnen ein passendes Angebot oder Gesuch beim Durchschauen der Datenbank finden[13], wenden sich diese entweder per E-Mail und/oder telefonisch an die inserierenden Personen. Meist bedeutet das, dass eine an einer Mitfahrt interessierte Person an den oder die FahrerIn herantritt. Ist das Inserat bei der Kontaktaufnahme noch aktuell (das Risiko des Zuspätseins besteht natürlich), werden Abfahrtort und Preis vereinbart. Obwohl auf der Serviceseite von Mitfahrgelegenheit.de hier von „vereinbaren“ und beim Preis von „aushandeln“ die Rede ist scheint es mir doch, dass es im Regelfall keine großen Verhandlungen gibt sondern die Vorgaben der FahrerInnen akzeptiert werden (vgl. ebd. Menüpunkt „Service). Ohnehin schließt die den Mitfahrgelegenheiten zugrunde liegende Formel „Mitfahrende beteiligen sich an den Umkosten“ theoretisch Spielräume hinsichtlich der Fahrtkosten aus. In der Praxis könnte es sich hier allerdings um eine der Hauptursachen für Streitigkeiten handeln, da FahrerInnen ihre Umkosten durchaus subjektiv und zu ihren Gunsten auszulegen vermögen oder MitfahrerInnen die Zahlung des geforderten Betrags verweigern könnten etc.. Auf der Serviceseite von Mitfahrgelegenheit.de findet sich daher unter der Unterrubrik „Verhaltensregeln“ auch die Empfehlung, stets den Preis vor Fahrtbeginn abzuklären da Nachverhandlungen das Fairnessgebot verletzten sowie weitere „Ratschläge“[14] zu einer effektiven und reibungslosen Organisation (Austausch von Handynummern, Erfragen des Fahrstils etc.). Diese Regeln sind aber kaum als normativer Appell formuliert und werden von vielen SeitenbesucherInnen, die gezielt die Datenbank durchsuchen, ohne sich für die Serviceseite zu interessieren, wohl gar nicht gesehen.

Als letzten Aspekt des Seitenangebots von Mitfahrgelegenheit.de soll hier noch die Möglichkeit des Eintrags in das Gästebuch der Seite erwähnt werden, die NutzerInnen sofern sie sich registriert haben offen steht. Beiträge können dabei zu folgenden von den SeitenbetreiberInnen festgelegten übergeordneten Themen gemacht werden: „Allgemeines Gästebuch“, „Diskussion Bewertungssystem“, „Fehlende Städte“ und „Schwarze Liste“ (Stand 1.5.2004). Das Gästebuch stellt damit ein Forum zum Meinungsaustausch zwischen FahrerInnen und MitfahrerInnen dar, mit der Einschränkung, dass die Themen bereits vorgegeben sind. Gemäß der Art der übergeordneten Themen sind einzelne Beiträge und Threads überwiegend negativ und kritisch und lassen sich grob in Verbesserungsvorschläge und Warnungen vor unzuverlässigen (Mit)fahrerInnen unterteilen. Dabei kann die Fülle der Beiträge nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Großzahl der Beiträge stets von den selben NutzerInnen stammt, DurchschnittsnutzerInnen von Mitfahrgelegenheit.de hingegen kein Interesse zeigen, sich an einer Diskussion zu den genannten Themen zu beteiligen.

2.2. Zum sozialwissenschaftlichen Kenntnisstand über Mitfahrgelegenheiten

Während im deutschsprachigen Raum eine breite Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen zu anderen Formen der gemeinschaftlichen Fahrzeugsnutzung vorliegt[15] (zumeist aus dominant verkehrswissenschaftlicher Sicht), ist der Forschungsstand zu Mitfahrzentralen und ihren NutzerInnen als quasi nichtexistent anzusehen und es fehlen entsprechende Nutzungsdaten.

Warum dem so ist, ist leicht ersichtlich: wenn man auf umweltökonomische Relevanz hin Themen auswählt, und dies scheinen VerkehrswissenschaftlerInnen zu tun, erscheint das unmittelbare Reduktionspotential des Verkehrsaufkommens durch Mitfahrzentralen im Vergleich zu anderen Formen des sogenannten Car-Sharing und Car-Pooling eher gering. Gäbe es die Mitfahrzentralen nicht, würden die MitfahrerInnen erwartungsgemäß nach alternativen öffentlichen Verkehrsmitteln suchen müssen, sich aber eher nicht in ihr eigenes Auto setzen da die Vermutung nahe zu liegen scheint, dass die meisten MitfahrerInnen ein solches (noch) nicht besitzen und sich auch nicht leisten könnten. Diese Sichtweise erscheint mir allerdings fahrlässig kurzsichtig und möglicherweise mit dem immer noch anarchistisch-anrüchigen Ruf von Mitfahrzentralen verbunden, der diesen wohl eher aus Unwissenheit vorausgeht. Würde man die Mitfahrzentralen strategisch betrachten, so könnte man hier durchaus ein Potential zur zukünftigen Verkehrsreduktion erkennen, indem MitfahrerInnen durch die Mitfahrgelegenheiten an die gemeinsame Autonutzung herangeführt werden und dadurch eine verstärkte Bereitschaft auch zur Nutzung anderer solcher Formen gemeinsamer Fahrzeugnutzung entwickeln im Sinn einer Desensibilisierung.

Alternativ sollen hier dennoch kurz zwei soziologische Studien aus dem Verkehrsmittelwahlbereich, die für die Arbeit gute Anknüpfpunkte bieten, erwähnt werden.

Allgemein lässt sich ein starkes Vorherrschen verhaltensorientierter Rational Choice Theorien bei der Verkehrsmittelwahlforschung konstatieren, die in jüngerer Zeit (in noch schwachem) Maße als Reaktion auf die Vernachlässigung sogenannter weicher Faktoren Anfechtungen durch eine stärker einstellungsorientierte Betrachtungsweise erfahren, die Mobilitätsverhalten im Kontext einer Sozialstrukturanalyse mittels des Lebensstilkonzepts untersucht. Uwe H. Bittlingmayer hat in seiner explizit kultursoziologischen Magisterarbeit unter Bezugnahme auf Gerhard Schulze und schwerpunktmäßig Pierre Bourdieu, und referierend auf Sekundärdaten festgestellt, dass es sich bei Car-Sharing um den aristokratischen Asketismus derjenigen herrschenden Klasse handele, die hauptsächlich über kulturelles Kapital verfügt, sowie derjenigen Fraktion des sich neuformierten Kleinbürgertums, welches ebenfalls überdurchschnittlich hohes kulturelles Kapital aufweisen kann (vgl. ebd. 2000). Die von Bittlingmayer hinter dem Car-Sharing vermutete Suffizienzstrategie stellt demnach den bewussten Konsumverzicht einiger weniger NonkonformistInnen dar. Den Rational Choice Modellen in der Verkehrssoziologie wirft Bittlingmayer vor, die Wahl „einschneidender Verkehrspraktiken“ nicht erklären zu können, ebenso wenig wie Präferenzen beim Verzichten und die Homogenität des Mitgliederprofils von Car-Sharing Organisationen (vgl. ebd. S. 148ff.). Hingegen widmen sich Peter Preisendörfer und Maren Rinn dem Studium autofreier Haushalte und kommen auf diesem Gebiet zu dem Schluss, dass es sich hier keinesfalls um ein Lebensstilmerkmal handele sondern einem Merkmal der Lebenslage (vgl. ebd. 2003).

Aufgrund des angesprochenen Literaturdefizits basiert meine folgende Beschreibung des Kenntnisstands zu Mitfahrgelegenheiten vornehmlich auf Zeitungsartikeln, die eine Recherche großer deutscher Zeitungen[16] der letzten zehn Jahre ergab. Dabei beziehen sich viele der folgenden Ausführungen auf die Städtemitfahrzentralen, da diese die historisch ältere Form darstellen und ich davon ausgehe, dass auch die Entwicklung der Internetmitfahrzentralen vor diesem Hintergrund zu sehen ist.

2.3. Mitfahrzentralen von früher bis heute

Entstanden sind die Mitfahrzentralen der BRD Anfang der fünfziger Jahre als Resultat des herrschenden PKW Mangels. Zeller nennt als Ursprungsjahr des Mitfahrwesens 1951, als Robert Fischer (Spitzname: „Mitfahrer Fischer“) in Frankfurt am Main die erste Mitfahrzentrale ins Leben rief und damit für einigen Pressewirbel sorgte (vgl. ebd., S. 243).

Die Idee zur Gründung ging von der alternativ-studentischen Szene aus was sich zunächst vor allem in Organisationsform und Ambiente niederschlug. Es ist von „verqualmten Hinterhofbüros“ und Kellerräumen die Rede, von Pinnwänden an denen Angebote und Wünsche geheftet wurden, von inoffiziellen Adressen der Mitfahrbüros die man als Geheimtipps unter der Hand weiterleitete (vgl. Ökotest 1994; Forschungsjournal NSB 1993).

Laut Rinvolucri wurden bereits allein 1960 in Deutschland 400.000 Fahrten über die Mitfahrzentralen vermittelt. Dieser Erfolg erfuhr jedoch im darauf folgenden Jahr einen Rückschlag, als Mitfahrgelegenheiten infolge einer Klage der Bundesbahn (und guter Lobbyarbeit, so vermutet Rinvolucri) als rechtswidrig erklärt wurden (vgl. ebd. Chapter 8). Dieses Verbot wurde jedoch 1964 vom Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben. Die weitere Entwicklung der Mitfahrzentralen bis in die achtziger Jahre lässt sich hier nur schwer nachzeichnen, da es an vergleichbaren und verlässlichen Zahlen mangelt. Relativ sicher scheint aber, dass es keinen linearen Trend sondern einzelne Hochzeiten gab. In den 80er Jahren erfolgt dann eine zunehmende Professionalisierung des Angebots der Mitfahrzentralen und Nutzungshochphase vor dem Hintergrund der ökologischen Bewegung. So war es damals angeblich „(…)schick und üblich, in fremde Autos zu steigen.“ (vgl. FAZ, 5.11.1998, S.20). Immer wieder wird die Nutzung von Mitfahrzentralen ähnlich dem Trampen als zeitgeist- und generationsabhängig beschrieben, was einen kultursoziologischen Ansatz bestärkt.

Gab es Mitte der achtziger Jahre bundesweit noch 120 Mitfahrzentralen, so sank deren Zahl in den neunziger Jahren infolge starker Umsatzeinbrüche auf 50-60 ab (vgl. ebd.)[17]. Seit 1993 sind die deutschen Städtemitfahrzentralen im Zuge fortgeführter Professionalisierung in zwei Betreiberverbände statt dem ehemaligen Einheitsverband VDMFZ (Verein Deutscher Mitfahrzentralen) unterteilt: die Arbeitsgemeinschaft deutscher Mitfahrzentralen (ADM), der größere Verband, und Citynetz. In den neunziger Jahren haben die traditionellen Mitfahrzentralen dann im Zuge der Verbreitung der Internetnutzung eine starke Konkurrenz bekommen und verzeichnen nach eigenen Angaben abflachende Zuwachsraten trotz ihrer temporären Aufwertung in der Pressedarstellung vor dem Hintergrund der vielfach kritisierten Änderung der Bahntarife im Dezember 2002 (vgl. Süddeutsche Zeitung Magazin 7.3.2003 ).

2.4. Kenntnisstand zu den Internetmitfahrzentralen

Die derzeit führenden Mitfahrzentralen im Internet sind dabei wie schon erwähnt Mitfahrzentrale.de sowie Mitfahrgelegenheit.de. Dabei beansprucht Mitfahrzentrale.de mit 389.000 Mitgliedern für sich den Status der führenden Mitfahrzentrale im Internet (Stand 06/03, vgl. A1 S.i)[18]. Sehr wichtig bei dieser Betrachtung ist die Tatsache, dass von diesen Mitgliedern 80% FahrerInnen sind, da sich lediglich diese auf der Seite registrieren lassen müssen, um ein Angebot zu schalten. Angesichts eines durchschnittlichen Besetzungsgrades von 2,9 Personen pro über die Seite vermittelte Mitfahrgelegenheit dürfte die Zahl der NutzerInnen insgesamt, MitfahrerInnen also eingerechnet, aber mindestens mehr als doppelt so hoch liegen. Hinsichtlich der Nutzung der Seite verzeichnet Mitfahrzentrale.de monatlich 570.000 BesucherInnen und 6,3 Millionen Pis („Page Impressions“). Nach eigener Angabe werden 9000 Fahrten täglich angeboten. Diese Zahlen zur Nutzung sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da keine Überprüfungsmöglichkeit besteht, ob Fahrten tatsächlich erfolgten.

2.5. Informationen zu den MitfahrerInnen

Wie bereits im historischen Abriss angedeutet, entstammten die MitfahrerInnen in den ersten Jahrzehnten der Mitfahrzentrale vorwiegend dem alternativ-studentischen Milieu wie auch das folgende Zitat illustriert und ergänzt (und die Gefahr von Klischees demonstriert):

„Studenten, Arbeitslose und alle, die sonst noch wagemutig waren, konnten hier ihr Fahrziel hinterlassen und hoffen, für wenig Geld aber umso mehr Abenteuer Träume wahr zu machen: mit klapprigen VW- Bussen und rostigen Limousinen in die große weite Welt.“ (Forschungsjournal NSB, S. 95)

Im selben Text von 1993 heißt es ferner, dass sich über die Jahre lediglich die Organisation der Mitfahrzentralen verändert hätte, nicht aber ihr Publikum. Dieser Aussage stehen konträre Behauptungen zu aktuelleren Entwicklungen gegenüber: So heißt es im Anders Reisen Almanach von 1987, dass im Zuge der Professionalisierung der Mitfahrzentralen sich sowohl das Spektrum ihrer MitfahrerInnen als auch FahrerInnen gewandelt habe (vgl. ebd. ). Da diese Behauptungen empirisch ungestützt blieben lässt sich hier nachträglich allerdings kaum mehr eine Aussage über den damaligen Zeitpunkt treffen, weswegen wir mit aktuellen Betreiberaussagen vorlieb nehmen müssen.

ADM Vorsitzender Christoph Krause von der Mitfahrzentrale in Dresden wehrt sich gegen das Klischee vom „Kiffer und abgebrannten Soziologiestudenten“. „Althippies“ und StudentInnen sind demnach bei ADM Städtemitfahrzentralen heute unterdurchschnittlich repräsentiert während BerufspendlerInnen[19] das Gros der NutzerInnen stellten und auch die größte Gruppe innerhalb der MitfahrerInnen (vgl. Süddeutsche Magazin 7.3.2003, S.38). Die Gruppe der übrigen MitfahrerInnen sei dagegen sehr inhomogen:

„Ansonsten findet man auf Mitfahrerseite eher den sparsamen, preisbewussten Kunden vom Schüler bis zum Rentner, Studenten, ausländische Mitbürger...“ (Andreas Köpke, Mitfahrzentrale Dresden, Anfrage 20.10.)

Bei den Internetmitfahrzentralen sprechen die Zahlen andere Worte: Laut Mitfahrzentrale.de sind immerhin 75% der MitfahrerInnen StudentInnen gegenüber einer berufstätigen Minderheit von 35%. Auch zum Alter der Mitglieder (darunter sind 80% FahrerInnen) werden Angaben gemacht, die zwar nicht in FahrerInnen und MitfahrerInnen untergliedert sind, jedoch als spätere Vergleichswerte bereits hier genannt werden. Demnach ist die Gruppe der 20-30 jährigen mit 60 % am stärksten vertreten gefolgt von den 30-40 jährigen, die immerhin noch 27% der Mitglieder stellen.

2.6. Bekannte Motivlagen der MitfahrerInnen

Hinsichtlich der Motive der MitfahrerInnen ist im Zeitverlauf zu erkennen, dass zunächst noch intrinsische Motive im Sinn von Werten und Einstellungen, als man die Mitfahrzentralen als Teil des studentisch-alternativen Milieus ausmachte und später in den Kontext der Ökologiebewegung einordnete, eine Rolle gespielt zu haben scheinen.[20] Damals erscheint das Mitfahren im Zuge eines antikonventionellen, antibürgerlichen Lebensstils, in den achtziger Jahren dann als Zeichen eines ausgeprägteren Umweltbewusstseins. In den neunziger Jahren schließlich tauchen diese intrinsischen Motive nur noch aus historischer Sicht auf, und außengelagerte Motive gewinnen die Oberhand. Allen voran taucht hier das Motiv des Geldeinsparens auf, welches dann oft in Zahlenvergleichen (wieviel kostet eine Bahnfahrt auf der gleichen Strecke im Vergleich zur Mitfahrzentrale) Beachtung findet. Überhaupt scheint die Bahn zunehmend selbst als wesentliches Motiv zur Nutzung von Mitfahrgelegenheiten zu taugen: Unzufriedenheit über die Bahn, undurchsichtige Preistarife, das Gefühl des Bevormundetseins lässt ehemalige Bahnfahrende zu den Mitfahrzentralen wechseln. Die Mitfahrzentralen machen daher auch selbst keinen Hehl daraus, wie sehr sie sich in Abhängigkeit zur Bahn sehen und einem inversen Thermometer gleich auf deren Befindlichkeiten reagieren.[21] Schließlich werden wie im letzten Kapitel bereits erwähnt extrinsische Motive in Form von Anlässen aufgeführt wie beruf- und ausbildungsbedingtes Pendeln. An anderer Stelle geht man davon aus, dass die Mitfahrzentrale vor allem für Kurzurlaube und Spontanreisen genutzt wird (vgl. Süddeutsche Zeitung 10./11.5.2003).

Es liegt zwar auf der Hand, dass extrinsische Motive schon immer wesentlicher Teil der Ursachen zur Nutzung der Mitfahrzentralen waren, neu aber ist die Ausschließlichkeit ihrer Nennung. Lediglich die Mitfahrzentralen selbst führen als Werbung noch mehr Gründe an. So wirbt Mitfahrzentrale.de mit den Schlagworten „zuverlässig sicher bequem günstig umweltfreundlich“ wobei die reduzierte Version nur noch „die günstige und flexible Mobilitätsform“ anpreist und damit der sonstigen Dominanz des Geldmotivs Rechnung trägt.

Als Unterschied in den Motivlagen zwischen NutzerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten und der Städtemitfahrzentralen sei hier noch auf das Sicherheitsmotiv hingewiesen, das von den Städtemitfahrzentralen in jüngster Zeit verstärkt als Geschütz gegen die Internetmitfahrgelegenheiten aufgefahren wird.

2.7. Das Trampen als Ursprung der Mitfahrideologie

Die bereits in der Einleitung angedeutete Verbindung von Trampen und Mitfahrzentralen soll im Folgenden aufgegriffen werden. Demnach weisen Betrachtungen der Mitfahrgelegenheiten als „domestizierte“ und ,„kommerzialisierte“ Form des Mitfahrens oder einfach als „Trampen Light“[22] diese als vom Trampen abstammende Mobilitätsform aus, der jedoch die für das Trampen typische Ideologie abhanden gekommen sei wie Graeme Chesters und David Smith bemerken:

“In many European countries, the idea of organised support for hitch-hiking is commonplace, and there are offices in most major cities.This contrasts with the more obviously subcultural tradtion of American hitch-hiking sites, which are full of ‘outlaw’ iconography, stressing rather than minimising the element of risk.” (Chesters und Smith, S. 7)[23]

Um einen Verlust der subkulturellen Wurzeln und deren Ideologie bei den Mitfahrgelegenheiten konstatieren und beweisen zu können, muss man jedoch wissen, was eigentlich verloren gegangen sein soll, weswegen ich die ideologischen Motive des Trampens hier als vermutete Kontrastfolie zu denen des organisierten Mitfahrens vorstellen werde.[24] Zuvor sei hier noch gesagt, dass Mitfahrzentralen und Trampen nicht per se als völlig separate Mobilitätsformen ohne ideologische Anknüpfpunkte zu sehen sind, wenn man bedenkt, dass in den Anfangsjahren der Mitfahrzentralen ein geschlossener Kreis von Alternativen und StudentInnen deren NutzerInnen stellten und sich auch noch heute zumindest bei den NutzerInnen von Mitfahrzentrale.de am studentischen Status der MitfahrerInnen nicht viel verändert zu haben scheint. Auch in organisatorischer und struktureller Hinsicht stehen Internetmitfahrgelegenheiten aufgrund ihrer höheren Informalität dem Trampen näher als die heutigen Städtemitfahrzentralen. Die Darstellung der Ideologie des Trampens erfolgt somit auch, um weiteren Aufschluss über das Vorhandensein möglicher, von ihr übernommenen intrinsischen Motive bei den MitfahrerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten zu erhalten.

Die subkulturelle Tradition des Trampens, die dem heutigen Mitfahren so entgegenzustehen scheint, hat ihren Ausgangspunkt in den USA der fünfziger Jahre, als sich dort die Beat-Subkultur formierte. Die Anhänger dieser Generation die oftmals als eine der ersten Subkulturen mit prägendem Einfluss auf spätere Subkulturen betrachtet wird, waren auf der Suche nach rauschhaftem Erleben (die Schlagworte „sex and drugs“) und grenzenloser Freiheit womit sie sich der Konsumorientiertheit und Selbstgenügsamkeit der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft entziehen zu versuchten ohne jedoch an dieser politische Kritik zu üben- die sogenannten Beatniks waren vielmehr desillusionierte AnarchistInnen ohne langfristige Ziele und ohne Bestreben, die Gesellschaft zu revolutionieren (vgl. Baacke S. 51 ff. und S. 187 ff.).

Zu ihrem Programm avancierte der 1957 erschienene Roman „On the road“ von Jack Kerouac, der darin das Unterwegs-Sein und Heimat-Suchen unter anderem anhand des Trampens thematisierte, das daraufhin selbst zu einem Teil der Beatnik Kultur wurde. In „On the road“ durchqueren die beiden Protagonisten Sal Paradise und Dean Moriarty über mehrere Jahre die USA per Bus, Autostop, Mitfahrgelegenheiten[25] und im eigenen/gestohlenen PKW und erleben dabei sogenannte „kicks“- ekstatische und mythische Momente- sowie „diggins“ in der Form des spontanen Verstehens einer anderen Person. Weitere Merkmale der Beatniks waren deren bewusstes Eingehen von Gefahren auf der ständigen Suche nach Abenteuer. Ihre Anhänger rekrutierte die Bewegung dabei laut Hebdige von den ,, (…) college campuses and dimly lit coffee bars and pubs of Soho and Chelsea (…)“. Die Beatniks waren belesen und gebildet und interessierten sich für Avantgarde Kunst sowie abstrakte Malerei, den französischen Existentialismus[26] und Lyrik und trugen „ (…) a bemused cosmopolitan air of bohemian tolerance (…)“ zur Schau (ebd. S. 51).

Ferner verband sie eine Art magische Beziehung zur Armut der Exilanten und AußenseiterInnen der US-amerikanischen Gesellschaft, die sie beispielsweise durch einen Kleidungsstil bestehend aus abgerissenen Jeans und Sandalen demonstrierten, und worin sich ihr Glauben an eine der Armut innewohnende Authentizität und gar göttlicher Essenz und Heiligkeit ausdrückte.[27] Das Ziel war ,,(...) not merely studying Blacks, Mexicans, Criminals, but attempting to become them for a time (...)” beziehungsweise ,,(…),digging’ the lives of the dispossessed (...)“ (Wilson, S. 79).

Ein Jahrzehnt später wurde das Trampen dann von der ebenfalls in den USA entstandenen Hippie Subkultur aufgegriffen und aufgrund derer stärkeren Politisierung im Vergleich zu den Beatniks mit weiteren Einstellungen wie „antiautoritär“, „solidarisch“ (in Hinblick auf Mensch und Umwelt) in seiner Semantik erweitert. Das Trampen wird damit als Gegenentwurf zum Effizienzdenken erklärt das ferner Gelassenheit gegenüber dem Leben ausdrücken soll.

Dem Leitmotiv „Suche“ der Beatniks korrespondierend wird das Trampen darüber hinaus auch verstärkt unter dem Aspekt der Identitätssuche aufgegriffen, wobei das Trampen eine Art von „psychologischen Extremerfahrungen“ darstellen soll deren Grundvoraussetzung die flexible Identität des Trampers sei (vgl. Illies, FAZ 3.8.2000). Diese Überlegungen finden sich in der analytisch feinen, den ideologischen Faden noch ein Stück weiterspinnenden Kurzgeschichte Milan Kunderas „Der fingierte Autostop“ die eben diese lose Identität der TramperInnen anhand eines von einem jungen Paares inszenierten Autostops nach einem Tankstellenstop mit den thematischen Leitbegriffen Abenteuer, Spiel und Maskierung behandelt. Der nachgestellte Autostop wird für die Frau, die auf der Weiterfahrt die Rolle der Tramperin einnimmt und zuvor unter Schüchternheit und Ernst gelitten hatte, zur vorübergehenden Emanzipation:

“Das fremde Leben, in das sie geschlüpft war, war ein Leben ohne Scham, ohne biographische Festlegung, ohne Vergangenheit und Zukunft, ohne Verpflichtungen; es war ein ungewöhnlich freies Leben. Als Anhalterin durfte sie alles: alles war ihr erlaubt; sie konnte sagen, tun und fühlen, was sie wollte.” (ebd., S.84)

Das Trampen wird hier noch stärker als bei Kerouac als Möglichkeit eines Agierens außerhalb der Gesellschaft und ihrer Normen dargestellt auch wenn Kundera am Ende seiner Kurzgeschichte seine Utopie selbst als solche entlarvt. Kundera greift ferner einen weiteren Aspekt des Trampens auf, indem er die Emanzipation der Protagonistin vor allem auf sexueller Ebene ansiedelt: Es zeigt sich hier ein dem Trampen anhaftendes Vorstellung, wonach insbesondere Frauen aus solchen Motiven trampten.[28] Aus soziologischer Sicht können diese Attestierungen wohl vor allem als Spiegel einer traditionellen männlichen Prägung der Tramp-/Beatkultur gelten, die Frauen stereotypisiert repräsentiert. Generell wird die Dominanz männlicher Sichtweisen oft als Charakteristikum von Subkulturen angeführt. Diese Exklusion von Frauen beim Trampen wird weiter daran ersichtlich, dass die in TrampeInnenkreisen heute kursierenden Trampetiquetten (die bereits eine starke Ablösung von der Reinform des Trampens mit seiner Risikofreude erkennen lassen) Frauen vehement vorm Alleintrampen warnen aufgrund der Gefahr vergewaltigt oder ermordet zu werden, während Männern dies zugetraut wird (vgl. z.B. Digihitch.com oder ähnliche Internetseiten).

Mit diesen Ausführungen zum Trampen sollen dessen ideologischen Motiven genüge getan sein. Dabei lässt sich durchaus fragen, ob es eine solche authentische Tramperkultur überhaupt jemals außerhalb der dazu bestehenden Literatur gegeben hat, oder es sich bei den TramperInnen vielmehr um raffinierte „MarketingstrategInnen“ handelt, wie ein Autor vermutet, die sich gerne an vorhandenen Ideologien beim Trampen bedienten, um so ihre ökonomischen Motive zu verschleiern (vgl. Kern, taz 2.9.2000).

Wenn hier bislang unkommentiert von der Ideologie des Trampens die Rede war, so sollte darin keine normative Abwertung zum Ausdruck kommen sondern lediglich der Fokus auf die mit dem Trampen assoziierten Gedanken im Sinn eines umfassenden und kohärenten Ideensystems gelegt werden wobei die darin enthaltenen Elemente und Deutungen je nachdem, ob sie aus Sicht der Beatkultur oder der allgemeinen Kultur beschrieben werden, noch einmal beträchtlich variieren. Aufgrund dieses Schwerpunkts auf der interpretativen Seite des Trampens ist es daher zunächst unwichtig, inwieweit diese Ideologie mit der Realität übereinstimmt, wenngleich ein gewisser Interaktionseffekt sicher zu erwarten ist.

Ein dennoch aufschlussreiches Bild über die objektive Situation liefert die gleichzeitig bislang weltweit einzige empirisch fundierte Studie zum Thema Trampen des Bundeskriminalamtes von 1987. Auch wenn sich diese Studie lediglich mit dem Kurztrampen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auseinandersetzte und die Übertragbarkeit auf die ideologische Form des Trampens, deren Strecken ja potentiell gegen unendlich streben sollen, daher nur bedingt möglich erscheint, lassen die Ergebnisse doch aufhorchen, da sie einige der grundlegenden Bestandteile der Ideologie des Trampens völlig zu widerlegen scheinen. Zum einen konnten Joachim Fiedler et al eine absolute Dominanz sachlicher Ursachen des Trampens auf Kurzstrecken feststellen, insbesondere schlechte Verkehrsanbindung, zum anderen die relative Ungefährlichkeit des Trampens die dem weitverbreiteten und längst in den Common Sense übergegangenen Bild von mordenden und vergewaltigenden FahrerInnen (und auch MitfahrerInnen),das sich bis heute in der Presse und Populärkultur dominant findet, vehement widerspricht, und damit dem Trampen somit selbst die Symbolik der Gefahr und des Abenteuers abspricht.[29]

“Folglich ist das alltägliche Trampen nicht als Selbstzweck im Sinne einer abenteuerorientierten Erlebnismobilität zu begreifen, sondern als (oftmals letztes) Mittel zur konkreten Sicherung der Mobilität.” (ebd., S. 86)

Neben diesen ernüchternden Ergebnissen der Studie von Fiedler et al sprechen aktuellere Tendenzen ferner für den Niedergang des Trampens als Form des Mitfahrens. Als Gründe für diese Entwicklung werden sowohl sachliche als auch Einstellungsgründe angeführt: Aus sachlicher Sicht erklärt man sich den Niedergang des Trampens durch die starke Zunahme des Fahrzeugsbestandes und die gleichzeitige Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittelanbindung[30], womit dem Trampen jedoch rückwirkend auch seine primär ideologische Motivation abgesprochen wird. Darüber hinaus wird aber auch auf der Seite der intrinsischen Motive im Sinne der Beckschen Individualisierungsthese die verstärkte Entsolidarisierung einhergehend mit gesteigertem Kontroll- und Sicherheitsbestreben im Sinne früher biographischer standardisierter Fixierung und damit eben keiner flexiblen Identität als Ursachen des Nichtnachwachsen einer neuen Trampergeneration vermutet (vgl. Illies, FAZ 3.8.2000). Auch die Trenddiagnose einer „Erlebnisgesellschaft“ mit einem breit gefächerten Erlebnisangebot mag als Ursache gelten, warum es junge Menschen heute nicht mehr als notwendig erachten sich ihre „kicks“ beim Trampen zu holen (wo das Erlebnis sofern man dazu nicht schon das Stehen am Straßenrand zählt unter Umständen mit längeren Wartezeiten verbunden ist). Schließlich hat die Multikulturalisierung und moralische Lockerung gesellschaftlicher Normen im Hinblick auf Sexualität und Drogen dafür gesorgt, dass die wesentlichen anderen Teile der Beatnik Ideologie längst weitgehend in die Mainstreamkultur integriert worden sind und das Trampen damit keinen speziellen Reiz mehr in dieser Hinsicht ausüben kann.

3. Theorieteil I. : Sozialstruktur und Motivlagen in der „Erlebnisgesellschaft“

3.1. Die Erlebnisgesellschaft als aktuellste Diagnose der (west-)deutschen Gesellschaft (vgl. Schulze S.33-91)

Mit seiner „Erlebnisgesellschaft“ hat Gerhard Schulze eine makrosoziologische Diagnose für die Gesellschaft der Bundesrepublik der ausgehenden achtziger Jahre getroffen[31]. In der Bezeichnung soll die Aufwertung von Erlebnissen als Teil einer neuen, innenorientierten subjektiven Lebensauffassung zum Ausdruck kommen infolge der Zunahme an objektiven Möglichkeiten durch den Anstieg des Wohlstands, der Bildung, der freien Zeit, des technischen Fortschritts und infolge der Auflösung von Standardbiographien. Vor Schulze hatte bereits Ulrich Beck Anfang der achtziger Jahre mit seinem Buch „Risikogesellschaft“ eine Diagnose der westdeutschen Gesellschaft gewagt. Mit Hinzukommen der Bezeichnung als „Erlebnisgesellschaft“ wird diese jedoch keinesfalls revidiert sondern erfährt lediglich ihre logische Fortsetzung (vgl. Schulze, S. 78). Auch Schulzes Theorie geht von dem sogenannten Fahrstuhleffekt und der Individualisierung von Lebensläufen mit der einhergehenden Unsicherheit aus, will darüber hinaus aber noch eine andere neue fundamentale Gemeinsamkeit der Menschen ausgemacht haben, die in ihrer unmittelbaren Erlebnisorientierung, dem „Projekt des schönen Lebens“, besteht, und als neue strukturierende Kraft wirkt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gewährleistet. Obwohl dies zunächst trivial klingt, und das Bestreben, das eigene Leben so zu gestalten wie es subjektiv als schön[32] und lebenswert erachtet wird, leicht als Basismotivation aller Lebensauffassungen betracht und darin nichts Neues erkennt werden mag, wird das Novum an der daraus abgeleiteten Handlungsmotivation ersichtlich: Heute ist die Basismotivation zugleich allgemeine Handlungsmotivation in Form einer systematischen Erlebnisrationalität; es werden keine Umwege mehr gemacht denn die Menschen möchten jetzt und hier etwas Schönes erleben, während es früher Zeiten gab, in denen ganz andere Handlungsmotivationen vorherrschten, z.B. das Dienen, trotz der selben übergeordneten Basismotivation eines schönen Lebens (vgl. ebd., S. 36). Obwohl ein traditionelles Schichtmodell durch die allgemeine Anhebung des Lebensniveaus („Fahrstuhleffekt“) laut Schulze daher nicht mehr angemessen erscheint und neuerdings eher eine horizontale Strukturierung der Gesellschaft vorherrsche, betont er dennoch die andauernde in vertikaler Hinsicht situierende Kraft zweier äußerer Faktoren: vor allem dem Alter und zweitens der Bildung. Daneben konstituiert sich die Sozialstruktur der Erlebnisgesellschaft, die sich weiterhin in Großgruppen unterteilen lässt, aber nun vornehmlich durch Beziehungswahl (früher: Beziehungsvorgabe) auf der Basis evidenter und signifikanter Zeichen die zur Herausbildung neuer sozialer Milieus, den Erlebnismilieus, führt.

3.2 Die Semantik des Erlebens (vgl. Schulze S.93-114)

Unter Erlebnissen versteht Schulze miteinander verknüpfte Prozesse die im Bewusstsein und Körper des Menschen ablaufen.[33] In vielen Fällen knüpfen Erlebnisse darüber hinaus auch noch an Ereignisse in der Umwelt des Menschen an, beruhen also nicht auf bloßer Autosuggestion. Es handelt sich bei Erlebnissen dennoch vornehmlich um subjektive Konstrukte die daher auch potentiell ständigem Wandel unterworfen sind. Was heute als Erlebnis empfunden wird, kann morgen bereits ein Gähnen hervorrufen, obwohl in der Praxis Erlebnisse sogar auf Wiederholung (aber keine endlose, und die Zeiträume scheinen kürzer zu werden) im Sinn von ästhetischer Übung angewiesen sind. Ein Erlebnis lässt sich in den Eindruck, seine subjektabhängige Verarbeitung, die Reflexion darüber und seine Unwillkürlichkeit analytisch aufsplitten. Dabei birgt jede Selektionsstufe nicht nur die Chance eines erfolgreichen Erlebnisses, sondern auch das Risiko zu scheitern, weswegen Erlebnisse zunächst nur sehr schwer hergestellt werden können. Erlebnisorientierung steht damit insgesamt für eine innenorientierte Lebensauffassung im Gegensatz zur einstigen vorherrschenden Außenorientierung. Schulze spricht äquivalent dazu auch vom Übergang einer ökonomischen Semantik[34] zu einer psychophysischen Semantik. Dabei meint Innenorientierung nicht Introversion sondern die Fokussierung von Prozessen, die sich im Menschen selbst vollziehen- im Fall der Erlebnisorientierung die Fokussierung von als schön empfundenen Prozessen (vgl. ebd., S. 38).

Um das Entstehen von Erlebnissen zu erklären bedient sich Schulze einem aus der Ästhetik entliehenen semantischen Paradigma. Demnach ist die Welt ein potentiell unendlicher Zeichenkosmos. Schulze begreift Zeichen dabei als „beliebige Manifestationen“ (ebd., S. 94) die sinnlich wahrgenommen werden können- von dem Gefühl der Vorfreude auf ein Wiedersehen mit dem alten Freund über die Stimme des Fahrers am Telefon bis hin zur Farbe des Autos oder dem Musikgeschmack des Fahrers, legen wir die Mitfahrgelegenheiten als Beispiel zu Grunde. In der Erlebnisgesellschaft haben Zeichen die fundamentale Bedeutung von Erlebnissen angenommen, auch wenn natürlich nicht jedes Zeichen Erlebnischarakter hat (als Ausnahmen nennt Schulze z.B. Schuhcreme) aber die Tendenz dazu besteht. Da Zeichen Träger potentiell unendlicher Bedeutungen sind, müssen sie überhaupt erst in ihrer Funktion als Träger bestimmter Bedeutungen und Mitteilungen erkannt werden, damit Gesellschaft in Gang kommen kann. Viele von anderen Menschen benutzte Zeichen als Träger von Mitteilungen werden hingegen gar nicht oder falsch hinsichtlich ihrer Botschaft verstanden- für die Konstitution sozialer Milieus sind diese Zeichen daher ungeeignet, denn hier bedarf es evidenter, d.h. leicht hinsichtlich ihrer Bedeutung decodierbarer, und signifikanter, als den Zeichenträger eindeutig einem sozialen Milieu zuweisenden, Zeichen- im Fall des Fahrers könnte das zum Beispiel ein tiefergelegter Opel Kadett als Zeichen für Actionorientierung sein der ihn aber recht eindeutig dem Unterhaltungsmilieu und nicht dem ebenso an Spannung (aber zusätzlich auch Hochkultur) interessierten Selbstverwirklichungsmilieu zuordnet.

Als zeitliches Ordnungsprinzip der Zeichenwelt in einer erlebnisorientierten Gesellschaft fungieren nach Schulze sogenannte „alltagsästhetische Episoden“. Die Annahme ist hier, dass das Leben eine Abfolge von Handlungssequenzen darstellt wie z.B., um wieder den Bezug zu den Mitfahrgelegenheiten herzustellen, die Fahrt organisieren, die Fahrt antreten, mit der Mitfahrerin während der Fahrt über die StudentInnenproteste diskutieren, Ankommen, den alten Freund begrüßen, seine neue Wohnung begutachten, etc.. Viele dieser Sequenzen können angesichts zunehmender Erlebnisorientierung dabei als alltagsästhetische Episoden verstanden werden. Alltagsästhetische Episoden bilden laut Schulze die kleinste Analyseeinheit des Erlebens. Dabei verfügen diese alltagsästhetischen Episoden über drei fundamentale Charakteristika:

1. Der stets vorhandenen Möglichkeit zur Auswahl
2. der innenorientierten, vom Objekt gelösten Sinngebung und
3. ihre Alltäglichkeit.

Dennoch sind alltagsästhetische Episoden nur eine Art der Organisation von Zeichen zu Erlebnissen, da diese auch langfristig, z.B. beim Kauf eines Autos, vorliegen kann.

Semantische Komplexe hinsichtlich derer Zeichen klassifiziert werden können bilden die Bereiche des Genusses, der Distinktion und der Lebensphilosophie. Während bis in den 70er Jahren Distinktion und Lebensphilosophie noch eine beherrschende Rolle zukam, haben diese mittlerweile gegenüber Genuss an Boden verloren, der heute den wichtigsten Bedeutungskomplex darstellt. Das Genießen ist die Hauptsache beim Erleben und wird unerlässlich angestrebt. Genuss bereitet dabei ein positiv bewerteter psychophysischer Zustand wobei das Gewicht mal mehr auf der Seite der körperlichen Reaktion, mal mehr auf Seite der kognitiven Repräsentation liegt. Hingegen ist Distinktion vor allem als negative Abgrenzung zu sehen: eine Person zeigt damit an, was sie nicht ist und auch nicht sein möchte. Dabei ist das Distinktionsverständnis von Schulze ein anderes als das Pierre Bourdieus, in dessen Theorie einer Klassengesellschaft Distinktion von oben (höheren Gesellschaftspositionen aus) erfolgt und der Erreichung von Klassenprivilegien und einem überdurchschnittlichen Status dienen soll. Für Schulze hingegen hat sich Distinktion ausgedehnt auf den Wunsch absoluter Individualität, sprich der Abgrenzung von allen, erfolgt also auch von unten und ist nicht nur Angelegenheit einer Gruppe weniger Privilegierter, z.B. der höheren BeamtInnen von den ArbeiterInnen. Die Semantik der Distinktion hat sich also dahingehend verändert, dass sie nicht mehr länger primär dem Bereich der Hochkultur vorbehalten ist, wodurch traditionelle Gegenkulturen und Subkulturen an Distinktion nach außen eingebüßt haben da ihre Existenzgrundlage ja gerade die Opposition zu dieser einen, damals deutlich hegemonialen Kultur, darstellte. Lebensphilosophie ist schließlich derjenige Bedeutungskomplex der grundlegende Wertvorstellungen, handlungsanleitende Wissensmuster über das Jenseits und die Natur, den Menschen und die Gesellschaft sowie zentrale Problemdefinitionen umfasst. Lebensphilosophien werden durch Normen zusammengehalten und führen zu „Glaubensgemeinschaften.“ Schulze verweist auf die besondere Gewichtung der Lebensphilosophie bei Subkulturen die für ein enges Zusammenhangsgefühl sorgen, und oft aus Mythen oder gar Zitaten herrschender Ideologien bestehen wie wir schon bei der Beat Kultur sehen konnten (der Mythos der Identitätslosen; die Übernahme eines tradierten Geschlechtsrollenverständnisses aus der hegemonialen Kultur), worin andererseits aber auch der Grund für die geringe Halbwertzeit solcher opponierender Gegenkulturen liegt.

Schließlich kommt auf einer übergeordneten Ebene dem Stil als „(…) Gesamtheit der Wiederholungstendenzen in den alltagsästhetischen Episoden eines Menschen(…)“ (ebd, S. 103) ordnende Wirkung zu und dient dieser Gruppen zu ihrer gegenseitigen Abgrenzung. Stiltypen sind dabei stark milieuabhängig. Sie sind sowohl hochkomplex indem sie eine Zeichenflut bündeln, andererseits wirken sie ordnend und weisen Zeichen Grundbedeutungen zu. Der Stil fungiert als Kommunikation von Unterschieden; ehemals vor allem Statusunterschieden, also sozioökonomischen (Bildung, Beruf, Besitz), ist heute jedoch eher auf horizontaler Ebene angesiedelt da nach Schulze im Zug der Vermehrung der Möglichkeiten eine Entvertikalisierung der Stile stattgefunden hat wodurch auch einstige Gegenkulturen an Distinktionskraft eingebüßt haben. Dabei grenzen sich Personen durch ihren persönlichen Stil nicht nur nach außen ab, sondern hat dieser auch selbst über die StilträgerInnen Definitionsmacht: So wird der mitfahrende Ethnologiestudent an einem hochsommerlichen Tag beim Zwischenstopp bei Mc Donald’s möglicherweise auf einen eisgekühlten Softdrink im Gegensatz zum Kadettfahrer aus Prinzipientreue verzichten, auch wenn ihm gerade sehr heiß ist.

3.3 Alltagsästhetische Schemata (vgl. Schulze S.125-158)

„Mit dem Begriff alltagsästhetische Schemata ist eine kollektive Orientierung des Erlebens gemeint, ein ästhetisches Programm, das die unendliche Menge der Möglichkeiten, die Welt zum Gegenstand des Erlebens zu machen, auf eine übersichtliche Zahl von Routinen reduziert.“ (ebd., S. 128)

Für Schulze sind die alltagsästhetischen Schemata allgemeingültige kognitive Repräsentationen bestimmter Handlungen und Bedeutungsmuster (im Hinblick auf Distinktion, Lebensphilosophie und Genuss) die daher als zusammenhängend erscheinen und das Alltagshandeln anleiten. Mit Blick auf die deutsche Gesellschaftsgeschichte hat er dabei drei solcher Schemata ausfindig gemacht: Das Hochkultur-, das Trivial- und schließlich das erst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstandene Spannungsschema. Dabei fällt die Ähnlichkeit zum Stilbegriff auf; der Stil meint bei Schulze aber die empirische Manifestation der Orientierung an alltagsästhetischen Schemata wobei auch die Orientierung an mehr als einem Schemata möglich ist.[35]

Ohne auf die Evolution der Schemata hier näher einzugehen sei doch gesagt, dass das Hochkulturschema im Rückblick stets dominierte und erst in der Gegenwart seine Vormachtstellung eingebüßt hat zugunsten einer egalitären Stellung aller Schemata, so Schulze. Analytisch-visuell beschreibt Schulze die gegenwärtige Situation der alltagsästhetischen Orientierung der Menschen als einen dreidimensionalen „Raum der Stile“, wobei jedes Schemata eine Dimension darstellt in der jede Person punktuell verortet werden kann bezüglich ihrer Nähe oder Distanz zu den einzelnen Schemata. Das heißt, dass die Orientierung an den Schemata praktisch nie nur durch absolute Nähe zu einem und völliger Distanz zu allen anderen Schemata gekennzeichnet ist sondern sich vielmehr in der Realität Mischtypen mit unterschiedlichen Gewichtungen finden die je nach Milieu variieren.[36] Das heißt aber auch, dass sich entgegen des früheren Verständnisses von Hochkultur diese und das Trivialschema nicht mehr ausschließen wenngleich die Korrelation leicht negativ bleibt. Dennoch gibt es dominante, milieuspezifische Schematakombinationen.

Angesichts dieser geringen Anzahl an Schemata mag die Frage aufgeworfen werden, wie es denn überhaupt zu ihrer Herausbildung kommen konnte. Zunächst verweist Schulze hier auf die selbst von radikalen KonstruktivistInnen nicht bestrittene objektive Seite von Erlebnisreizen, die schon an sich für eine relative Homogenität des Erlebens sorgen. Eine andere Erklärung für die Herausbildung von Schemata bieten vorhandene Traditionen, die Menschen sich aneignen und die ihnen gleichzeitig vorhandene Definitionen liefern wobei Schulze die Bedeutung von Definitionen im Sinn von Zugehörigkeitsdefinitionen beim Hochkulturschema am stärkten vermutet. Eine noch weitgehendere, da anthropologische Erklärung ist schließlich die der Ordnungsfunktion von Schemata: Die Alternative wäre das ungeordnete Chaos, das die Entstehung von Gesellschaften unmöglich machen würde. In dem Maße wie die Selektionsmöglichkeiten in der Moderne rapide zugenommen haben ist das Orientierungsbedürfnis, die Unsicherheit, angestiegen weswegen Schemata in der Gegenwart und trotz der Hochkonjunktur eines Pluralismus der Oberfläche in den Kulturgütern (z.B. 300 Lesungen auf der Buchmesse) und Verhaltensweisen der Menschen als ordnende Grundlage immer unentbehrlicher werden.

Zu den einzelnen Schemata ist zu sagen: Für das Trivialschema erscheint Genuss in Form von Gemütlichkeit; Distinktion manifestiert sich als antiexzentrischem Handeln indem allem Fremden und Individualismus mit Ablehnung begegnet und die Gruppe über das Individuum gestellt wird. Die Lebensphilosophie zielt auf Harmonie ab. Hingegen lautet im Spannungsschema die Genussformel Action. Distinktion erfolgt durch antikonventionelles Verhalten und die Lebensphilosophie huldigt dem Narzissmus. Im Hochkulturschema schließlich bedeutet Kontemplation Genuss und erfolgt Distinktion durch Abgrenzung gegen alles was per Definitionem als barbarisch erachtet wird. Die Lebensphilosophie äußert sich in einem allgemeinen Streben nach Perfektion.

3.4 Die fundamentale Semantik (vgl. Schulze S.335-348)

Als fundamentale Semantik in der Erlebnisgesellschaft wurde bereits eine psychophysische Semantik benannt. Sie ist, so Schulze, der kleinste Nenner aller gesellschaftlichen Integration und ergibt sich aus dem menschlichen Bedürfnis nach Ordnung und Konsistenz. Sie lässt sich auf die Milieustruktur anwenden, ermöglicht also ein größtmögliches Maß an Bedeutungsabstraktion (Milieus dienen hingegen der Auffüllung mit empirischem Gehalt). Die psychophysische fundamentale Semantik wird von Schulze noch einmal in eine Semantik des Denkens und Handelns unterteilt, deren (idealtypische) Pole er jeweils beschreibt. Im Fall des Denkens sind das Komplexität und Einfachheit, beim Handeln Ordnung und Spontaneität. Die fundamentale Semantik ist demnach zweidimensional.

Komplexität

Das Denken lässt sich am evidentesten anhand des Maßes seiner kognitiven Differenziertheit im Sinn des Ausmaßes der Vernetzung von Kognitionen messen. Komplexität ist dabei der Pol, der für ein hohes Maß an Differenziertheit respektive Vernetzung von Kognitionen steht. Evident wird der Grad kognitiver Differenziertheit dabei insbesondere in der Sprache, dem Argumentationsstil, abrufbarem Wissen, aber auch hinsichtlich der Wahl von InteraktionspartnerInnen und Handlungen. Im Denkstil konkret zeigt sich die Komplexität in der Neigung zur Interpretation latenter Bedeutungen, zur Abstraktion im Sinn einer Bündelung zahlreicher Zeichen unter wenigen Begriffen, abwägendem Argumentieren und freier Assoziation. Der Genuss besteht dabei in psychischer Hinsicht im Gefühl der Macht; in physischer Hinsicht ist es eine Kombination aus Spannung und Ruhe die sich aus typischen Tätigkeiten die dem Hochkultur zuzurechnen sind ergibt: Man/frau hört sich zunächst in Ruhe einen Vortrag an, geht dann zur angespannten Überlegung über und eventuell auch zu einem verbalen Schlagabtausch ohne jedoch dabei die Contenance zu verlieren. Als Denkstil ist Komplexität für die höher gebildeten Milieus kennzeichnend.

Einfachheit

Während sich komplexes Denken bemüht, möglichst viele Informationen zu erfassen und daher immer an Unsicherheit krankt, ist ein einfacher Denkstil darauf ausgerichtet, Informationen außen vorzulassen oder gar ganz zu ignorieren. Im Extremfall entsteht durch diese Unterlassung das Gefühl absoluter Ordnung und Sicherheit. Der psychische Genuss durch Einfachheit resultiert ebenfalls aus einem Gefühl von Ordnung, jedoch in einem eher entlastenden Sinn (man/frau hat die Situation doch noch bewältigt) da die Bedrohung durch die außen vorgelassenen Informationen real weiterhin vorhanden ist und die Unsicherheit damit nicht gänzlich besiegt. Charakteristika sind daher eher unhinterfragtes Aufnehmen und Übernehmen von bereits vorhandenen Informationen und sich wiederholende Denkmuster.

Ordnung

Unter Ordnung als Handlungsstil wird keine bestimmte Ordnung sondern allgemein das Befolgen der als legitim geltenden Regeln verstanden. Es herrscht bekanntlich in allen Lebensbereichen eine bestimmte Vorstellung von legitimer Ordnung vor, z.B. im Bereich der Tischsitten, dass das Essen zu loben ist, oder in der Wissenschaft, dass von zweifelhaften Methoden abgesehen wird. In psychischer Hinsicht liegt der Gewinn eines an Ordnung ausgerichteten Handlungsstils in dem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. In physischer Hinsicht drückt sich Ordnung in Regelmäßigkeit, Kontrolle und der kollektiven Parallelisierung von Körperbewegungen aus (z.B. das rhythmische Klatschen nach dem Opernbesuch). Ordnung ist als Handlungsstil für ältere Milieus kennzeichnend.

Spontaneität

Der spontane Handlungsstil wird leicht als Regellosigkeit interpretiert, aber auch hier gibt es die übergeordnete Regel des „Sei spontan“. In psychischer Hinsicht wird Spontaneität als Ich-Bestimmtheit begriffen die sowohl die Form der Opposition als auch der Expressivität annehmen kann wobei Expressivität oft als Zeichen für Authentizität begriffen wird. Opposition ist auf die Vorstellung eines Spießbürgertums angewiesen, so dass das eigene Verhalten dann als provokant, tabulos, kritisch, Rebellen- oder Außenseitertum erscheinen kann (z.B. die Rucksacktouristin die abseits eingetretener Pfade, die es dafür aber geben muss, die Einsamkeit des Planeten sucht). Hinter Spontaneität verbirgt sich dabei die elementare psychische Erfahrung, das eigene Ich spüren zu möchten, in physischer Hinsicht der Wunsch, sich auszuagieren.

3.5 Die Einteilung in Milieus (vgl. Schulze S.169-191)

Milieus finden sich auf der Basis von Alter, Bildung und Stil zusammen- wenn dabei zwei Variablen, z.B. das Alter und die Bildung einer Person, bekannt sind, lässt sich nach Schulzes

Theorie auch ihr Stil vorhersagen.[37] Laut Schulze sind Alter und Bildung die trennschärfsten Linien zwischen den Erlebnismilieus aufgrund ihrer Evidenz- ein kurzer Wortwechsel genügt um eine Person ungefähr in ihrer Bildung einzuschätzen, beim Alter bedarf es nicht einmal dessen. Die Wirkung von Alter wird dabei mit der starken Generationsabhängigkeit von Stilen erklärt sowie des Einflusses des Lebenszyklus auf die Alltagsästhetik; so wird davon ausgegangen dass im Alter ein höheres Ruhebedürfnis besteht und die Rigidität der Vorstellungen zunimmt. Bildung bewirkt hingegen vor allem eine Nähe zum Hochkulturschema. Die Milieus die sich auf Basis dieser milieuindizierenden Zeichen zusammenfinden sind gesellschaftliche Großgruppen von Personen, die sich voneinander durch erhöhte Binnenkommunikation abgrenzen, und deren Zugehörige sich durch typische Existenzformen charakterisieren. In den Milieus manifestieren sich also Unterschiede. Binnenkommunikation meint dabei, dass persönliche Kontakte jeglicher Art bevorzugt zwischen Personen des gleichen Milieus stattfinden. Die Einteilung in Milieus unterliegt nach Schulze keinen manifesten Kriterien da sie sonst tautologisch wäre; vielmehr erfolgt sie auf der Basis der fundamentalen Semantik.[38] Da nach den Ergebnissen in Kapitel eins anzunehmen ist, dass MitfahrerInnen insgesamt eher jünger sind belasse ich es im folgenden bei einer empirischen Beschreibung der beiden jungen Milieus wie sie von Schulze Mitte der 80er Jahre vorgefunden wurden. Auch wenn diese lediglich binäre Einteilung stark reduktionistisch erscheinen muss, so ist sie nach Schulze doch sinnvoll da alle bedeutsamen Unterschiede entlang ihrer verlaufen. (vgl. ebd., S.380) Die empirische Beschreibung der beiden Milieus zielt auf einen späteren Vergleich der heutigen mit der damaligen empirischen Milieumanifestation ab.[39]

3.6 Das Selbstverwirklichungsmilieu (vgl. Schulze S. 312 ff.)

Das Selbstverwirklichungsmilieu steht sowohl dem Hochkultur- als auch Spannungsschema nahe: Seine Angehörigen verhalten sich zugleich distinguiert als auch antikonventionell und lehnen von allen Milieus das Trivialschema am vehementesten ab. Sie lassen sich ferner durch ihre Nähe zum Spannungsschema von den Angehörigen des älteren und hier nicht vorgestellten Niveaumilieus, traditionell auch gerne als „Bildungsbürgertum“ bezeichnet, abgrenzen. Wer dem Selbstverwirklichungsmilieu angehört ist typischerweise jung und hoch gebildet. Dabei stellen StudentInnen eine Kernfigur des Milieus da die weit über das Ende des Studiums hinausreicht: die Unabgeschlossenheit[40] der eigenen psychischen und biographischen Entwicklung ist charakteristisch für das Selbstverwirklichungsmilieu, ebenso wie seine hohe mehrdimensionale horizontale Mobilität (dies meint: häufige Orts-, Berufs- und Beziehungswechsel). Überhaupt lassen Angehörige des Selbstverwirklichungsmilieus laut Schulze in punkto Mobilität alle anderen Milieus hinter sich. Exemplarisch für die Freizeitmobilität der Milieuangehörigen wird dabei der schon erwähnte Typus der Rucksackreisenden genannt. Die Lebensphilosophie der Milieuangehörigen ist eine Mischung aus Narzissmus und Perfektion; ihr Ich-Welt-Bezug, so die Formulierung Schulzes, im Ich verankert was heißen soll, dass die Welt den eigenen Bedürfnissen angepasst wird und nicht umgekehrt. Symptomatisch für das Selbstverwirklichungsmilieu ist eine allgemeine starke Betonung der Innerlichkeit, der eigenen Psyche, zu deren Tiefen nun selbst vorgedrungen wird. Der kategorische Imperativ ist zu einem Imperativ des Auslebens eigener Befindlichkeiten geworden. Insgesamt sind die Milieuangehörigen wenig zufrieden mit dem eigenen Leben und offen für Neues. Politisch lässt sich das Selbstverwirklichungsmilieu als ungehorsam, hierarchieskeptisch und widerstandsbereit kennzeichnen, weshalb es auch den Ausgangsort vieler politischer Bewegungen bildet. Gleichzeitig gelingt es dem Selbstverwirklichungsmilieu problemlos sämtliche Milieusubkulturen zu integrieren. Egal ob Yuppie oder FeministIn- die gemeinsame Lebensphilosophie ebnet vermeintliche Unterschiede ein. Die Innenzentriertheit des Selbstverwirklichungsmilieus sorgt jedoch dafür, dass das Interesse an Politik recht gering bleibt. Im Hinblick auf das Alltagskulturverständnis des Milieus spricht Schulze von einem „Grenzverkehr zwischen verschiedenen alltagsästhetischen Zeichen- und Bedeutungskosmen“ (vgl. ebd., S. 312). Sowohl Kontemplation als und Action sind angesagt; das Stilspektrum wird virtuos beherrscht und auch angewendet. Es lässt sich dennoch eine recht starke Orientierung am Hochkulturschema erkennen, die sich bspw. in der Mediennutzung widerspiegelt- die Milieuangehörigen besitzen meist keinen Fernseher, lesen Qualitätszeitungen und gerne auch das Stadtmagazin, um stets informiert zu sein über das aktuelle Veranstaltungsangebot. So überrascht es wenig, dass die Künstlerfigur den Personen des Selbstverwirklichungsmilieus als Vorbild des Erlebens dient.

Weitere typische Merkmale der Lebenssituation der Angehörigen des Selbstverwirklichungsmilieus sind deren häufige Beschäftigung in sozialen oder kreativen Berufen, aber durch die milieucharakteristische spontane Anpassungsfähigkeit sind auch Managerberufe akzeptiert. Hinsichtlich ihres sozialen Beziehungsgefüges verfügen Angehörige des Selbstverwirklichungsmilieus in der Regel über einen großen Freundeskreis, doch sind über die Hälfte von ihnen ledig. Der generelle Status der Angehörigen des Selbstverwirklichungsmilieu ist damit im mittleren Raum anzusiedeln, liegt auf jeden Fall deutlich höher als der des Unterhaltungsmilieus und ist in vertikaler sozialstruktureller Hinsicht nach oben hin weitaus offener.

3.7 Unterhaltungsmilieu (vgl. Schulze S. 322 ff.)

Anders als das Selbstverwirklichungsmilieu orientieren sich die Angehörigen des anderen jungen Milieus vorwiegend an nur einem Erlebnisschema, dem Spannungsschema, und verfügen über einen niedrigeren Schulabschluss und Berufsstand. Es gibt wenig Auszubildende und viele Angestellte. Auch das Unterhaltungsmilieu muss im Alltag als mobil gekennzeichnet werden, jedoch in einem anderen Sinn als dies auf das Selbstverwirklichungsmilieu zutrifft, wobei Schulze den Grad der Öffentlichkeit als Unterscheidungskriterium nennt. Das Unterhaltungsmilieu tappt demnach in „Angebotsfallen“, und verschwindet durch seine Präferenz für Videotheken und Fitnessstudios von der öffentlichen Bildfläche. Eine Ausnahme hierzu bilden lediglich aufmerksamkeitsträchtige Randgruppen wie Fußballfans, Skinheads und Arbeitslose, die das Milieu ins öffentliche Licht rücken. Als Kennzeichen milieuspezifischer Mobilität nennt Schulze ferner einen rasanten Fahrstil und eine Vorliebe für getunte Autos. In alltagsästhetischer Hinsicht bevorzugen die Milieuangehörigen die Übernahme stilistischer Vorgaben. Ihr undifferenziert anmutender Konsum, gepaart mit einer Aversion gegen allzu Kompliziertes, macht sie dabei zum bevorzugten Ziel der Kulturkritik. Die existentielle Problemdefinition des Milieus ist die der Stimulation; charakterlich sind die Milieuangehörigen eher verschlossen und misstrauisch. Es herrscht ebenso ein Ich-Welt Bezug vor, der allerdings im Hier und Jetzt lokalisiert ist und keine langfristige Persönlichkeitsperfektion anstrebt wie es im Selbstverwirklichungsmilieu der Fall ist. Mit diesem teilt das Unterhaltungsmilieu jedoch den Drang nach Neuem. Auf politischer Ebene herrscht zumindest Sympathie mit den neueren politischen Bewegungen wenn diese en vogue sind. In alltagsästhetischer Hinsicht nennt Schulze das Erlebnisparadigma „Miami Beach“ als Leitbild. Weiterhin auffällig ist die im Unterhaltungsmilieu am stärksten ausgeprägte Affinität zur Sportszene. Darüber hinaus lieben die Milieuangehörigen aber auch den Zeitvertreib mit Unterhaltungselektronik. Bei der Mediennutzung fällt die Neigung zu Boulevardformaten (BILD, Fernsehsendungen) und sonstigen Formen der Triviallektüre auf, so dass hier eine starke Annäherung an das Trivialschema besteht. Die objektive Realität interessiert die Unterhaltungsliebenden kaum. Hinsichtlich ihrer Lebenssituation zeichnet sich im Unterhaltungsmilieu ein starker Trend zur Lebensformkonsolidierung ab der sich in frühem Zusammenleben und Heiraten manifestiert.

3.8 Abgeleitete Thesen

Nachdem ich hier Schulzes Theorie vorgestellt habe, lassen sich daraus folgenden Thesen bezüglich der Motive des Mitfahrens respektive der Milieuzugehörigkeit der MitfahrerInnen ableiten.

Hinsichtlich der Motive des Mitfahrens lässt sich fragen, inwiefern hier eine Erlebnisorientierung vorliegen könnte bzw. das Mitfahren Erlebnischarakter besitzt. Schulze selbst bedient sich in seinem Buch immer wieder Beispielen aus dem Bereich der Verkehrs und betont die seiner Sicht nach darin enthaltenen innenorientierten Momente gegenüber den außenorientierten Transportabsichten. Da sich alltagsästhetische Episoden als kleinste Analyseneinheiten des Erlebens jedoch insbesondere durch ihre Wahlfreiheit charakterisieren, scheint hierin für mich der Hauptgrund zu liegen, weswegen das Mitfahren nicht oder nur bedingt als Erlebnis aufgefasst wird. Wenn wie in den Printmedien berichtet, MitfahrerInnen Internetmitfahrgelegenheiten vor allem aus dem Motiv des Geldsparens heraus nutzen ist damit bereits ein wesentliches außenorientiertes Motiv (es sei denn, MitfahrerInnen verbinden mit Sparsamkeit ein schönes Gefühl) benannt, dass gegen eine Erlebnisorientierung spricht. Auch unterliegen MitfahrerInnen wenn es ihnen nur ums Geldsparen geht einem relativen Zwang, Internetmitfahrgelegenheiten zu nutzen, da es nur wenige andere Alternativen dazu gibt (z.B. das Trampen) was gegen das von Schulze aufgestellte Gebot der Wahlfreiheit von alltagsästhetischen Episoden verstößt. Allerdings schließt das Vorliegen ökonomischer Motive eine Erlebnisorientierung theoretisch nicht aus, da diese als Motiv ja auch zusätzlich vorliegen könnte und bislang in der Mediendarstellung nur vernachlässigt wurde. Als Erlebnisorientierung im Hinblick auf das Mitfahren käme meines Erachtens bspw. in Frage: ein interessantes Gespräch führen, neue Leute kennen lernen, der Umwelt was Gutes tun und mich dadurch moralisch besser zu fühlen, die Fahrt genießen (Landschaft, Geschwindigkeit). Sofern diese Motive vorliegen, könnte die Wahl einer Internetmitfahrgelegenheit also durchaus aus einer Erlebnisorientierung heraus erfolgen, doch müssen auch hier Abstriche gemacht werden: Potentielle MitfahrerInnen wissen nicht wirklich, mit wem sie das Gespräch führen werden, das sich möglicherweise als langweilend herausstellt; das Erlebnis einer guten Tat für die Umwelt könnte durch ungeahnten Stau oder den Fahrzeugtyp (bspw. den getunten Opel Kadett) zerstört werden und auch das Fahrtgefühl könnte etwa durch den Fahrstil (zu langsam, zu schnell oder schlecht) ebenso an Gefallen einbüßen. Dies berücksichtigend erscheint mir am ehesten noch das Motiv des Kennenlernens neuer Leute und das Fahrtgefühl als Erlebnismotiv denkbar, da Umwelteinstellungen meines Erachtens um den Status eines Erlebnisses zu erreichen stark von ihrer bestätigenden Beobachtung abhängen und das Auto als solches eher weniger ein Symbol für Umweltfreundlichkeit darstellt. Ferner könnte sich auch der Anlass der Nutzung auf die Empfindung des Mitfahrens niederschlagen: MitfahrerInnen die Internetmitfahrgelegenheiten gelegentlich nutzen, um ein schönes und einmaliges Wochenende bei Freunden oder Eltern zu verbringen oder einen Kurzurlaub zu machen, werden ihre Vorfreude möglicherweise auch auf die Fahrt projizieren und diese so mehr genießen. Anders hingegen könnte es aussehen, wenn eine Person auf die Internetmitfahrgelegenheiten gezwungenermaßen aus beruflichen oder/und partnerschaftlichen/familiären Gründen angewiesen ist und unter dem Spagat eigentlich leidet.

Es bleiben die alten erlebnisorientierten Motive des Trampens wie „Überraschung“ und „Spannung“, die Internetmitfahrgelegenheiten durch deren hohen Organisationsgrad und deren nüchterner Darstellung in der Presse ebenso wenig als erste Wahl erscheinen lassen. Einen großen Anteil des Gefühls der Spannung verdankte das Mitfahren damals schließlich auch der relativen Neuheit und Seltenheit des Automobils, das inzwischen der Gewöhnung gewichen ist, es sei denn natürlich eine Person sucht sich ihr eigenes Auto mit entsprechendem Design etc. heraus aber das bedarf einer Wahlfreiheit, über die MitfahrerInnen meist nicht verfügen da in vielen Fällen nur ein Fahrtangebot zur Auswahl steht und die erlebnisrelevanten Parameter wie schon beschrieben (also Leute an Bord, Musik, Autotyp etc.) nicht bekannt sind. Dennoch lässt sich hier mithilfe des Konzepts der fundamentalen Semantik eine Hypothese über die Zugehörigkeit der MitfahrerInnen zu einem der beiden infrage kommenden Milieus vornehmen (ungeachtet dessen, ob es sich bei der Nutzung von Mitfahrgelegenheiten nun um einen Bereich der Alltagsästhetik handelt oder ein reines Mittel zum Zweck). Als Handlung ist das Mitfahren sicher eher im Rahmen eines spontanen Handlungsstil zu sehen aufgrund der vielen offenen Variablen (mit wem fahre ich, wo treffen wir uns etc.), obwohl der Grad der Spontaneität wie es das Trampen besitzt natürlich bei weitem nicht erreicht wird. Spontaneität als Handlungsstil scheidet ältere Milieus aus. Für diese Altersgrenze spricht nicht zuletzt die Tatsache, dass immer noch lediglich 54% der Deutschen über 14 Jahren InternetnutzerInnen sind; vor allem Personen ab 50 Jahren nutzen das Internet mehrheitlich (noch) nicht, so dass das Internet bis dato zutreffend als „junges (interaktives) Medium“ beschrieben werden kann; am längsten im Netz sind dabei die 20-29 Jährigen. Während in den Anfangsjahren der Internetnutzung dieses vor allem überdurchschnittlich Gebildeten vorbehalten war, hat inzwischen aufgrund bildungspolitischer Initiativen eine Nivellierung zumindest bei der jüngsten Nutzungsgruppe der 14 bis 19jährigen stattgefunden (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2003) so dass hier zumindest Bildung nicht mehr einen Exklusionsfaktor darstellt.

Den hinter dem Mitfahren stehenden Denkstil kann man wohl zumindest nicht als unterkomplex vermuten, da hier ein gewisses sich Einlassen mit einer relativ unbekannten Mobilitätsform und neuen Informationen gefordert ist, was dem dargelegten einfachen Denkstil widerstreben müsste. Eine komplexe und spontane psychophysische Semantik charakterisiert aber das Selbstverwirklichungsmilieu. Für die Zugehörigkeit der MitfahrerInnen zu diesem Milieu sprechen nach allem was wir aus Kapitel 2 wissen ferner die besondere Nähe des Selbstverwirklichungsmilieus zur Alternativ-, Friedens- und Ökologiebewegung, dessen hohes Maß an Offenheit und Vertrauen und die Tatsache, dass es das Milieu mit den meisten Personen in Ausbildung und sozialen Berufen ist. Auch lässt sich das Unterhaltungsmilieu als alternatives junges Milieu aufgrund seiner Vorliebe für Autos und seiner Tendenz zur früheren biographischen Konsolidierung (und dem daraus resultierenden früheren Erwerbseinstieg der ein Auto bezahlbar macht), der allgemein niedrigeren Mobilität und den geringeren Werten an Vertrauen gegenüber dem Selbstverwirklichungsmilieu eher ausschließen.

Festzuhalten für die weitere Untersuchung bleibt also, dass wir die MitfahrerInnen dominant im Selbstverwirklichungsmilieu vermuten und das Erlebnismotiv bei Mitfahrgelegenheiten keine wesentliche Rolle spielt.

4. Theorieteil II. : Motive als Determinanten rationalen Wahlverhaltens

4.1. Rational Choice - Skizzierung eines Theorieansatzes

Hinter „Rational Choice“ respektive der Theorie rationalen Handelns verbirgt sich ein breites Spektrum an Subtheorien. Im Folgenden soll, bevor ich das für die Arbeit gewählte Diskriminationsmodell von Siegwart Lindenberg näher beleuchte, zunächst der Kern des Ansatzes vorgestellt werden. Als Orientierung dient dabei die sehr prägnante und verständliche Zusammenfassung von Lüdemann (vgl. ebd. 1997, S. 10 ff.).

Der Rational Choice Ansatz verfügt demnach über eine methodologische Grundannahme, dem Postulat des methodologischen Individualismus. Damit geht er davon aus, dass alle sozialen Erscheinungen, also sowohl Handlungen als auch soziale Strukturen und Eigentumsverhältnisse, vollständig auf das Handeln individueller Akteure zurückgeführt werden können. Unabhängig von den Unterschieden innerhalb der Subtheorien kristallisieren sich dabei drei theoretische Kernannahmen heraus:

1. Menschen handeln zielorientiert auf der Basis von Präferenzen. Mit Präferenzen sind insbesondere Motive, Wünsche und Bedürfnisse gemeint.
2. Möglichkeiten und Restriktionen bedingen das menschliche Handeln. In Korrespondenz dazu ist auch von Nutzen und Kosten die Rede, von Anreizen und Opportunitäten.
3. Akteure handeln stets nutzenmaximierend und versuchen ihre Präferenzen in höchstmöglichem Maß zu realisieren.

Die Unterschiede innerhalb der Theorieströmungen werden dabei in den Zusatzannahmen der Subtheorien ersichtlich. So meint die Rational Choice Variante der neoklassischen Mikroökonomie, dass Akteure stets egoistisch handeln und entscheiden, was insbesondere seitens der Soziologie und Psychologie auf Ablehnung stößt, da damit altruistisches Handeln zum Wohle anderer systematisch ausgeschlossen würde. Letzten Endes sind die vermeintlichen Unterschiede aber eher Resultat sprachlicher Missverständnisse[41], denn Egoismus kann schließlich auch durchaus Handeln bewirken, von dem andere ebenso profitieren (man denke an den kategorischen Imperativ).

Aufgelöst wird diese vordergründige Unstimmigkeit durch die Annahme der Existenz von (allgemeinen) Meta-Präferenzen respektive Präferenzen zweiter Ordnung. Meta-Präferenzen können hier sowohl inhaltliche Präferenzen als auch Arten von Präferenzen meinen. Die folgenreichste Metapräferenz des Menschen dürfte dabei die Bevorzugung kurzfristiger positiver Folgen gegenüber langfristiger positiver Folgen sein. Da es auch eine Metapräferenz „soziale Anerkennung“ gibt erklärt diese dann auch, warum das Helfen einer anderen Person aus eigenem Interesse heraus geschieht, ohne dass hier gleich das Wortgeschütz „egoistisch“ aufgefahren werden müsste.

Darüber hinaus konzentriert sich die neoklassische Ökonomie weitgehend auf harte Anreize und Restriktionen, das heißt extern gelagerte monetäre und materielle Faktoren und lässt andere, sogenannte weiche Faktoren wie z.B. Normen oder Einstellungen die aus der gesellschaftlichen Sozialstruktur resultieren (vgl. Lüdemann, S.12:,, eine bestimmte Macht- und Kommunikationsstruktur“) und SoziologInnen interessieren außer Acht. In Erweiterung des Theorieparadigmas sind ferner in zunehmende Maß auch subjektive, relativ ideosynkratische Restriktionen berücksichtigt worden: hierzu lassen sich verinnerlichte Normen und Kenntnisse rechnen. Eine differenzierte Betrachtung der Kosten und Nutzen unterscheidet darüber hinaus zwischen dem im Rahmen von Entscheidungsverhalten anfallenden Transaktionsaufwand als auch damit verbundenen Opportunitäten die sowohl als Kosten oder Nutzen empfunden werden können.

Weiterhin gibt es Unterscheidungen hinsichtlich der Annahmen über die Informiertheit der Akteure : Sind diese voll im Bild über Alternativen und Konsequenzen ihres Handelns, davon gehen die VertreterInnen des neoökonomischen Ansatzes aus, oder doch eher, davon gehen SoziologInnen aus, mehr schlecht als recht informiert? Eine wichtige Erweiterung des Rational Choice Ansatzes stellt darüber hinaus die Überlegung dar, ob sich Menschen nur so verhalten, als ob sie rational handelten, oder dies tatsächlich kalkuliert und bewusst tun. Die zahlreichen Anomalien, die man der Rational Choice Theorie bislang nachweisen konnte, sprechen dafür, dass es mit der Rationalität der Akteure in der Tat nicht allzu weit her ist. Wie Herbert Simon gezeigt hat, ist diese „bounded rationality“ die statt einer Maximierung des Nutzens nach einem suboptimalen „satisificing“ strebt, aber oftmals wieder in die theoretischen Grundannahmen rückführbar indem davon ausgegangen wird, dass unter dem Strich das „satisficing“, bei dem keine allzu hohen Denkkosten anfallen, ja sogar oft automatisch ohne erneute Nutzenabwägung gehandelt wird, rationaler da kostengünstiger ist.

4.2 Lindenbergs Diskriminationsmodell der stochastischen Wahl

Dieses Modell, dessen Gültigkeit nach Angaben seines Begründers schon in empirischen Tests bestätigt werden konnte (vgl. Lindenberg 1990), geht davon aus, dass Akteure nur über begrenzte kognitive Kapazitäten verfügen. Dieser bounded rationality trägt Lindenberg Rechnung indem er annimmt, dass es in Entscheidungssituationen immer nur einen Maximanden, d.h. ein dominantes Ziel[42] gibt, welches Teil eines Frames ist der in der Entscheidungssituation aktiviert wird und in dem darüberhinaus auch sogenannte „Zielkriterien“ enthalten sind. Der zentrale Stellenwert von jeweils nur einem Ziel pro Frame ist es auch, der das Modell als soziologisches von anderen eher psychologischen Rational Choice Varianten wie der Prospect Theory[43] von Kahneman und Tversky unterscheidet wie Lindenberg betont:

„Due to this feature, it is possible to show that framing effects are not so idiosyncratic as they appeared in prospect theory and that the definition of the situation (sociology) and rational choice (economics) are closely intertwined.” (Lindenberg, S. 190)

Nachdem in einer Entscheidungssituation also ein sozial bestimmter Frame aktiviert wurde überprüfen Akteure sämtliche sich ihnen darstellende Alternativen auf ihren (transitiven) Nutzen bzgl. des Maximanden hin und bewerten sie durch Zuweisung von Wahrscheinlichkeiten zwischen 0 und 1 hinsichtlich ihres Nutzens zur Erfüllung des dominanten Zieles. Damit ist aber noch nicht die endgültige Wahrscheinlichkeit der Wahl einer bestimmten Alternative determiniert. Diese hängt zusätzlich vom Grad der Diskriminierung zwischen den einzelnen Alternativen ab, der von zwei Bedingungen abhängt:

a. der Größe des Nutzenunterschieds einer Alternative gi zum DurchschnittsnutzenU0

b. der Empfindlichkeit des Individuums für diesen Nutzensunterschied

Während a. also Ergebnis einer rationalen Nutzenbewertung ist drückt sich die „Empfindlichkeit“ (b.) in einem Faktor aus, den Lindenberg als situationale Salienz (β) des Maximanden bezeichnet und mit dem der subjektive Nutzen des Maximanden in einem weiteren Schritt gewichtet wird. Lindenberg spricht auch von einer Art Grenznutzen des Maximanden. Diese Salienz wiederum wird -sehr wage- als Funktion der situationalen Hintergrundsaspekte bestimmt:

β = f (Hintergrundaspekte X1, X2, …Xn)

( Hier kommen nun also neben weiterer Ziele auch negative, unerwünschte Folgen ins Spiel, nachdem das Diskriminationsmodell explizit nur einem Maximanden im Sinn eines dominanten Zieles Beachtung schenkt). Die Größe der Salienz drückt aus, inwieweit der Nutzen einer Alternative durch Hintergrundsaspekte noch verstärkt oder abgeschwächt wird und liegt (wie übrigens alle anderen Modellvariablen) im Wertebereich von 0 bis 1. Insgesamt lässt sich somit also sagen, dass andere Folgen zwar nicht die Bewertung der Alternativen hinsichtlich ihres Nutzen beeinflussen, sehr wohl aber die Wahrscheinlichkeit der letztendlichen Wahl einer Alternative indem sie als unspezifische, unterbewusste Empfindlichkeit, als Salienz aus dem Hintergrund heraus wirken. Die endgültige Modellgleichung für die Wahrscheinlichkeit der Wahl einer Handlungsalternative lautet dann:

P= β × (gi-U0) + 1/n

(Eine Demonstration der Logik der Modellgleichung mit unterschiedlichen Parameterausprägungen findet sich bei Lüdemann 1997 S. 114ff.; so kann z.B. auch bei einer großen Nutzendifferenz zwischen einzelnen Alternativen dennoch Nichtdiskrimination vorliegen wenn die Salienz β=0 ist => P= 0,5 für alle Alternativen).

Anders als z.B. bei der sogenannten Werterwartungstheorie[44], die als Modellannahme die perfekte Informiertheit der Akteure setzt und diese daher immer die Alternative mit dem höchsten Nutzen wählen werden, gibt das Diskriminationsmodell nur Wahl- wahrscheinlichkeiten an, ohne dass ein Wert nahe eins automatisch zur Wahl der betreffenden Alternative führen müsste. Schließlich beinhaltet das Diskriminationsmodell auch noch einen vierten Schritt, der eine Art Evaluation des Frames darstellt, der Wahl einer Handlungsalternative aber eigentlich erst nachgeschaltet ist. Der Frame wird auf seinen Nutzen hin bewertet und, sofern seine Diskriminationskraft so niedrig ist, dass sie keine ausreichende Diskriminierung zwischen den Handlungsalternativen ermöglicht, durch einen neuen Frame ersetzt, das heißt ein bisheriger Hintergrundsaspekt wird zum neuen Maximanden. Dabei ist es nach Aussage Lindenbergs der dominante Hintergrundaspekt, der nun das neue Handlungsziel stellt, und unter dessen negativer Einwirkung bereits die Salienz des alten Frames am meisten gelitten hatte. Als Beispiel für einen solchen Wechsel des Frames führt Lindenberg einen Freund an, der zunächst gemäß dem Frame „ein guter Freund sein“ handelt der unter anderem Zielkriterien wie „einem Freund in Not helfen“ beinhaltet. Wenn nun aber der andere Freund immer mehr Hilfe benötigt, weil er z.B. eine Depression bekommt, fallen für den helfenden Freund immer mehr Kosten an; er hilft aber noch ohne zu murren bis irgendwann die Kosten für die Hilfe die aus dem Hintergrund wirken die Salienz so weit haben sinken lassen, dass der Frame gewechselt wird und fortan die Kosten für die Hilfe zum Oberziel des neuen Frames werden das da heißen könnte: “Minimierung aller weiteren Kosten im Hinblick auf meinen (ehemaligen) Freund.“

Um das Diskriminationsmodell theoretisch zu erweitern hat Lindenberg zusätzlich eine Theorie der bereits vorgestellten aber bislang obskur gebliebenen „Hintergrundsaspekte“ entwickelt; seine Theorie der sozialen Produktionsfunktionen in Anlehnung an die sozialpsychologischen Arbeiten von Becker und Stigler. Nach Lindenberg dienen die sozialen Produktionsfunktionen der Erfüllung der anthropologischen Grundbedürfnisse, also den seit jeher fundamentalsten Zielen allen menschlichen Handelns bzw. der Erreichung der höchsten Güter des Menschen- man könnte auch von Metapräferenzen sprechen. Lindenberg hat davon drei ausgemacht: Soziale Wertschätzung[45], physisches Wohlbefinden und die Vermeidung von Verlust.[46] Um an diese obersten Ziele zu gelangen müssen Akteure jedoch zunächst weitere instrumentelle Ziele, auch Zwischengüter genannt, verfolgen. Ein solches (primäres) Zwischengut ist z.B. sozialer Status der in unserer Gesellschaft über andere indirekte Zwischengüter wie anerkanntes Wissen oder Wohlstand produziert wird. Diese primären und indirekten Zwischengüter werden daher auch als soziale Produktionsfaktoren bezeichnet und verknüpfen konkrete Ziele und Güter (z.B. hohen Status) über diese Produktionsfaktoren (Einkommen-> luxuriöses Auto-> Status) mit den sozialen Produktionsfunktionen (Soziale Wertschätzung durch Status; physisches Wohlbefinden in dem Auto dessen Federung jedes Schlagloch dämpft). Esser bezeichnet die primären Zwischengüter, die sich ohne Umwege in die fundamentalsten Produktionsfunktionen überführen lassen, auch als Ziele, die indirekten hingegen als Mittel (vgl. ebd. 1999, S. 106).

Während die primären Zwischengüter stärker von Konventionen abhängen obliegen die indirekten Zwischengüter vor allem Knappheiten und relativen Preise. Auch ist nicht jede Produktionsfunktion gleich effizient zur Erlangung eines Gutes ( z.B. dürfte eine schwarze Limousine allgemein mehr sozialen Status generieren als das gleiche Auto in froschgrün). Die sozialen Produktionsfunktionen zur Erreichung der drei menschlichen Oberziele sind demnach nicht ideosynkratisch, variieren aber zwischen verschiedenen sozialen Positionen, Gruppen und Zeiträumen und sind kulturabhängig. So wurde bekanntlich räumliche Mobilität als indirektes Zwischengut Anfang des letzten Jahrhunderts vornehmlich mittels Eisenbahnen produziert, heute hingegen hauptsächlich mit PKWs, was besonders an der Verknappung der Zeit hängen dürfte und der kulturellen Vorherrschaft des Autos. Lindenberg meint, dass in unserer Gesellschaft aufgrund der Bedeutung des Geldes als allgemeines Tauschmittel auf einer vierten, niedrigeren Ebene, auch Einkommen als fundamentale soziale Produktionsfunktion gesehen werden sollte. Aufgrund der Knappheit der Zwischengüter (auch der primären) sollte ferner möglichst immer die simultane Erfüllung von Produktionsfunktionen angestrebt werden, z.B. im Rahmen einer Mitfahrgelegenheit sowohl die Produktion von Geld (durch Einsparung) als auch sozialer Anerkennung durch ein nettes Gespräch in dem sich die Insassen gegenseitig bestätigt fühlen. Insgesamt weist Lindenberg dem Menschen mit seiner Theorie sozialer Produktionsfunktionen die Rolle des vollständigen Eigenproduzenten seines Wohlbefindens zu, so dass dann selbst Achtung oder Freundschaft über ihre Verknüpfung mit Zwischengütern wie Fairness oder Zeit als Eigenproduktionen verstanden werden können.

Die Rezeption des Lindenbergschen Diskriminationsmodells (vgl. Braun, Greve, Lüdemann) hat als dessen Stärke vor allem die Annahme der Selektion eines einzigen Handlungsleitmotivs herausgestellt die sich stark mit unserem Alltagsverständnis von Handlungsrationalität zu decken scheint sowie die in dem Modell enthaltene Erklärung, weshalb Hintergrundsaspekte wie im Fall des Freundes in einer Situation zwar ausgeblendet werden (solange man sich als Freund versteht, denkt man nicht an Kostenminimierung im Hinblick auf die Freundschaft) aber letzten Endes doch die Handlungswahl erklären können wenn es zu einem Wechsel des Frames kommt. Es ist allerdings auch auf reichlich negative Kritik gestoßen: Es heißt, das Diskriminationsmodell unterschätze die kognitiven Kapazitäten des Menschen indem es die Fixierung auf lediglich ein Ziel unterstelle. Braun sieht ferner in der Außengelagertheit der Salienz als Gewichtungsparameter eine Überforderung der menschlichen Rationalität. Darüber hinaus kritisiert er die unklaren Bedingungen für die Geltung eines Frames. Lüdemann findet den Framebegriff, der Goffmansche Assoziationen weckt aber nicht weiter expliziert wird daher begrifflich irreführend. Ebenso kritisiert wird, dass die Modellgleichung negative Werte oder solche größer eins annehmen könne wobei Braun hier mit einem Korrekturvorschlag aufwartet.[47] Meines Erachtens besonders schwerwiegend aber, und hier dürfte auch das Hauptproblem hinsichtlich einer empirischen Überprüfung des Modell liegen, ist die Funktion zur Bestimmung der situationalen Salienz die, wie bereits erwähnt, empirisch sehr unbestimmt bleibt, aufgrund der Allgemeinheit der obersten sozialen Produktionsfunktionen. Darin könnte man auch eine Immunisierung der Theorie sehen da damit jede Verhaltensänderung (jeder Framewechsel) automatisch mit der gesunkenen Salienz erklärt werden kann, da diese ja nicht näher bestimmt ist. Dieses Problem sorgte auch für einen methodologischen Streit zwischen Rational Choice Vertretern in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie in den Jahrgängen 1995 und 1996 in dem die Positionen theoriereiche vs. theoriearme Brückenannahmen einander gegenüberstanden. Brückenannahmen- oder hypothesen sind ein von Esser benutzter Begriff und meinen die in einer konkreten Situation für eine Person geltenden Ziele und deren Bewertung welche die Handlungswahl anleiten.[48] Die Kritik am Modell sozialer Produktionsfunktionen entspinnt sich vor allem an der Allgemeinheit seiner Aussagen, die eine Rekonstruktion der sozialen Produktionsfunktionen in einem konkreten Anwendungsfall sehr schwierig macht. Kelle und Lüdemann fügen dem hinzu, dass die Tendenz zu ideosynkratischen Produktionsfunktionen mit der Heterogenität der Gruppe ferner zunehme. Deshalb könnten soziale Produktionsfunktionen nicht deduktiv gewonnen werden sondern müssten stets explorativ ermittelt werden. Lindenberg musste sich daher auch den Vorwurf gefallen lassen, durch seine theoretische Festlegung der situationalen Ziele und Hintergrundaspekte mittels seiner Theorie der Produktionsfunktionen einer problematischen „Gewohnheitsheuristik des Alltagswissen“ (vgl. Kelle und Lüdemann 1995, S. 245) Vorschub geleistet zu haben. Es bedürfe empirisch ermittelter Brückenannahmen, da die Theorie sonst empirisch leer bleibe. Ebenso wurde Lindenberg vorgehalten, er habe seine Produktionsfunktionen atheoretisch gesetzt und motivationspsychologische Erkenntnisse bei deren Bestimmung nicht ausreichend berücksichtigt (vgl. Opp und Friedrichs).

4.3 Abgeleitete Hypothesen

Angesichts des hauptsächlich in den Zeitungen Erwähnung findenden monetären Motivs ist dies als Maximand bei der Wahl einer Internetmitfahrgelegenheit zu erwarten; ebenso die höhere Bewertung von Internetmitfahrgelegenheiten bei der Erfüllung dieses wichtigsten Zieles gegenüber der Bahn als Alternative (da der Fragebogen sehr kurz gehalten werden soll werden nur die alternativen Nutzenwerte für die Bahn als die am häufigsten in Zeitungsberichten Erwähnung findende Alternative erfragt) .Hingegen können wir die Höhe der Salienz, was allerdings dem Theoriedefizit geschuldet ist, nicht näher bestimmen sondern nur festhalten, dass MitfahrerInnen in Anbetracht unseres ex-ante-post Befragungsdesigns empfindlich für den Nutzenunterschied in Hinblick auf ihr angegebenes dominantes Ziel gewesen sein mussten, sonst hätten sie keine Wahlentscheidung zugunsten einer Internetmitfahrgelegenheit treffen können. Von einer kompletten empirischen Überprüfung des Diskriminationsmodells kann also keine Rede sein; es ist aber immerhin die Überprüfung der Prämisse des Vorliegens einer Nutzendifferenz sowie nur eines Zieles in Entscheidungssituationen möglich.

4.4 Der Einfluss des Umweltbewusstseins auf die Handlungswahl

Gemäß soziologischer Rational-Choice Varianten lässt sich Umweltbewusstsein nicht nur durch ökonomische Anreize, sondern auch durch weiche intrinsische und externe soziale Faktoren erklären. Dabei ist umweltfreundliches Verhalten in sogenannten „Low-Cost“ respektive Niedrigkostensituationen am wahrscheinlichsten, da dann soziale Anreize und Umweltbewusstsein am stärksten wirken.

„Eine solche Situation liegt bezüglich des Umwelthandelns vor, wenn die Kosten der weniger umweltfreundlichen Alternative minus der Kosten der umweltfreundlichen Alternative für möglichst viele Personen negativ, aber nahe null sind.“ (Diekmann 1996, S.111)

Ferner ist auch die Sichtbarkeit des Umweltverhaltens von Belang und beeinflusst dieses positiv (vgl. Diekmann 1996, S. 111). In genau umgekehrten High-Cost Situationen, in denen die Nutzendifferenz der Alternativen beträchtlich ist, ist hingegen das Gegenteil zu erwarten; dann nämlich kommen vor allem materielle Faktoren zum Tragen (Ausnahmen wie Duelle bestätigen lediglich die Regel).

Erwähnenswert sind im Hinblick auf intrinsische Motive wie das Umweltbewusstsein (und auch Solidarität, siehe noch Kapitel 8) auch sogenannte „Crowding“ Effekte- dies sind Interaktionseffekte zwischen externen und intrinsischen Anreizen. „Crowding In“ meint demnach, dass durch externe Anreize, z.B. monetärer Art, auch die intrinsische Motivation steigt; dies aber nur, wenn die externen Anreize mit einer Erhöhung der Selbstbestimmung- und Selbsteinschätzung einhergehen- erniedrigen sie diese hingegen erfolgt ein „Crowding Out“ Effekt im Sinn einer Eliminierung der intrinsischen Motive (vgl. ebd. S. 104). Für den Bereich der Verkehrsmittelwahl gilt nun, dass es sich hier meist um High-Cost-Situationen handelt auch wenn Preisendörfer feststellt, dass im Bereich der Freizeitmobilität aufgrund der dort größeren Wahlfreiheit und geringeren Zwänge z.B. im Vergleich zum Berufsverkehr in schwachem Grad Umweltbewusstsein eine Wirkung zeigt (vgl. ebd. 1998). Bei den Internetmitfahrgelegenheiten dürfte es sich prinzipiell jedoch eher um eine High-Cost Situation handeln wenn wir davon ausgehen, dass die meisten MitfahrerInnen noch nicht berufstätig sind und aufgrund ihres geringeren Einkommens sehr sensibel für die Nutzendifferenz gegenüber z.B. des Bahnpreises sind. Insofern Internetmitfahrgelegenheiten bevorzugt der Freizeitmobilität dienen (z.B. für Kurztrips) könnte das Umweltbewusstsein dennoch etwas zum Tragen kommen; dies kann aber erst explorativ durch Bestimmung der Nutzungsgründe in der Befragung erschlossen werden. In Hinblick auf die Sichtbarkeit von umweltfreundlichem Handeln scheinen mir Internetmitfahrgelegenheiten, anders als wenn eine Person täglich in ihrer WG immer säuberlich den Müll trennt, eher unsichtbar zumal Autofahrten per se nicht gerade zu Assoziationen mit Umweltschutz führen. Schließlich sind „Crowding In“ Effekte in Sinn einer Induzierung von Umweltbewusstsein zu erwarten falls die MitfahrerInnen Internetmitfahrgelegenheiten als egalitäre, zwangfreie Kooperation erfahren, und damit positive Erlebnisse wie z.B. ein nettes Gespräch etc. verbinden.

5. Die Erhebung der Daten der MitfahrerInnen

5.1. Zum Untersuchungsdesign

Als Erhebungsform der zur Beantwortung der untersuchungsleitenden Fragen nötigen empirischen Daten wurde eine standardisierte Befragung gewählt gleichwohl auch ein qualitatives Design zur Ermittlung der Beweggründe der MitfahrerInnen attraktiv erschien, nicht jedoch um ein näherungsweise repräsentatives Bild über die Mitfahrenden zu bekommen wie es durch quantitative Erhebungsmethoden als möglich gilt. Dabei stellten sich jedoch mit der Erreichbarkeit der MitfahrerInnen und der Bestimmung einer Grundgesamtheit zwei nicht zu unterschätzende Probleme. Das Erreichbarkeitsproblem resultierte dabei aus der bereits erwähnten Tatsache, dass die Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten insbesondere seitens der MitfahrerInnen zumeist nicht mit der Schaltung einer Anzeige einhergeht und dass diejenigen MitfahrerInnen, die selbst ein Gesuch unter Angabe ihrer Telefonnummer und

E-Mail aufgeben, kaum repräsentativ für die Gesamtheit der MitfahrerInnen sein dürften. Es musste also ein anderer Weg gefunden werden, um an die MitfahrerInnen heranzutreten, die einzig in der konkreten Mitfahrsituation als solche in ihrer Gesamtheit in Erscheinung treten.

Als Lösung des Erreichbarkeitsproblems bot sich daher die Möglichkeit an, indirekt über eine Kontaktaufnahme mit FahrtanbieterInnen und deren Inanspruchnahme als ÜbermittlerInnen der Fragebögen die MitfahrerInnen zu befragen sowie folglich die Stichprobe aus den Fahrtangeboten zu ziehen.[49] Das Problem der Bestimmung einer Grundgesamtheit resultierte daneben vor allem aus dem Fehlen einer vollständigen Liste aller Fahrtangebote zu einem bestimmten Zeitpunkt x und der Umständlichkeit der Selbsterstellung einer solchen. Da sich jedoch alle Fahrten von einem bestimmten Abfahrtort zu einem bestimmten Datum einsehen lassen wurde als pragmatische Lösung die Auswahl von zwei Städten- Frankfurt am Main und Leipzig- an den jeweils am stärksten frequentierten Wochentagen (Freitag und Sonntag) beschlossen und aufgrund vermuteter Unterschiede in Anlässen und Motiven internationale Fahrten ausgeschlossen.[50] Die Auswahl der Fahrtangebote respektive den zu kontaktierenden FahrerInnen erfolgte per systematischer Nummernauswahl im Februar 2004[51].

Zunächst wurde versucht, FahrerInnen mit aktuellem Fahrtangebot per Zusendung eines E-Mail Fragebogens zur Weiterleitung an ihre MitfahrerInnen zu motivieren. Dieser Versuch schlug gründlich fehl - nicht einmal ablehnende Rückantworten gab es. Aufgrund dieses Resultates wurde daher der Entschluss gefällt, telefonisch persönlichen Kontakt mit den FahrerInnen aufzunehmen und so die Anonymität der elektronischen Kontaktierung aufzubrechen. Ferner wurde die Verwendung eines Papierfragebogens beschlossen, den zur Teilnahme an der Befragung bereite FahrerInnen auf der von ihnen angebotenen Fahrt an die MitfahrerInnen in ihrem Auto austeilen und abschließend in einem rückfrankierten Umschlag zurücksenden sollten. Auf diese Weise wurden an 47 FahrerInnen durchschnittlich drei Fragebögen geschickt. Der Rücklauf betrug dabei trotz der telefonischen Zusagen der FahrerInnen und trotz der schriftlichen Bitte um Rücksendung auch nicht ausgefüllter Fragebögen nur 75%.[52] Infolgedessen wurden, um die angestrebte Stichprobengröße von 150 Personen zu erfüllen, noch 19 MitfahrerInnen mit eigenem Gesuch ausgewählt, angerufen, und diesen eine E-Mail Version des Fragebogens zugesandt[53] ; weitere sechs Befragte waren beliebige, von der Autorin ausgewählte studentische MitfahrerInnen.

5.1. Zur Operationalisierung der theoriegeleiteten Hypothesen

“Das Problem der Operationalisierung (Frageformulierung, Skalierung, Gewichtung) erscheint uns deshalb für das Modell rationalen Handelns so wichtig, weil hieran deutlich wird, welchen Entscheidungsprozeß die rational-choice Theorie bei den Individuen unterstellt.” (Friedrichs et al, S. 13)

In der Tat gründeten die Probleme der Operationalisierbarkeit im Rahmen der Befragung vor allem in der Schwierigkeit der empirischen Umsetzung des Diskriminationsmodells.

Konsultiert man die Literatur zur empirischen Überprüfung von Rational Choice in der Soziologie bietet sich zunächst ein wahrlich trostloses und widersprüchliches Bild: Einerseits wird die Unmöglichkeit des Unterfangens beklagt; andererseits der Mangel an empirischen Überprüfungen der Theoreme des Paradigmas (vgl. z.B. Kunz 1996). Dass die Rational-Choice Theorie bislang vorwiegend instrumentalistisch zur Modellanalyse gebraucht wird lässt sie mehr als andere „theoretische“ Theorien in ihrem wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt problematisch erscheinen, laden ihr individualistischer Ansatz und die mathematische Präzision der Modellannahmen doch geradezu zu einer Überprüfung ein. Als Argumente gegen eine Anwendung von Rational Choice wird vor allem das des Psychologismus genannt, ferner die aus Unwissenheit resultierende Behauptung, so würden doch nur ökonomische Motive in den Blickwinkel geraten. Es gibt aber auch fundiertere Kritik; z.B. Greve, der zweifelt dass man zweckrationale und wertrationale Motive innerhalb eines Modells miteinander vergleichen könne (beispielsweise Befragte auf einer Likert-Skala die Ziele billig und Umweltschutz innerhalb derselben Frage nach ihrer Wichtigkeit bewerten lässt[54] ). Die Operationalisierung wird ferner schwierig, wenn sehr viele Alternativen zur Verfügung stehen (wenn man z.B. eine Bücher liebende Person vor ihrem Bücherregal nach ihrem Lieblingsbuch fragen würde und für alle Bücher Nutzenwerte erheben müsste). In vielen natürlichen Situationen ist die Anwendung von Rational Choice Theorien also durchaus problematisch. Für eine Bestimmung der mathematischen Nutzenfunktionen bräuchte es eigentlich Experimente, die das Rational Choice Modell zeitlich dynamisieren könnten, beispielsweise die Variablenparameter (Nutzenwerte insbesondere) solange variiert würden um den Grenznutzen einzelner Variablen zu bestimmen. Ähnlich gelagert da sich an der Statik respektive fehlenden zeilichen Dynamisierung der Modellüberprüfungen festmachend ist die Kritik von Friedrichs et al die auf die Verfälschbarkeit von Ergebnissen hinweisen je nachdem ob man Alternativen simultan oder sequenziell den Befragten vorlegt. (vgl. ebd. 1993) An diesem Punkt lässt sich nun auch erklären, warum dem Diskriminationsmodell der Vorzug gegenüber anderen, komplexeren Rational Choice Varianten wie der soziologischen Werterwartungstheorie gegeben wurde: sein Vorteil ist, dass es sich angesichts der Konzentration auf ein Ziel (im Sinn einer positiven Folge) ohne riesige Fragebatterien überprüfen lässt. Für die Operationalisierung diente Christian Lüdemanns Habilschrift als Vorlage. Aufgrund dieser Schwierigkeiten und des Mangels an beispielhaften Operationalisierungen erfolgte daher eine recht orthodoxe Orientierung an Lüdemanns Anwendung des Diskriminationsmodells (er befragte damit Personen zu ihrer Verkehrsmittelwahl bei ihrem letzten vorangegangenen Besuch in der Bremer Innenstadt).

Als Fragen zur Erhebung der Modellvariablen benutzte Lüdemann dabei: Jeweils eine Frage zur ausgeführten Handlung (die sich bei den MitfahrerInnen jedoch erübrigte), den wahrgenommen Handlungsalternativen (also alternativen Verkehrsmitteln), zu den Handlungszielen (im Sinn von Präferenzen wie Schnelligkeit, Bequemlichkeit) die die Personen dabei realisieren wollten. Ferner versuchte Lüdemann sogar eine eigene Operationalisierung der Salienz, indem er die Befragten sämtliche ihrer Handlungsziele auf einer Likert-Skala nach ihrer Wichtigkeit bewerten ließ um später aus den sekundären Zielen (= Hintergrundzielen) die Salienz zu errechnen.[55] Schließlich wurden die Nutzenwahrscheinlichkeiten der einzelnen Alternativen hinsichtlich des Maximanden mit einer Frage im Stil von „Wie gut wird ihr wichtigstes Ziel z1 von der Bahn erfüllt…“ erhoben.

Die Erhebung der Variablen des Diskriminationsmodells erfolgt im Rahmen der vorliegenden Befragung also retrospektiv, ergibt jedoch keine tautologische Ex-post Erklärung im Sinn einer nachträglichen Rationalisierung des eigenen Verhaltens durch die Befragten da sämtliche Fragen ausdrücklich nach den Überlegungen vor der Entscheidung fragten („An welche Alternativen haben Sie, bevor sie sich entschieden haben, gedacht…?“)[56]

Für die Operationalisierung des alltagsästhetischen Milieumodells wurden die Fragen mehrheitlich von Schulze übernommen (eine Frage nach Lesepräferenzen und Fragen nach dem Interesse an Abwechslung) um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten sowie drei eigene Fragen, die einer Überprüfung eines spontanen Handlungsstils im Sinn des Spannungsschema und einiger Elemente der Trampideologie dienen sollten, hinzugefügt.

Bei der nachfolgenden Darstellung und Auswertung der Daten wurden ferner parallel zur den Hypothesentests explorativ weitere zum Teil schon in der Theoriedarstellung als Thesen enthaltene statistische Überprüfungen durchgeführt im Hinblick auf die sozial besonders wichtig erscheinenden Einflussgrößen Alter, Bildung, Einkommen, Milieu und Geschlecht. Dahinter stand der Gedanke, ein möglichst umfassendes Bild der Hintergründe des Mitfahrens zu entwerfen und die Daten in möglichst hohem Maß auszuwerten.

5.2. Erläuterung der Fragen im Fragebogen

Fragen 1, 2 und 3: Fragen zur Überprüfung der milieuspezifischen Alltagsästhetik und Feststellung der Stilpräferenzen der MitfahrerInnen

Frage 1 „Verschiedene Einstellungen“:

Item 1 und 4 erfassen den Wunsch nach Spannung und Abwechslung und wurden aus einer Itemskala von Schulze übernommen. Die selbst formulierten Items 5, 8 und 9 sollen einen spontanen Handlungsstil im Sinn des Spannungsschemas erfassen. Die Items 5, 8 und 9 können ferner als Überprüfung einiger der typischen im ersten Kapitel herausgefilterten Elemente der Trampideologie gesehen werden, nämlich Anarchismus, Risikofreude und Lebensplanlosigkeit. Die Items 6 und 7 wurden von Preisendörfer übernommen und erfassen einmal eine emotive, einmal eine konative Dimension des Umweltbewusstseins (vgl. ebd. 1998, S.445).

Frage 2 „Lektürepräferenzen“: von Schulze mit leichten Abänderungen übernommene Itemskala (vgl. ebd. S.597).

Frage 3 „Lieblingsurlaub“: befasst sich mit der Urlaubsmobilität um zu überprüfen, ob das Mobilitätsverhalten in diesem Bereich stilspezifisch ist und darin Homologien zum Mitfahren aufweist (vgl. auch Gunnar Otte 2000).

Fragen 4,5,6,7,8,9: Fragen zur Überprüfung des Diskriminationsmodells

Frage 4 „Nutzungshäufigkeit“: Diese Frage soll ermitteln, ob das Mitfahren regelmäßig praktiziert wird und Häufigkeit und schlechte Erfahrungen zusammenhängen; ferner lassen sich aus ihr Ableitungen über die solidarisierende Wirkung des Mitfahrens treffen.

Frage 5 „Fahrtgrund“: will den Anlass/Endzweck des Mitfahrens erfassen um die Art von Mobilität, die Mitfahrgelegenheiten ermöglichen, festzustellen (z.B. Freizeitmobilität oder Pendeln).

Frage 6 „Alternativen“: Erfasst werden hier wahrgenommene Alternativen zur Nutzung einer Internetmitfahrgelegenheit. Indirekt wird hier auch eine Nähe vom Trampen zu den Mitfahrgelegenheiten mit dessen Anführung als Alternative geprüft. Zudem bietet die als Alternative aufgeführte Überlegung, gar nicht zu fahren, eine indirekte Überprüfung der Annahme, dass die Internetmitfahrgelegenheiten mobilitätssteigernd wirken.

Frage 7 „Ziele“: Hier werden die ausschlaggebenden Motive (als „Ziele“ bezeichnet) bei der Wahl einer Internetmitfahrgelegenheit nach ihrer Wichtigkeit geordnet erfragt, wobei sowohl intrinsische als auch extrinsische Motive zur Auswahl stehen.

Fragen 8 und 9 „Eintrittswahrscheinlichkeiten“: Messung der subjektiven Eintrittswahrscheinlichkeit des wichtigsten Zieles bei der Nutzung einer Internetmitfahrgelegenheit bzw. der Bahn.

Fragen 10 und 13 „Ordnung“: Mit der Frage nach der Zufriedenheit bei der Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten und erlebten schlechten Erfahrungen soll deren Maß an Ordnung geprüft werden. Die Frage nach schlechten Erfahrungen wurde abgeändert aus Fiedlers Studie zum Trampen übernommen (vgl. ebd. A 14).

Frage 11 und 12 „Verkehrsreduktionspotential“: Überprüfung der zukünftigen Bereitschaft von MitfahrerInnen zu umweltfreundlichem Mobilitätsverhalten im Sinn von Autoverzicht und Car-Sharing.

Frage 14 bis 21: Erhebung einiger soziodemographischer Basisdaten (Alter, Bildung,

Studienrichtung, zuletzt ausgeübter Beruf nach abgeschlossener Ausbildung, Geschlecht, Nationalität, Einkommen, Familienstand)

Frage 22 „Politische Haltung“: Die Frage ermöglicht zum einen eine Erweiterung milieuspezifischer Einstellungen um den Bereich der Politik; ferner soll überprüft werden, inwiefern die MitfahrerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten über die TramperInnen und MitfahrerInnen zugeschriebenen politischen Einstellungen verfügen (Ökos, AnarchistInnen).

Zusatzfrage „Trampen“: Erst später hinzugenommene Frage. Durch die Feststellung der allgemeinen Haltung zum Trampen soll geprüft werden, inwiefern die Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten auch mit einer positiven Einstellung zum Trampen einhergeht (positive Haltung als Indikator für ähnlich gelagerte intrinsische Motive).

6. Darstellung und statistische Analyse der Erhebungsdaten

6.1 Fahrtdaten und allgemeine soziodemographische Merkmale der MitfahrerInnen

Hinsichtlich der Fahrtwochentage, die in 121 Fällen angegeben wurden, waren in 46% Freitag und in 37% der Fälle Sonntag der Fahrttag, während sich die restlichen Fahrten über die anderen Wochentage verteilten. Zusätzlich zu den Wochentagen wurde noch eine Kategorie „nahe der großen Feiertage“ gebildet die mit 3% aber kaum besetzt war. Auch die Fahrtstrecken wurden in 119 Fällen angegeben, werden hier aber nicht weiter ausgewertet (z.B. im Hinblick auf die Streckenlänge); exemplarisch seien aber die Strecken Bamberg-Berlin und Bielefeld- Frankfurt a. M. genannt.

Für die allgemeinen soziodemographischen Merkmale wurden nur die MitfahrerInnen aus der Stichprobe der Fahrtangebote (N=125) berücksichtigt, aber auch eine Hinzunahme der anderen Befragten hätte keine nennenswerten Änderungen bewirkt. Beim Geschlecht der MitfahrerInnen zeigt sich eine leichte Dominanz der Frauen mit 70 Mitfahrerinnen (56%) gegenüber 55 Mitfahrern (44%). Das Alter der Befragten betrug im Durchschnitt 25,3 Jahre; die jüngste Person war 17, die älteste 50 Jahre alt. Der Median lag bei 24 Jahren. Nur neun Personen waren zwischen 30-39, weitere acht zwischen 40-50 Jahre alt. Von letzterer dünn-besetzter Kohorte konnten sieben einen Universitäts-/Fachhochschulabschluss vorweisen.

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Abb. 6.1.1: Alter der MitfahrerInnen

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Abb. 6.1.2: Höchster Bildungsabschluss

Was den höchsten Bildungsabschluss betrifft, so verfügte nur eine Person bei der Befragung noch nicht über einen solchen, 3% waren in Besitz eines Volks- oder Hauptschulabschlusses, 11% hatten die Mittlere Reife, 8% die Fachhochschulreife, 49% das Abitur und 28% einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss erworben.

Das monatliche Nettoeinkommen der MitfahrerInnen liegt in 45% unter 500 € (Modalwert); immerhin 29% verfügen über monatlich 1000 € und mehr, aber nur 3% über mehr als 2000 €. Es gibt demnach einen positiven linearen Zusammenhang zwischen relativer Armut und der Nutzung einer Mitfahrgelegenheit als MitfahrerIn. Das durchschnittliche Einkommen der MitfahrerInnen liegt “genau“ bei 500-1000 €; präzisere Aussagen lassen sich aufgrund der Kategorienweite leider nicht machen, so dass nicht gesagt werden kann, ob es nun eher 505 oder aber 995 € sind.

Die geringe Fallzahl bei der politischen Haltung innerhalb der repräsentativen Stichprobe erklärt sich daraus, dass 17 Personen die Frage nicht gestellt bekamen (frühere Fragebogenversion) und in 17 Fällen keine/keine gültigen Antworten vorlagen (insg. N=91)was möglicherweise damit zusammenhing, dass es sich um die letzte Frage handelte oder aber das Interesse an dieser Frage allgemein gering war. Politische Präferenzen, gemessen auf einer Likert-Skala auf der 5 „völlige Zustimmung“ markierte, zeigten die MitfahrerInnen dann vor allem für die Haltungen „Grüne-Alternative“ und „Sozialdemokratische“ wo der arithmetische Mittelwert je 3,2 betrug, gefolgt von der Haltung für „Liberale“ (2,7).

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Abb. 6.1.3 Monatliches Nettoeinkommen (N=118)

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Abb. 6.1.4: Politische Haltung (N=91)

Den schlechtesten Durchschnittswert gab es für die Haltung „National-Konservative“ (1,5). Eine hohe Standardabweichung wiesen vor allem die Haltungen zu „christlich konservativ“ und „kommunistisch-marxistisch“ (je 1,1) auf; während sie bei der Haltung zu „Grüne-Alternative“ mit 0,8 am geringsten ausgeprägt war.

Betrachtet man den Familienstand der MitfahrerInnen, so leben die meisten unverheiratet in einer festen Partnerschaft (56%), weitere 38% sind Single und nur 7% sind/waren verheiratet.

Die Nationalität von 93% der MitfahrerInnen ist deutsch; von den 10 Personen mit anderer oder doppelter Staatsbürgerschaft waren drei Personen im Besitz einer letzteren, weitere fünf Personen kamen aus einem osteuropäischen Land und je eine Person war türkischer bzw. britischer Nationalität.

Hinsichtlich ihrer Ausbildungs-/Berufssituation bilden StudentInnen mit 48% die größte Gruppe unter den MitfahrerInnen[57]. 40% der MitfahrerInnen haben bereits ihre Ausbildung abgeschlossen und gaben ihren zuletzt ausgeübten Beruf an. Über die Situation der restlichen 12% der MitfahrerInnen kann aufgrund des Fehlens einer entsprechenden Frage keine weitere Angabe gemacht werden. Es erscheint aber aufgrund der Altersstruktur der MitfahrerInnen ohne Angabe eines Studiums/ Berufs nach abgeschlossener Bildung (Höchstalter:25) wahrscheinlich, dass sich unter ihnen viele Auszubildende sowie Personen am Übergang von schulischer zur weiterführender Ausbildung befanden, ebenso wie einige Arbeitslose. Allgemein dürfte auch die Situation derjenigen MitfahrerInnen die ihre zuletzt ausgeübten Berufe angaben aufgrund des im Verhältnis zu ihrer hohen Formalbildung relativ geringen Gehalts in vielen Fällen als noch nicht konsolidiert angesehen werden können. Bei den schon Berufstätigen (N=50) erwiesen sich LehrerInnen/ wissenschaftliche MitarbeiterInnen mit 20% als anteilsmäßig größte Gruppe.

6.2. Mitfahren versus Trampen (N=91)

Die Frage nach der allgemeinen Haltung nach dem Trampen, auf die, da sie verspätet dazugenommen wurde, nur 91 Personen antworten konnten, ergab auf der verwendeten Likert-Skala einen Durchschnittswert von 3,4 bei einer beträchtlichen Standardabweichung von 1,3: Es gibt demnach einzelne Personen, die eine sehr positive Haltung zum Trampen haben und andere, bei denen das genaue Gegenteil der Fall ist. Dabei lässt sich weder ein signifikanter Einfluss der Bildung oder des Alters auf die Haltung zum Trampen feststellen, hingegen aber des Geschlechts.

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Abb. 6.2.1:

Haltung zum Trampen nach Geschlecht

Der Mittelwertunterschied bei der Haltung zum Trampen betrifft dabei 0,83 Maßeinheiten und ist auf einem 99,5% Niveau signifikant- die durchschnittliche Haltung von Frauen beläuft sich damit auf 3,8 Skaleneinheiten; bei Männern auf 2,9. Der Wert von Cramer’s V für die Abhängigkeit der Einstellung zum Trampen von dem Geschlecht der MitfahrerInnen beträgt 0,34. Der (nichtlineare, siehe Schaubild) Zusammenhang ist demnach nur ein schwacher[58] der lediglich bei den Extremwerten 1 und 5 (positiv bzw. negativ) auftritt. Der Blick auf einen möglicherweise bivariaten linearen Zusammenhang zwischen der politischen Einstellung und der zum Trampen ergibt nur im Fall der sozialdemokratischen und christlich-demokratischen Einstellungen sehr schwache Korrelationen (R² = 0,08*[59] bzw. 0,06*) im Sinn einer zunehmenden Ablehnung des Trampens bei zunehmender Befürwortung der entsprechenden politischen Haltung.

Als alternative Mobilitätsform hatten nur sieben MitfahrerInnen daran gedacht zu trampen.

In Rückerinnerung an die starke ideologische Aufladung des Trampens erbringt ein Test auf einen Einfluss der die Lektürepräferenzen unterliegenden alltagsästhetischen Schemata einzig einen Einfluss des Hochkulturschemas gemessen an der entsprechenden Skala (R² =0,11***, vgl. 5.7). Nimmt man das Geschlecht und eine aus mehreren Einstellungen gebildete Skala für das Spannungsschema hinzu erhöht sich die Erklärungsleistung der Regressionsgleichung auf R²=0,31.

6.3. Die Gründe für die Nutzung (N=149)

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Abb.6.3.1: Nutzungsgründe

Weitere in der offenen Antwortkategorie angegebene Gründe (N=6) waren „Karneval“, „Schachturnier“, „Auto abholen“, „Heimfahrt von Aupair Aufenthalt“, „Praktikum“ und „Besuch der Geschwister“.

Hinsichtlich der Häufigkeit der Nutzung einer Internetmitfahrgelegenheit (N=150) lag der Modalwert bei „mehr als ein mal im Monat“ (39%). Weitere 15% nutzen Internetmitfahrgelegenheiten ein mal im Monat, 23% alle 2-3 Monate, 11% nur ein mal im halben Jahr und 2% sogar weniger als das. 11% der Befragten gaben darüber hinaus an, das erste Mal eine Internetmitfahrgelegenheit zu nutzen.

Betrachtet man Grund und Häufigkeit der Nutzung auf einen möglichen Zusammenhang hin, zeigt sich- nicht überraschend - ein solcher hochsignifikanter Ausprägung bei den PendlerInnen. Pendelnde MitfahrerInnen nutzen Internetmitfahrgelegenheiten demnach zu 73% mehr als ein Mal im Monat; der Zusammenhang wird signalisiert durch Cramer’s V, das 0,3 beträgt. Den gleichen Wert liefert auch eine Kontingenzanalyse zwischen Häufigkeit und dem Grund „Besuch bei Freunden oder Bekannten“ wobei hier der Zusammenhang jedoch ein negativer ist.

Neben den PendlerInnen zeichnen sich auch Personen, die ihre PartnerInnen besuchen, durch eine leicht überdurchschnittliche und daher nicht signifikante Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten aus- in 46% mehr als ein Mal im Monat. Diesem wagen Indiz darauf, dass für einige MitfahrerInnen die Internetmitfahrgelegenheiten zur Aufrechterhaltung ihrer Fernbeziehungen dienen, müsste aber andernorts näher nachgegangen werden.

6.4. Alternativen zu einer Internetmitfahrgelegenheit (N=149)

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Abb. 6.4.1: wahrgenommene Alternativen

Wie oben ersichtlich ist die Bahn mit Abstand die häufigste Alternative, an die MitfahrerInnen vor der Wahl einer Internetmitfahrgelegenheit gedacht haben. Hingegen stellen die Städtemitfahrzentralen für die NutzerInnen der Internetmitfahrgelegenheiten kaum eine Alternative dar, eher wird noch ein Billigflug erwogen. Angesichts der Tatsache, dass 12% als Alternative zu einer Internetmitfahrgelegenheit „nicht fahren“ erwogen hatten, scheint sich die These der Mobilitätssteigerung leicht zu bestätigen.[60]

Als weitere Alternativen in den offenen Fragekategorien wurden darüber hinaus je einmal genannt: eine Kombination aus Bahn und Mitfahrgelegenheit, das „Surfen“ eines Wochenendtickets, der Kauf eines eigenen Autos, das Kommen der Freundin sofern diese eine Mitfahrgelegenheit fände, das Ausleihen eines Autos von Freunden oder das Mieten eines solchen ( 2 mal) wobei die letzten beiden Optionen der Kategorie „selbst fahren“ zugeschlagen wurden.

Im Durchschnitt wurden von den MitfahrerInnen 1,2 Alternativen perzipiert.

18% der MitfahrerInnen dachten dabei an gar keine Alternative, 50% an genau eine, 27% an zwei, und nur 6% an drei oder mehr Alternativen.

6.5. Ziele/ Motive des Mitfahrens und die Nutzendifferenz der Alternativen

Auf die Frage nach den „Zielen“ die vor der Wahl einer Internetmitfahrgelegenheit anvisiert worden waren gaben die MitfahrerInnen durchschnittlich 2,5 Ziele an, deren prozentuale Häufigkeit gemäß ihrer Positionierung in einer Rangfolge durch die MitfahrerInnen die folgende Tabelle illustriert:

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Tab. 6.5.1: Ziele und ihr Ranking

Eindeutig ist die Dominanz des Motivs des Geldeinsparens auf den ersten drei Rängen zu vermerken, das von 97% aller MitfahrerInnen als Ziel genannt wurde, gefolgt von dem Motiv „schnell“ (54%). Die intrinsischen Motive des Mitfahrens (Komfort, Sicherheit, neue Leute, Umwelt, Fahrtgefühl) belaufen sich als zweite Ziele immerhin auf fast 40%, wobei die Ziele ,,neue Leute“ und Komfort am häufigsten genannt werden.

In Hinblick auf die „Erlebnismotive“, zu denen hier die Ziele „neue Leute“ und „Fahrtgefühl“ gerechnet werden sollen ist zu sagen, dass diese nur in 13% der Fälle das zweite Ziel stellen.

Darüber hinaus wurden von fünf Personen weitere Ziele in der offenen Frage genannt.

Zwei Personen gaben das Ziel an, nicht selbst die weite Strecke fahren zu müssen bzw. sich ausruhen zu können; weiterhin wurden genannt: „spontan ans Ziel zu gelangen ohne festen Zeitplan“; eine Person nannte ferner das Ziel, der Deutschen Bahn zu zeigen, dass sie Konkurrenz habe und ein weiterer Passagier gab als Ziel an, überhaupt eine Mitfahrgelegenheit zu finden.

Auf der Basis der beiden Fragen nach der Nützlichkeit von Internetmitfahrgelegenheit und Bahn im Hinblick auf die Erfüllung des wichtigsten Zieles lässt sich dann die für die Modellgleichung des Diskriminationsmodells relevante Nutzendifferenz der Internetmitfahrgelegenheit gegenüber dem Durschnittsnutzen errechen.

Da wir neben den Nutzenwerten für Internetmitfahrgelegenheiten nur die Nutzenwerte der Bahn erhoben hatten konnten nur die Fälle berücksichtigt werden, in denen lediglich an die Bahn als Alternative gedacht worden war- das war bei 50 MitfahrerInnen der Fall. Eingesetzt in die Modellgleichung ergeben sich dann folgende Werte:

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Abb. 6.5.1:

U (Internetmitfahrg.) – Durchschnittsnutzen

Zunächst fällt auf, dass die Nutzendifferenz trotz der Wahl einer Internetmitfahrgelegenheit in vier Fällen zugunsten der Bahn ausfällt. Da in allen vier Fällen „billig“ das dominante Ziel war, scheint die negative Nutzendifferenz der Internetmitfahrgelegenheit möglicherweise auf einen Fehler beim Beantworten der Frage zurückzuführen sein.

In allen anderen Fällen (92%) fällt die Nutzendifferenz aber zugunsten einer Internetmitfahrgelegenheit aus.[61] Dies zeigt sich auch im Mittelwert von 0,26. Die MitfahrerInnen betrachten die Internetmitfahrgelegenheit demnach als mehr als doppelt so effizient bei der Erfüllung ihres wichtigsten Zieles das ja nahezu immer das Ziel, billig von A nach B zu gelangen, darstellt. Die relativ geringe Streuung bei der Nutzendifferenz zeigt weiter, dass innerhalb der MitfahrerInnen ein weitgehend gleiches Verständnis von „billig“ herrscht. Da die MitfahrerInnen wie bereits festgestellt alle über ein ähnlich geringes objektives Einkommen verfügen scheint darüber hinaus auch die subjektive Bewertung des Preises eine ähnliche zu sein.

6.6. Der Umweltaspekt

Zunächst ergab die Frage nach dem künftigen Autoverzicht recht überraschend, dass bereits 25% der MitfahrerInnen ein solches besitzen.

Insofern scheinen Internetmitfahrgelegenheiten zumindest in geringem Maß verkehrsreduzierend zu wirken da die AutobesitzerInnen als MitfahrerInnen folglich ihr eigenes Auto stehen lassen werden.[62]

Weiterhin gaben 27% der MitfahrerInnen an, dass sie auch in Zukunft ohne Auto auskommen würden, 20% entschieden sich für die Antwortkategorie „weiß nicht“ und 28% glauben, dass sie auf lange Sicht ein eigenes Auto benötigen werden.

Bei der Frage nach der Haltung zu „Car-Sharing“ Angeboten konnten sich dies 17 % sehr gut, 35% durchaus, 33% eher nicht und 15% gar nicht vorstellen.

Bei beiden Fragen lässt sich weder ein signifikanter Einfluss von Bildung, Alter oder Geschlecht auf das Antwortverhalten feststellen, jedoch vom Einkommen, das mit steigender Höhe einen Autoverzicht unwahrscheinlicher werden lässt, der Zusammenhang ist aber ein sehr geringer (R²= 0,03*). Ebenso hat das Umweltbewusstsein einen schwachen positiven Effekt auf die Bereitschaft zum Car-Sharing (R²=0,05**).

Kein Zusammenhang im Sinn einer wie in 2.2 angedachten Desensibilierungsthese lässt sich hingegen zwischen der Häufigkeit der Nutzung und der Bereitschaft zum künftigen Verzicht auf ein Auto respektive Car-Sharing erkennen.

6.7. Zufriedenheit und schlechte Erfahrungen

Nach ihrer allgemeinen Zufriedenheit mit Internetmitfahrgelegenheiten befragt, gaben je die Hälfte der Befragten an, sehr zufrieden oder zufrieden zu sein. Das Urteil lag demnach einstimmig auf der positiven Seite

Die Frage nach bisherigen schlechten Erfahrungen bei der Benutzung von Mitfahrgelegenheiten ergab, dass 56 % der MitfahrerInnen schon eine solche gemacht hatten.

Die häufigste negative Erfahrung der MitfahrerInnen war mit 23%, bereits ein ungutes Gefühl im Auto gehabt zu haben; weitere 22% hatten die „sehr riskante“ Fahrweise eines Fahrers/ einer Fahrerin in schlechter Erinnerung. Im Hinblick auf die Einhaltung von Verabredungen waren FahrerInnen in 20% der Fälle schon einmal nicht wie verabredet erschienen; 15% der MitfahrerInnen erfuhren bereits eine Absage in letzter Minute.

Ein unfairer Preis sorgte des Weiteren schon bei 17% der MitfahrerInnen für Verstimmung.

Die beiden wohl gravierendsten schlechten Erfahrungen- Trunkenheit am Steuer oder sexuelle Belästigung- hatte noch niemand erlebt.

Sonstige schlechte Erfahrungen wurden von 13% der MitfahrerInnen in einer offenen Frage dazu berichtet. Dabei wurden Gesprächs- und Verhaltenszumutungen, langsames Fahren, ein schlechtes Auto samt übermüdetem Fahrer, Rauchen, ungünstige Absetzstellen, geringe Angebote von bestimmten Orten aus, angeführt, und von vier Personen und damit am häufigsten, Enge/Überfüllung.

Die Vermutung, dass die Anzahl schlechter Erfahrungen mit der Nutzungshäufigkeit zusammenhänge, erfuhr eine äußerst schwache Bestätigung (R²= 0,05**).

Hingegen üben schlechte Erfahrungen keinerlei Einfluss auf die allgemeine Zufriedenheit mit Internetmitfahrgelegenheiten aus.

Ferner zeigte sich eine schwache Neigung des Selbstverwirklichungsmilieus, Fahrweisen eher als riskant einzustufen gegenüber dem Unterhaltungsmilieu (25 % vs. 5%; Cramer’s V = 0,175*) und eine größere Neigung von Männern, den Fahrpreis als unfair zu empfinden (27% vs. 9%; Cramer’s V= 0,25***).

6.8. Zuordnung der MitfahrerInnen zu den Erlebnismilieus nach Schulze (vgl. 635 ff.)

Nach Schulzes Theorie lassen sich die MitfahrerInnen gemäß den beiden situativen Faktoren Alter und Bildung nach deren Dichotomisierung den fünf Milieus zuordnen.

Die Dichotomisierung wurde dabei beim Alter wie bei Schulze vorgenommen (unter 40 vs. über 40); bei der Bildung wurde die Trennlinie höher als bei Schulze angesetzt und alle Personen mit Mittlerer Reife dem Unterhaltungsmilieu zugerechnet.[63]

Demnach gehören 21 MitfahrerInnen (14%) dem Unterhaltungsmilieu an gegenüber 119 RepräsentantInnen des Selbstverwirklichungsmilieus (79%).

Im Fall von 10 MitfahrerInnen musste von einer Milieuzuweisung abgesehen werden da eine Person noch keinen höchsten Bildungsabschluss besaß und die neun anderen als einzige MitfahrerInnen über 40 Jahren keine hinreichend großen Milieus gebildet hätten. Im übrigen wurden anders als bei Schulze auch die AusländerInnen den beiden Milieus zugeordnet.

Dem Unterhaltungsmilieu gehören folglich 9 Mitfahrerinnen und 12 Mitfahrer an; das Durchschnittsalter beträgt 21,7 Jahre, das Maximum 26 Jahre.

Hingegen sind die MitfahrerInnen aus dem Selbstverwirklichungsmilieu durchschnittlich 24,6 Jahre alt. Auch weist das Alter eine höhere Standardabweichung auf; der älteste Mitfahrer des Milieus ist 37 Jahre.

Von den MitfahrerInnen in diesem Milieu sind 71 Frauen (60%) gegenüber 48 Männern; das Verhältnis ist somit genau umgekehrt als im Unterhaltungsmilieu.

Tab. 6.8.1: Milieuspezifische Alltagsästhetik anhand der Lesepräferenzen

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In Klammern: Werte im Rahmen der Standardrepräsentativumfrage Schulzes 1985

Skalenlegende: öffentliches Interesse= Spiegel, Zeit, Bücher über gesellschaftl./politische Probleme. Lektüre Trivialorientierung= Bunte, Heimatromane, Romane; Lektüre „gehobene Literatur“ = moderne und klassische Literatur, Gedichte; Psychologisches Interesse: Texte über psychisches Probleme und Selbsterfahrungslit.

Wie die Tabelle zur milieuspezifischen Alltagsästhetik gemessen an den Lesepräferenzen zeigt, verfügen Heimatromane und die ZEIT über die höchste Unterscheidungskraft zwischen den beiden jungen Milieus.

Weiterhin fällt das überdurchschnittliche Interesse am SPIEGEL und unterdurchschnittliche Interesse an Triviallektüre in beiden Milieus auf.

Entgegen Schulzes Zuordnung psychologischen Interesses zum Hochkulturschema interessieren sich in unserem Fall vor allem die MitfahrerInnen aus dem Unterhaltungsmilieu für derartige Lektüre. Auch stoßen Bücher zu gesellschaftlichen und politischen Problemen im Unterhaltungsmilieu auf ebenso große Resonanz als in ihrem höher gebildeten Pendant.

In Anlehnung an Schulze wurden zudem zwei Skalen für stilspezifische Lektürepräferenzen gebildet; eine dritte Skala für das Hochkulturschema charakteristische sachorientierte Lektüre erwies sich aufgrund eines Alpha Wertes von nur 0,39 (Schulze:0,76) im Rahmen unserer Untersuchung als ungeeignetes Messinstrument.[64]

Tab. 6.8.2: Weitere Einstellungen zur Milieudifferenzierung

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In Klammern: Werte im Rahmen der Standardrepräsentativumfrage Schulzes 1985

Skalenlegende: Spannung: Einstellungen „gerne Spannung“, „machen was man möchte“, „wer wagt, gewinnt“, „plane nicht im Voraus“.

Umweltbewusstsein: „Umweltverhältnisse beunruhigend Kinder/Enkelk.“, „Politik zu wenig Umweltschutz“

Es zeigt sich, dass sich die beiden Milieus signifikant in ihrer positiven Einstellung zu einem längeren Auslandaufenthalt und der Befürwortung eines nonchalanten „machen was man möchte“ unterscheiden worin sich die von Schulze konstatierte größere räumliche Mobilität des Selbstverwirklichungsmilieus und die größeren Anomie-/Egoismustendenzen des Unterhaltungsmilieus widerspiegeln.[65]

Entgegen der Erwartung ist das Umweltbewusstsein nicht im Selbstverwirklichungsmilieu höher. Allerdings zeigt sich bei der Einstellung zu „Grüne-Alternative“ ein signifikant niedriger Mittelwert als im Unterhaltungsmilieu (-0,6* gegenüber 3,3 im Unterhaltungsmilieu).

Auch die Orientierung an Spannung ist im Unterhaltungsmilieu um 16% höher als im Selbstverwirklichungsmilieu.

Keine wesentlichen Unterschiede gibt es hingegen bei der Einstellung zum Trampen zwischen den beiden Milieus.

Bei der politischen Einstellung zeigt sich einzig ein signifikanter schwacher Unterschied (Cramer’s V= 0,38) bei der Haltung zu national-konservativen Gesinnungen- das Unterhaltungsmilieu scheint diesen aufgeschlossener gegenüberzustehen womit angesichts der gesellschaftlichen Randstellung solcher Strömungen die stärkeren Anomietendenzen im weniger gebildeten jungen Milieu abermals eine Bestätigung erfahren.

Schließlich zeigen sich auch signifikante Unterschiede im Urlaubsverhalten insofern als das Unterhaltungsmilieu Strandurlaube weitaus stärker bevorzugt (60% gegenüber 16%, Cramer’s V= 0,36) während die bevorzugten Urlaubstypen des Selbstverwirklichungsmilieus Rucksackurlaube (20%) und Rundreisen (19%) sind.

6.9. Vergleich der MitfahrerInnen mit der allgemeinen Bevölkerung(vgl. Datenreport 2002)

Da die Spezifika der sozialstrukturellen Lage der MitfahrerInnen eigentlich nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext erkannt werden können, sollen an dieser Stelle noch die Bildungs- und Einkommensdaten der MitfahrerInnen mit denen aus der allgemeinen Bevölkerung kontrastiert werden.

Zunächst ist deutlich die überdurchschnittliche Bildung von NutzerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten zu notieren. Während bundesweit in der Altersgruppe zwischen 30-39 Jahren nur 15% einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss besitzen, haben 28% der MitfahrerInnen bereits einen solchen, und weitere 48% versuchen nach Aufnahme eines Studiums ihn zu erlangen.

Hinsichtlich ihres Nettoeinkommens liegen die MitfahrerInnen unter dem deutschen Pro-Kopf Durchschnittsnettoeinkommen (1200 €); es dürfte sich für die meisten von ihnen aber nur um eine vorübergehende, aus der Unabgeschlossenheit ihrer Bildung und beruflichen Karriere resultierende relative Armut handeln.

7. Ergebnisinterpretation und Prüfung der Hypothesen

7.1. Empirische Überprüfung des Diskriminationsmodells

Obwohl hier nicht das ganze Modell geprüft werden konnte traten schon bei der „Teilüberprüfung“ Schwächen zutage.[66] So waren die MitfahrerInnen mehrheitlich durchaus in der Lage, bei ihrer Verkehrsmittelwahl mehr als nur ein Ziel in den Blick zu nehmen worin sich meines Erachtens bestätigt, dass Lindenberg den Menschen zu wenig kognitive Kapazitäten zubilligt bzw. sein Modell weiter differenzieren oder aber in seinem Allgemeinheitsanspruch beschneiden müsste. Angesichts der Einheitlichkeit des wichtigsten Zieles „billig“ scheint zumindest aber ein Frame „Internetmitfahrgelegenheit“ mit ebendiesem Maximanden zu existieren. Auch bei Lüdemann gaben die Befragten mehrheitlich zwei Ziele an, was diesen aber zu keinem weiteren kritischen Kommentar hinsichtlich der diesbezüglich anderen Modellannahme des Diskriminationsmodells veranlassen konnte. Weiterhin wurde von den MitfahrerInnen teilweise gar keine Alternativen mehr erwogen; eine Möglichkeit die das Diskriminationsmodell ebenso wenig vorgesehen hatte.[67] Hier findet sich bei Esser ein Verweis auf das Mode-Modell von Russell H. Fazio, demzufolge bei einem perfekten Match (m) einer Alternative in einer Situation keine weiteren Alternativen mehr erwogen werden. Die Größe des Matches bzw. der Geltung einer Alternative ist dabei abhängig von der Zugänglichkeit des kognitiven Modells für den Akteur, das Nichtvorliegen von Störungen und die Existenz mit der Alternative in Verbindung gesetzter Objekte. (vgl. Esser 2001, S.272). Eine Einflussgröße auf die Wahrnehmung von Alternativen scheint auch die Nutzungshäufigkeit von Internetmitfahrgelegenheiten zu sein, denn Personen ohne wahrgenommene Alternativen gehören überdurchschnittlich oft zu den „VielmitfahrerInnen“ (67% mehr als ein mal im Monat).

Weit stärker noch zeigte sich das Außenvorlassen von Alternativen im Rahmen der Untersuchung von Lüdemann, wo nur ein Viertel der Befragten überhaupt eine Alternative angaben. Lüdemann erklärt sich dies mit einer Vereinfachung der Mittelstruktur infolge der erwähnten bounded rationality des Menschen. Inwiefern man dieses Ergebnis- die Nichtwahrnehmung von Alternativen- theoretisch in das Diskriminationsmodell integrieren könnte, darüber verliert Lüdemann leider abermals kein Wort. Hingegen kann die Modellannahme, dass die gewählte Alternative über den höchsten Nutzen in Hinblick auf das dominante Ziel verfügt, wiederum als gut bestätigt angesehen werden.

Das Wissen über die Existenz und Art zweiter und dritter Ziele (und im Fall von 45% der Befragten noch mehr Zielen[68] ) lässt sich dahingehend verwerten, dass wir darin einen Teil der Hintergrundziele sehen welche die Salienz beeinflussen und dann durch Variation der Nutzenwerte der Ziele schauen, was eine Veränderung bringen würde. Der Nutzenwert des ersten Zieles „billig“ ist dabei gemäß des ökonomischen Theorems des abnehmenden Grenznutzens eng an das Kapitalvermögen der Personen gebunden (ein guter Indikator ist in jungem Alter sicher das Einkommen) - wenn dieses steigt, was angesichts der hohen Formalbildung der MitfahrerInnen erwartbar ist, sinkt jedoch der Nutzenwert einzelner eingesparter Geldeinheiten. Als dominantes Ziel würde dann aber für die meisten der MitfahrerInnen Zeiteinsparung an die erste Stelle in der Zielhierarchie aufrücken[69]. Dann würden aber für rationale NutzenmaximiererInnen nicht mehr die Internetmitfahrgelegenheiten als erste Wahl erscheinen, da diese an relativ hohe Opportunitätskosten in Form von Zeitverlust (Inserat suchen, sich zeitlich anpassen, Kontaktaufnahme etc.) gebunden sind, und es dann auch keine Rolle mehr spielt, dass Internetmitfahrgelegenheiten ansonsten in punkto Schnelligkeit durchaus anderen Fernverkehrsmitteln wie der Bahn das Wasser reichen können und z.B. ein Wechsel zu letzterer aufgrund ihres regelmäßigeren Fahrttaktes, des einfachen Ticketkaufes, der Möglichkeit des Arbeitens während der Zugfahrt (= zeitliche Effizienz) etc. oder der Kauf eines eigenen Autos erfolgen.

Auch die anderen zweiten Ziele von MitfahrerInnen (Komfort, neue Leute, Sicherheit, Umwelt, Fahrtgefühl) würden, wenn sie nach Ablösung des Frames „billig“ den neuen Diskriminanten stellten, mit Ausnahme der neuen Leute, da diese im Rahmen einer Mitfahrgelegenheit durch die dort herrschende persönliche Atmosphäre leichter kennenzulernen sein scheinen, eher besser von alternativen Verkehrsmitteln erfüllt. Unter Berücksichtigung der sozialen Produktionsfunktionen wäre ferner von den MitfahrerInnen zu erwarten, dass sie nach Abschluss ihrer Bildung diese und ihr wachsendes Einkommen dann auch zur Produktion des Primärgutes „sozialer Status“ verstärkt einsetzen- die Nutzung einer Internetmitfahrgelegenheit dürfte aber aufgrund der wie mir scheint in Deutschland herrschenden Assoziation von hohem Status mit Kontrolle/ Macht sowie materiellem Wohlstand kaum ein statuskonformes Verhalten darstellen und diesem eher abträglich sein, weswegen karriereorientierte MitfahrerInnen dann wohl eher auf andere prestigeträchtigere, von ihnen selbst stärker kontrollierbaren Verkehrsmittel zur Zurücklegung derselben Strecken zurückgreifen oder sich gleich ein Auto, das in weiten Kreisen noch als Statussymbol[70] fungieren zu scheint, kaufen würden.

7.2. Die Motive der MitfahrerInnen: Geld und Zeit einsparen

Hinsichtlich der Motive der MitfahrerInnen wurden die zeitungsartikel- und theoriegestützten Hypothesen bestätigt: Intrinisische Motive der MitfahrerInnen liegen bei der Wahl von Internetmitfahrgelegenheiten als Verkehrsmittel entweder nicht vor oder sie sind als Ziele nachgeordnet; auf den beiden ersten Plätzen in der Zielhierarchie rangieren hingegen mit „billig“ und „schnell“ sogenannte harte materielle Faktoren. Die Motive der MitfahrerInnen weichen damit vordergründig von den bisherigen, im Rahmen soziologischer Untersuchungen zur Verkehrsmittelwahl in den Blick genommenen Motiven ab, da dort die Fahrtkosten stets die geringste Rolle spielten während Zeit und Komfort die ersten beiden Plätze belegten (vgl. Preisendörfer et al 1999). Da solche Ergebnisse aber den Untersuchungen von täglichen PendlerInnen im Einzugsgebiet einzelner Städte entstammen ist die Erklärung in dem höheren Einkommen dieser bereits beruflich Arrivierten zu sehen welches den Zielframe „billig“ durch das wichtigste Hintergrundziel „Zeit“ ersetzt hat und wohl auch darin, dass Fahrten zum Arbeitsort zumindest aus kurzfristiger-nutzenkalkulierender Sicht eines Akteurs relativ kostengünstig erscheinen und daher dem Geldmotiv weniger Beachtung geschenkt wird.

Mitnichten sollte das Mitfahren wie noch im Rahmen des Trampens daher als Selbstzweck angesehen werden was freilich nicht ausschließt, dass sich auf gemeinsamen Fahrten nette Gespräche ergeben, nur stellen diese dann eher ein angenehmes Nebenprodukt dar. Dem korrespondierend ist auch der Umweltschutz unter den sieben aufgeführten Zielen nur an vorletzter Stelle positioniert (nur das Fahrtgefühl gilt als noch unwichtiger). In Bezug auf das Trampen sind von den einst als dafür typisch beschriebenen Einstellungen am ehesten noch die Risikobereitschaft (wobei diese bei den TramperInnen wohl eher noch als Risikofreude erschien) auch bei den virtuell (selbst) rekrutierten MitfahrerInnen vorhanden. Von der Ziellosigkeit der sich auf endlosen Straßen wähnenden Beatniks ist dagegen kaum etwas zu spüren; die MitfahrerInnen planen ihr Leben aktiv voraus anstatt sich von ihm überraschen zu lassen. Ebensowenig ist eine anarchistische Haltung zu erkennen- von den meisten MitfahrerInnen wird die Devise, das zu machen, was ich möchte, ungeachtet dessen, was andere denken, nicht bejaht. Dies zeigt sich ja auch in den politischen Einstellungen, die kaum von der durchschnittlichen Haltung der selben Altersgruppen in der Gesamtbevölkerung abweichen dürften und in denen sich keine Opposition gegenüber den etablierten politischen Haltungen abzeichnet; ebenso wenig ein besonderes Interesse (etwa aufgrund der semantischen Mitprägung des Trampens durch die Hippie Bewegung) an der am ehesten radikalen und utopischen Haltung „kommunistisch-marxistisch“.So ist es denn auch nicht überraschend, dass die allgemeine Sicht der MitfahrerInnen auf das durch seine rückläufige Praxis bekanntlich zunehmend als gefährlich und abweichend eingestufte Trampen überwiegend eine negative ist. Auch hat sich durch diese nicht vorhandene Ähnlichkeit der MitfahrerInnen mit den TramperInnen und Abneigung gegenüber dem Trampen bei den Mitfahrerinnen die geschlechtsspezifische stärkere Voreingenommenheit gehalten. Inwiefern dies auch dafür sorgt, dass MitfahrerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten vor/während der Fahrten mehr Angst haben als Mitfahrer, lässt sich mangels aussagekräftiger Daten aber nicht sagen.[71] Insgesamt kann die Vermutung, dass es sich bei Internetmitfahrgelegenheiten um keine lebensstilspezifische Erlebnismobilität handelt, damit als bestätigt gelten.

Die Tatsache, dass die MitfahrerInnen dennoch in weiten Teilen dem Selbstverwirklichungsmilieu entstammen sollte also nicht als eine milieuspezifische alltagsästhetische Besetzung des Mitfahrens gedeutet werden sondern erklärt sich vielmehr aus den milieuspezifischen Existenzformen (hohe Mobilität und berufliche Unabgeschlossenheit) und (dies ist eine ungeprüfte Vermutung) Charaktereigenschaften im Sinn von Offenheit und Vertrauensbereitschaft im Selbstverwirklichungsmilieu die eine Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten wahrscheinlich machen. So muss sowohl die Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten als auch das Trampen zur Hochzeit der Beatnik- und Hippiekultur als wesentlich durch die soziale Lage der TramperInnen bedingt gesehen werden.[72] Gegen die Erlebnisorientierung der MitfahrerInnen spricht schließlich auch, dass Internetmitfahrgelegenheiten kaum „just for fun“ für Kurzurlaube innerhalb Deutschlands genutzt werden sondern regelmäßig und insbesondere zur Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte zu Familie, PartnerInnen und Freunden dienen.

7.3. Interpretation der Milieustruktur und Alltagsästhetik der MitfahrerInnen

Die geringere Anzahl an Personen aus dem Unterhaltungsmilieu und ihr niedrigeres Durchschnittsalter zeigt, dass in diesem Milieu früher Autos erworben werden wobei nur ein geringer Einfluss von milieuspezifischen Einstellungen für die frühe Autoanschaffung verantwortlich scheint, da ja auch im Selbstverwirklichungsmilieu ab dem typischen Durchschnittsalter von HochschulabsolventInnen die MitfahrerInnen abrupt weniger werden wenngleich sich dort zumindest noch einige ältere MitfahrerInnen finden. Auch wenn der Geschlechtsunterschied in beiden Milieus minimal erscheint ließe sich der geringere Prozentanteil von weiblichen MitfahrerInnen im Unterhaltungsmilieu auch mit der größeren Anomie in diesem Milieu erklären, die dafür sorgt, dass die ohnehin stärker gefährdet scheinenden Frauen hier als noch stärker gefährdet erscheinen und daher eher als im Selbstverwirklichungsmilieu von dieser Mobilitätsform Abstand nehmen.

In Hinblick auf die alltagsästhetischen Unterschiede gemessen an den Lesepräferenzen scheinen diese zwischen den beiden jungen Milieus mehrheitlich und der Tendenz nach noch immer wie bei Schulze in den achtziger Jahren gegeben zu sein. An den Skalen für hohe und Triviallektüre lässt sich eindeutig die höhere Präferenz des Selbstverwirklichungsmilieus für das Hochkulturschema erkennen gegenüber dem Unterhaltungsmilieu, das Hochkultur- und Trivialschema gleichermaßen verhalten gegenübersteht. Dagegen lehnt das Selbstverwirklichungsmilieu das Trivialschema rigoros ab, was Schulzes These der Unabhängigkeit der drei Stildimensionen zu widersprechen und eher ein Bourdieusches Distinktionsverständnis zu illustrieren scheint. Schulzes Annahmen widerspricht ferner die höhere Präferenz des Unterhaltungsmilieus für die beiden psychologischen Lektürearten sowie Bücher über gesellschaftliche/ politische Probleme. Zumindest in letzterem Fall wird dieser Eindruck relativiert bei der Betrachtung der politischen Einstellungen denn dort scheint das Unterhaltungsmilieu leicht anomischer als das Selbstverwirklichungsmilieu.[73] Hinsichtlich der psychologischen Literatur spiegelt sich ein kulturhistorischer Wandel jüngster Zeit wieder- die psychologische Welle der 70er und 80er Jahre hat sich inzwischen geglättet und verlagert (z.B. in den Alltag und die Praxen); hingegen haftet sogenannter Selbsthilfeliteratur in gebildeten Kreisen nun häufig das Stigma des „Einfachen“ an und wird daher, so die Interpretation des empirischen Befundes, nur noch von den niedrig gebildeteren Milieus vorbehaltslos bejaht da sie von der Psychologisierung im Zuge ihrer Diffundierung durch die Sozialstruktur erst verspätet erreicht worden sind. Dieser Literatur entspricht meines Erachtens heute daher eher ein spannungsorientierter Lebensstil. Auch die gleichstarke Bejahung des STERN sollte kulturhistorisch gelesen werden da dieses Magazin heute kaum noch von KultursoziologInnen wie bei Erscheinung der Erlebnisgesellschaft dem Hochkulturschema zugerechnet werden dürfte. Stattdessen scheint das Foto-, Reportage- und trendorientierte Blatt heute vielmehr dem Spannungsschema zu entsprechen so dass das Ergebnis- beide jungen Milieus lesen den Stern gleich häufig- im Einklang zur Theorie steht.

Schließlich fällt das überdurchschnittliche Interesse der MitfahrerInnen aus beiden Milieus am SPIEGEL auf sowie das unterdurchschnittliche Interesse an der Lektüre mit Trivialorientierung. Eine mögliche Erklärung hierfür böte die Annahme, dass im Zuge der fortlaufenden Bildungsexpansion das Hochkulturschema immer weitere Kreise erreicht und das Trivialschema so zunehmend verdrängt wird. Dies entspricht auch Schulzes Prognose einer zunehmenden kulturellen Vorherrschaft des Selbstverwirklichungsmilieu respektive eines Lebensstils der sich an dem Spannungs- und Hochkulturschema orientiert (vgl. ebd. S.493 ff.).

Ob sich in der vorliegenden Befragung nun tatsächlich ein genereller Wandel in der Alltagsästhetik manifestiert lässt sich, da die zugrunde liegenden Daten ja keiner repräsentativen Bevölkerungsstichprobe entstammen, jedoch nicht sagen, sondern nur als neue, zu überprüfende Hypothese aufstellen. Ebenso könnte es sich nach Schulze um sogenannte Grenzfälle und Inkonsistenzen handeln wobei letztere zum einen sozialisationsbedingt auftreten können und sich dann darin zeigen, dass sich Jüngere an Älteren des gleichen Bildungsniveaus orientieren, in unserem Fall also das Selbstverwirklichungs- am Niveaumilieu, oder auch eine aufwärtsorientierte Inkonsistenz im Fall der MitfahrerInnen des Unterhaltungsmilieus vorliegen (vgl. Schulze 382 ff.).

Bei den sonstigen gemessenen Einstellungen fiel abermals das höhere Umweltbewusstsein des Unterhaltungsmilieus auf. Eine Erklärung könnte in der Art der zwei Items liegen, die als Indikatoren dafür dienten, da sie beide über eine starke emotionale Komponente verfügten (Angst um Kinder, Ärger über Politik) die möglicherweise unreflektierter vom Unterhaltungsmilieu bejaht wurden.[74] Andererseits zeigt sich das Umweltbewusstsein ohnehin in der Gesamtbevölkerung rückläufig was vor allem von dem nachgelassenen Engagement des gebildeten jungen Milieus herrühren dürfte das einst die Basis der Ökologiebewegung stellte. Schließlich bedarf auch noch die höhere Spannungsorientierung des Unterhaltungsmilieus einer Kommentierung, da bei Schulze hier noch das Selbstverwirklichungsmilieu leicht höhere Werte aufweisen konnte. Angesichts der hohen Formalbildung der MitfahrerInnen des Selbstverwirklichungsmilieus die höher als der Milieudurchschnitt liegen dürfte scheint mir hier eine verhältnismäßig stärkere Orientierung am Hochkulturschema die plausibelste Begründung.

7.4. Umwelteinstellungen

Im Rahmen der Messung verschiedener Einstellungen in der ersten Frage erwiesen sich die Werte für die beiden Fragen zur Umwelteinstellung gegenüber den Fragen zu einer Spannungsorientierung als vergleichsweise geringer. Angesichts der Diagnose des Niedergangs der Ökologiebewegung, die z.B. von Opp mit der Institutionalisierung der Umweltthemen durch Umweltorganisationen und Politik erklärt wird, dürfte dieses Ergebnis jedoch konform mit den allgemeinen Umwelteinstellungen in der Bevölkerung sein, die infolgedessen nachgelassen haben da das Problem weniger akut und es daher kostengünstiger erscheint, zu spenden anstatt selbst aktiv zu werden (vgl. ebd. 1996). Für diesen Rückgang des Bewusstseins für Umweltprobleme spricht auch, dass die Bereitschaft zum Verzicht auf ein Auto nicht mit hohen Umwelteinstellungen einhergeht sondern wenn, dann noch am ehesten durch das Einkommen motiviert ist. Bei der Haltung zum Car-Sharing spielen Umwelteinstellungen immerhin eine schwache Rolle. Auch bei den Nutzungszielen lag der Umweltschutz abgeschlagen auf dem vorletzten Rang. Dem entsprechen auch die Ergebnisse Preisendörfers[75] der die Haltung Autoloser, unter denen er nur 5% „Ökos“ erkennt, als „pragmatisch, kühl und ohne großes emotionales Engagement“ (vgl. ebd. 2003, S.173) beschreibt und zum Ergebnis kommt, dass die Autolosigkeit stark sozialstrukturell kanalisiert sei und, ich bemerkte es schon bei den MitfahrerInnen und TramperInnen, damit ein Lebenslage- und eben keine Lebensstilmerkmal darstellt. Typische Variablenwerte die diese Lebenslage kennzeichnen sind nach Preisendörfer eine große Ortsgröße, ein geringes Haushaltseinkommen, eine geringe Haushaltsgröße, das Geschlecht „weiblich“, ein niedriges oder hohes Alter (umgekehrt U-förmiger Zusammenhang) und die Erwerbslosigkeit. Diese Variablenausprägungen lassen sich aber auch bei den MitfahrerInnen finden und wurden teils bereits ausführlich vorgestellt und kommentiert (über Haushalts- und Ortsgröße lassen sich keine präzisen Angaben machen).Hingegen zeigen die Ergebnisse eine starke Abweichung von der Untersuchung Bittlingmayers, der bei Car-Sharing NutzerInnen als Hauptmotiv Umwelteinstellungen im Zusammenhang eines spezifischen asketischen Lebensstils ausgemacht hatte. Dieser Unterschied zu den Motiven der MitfahrerInnen lässt sich aber dadurch erklären, dass die NutzerInnen des Car-Sharing sich bei Bittlingmayer durch eine bereits relativ konsolidierte Lebenslage, insbesondere ein mittleres Einkommen, auszeichneten, und anstatt Car-Sharing sich ebenso ein eigenes Auto hätten leisten könnten, der Verzicht also ein bewusste Wahl darstellte (Schulzes Kriterium der Wahlfreiheit) und daher auch als alltagsästhetische Wahlentscheidung kommuniziert werden konnte.

7.5. Internetmitfahrgelegenheiten und soziale Ungleichheit

Auf die eingangs als Begründung für die Beschäftigung mit dem Thema vorgetragene Vermutung soll an dieser Stelle zurückgekommen werden.

Die Vermutung, dass Internetmitfahrgelegenheiten die Mobilitätschancen einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen verbessern, hat sich mehrheitlich bestätigt da die meisten der MitfahrerInnen mit einem Einkommen unter 500 Euro in relativer Armut leben und daher wenig Geld für Transport zur Verfügung haben.[76] Auch scheinen Frauen, die gegenüber Männern in der Bevölkerung immer noch untermotorisiert sind[77], wenngleich insbesondere die jüngere Generation aufholt, leicht verstärkt von den Internetmitfahrgelegenheiten zu profitieren was sich am Geschlechtsverhältnis der MitfahrerInnen zeigt.[78] Passend dazu ergab die Stichprobe der FahrerInnen über die die MitfahrerInnen kontaktiert wurden eine deutliche Mehrzahl von Fahrern (über 80%). Da sich dies nicht allein aus dem höheren Autobesitz von Männern erklären lässt müssen andere Gründe dafür mitverantwortlich sein. Ein Grund könnte der Sicherheitsaspekt sein (auch Personen die TramperInnen mitnehmen sind zumeist Männer) in dem Sinn, dass sich Frauen der Situation als FahrerIn aus Angst oder fehlendem Vertrauen in die eigene Fahrweise weniger gewachsen fühlen; ein anderer der, dass Männer eher aus beruflichen Gründen weite Strecken pendeln und aufgrund ihrer stärkeren Berufsorientierung größere Strecken in Kauf nehmen. Dies wäre aber durch eine Untersuchung der FahrerInnen zu klären.

8. Exkurs: Internetmitfahrgelegenheiten und Solidarität

“Die Aufhebung der sozialen Tabus und zugleich der persönlichen Haftung hat im Autoverkehr ein ganzes System von Verantwortungen in eigener wie fremder Hinsicht außer Kraft gesetzt; Spannung, Laune, Begeisterung und Verwegenheit wurden die Begleiter der unverdienten Freiheit des Verkehrs.”[79]

Im Folgenden möchte ich mich abschließend und entgegen der Baudrillardschen Kulturkritik mit der Frage, inwieweit Mitfahrgelegenheiten zur Zufriedenheit aller Beteiligten „klappen“ und inwiefern sie sogar Solidarität erzeugen, auseinandersetzen. Dieser Frage wird erst hier nachgegangen, weil so die empirischen Ergebnisse der Befragung herangezogen werden können und die Abhandlung nicht rein theoretisch bleiben muss wenngleich nicht alle Überlegungen empirisch unterfüttert werden können. Gleichzeitig ist dieses Kapitel eine Art abschließende Evaluation der Mitfahrgelegenheiten und Panorama auf ihre mögliche zukünftige Entwicklung. Als theoretischer Hintergrund wird abermals die Rational Choice Theorie herangezogen, nun aber deren Betrachtung von sozialen Situationen in denen zwei oder mehr Akteure als rationale NutzenmaximiererInnen miteinander interagieren. Dabei beziehe ich mich auf Daniel Hechter der mit „Principles of group solidarity“ ein ganzes Buch zum Thema aus Sicht der Rational-Choice Theorie geschrieben hat (vgl. ebd. 1987, S.40-58).

Zunächst soll dazu aber geklärt werden, warum Solidarität überhaupt SoziologInnen interessiert und wie der Begriff aus Rational-Choice Sicht definiert wird.

Zu ersterer Frage sei gesagt, dass in der Soziologie vor allem das Solidaritätsverständnis von Emile Durkheim, der in ihr als „organische Solidarität“ die institutionelle Grundlage moderner arbeitsteiliger Gesellschaften sah, nachscheint (vgl. ebd., S.79-102). In diesem Sinn wirkt Solidarität zusammen mit institutionalisiertem Recht als gesellschaftlicher Integrationsmechanismus. Solidarität kommt damit wesentlich eine Ordnungsfunktion zu, auch wenn man sie im Zuge der funktionalen Differenzierung mit einhergehenden teilbereichspezifischen Normen inzwischen oft als makrosoziologisch überflüssig erachtet. Trotz dieses Bedeutungsverlustes scheint mir Solidarität aber immer noch zumindest im Alltag als Grundwert für die meisten Menschen im Sinn eines Gefühls der Zusammengehörigkeit, Verbundenheit und Übereinstimmung bedeutsam zu sein[80] und die sogenannte Zivilgesellschaft zu stärken auch wenn über den Bereich, den diese umfasst, ebenso wie ihre Funktion, die Meinungen auseinander driften (vgl. Kneer 1997).

In Beantwortung der zweiten Frage definiert Hechter Solidarität wie folgt:

„(…)solidarity can be best understood as compliance in the absence of compensation, or a quid pro quo.“ (ebd., S.10)

Solidarität meint demnach schlicht die Einhaltung von Regeln, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Grundvoraussetzung für das Zustandekommen von Solidarität ist Hechter zufolge immer das Interesse einer Mehrzahl von Akteuren an einem Gut, das sich nur gemeinsam produzieren lässt, und dessen Wert die durch die Zusammenarbeit anfallenden Transaktionskosten übersteigt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, haben einzelne Akteure einen Anreiz zur Erstellung dieses Gutes ihren Beitrag zu leisten, ohne eine Gegenleistung dafür einzufordern. Ferner ist Solidarität an die Art des Gutes gebunden: Sie entsteht vornehmlich bei der Produktion sogenannter immanenter Güter, die von der Gruppe selbst konsumiert werden und wirkt dann als Verpflichtung zur Einhaltung der Regeln, während sie bei nicht immanenten Gütern durch die Entschädigung der Akteure für ihre Arbeitsleistung wenig ausgeprägt ist.

Im Fall der hier interessierenden Mitfahrgelegenheiten lässt sich meines Erachtens die gemeinsame Fahrt als ein solches immanentes Gut betrachten wobei der Kooperationsbeitrag der FahrtteilnehmerInnen jeweils in der Zahlung ihres Benzinkostenanteils sowie der Einhaltung von Verhaltensregeln welche die Fahrt für alle Beteiligten gleichermaßen angenehm machen, besteht.

Ferner ist nach Hechter der Grad der Solidarität vom Wert des gemeinsam produzierten Gutes abhängig. Demnach wird z.B. die Solidarität zwischen drei Geiseln in der Wüste, deren Leben an einer nur gemeinsam durchführbaren Flucht hängt, sehr stark ausgeprägt sein. In diesem Beispiel wird ein weiterer Faktor ersichtlich, der die Solidarität beeinflusst: die gegenseitige Abhängigkeit der Akteure, die von der Existenz und Anzahl alternativer Märkte oder Kooperationspartner zum Erwerb oder der Erstellung des gleichen Gutes abhängt (im Fall des Lebens der Geiseln dürfte der Markt konkurrenzlos sein, sofern sie nicht an ein Leben nach dem Tod glauben, ebenso wie die Auswahl an Kooperationspartner in der einsame Wüste). Größtmögliche soziale Isolation führt daher zu besonders hoher Solidarität.

Darüber hinaus ist Gruppensolidarität aber auch immer von der Sanktionsfähigkeit der Gruppe und der Errichtung effektiver Kontrolltechniken der Gruppenmitglieder abhängig da Gruppenangehörige immer Interesse daran haben werden, auf Kosten der restlichen Gruppe als „Free Rider“ mehr als ihnen aufgrund ihres Kooperationsbeitrags zustünde von dem gemeinsam produzierten Gut zu erhalten. Eine Ausnahme bildet dabei lediglich die Erstellung sogenannter Kommunalgüter, deren Nutzen bereits in ihrer egalitären Erstellung liegt, also z.B. eine Freundschaft, und zu deren Produktion bereits kommunikative Verständigung genügt und keine essentiellen Normen vonnöten sind da beide Seiten immer nur in dem Maße wie die Gegenseite es tut profitieren können (vgl. Esser 2000, S.S.194-198). Bei den Mitfahrgelegenheiten ist der Fall anders gelagert, da wir zumindest für die MitfahrerInnen feststellen konnten, dass sie an der Einsparung von Geld und nicht den netten Leuten primär interessiert sind, und dies zu einem gewichtigen Teil sicher auch für die FahrerInnen gilt, so dass die Verlockung zur Defektion, das heißt dem Verletzen des Gemeinschaftsprinzips von Mitfahrgelegenheiten, vorhanden ist und zusätzlich begünstigt wird durch das Machtgefälle zwischen steuernden FahrzeugbesitzerInnen und den MitfahrerInnen.

Die Errichtung daher für den Bestand von Solidarität nötiger Kontrolltechniken ist nach Hechter dabei zunächst mit kostspieligen Investitionen verbunden die umso höher sind, je größer und räumlich weitläufiger verteilt die Gruppe ist. Positiv für ihre Errichtung sind dabei eine hohe Sichtbarkeit und Zurechenbarkeit des Handelns einzelner Akteure.[81] Langlebige Gruppen brauchen daher Agenten zur Kontrolle während in informellen Gruppen jedes Mitglied sowohl Agent als auch Mitglied ist. Sofern die Kosten für die Kontrolle zu hoch sind (weil es das Gut nach Addition der Kontrollkosten andernorts billiger gäbe), ist es schlecht um die Gruppensolidarität bestellt und die Tage der Zusammenarbeit schon gezählt. Ebenso sollte ein Ende der Zusammenarbeit nicht bereits absehbar sein, sondern sich vielmehr laut Robert Axelrod ein Schatten der Zukunft über die Gegenwart legen.[82] Ein solcher Schatten ist besonders dunkel, wenn sich frühere Interaktionspartner wieder begegnen und ein stabiler Kooperationskontext besteht. Das populäre Solidaritätsverständnis im Sinn eines Wir-Gefühls, Verbundenheit und Übereinstimmung bedarf ferner Zeit und dichter, intensiver Kommunikationsbeziehungen welche die Entstehung einer „Geschichte gemeinsamer Erfahrungen“ begünstigen. (vgl. Esser 2000, S.220 f.). Hartmut Esser bringt diese zeitliche Abfolge der Entstehung von Solidarität auf den Punkt:

„Erst kommt das Interesse, dann die Praxis und schließlich die Moral.“ (vgl. ebd., S.221)

Übertragen wir diese Solidaritätstheorie nun auf die empirische Wirklichkeit der Internetmitfahrgelegenheiten stellt sich zunächst die Frage, inwiefern wir es hier überhaupt allgemein mit einer Gruppe zu tun haben. Dabei scheint mir eine Ebenenunterscheidung in die Gesamtheit aller MitfahrerInnen und in einzelne Fahrgemeinschaften für die Analyse sinnvoll.

Wenden wir sodann die von Hechter aufgeführten Bedingungen für die Entstehung von Solidarität auf die Internetmitfahrgelegenheiten an, erweisen sich folgende in der Befragung erhobene Parameter als aussagekräftig:

a. Wahrgenommene alternative Mobilitätsformen und deren Nutzenunterschied zu einer Internetmitfahrgelegenheit

b. Die Häufigkeit der Nutzung und Nutzungsabsicht in der Zukunft indiziert an der Bereitschaft zum Autoverzicht (der Schatten der Zukunft)

c. die allgemeine Zufriedenheit und schlechte Erfahrungen (Effizienz der Kontrolle)

d. das Wiedertreffen der selben MitfahrerInnen und FahrerInnen

Angesichts des in der Befragung festgestellten deutlich höheren Nutzens der Internetmitfahrgelegenheiten gegenüber der dominant genannten Alternative Bahn und der ohnehin wenigen wahrgenommen Alternativen (meist nur eine) scheint Bedingung a. weitgehend erfüllt, dürfte aber variieren, je nachdem wie oft eine Person die Mitfahrgelegenheiten nutzt und wie wichtig der damit verfolgte Endzweck ist (z.B. die Aufrechterhaltung einer Partnerschaft mehr als der vierteljährliche Besuch der Eltern). In Hinblick auf die Nutzungshäufigkeit ergab die Befragung, dass die meisten MitfahrerInnen Internetmitfahrgelegenheiten mehr als ein mal im Monat benutzen, doch nur 27% aller MitfahrerInnen glaubten auch an eine Zukunft ohne Auto. Angesichts der Tatsache, dass auf bestimmten Strecken nur eine begrenzte Anzahl von FahrerInnen und MitfahrerInnen verkehren (und teils die selben FahrerInnen die Stecke an einem Wochenende hin und zurück fahren) ist ein gewisser Schatten der Zukunft zu erwarten, der jedoch mehr noch die FahrerInnen treffen dürfte da sie erwarten müssten, dass sich ein schlechter Ruf unter den MitfahrerInnen der selben Strecke rasch herumsprechen könnte während MitfahrerInnen geringer Kontrolle unterliegen da die FahrerInnen über schlechtere interne Kommunikationsmöglichkeiten verfügen und die sogenannte „Schwarze Liste“ im Gästebuch von Mitfahrgelegenheit.de bislang wenig übersichtlich ist.

Insgesamt jedoch dürfte die Tatsache, dass Internetmitfahrgelegenheiten eben keine festen Fahrgemeinschaften darstellen und die MitfahrerInnen unterschiedliche Nutzungsgründe haben und auch die Abhängigkeiten von Internetmitfahrgelegenheiten variieren deren solidarisierende Wirkung begrenzen. Gespräche mit mehreren NutzerInnen von Internetmifahrgelegenheiten, darunter auch „VielmitfahrerInnen“ ergaben ferner, dass das Wiedertreffen derselben Personen im Rahmen von Internetmitfahrgelegenheiten eher selten der Fall ist, insbesondere da viele Personen nicht dauerhaft regelmäßig Strecken von mehreren hundert Kilometern zu fahren bereit sind.[83] Jedoch erscheint mir die Entwicklung solidarischer Gefühle gegenüber den generalisierten anderen NutzerInnen aufgrund der Ähnlichkeit der sozialen Lage, zumindest innerhalb der Gruppe der MitfahrerInnen, auch bei dem Nichtwiedersehen derselben InteraktionspartnerInnen wahrscheinlich.

In Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten sind diese zumindest während der Fahrt sehr hoch da man z.B. gegen zu laute Musik oder riskantes Fahren Einspruch erheben kann. Dass dennoch immerhin 22% der MitfahrerInnen über riskantes Fahren klagen mag auch damit zusammenhängen, dass die Wahrnehmung von Fahrstilen sich subjektiv unterscheidet- so stellten wir fest (vgl. 6.7), dass MitfahrerInnen aus dem Selbstverwirklichungsmilieu häufiger an riskante FahrerInnen zu geraten scheinen als als solche aus dem Unterhaltungsmilieu ohne dass hierfür ein plausibler objektiver Grund erkennbar wäre außer dass die Einstellungen in den beiden Milieus zu einem riskanten Fahrstil variieren (an getunten Autos Interessierte vermutet Schulze entsprechend im Unterhaltungsmilieu). Riskantes Fahren muss daher keine willentliche Verletzung des Gebots des rücksichtsvollen Miteinanders darstellen sondern ist dann vielmehr dem subjektiven Empfinden geschuldet. Die gleiche Erklärung bietet eine Antwort auf erlebte ungute Gefühle während der Fahrt und den zu hohen Fahrtpreis, der ja vor allem von Mitfahrern so empfunden wird.

Anders sieht es bei der Situation vor der Fahrt und bei der Ankunft aus: als FahrerIn bereits am Telefon einen zu hohen Preis vorzugeben, als FahrerIn oder MitfahrerIn zum vereinbarten Termin nicht zu erscheinen oder in letzter Minute abzusagen oder nach der Fahrt als MitfahrerIn nicht mehr zahlen zu wollen sind Handlungen, die meines Erachtens die anonyme Kollektivebene der NutzerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten zuzurechnen sind und wo es bislang keine effektiven Sanktionsmöglichkeiten gibt.[84] Die Solidarität auf der Gesamtebene dürfte demnach so gut wie nicht vorhanden sein was sich z.B. auch in der geringen Forenbeteiligung zeigt. Daher besteht aber die Gefahr der Regelverletzung der die NutzerInnenschaft als Kollektiv ausgesetzt ist, und wogegen man nur mittels zahlreicher Agenten oder aber- durch die Möglichkeiten des Internets- mit einem effizienten Online-Berwertungssystem vorbeugen könnte. Immerhin ist durch die solidarisierende Wirkung von Mitfahrgelegenheiten auf der Individualebene auch eine Rückwirkung auf die allgemeine Ebene zu erwarten.

Daher: Es scheint so schlimm alles gar nicht zu sein wie ja die bekundete Zufriedenheit der MitfahrerInnen bestätigt. Sicher kann nicht ausgeschlossen werden, dass genau die MitfahrerInnen mit den schlimmsten Erfahrungen aus der Befragung ausgenommen wurden, da sie nach diesen genug haben und keine Internetmitfahrgelegenheiten mehr nutzen.[85] Ansonsten können aber auch erlebte schlechte Erfahrungen, die in ihrer Häufigkeit nicht erfragt wurden, der Zufriedenheit der MitfahrerInnen nichts anhaben so dass sie a. so oft nicht vorkommen können respektive b. den Nutzen einer Mitfahrt nur geringfügig senken. Dies dürfte insbesondere auch damit zusammenhängen, dass die TeilnehmerInnen an Mitfahrgelegenheiten sich nicht nur den ökonomischen Frame „billig“ anzeigen sondern auch einen allgemeinen, im kulturellen Verständnis verankerten Frame „Gemeinschaft“ mit dem Oberziel „Miteinander“ durch die persönliche Atmosphäre (Dutzen, Privatraum Auto) der wohl insbesondere während der Fahrt schnell die Oberhand gewinnen dürfte, dort zumindest aber als weiteres Ziel der Nutzenproduktion dienen würde, und dann eine reine Maximierung des materiellen und eigenen Nutzens nicht mehr erstrebenswert erscheinen lassen würde, da die wenigsten Menschen gerne mehrere Stunden mit rationalen EgoistInnen die sich wirklich so verhalten verbringen dürften wollen.

Trotzdem sollte die Diskussion um die Errichtung eines Bewertungssystems zur Optimierung der Kontrollmöglichkeiten wie sie aktuell im Forum von Mitfahrgelegenheit.de zu beobachten ist nicht vorschnell als unnötig verabschiedet werden[86], insbesondere dann wenn Mitfahrgelegenheiten sich auch noch für bereits Berufstätige mit weniger Zeit und Nerven[1]oder sonstige Personen mit begrenzter Kompromissbereitschaft lohnen, also noch mehr NutzerInnen erreicht werden sollen, scheint ein effizientes Bewertungssystem von Bedeutung.

Die Tatsache, dass ein solches bislang noch nicht besteht, dürfte wesentlich damit zusammenhängen, dass ein Bewertungssystem mit einer Vielzahl von Änderungen auf der Internetseite von Mitfahrgelegenheit.de einhergehen müsste, so dem Zwang zur allgemeinen Registrierung da auch MitfahrerInnen unter Bewertung fallen würden und darüber hinaus missbrauchssicher sein müsste (also nur Bewertungen von tatsächlichen FahrtteilnehmerInnen zulässig sein dürften). Ferner stellt sich angesichts der erwähnten Subjektivität bestimmter schlechter Erfahrungen das Problem des Auffindens angemessener Bewertungskriterien: Was bewertet man wie? (kann man z.B. ein Bewertungskriterium zur Vorbeugung unguter Gefühle einführen die sich vermutlich häufig an zugeschriebenen Charaktereigenschaften von Personen festmachen?) Auch die Einführung einer Preispauschale erschiene im Rahmen eines Bewertungssystems fast zwingend da der Preis sowohl normativ durch die Betonung des gemeinschaftlichen Elements als auch die gesetzlichen Vorgaben besonders reguliert ist. Schließlich würde ein Bewertungssystem durch die dadurch resultierende geringere Selbstbestimmung und als Symbol eines noch zweckrationaleren, ökonomischen Handlungsstils mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schon unter 3.4. beschriebenen „Crowding Out“ Effekt nach sich ziehen- da aber eben auch die Moral wie schon Durkheim erkannte zur Solidarität gehört, würde dies zu einer Schwächung der Bindung zwischen den NutzerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten führen. Inwiefern dies einen kontraproduktiven Effekt auf die Organisation hätte, müsste aber erst durch eine stärker qualitativ orientierte Überprüfung darüber, inwiefern es durch das Mitfahren überhaupt zur Herausbildung einer bindenden Moral kommt die damit ausgelöscht würde, festgestellt werden. Von sozialpsychologischer Seite wird zudem die Überschätzung von unwahrscheinlichen Risiken gemeldet, sofern ausdrücklich sprachlich auf diese hingewiesen wird und diese dadurch nicht mehr als freiwillig erscheinen- auch dies sollte daher im Rahmen eines Bewertungssystems berücksichtigt werden (vgl. Luhmann 1986, S.242-243). Es bleibt daher abzuwarten, ob ein Bewertungssystem, dessen Lancierung bei Beendigung dieser Arbeit von den SeitenbetreiberInnen im entsprechenden Forum des Gästebuchs angekündigt war, die Mitfahrgelegenheiten noch effizienter macht oder sich doch als kontraproduktiv erweist.

9. Ausblick

Um Wiederholungen vorzubeugen soll hier nur ein kurzes Fazit der Untersuchung erfolgen. Wie sich gezeigt hat, sind die MitfahrerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten im Durchschnitt Mitte 20, relativ arm, und in mindestens 50% der Fälle noch nicht mit ihrer Ausbildung fertig wobei StudentInnen eine Kernfigur darstellen- mit Gerhard Schulze gesprochen haben wir es bei den MitfahrerInnen in 79% der Fälle mit Angehörigen des Selbstverwirklichungsmilieus zu tun. Diejenigen die mitfahren, tun dies dominant zur wochenendlichen Pflege von familiären, freundschaftlichen und/oder partnerschaftlichen Beziehungen. Immerhin ein Viertel der Befragten sind PendlerInnen und nutzen Internetmitfahrgelegenheiten daher überdurchschnittlich oft. Das wichtigste Motiv für die Wahl von Internetmitfahrgelegenheiten als Verkehrsmittel stellt dabei überragend das der Geldersparnis dar gefolgt von Zeiteinsparung. An zweiter Stelle in der Motivhierarchie findet sich dann immerhin bei 12% der MitfahrerInnen das Erlebnismotiv „neue Leute kennenlernen“; von der Beatnik Ideologie des Trampens mit ihrer Betonung von Anarchismus, Abenteuer, „sex and drugs“ scheint das organisierte Mitfahren jedoch weit entfernt. Auch das Motiv des Umweltschutzes zeigt kaum Einfluss auf die Nutzungsentscheidung. Ohne dass es mit einem entsprechenden Bewusstsein einherginge, scheint das Mitfahren aber auch so eine positive ökologische Wirkung zu haben, denn immerhin ein Viertel der MitfahrerInnen sind selbst AutobesitzerInnen und verzichten somit auf das Selbstfahren. Schließlich ist, erfreulicherweise, das einstimmig positive allgemeine Urteil hinsichtlich der Zufriedenheit mit Internetmitfahrgelegenheiten hervorzuheben an dem auch erlebte schlechte Erfahrungen nichts ändern zu können scheinen.

Nach diesem Resümée erscheint es mir für künftige Studien lohnenswert, die verkehrsreduzierende Wirkung von Mitfahrgelegenheiten vertiefend weiterzuverfolgen und auch noch die FahrerInnen zu befragen, auf die im Rahmen der Untersuchung nicht eingegangen werden konnte, die vermutlich aber hinsichtlich ihrer soziokulturellen Zugehörigkeit und Motive von den MitfahrerInnen abweichen. Auch eine spezielle Frage zur Erfolgsquote bei dem Finden von Internetmitfahrgelegenheiten erscheint mir interessant.

Den Bogen makrosoziologisch schließend, sei abschließend ferner noch die Politik adressiert: Erinnern wir uns an Opps Erklärung des gesunkenen Umweltbewusstseins mit der Institutionalisierung der Ziele der Umweltbewegung durch die Politik und Umweltorganisationen, so läge es angesichts dieser neuen allgemeinen Passivität wohl auch an diesen Instanzen, die umweltpolitische Sinnhaftigkeit der Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten stärker zu kommunizieren und damit intrinsische Motive zu fördern, die möglicherweise eine längerfristige Bindung an das Mitfahren begünstigen. Eine erste Anfrage der Pressestelle des Verkehrsministeriums ergab, dass man dort öffentlich bislang keinen Standpunkt zu Internetmitfahrgelegenheiten vertritt sondern diese als Privatangelegenheit erachtet und duldet solange damit keine Gesetzesverstöße verbunden sind.[87]

Daneben liegt es aber auch an der unternehmerischen Verantwortung der BetreiberInnen der entsprechenden Internetseiten sowie den NutzerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten selbst, den ökologischen und gemeinschaftlichen Nutzen von Mitfahrgelegenheiten zu erkennen und durch Schaffung eines stärkeren ideellen Rückgrads der Mitfahrzentralen im Internet deren Organisation zu stärken. Nicht zuletzt wäre dafür die Hürde der Erstellung eines effizienten und objektiven Bewertungssystems als Kontrollinstanz und Sicherheitsgarant für die NutzerInnen zu nehmen.

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Verwendete Zeitungs- und sonstige Artikel

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.11.1998, S.20: Rechnen mit Kunden, die rechnen müssen. Das Interesse an Mitfahrzentralen lässt nach/Günstige Bahntarife als Konkurrenz/ Unterschiedliche Angaben. Von (soj).

Frankfurter Allgemeine Zeitung 3.8.2000, S.43 : Der Tramper. Nachruf auf einen verschwundenen Verkehrsteilnehmer. Von Florian Illies.

Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen (NSB) Heft 1, Jg. 6, 1993, Schüren, S.95:

Vernetzung von Mitfahrzentralen.

Öko Test, August 1994: Mitfahrzentralen. Jeder wirbt für sich allein. Die bundesdeutschen Mitfahrzentralen haben ihr alternativ-studentisches Image abgelegt. Mit professionellem Management und besserem Service werben sie für die umweltfreundliche Dienstleistung. Von Regine Cejka. www.oekotest.de/cgi/ot/otgp.cgi?doc=300 1.5.2004.

Süddeutsche Zeitung 14./15.8.2002, Nr. S.17: Tut mir leid, ich wohn’ hier um die Ecke. Ungeduscht, geduzt und ausgebuht: Im Zeitalter der Ich-AG ist der Tramper im Aussterben begriffen- ein Selbstversuch in Sachen Mobilitätsbetteln. Von Alex Rühle.

Süddeutsche Magazin 7.3.2003, Nr. 10, S.38: „Viele Kunden finden, die Bahn wolle sie bevormunden.“. Interview mit Christoph Krause. Von Mirko Heinemann.

Süddeutsche Zeitung 10./11.5.2003, Nr. 107, S.28: Alex auf krummer Tour. Die Mitfahrzentralen profitieren vom neuen Preissystem der Bahn- und mit ihnen die ,,Schwarzfahrer“, die mit Kleinbussen zwischen den Großstädten pendeln. Von Jens Tönnesmann.

Taz Magazin, 2.9.2000, S.I: Kein Daumen im Wind, nirgends. Von Björn Kern.

Datensatz

Die Daten der im Februar 2004 durchgeführten Befragung können als SPSS-Datei bei der Autorin (sstegmueller@hotmail.com) angefordert werden.

A 1 Allgemeine Informationen zu Mitfahrzentrale.de auf Anfrage : Stand 06/2003.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A 2 Beispiel Seitenansicht Suchergebnisse für ausgewählte Fahrtstrecke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mitfahrgelegenheit.de 4.5.2004 20 Uhr.

A 3 Bsp.: Detailansicht Fahrtangebot

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mitfahrgelegenheit.de 6.3.2004 14 Uhr ***: persönliche Angaben von mir anonymisiert

A 4 Bsp.: Detailansicht Fahrtgesuch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mitfahrgelegenheit.de 6.3.2004 14 Uhr ***: persönliche Angaben von mir anonymisiert

A 5 Briefanschreiben FahrerInnen

Institut für Kulturwissenschaften

Susanne Stegmüller

Steinstraße 31

04275 Leipzig

Leipzig, .. 2004

Sehr geehrte(r) xy,

Sie haben sich telefonisch bereiterklärt, mich bei einem Forschungsprojekt im Rahmen meiner Magisterarbeit zu unterstützen und Fragebögen an die MitfahrerInnen[88] bei Ihrer nächsten Fahrt auszuteilen. Dafür bedanke ich mich herzlich.

Mit meiner kultursoziologischen Untersuchung möchte ich mehr über die Motivlagen und Lebensstile der MitfahrerInnen erfahren. Bislang liegen dazu keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Dabei stellen Internetmitfahrgelegenheiten in vielerlei Hinsicht eine innovative und ökonomische Mobilitätsform dar. Dem Forschungsdefizit möchte ich daher mit meiner Befragung Abhilfe leisten.

Alles was Sie tun müssen : Bitten Sie bei Ihrer kommenden Fahrt alle MitfahrerInnen in Ihrem Auto um das Ausfüllen des Fragebogens. Es handelt sich um einen kompakten Fragebogen der circa 5-10 Minuten dauert. Alle für die MitfahrerInnen relevanten Informationen befinden sich im Fragebogen. Bitte stellen Sie sicher, dass sich bei der Fahrt etwas zum Schreiben im Auto befindet.

Wenn die Fragebögen ausgefüllt sind, senden Sie diese bitte in dem beigefügten Umschlag an mich zurück. Wenn noch nicht alle Fragebögen ausgefüllt wurden und Sie alternativ bald eine andere Mitfahrgelegenheit anbieten (maximal 10 Tage später), können Sie restliche Fragebögen auch dann ausfüllen lassen da jeder beantwortete Fragebogen der Untersuchung dient. Anderenfalls senden Sie bitte auch leere Fragebögen an mich zurück.

Wenn Sie selbst gerne mehr über die MitfahrerInnen erfahren möchten, können Sie auf dem beigefügten Zettel Ihre e-mail Adresse hinterlassen. Ich sende Ihnen dann nach Abschluss meiner Untersuchung (circa Juli dieses Jahres) einen Ergebnisbericht zu.

Sollten Sie Rückfragen haben, kontaktieren Sie mich per e-mail an sstegmueller@gmx.de oder rufen Sie mich an: (0341) 3061312.

Mit freundlichen Grüßen,

Susanne Stegmüller

-Untersuchungsleiterin-

A 6 Nachbefragung FahrerInnen

Nachevaluation: E-Mail Befragung von fünf Fahrern (kursiver Fragetext wie in E-Mail)

1. Wie haben die MitfahrerInnen auf den Fragebogen reagiert (positiv/negativ etc.)?

Fahrer 1: Die meisten in die Richtung "Ich hab ja grad eh nix besseres zu tun". Also eher neutral würd’ ich sagen.

Fahrer 2: Alle drei Mitfahrer haben prinzipiell positiv auf den Fragebogen reagiert.

Fahrer 3: Sie haben eher neutral reagiert, es gab nun keine Begeisterungsstürme, aber auch keine strikte Ablehnung. Fahrer 4: Die MitfahrerInnen haben keine negativen Äußerungen gemacht. Die waren bereit, die Fragebögen unproblematisch auszufüllen.

Fahrer 5: Eigentlich würde ich sagen positiv obwohl auch eine Spur Desinteresse dabei war.

2. Haben alle oder nur ein Teil der MitfahrerInnen der Fahrt einen Fragebogen ausgefüllt;

wenn nur ein Teil, aus welchem Grund?

Fahrer 1: Nur ein Teil: Eine wollte nicht mitmachen weil sie solche Umfragen blöd findet und einer meinte er kann beim Autofahren nicht lesen geschweige denn schreiben da wird ihm sehr schnell schlecht. Bei ihm war es das erste Mal das er eine Mitfahrgelegenheit genutzt hat.

Fahrer 2: Alle Mitfahrer haben - meiner Kenntnis nach - den Fragebogen ausgefüllt, wobei zwei der Mitfahrer Ihren Fragebogen bei Ankunft noch nicht ausgefüllt hatten, nachdem Sie sich die ganze Zeit unterhalten hatten. Fahrer 3: Alle haben ihn ausgefüllt, es gab keine Verweigerer. Fahrer 4: Da ich bei den letzten Fahrten nur 2 Leute zur Verfügung hatte, haben die jeweils die Fragen der Fragebögen selbstständig und vollständig ausgefüllt.

Fahrer 5: Alle haben den Zettel ausgefüllt.

3. Sonstige Hinweise die einer Evaluierung der Befragung dienen können:

Fahrer 1: Vermutlich hätte es gereicht einige Visitenkarten mit einer Homepage-Adresse (Web- Formular) auszuteilen. Das dann über einen Zeitraum von 1-2 Monaten in denen dann das Formular ausgefüllt wird. Ebenso wären Aussagen der Fahrer (über die Mitfahrer) vielleicht auch ganz

interessant gewesen.

Fahrer 2: Es kam der Hinweis, dass einige der Fragen aus wissenschaftlicher Sicht möglicherweise nicht ganz richtig formuliert waren, z.B. Suggestivfragen.

Fahrer 3: keine

Fahrer 4: Was bei der Befragung meiner Meinung nach gefehlt hat ist die Meinung der FahrerInnen. Einige fahren, weil die Benzinkosten reduzieren wollen, einige (das wäre mein Fall) fahren, um sich nicht bei der Fahrt zu langweilen. Man lernt verschiedene Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen kennen. Dadurch könnten sich einige Freundschaften bilden.

Fahrer 5: keine

A 7 Fragebogen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Institut für Kulturwissenschaften Bereich Kultursoziologie

Sehr geehrte Mitfahrerin, sehr geehrter Mitfahrer, im Rahmen meiner Magisterarbeit führe ich eine Befragung zum Thema „Motive und Lebensstile von MitfahrerInnen der Internetmitfahrzentrale“ durch.

Dabei wurden in einem Auswahlverfahren alle MitfahrerInnen der heutigen Fahrt zur Beantwortung eines schriftlichen Fragebogens ermittelt. Ich möchte Sie daher herzlich bitten, sich während der Fahrt etwas Zeit zu nehmen (5 -10 Minuten) und die folgenden Fragen zu beantworten.

Den Hintergrundmeiner Befragung bildet die Annahme, dass es sich bei Internetmitfahrgelegenheiten um eine in sozialer und ökologischer Hinsicht innovative Mobilitätsform handelt.

Das Ziel ist herauszufinden, welche Motive der Nutzung von Mitfahrgelegenheiten zugrunde liegen und ob diese Motive in einem Zusammenhang mit bestimmten Einstellungen und Lebensweisen der MitfahrerInnen stehen.

Der Fragebogen enthält daher sowohl Fragen, die sich konkret auf das Nutzungsverhalten von Internetmitfahrgelegenheiten beziehen, als auch Fragen zu anderen Lebensbereichen.

Beim Ausfüllen ist es wichtig, dass Sie alle Fragen vollständig beantworten und sich nicht mit den anderen MitfahrerInnen absprechen.

Dazu müssen Sie jeweils ein Kreuz oder eine Rangzahl zwischen der entsprechenden Klammer platzieren. Das sieht dann so aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zudem gibt es einige offene Fragen, wo Sie selbst mit möglichst wenigen Worten Ihre Antwort formulieren sollen.

Wenn Sie den Fragebogen ausgefüllt haben, geben Sie ihn bitte an den Fahrer/ die Fahrerin zurück.

Vielen Dank für Ihr Mitmachen und gute Fahrt!

Susanne Stegmüller

-Untersuchungsleiterin-

Fragebogen „Motive und Lebensstile von MitfahrerInnen der Internetmitfahrzentrale“

1. Im Folgenden interessieren einige Ihrer Einstellungen und wie sehr Sie jeder Aussage auf einer Skala von 1 bis 5 zustimmen; wobei 1 „stimme ganz zu“ und 5 „stimme gar nicht zu“ bedeuten. 2,3, und 4 sind entsprechende Abstufungen.

Ich habe gerne Spannung und Abwechslung in meinem Leben.

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Berufliches Weiterkommen und persönlicher Erfolg sind mir sehr wichtig.

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Ich finde, dass es in unserer Gesellschaft zu wenig Nächstenliebe gibt.

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Es würde mir Spaß machen, eine Zeit lang im Ausland zu leben.

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Jeder sollte machen, was er möchte, egal was andere denken.

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Es beunruhigt mich, wenn ich daran denke, unter welchen Umweltverhältnissen unsere Kinder und Enkelkinder wahrscheinlich leben müssen.

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Es ist noch immer so, dass die Politik viel zu wenig für den Umweltschutz tut.

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Nur wer im Leben etwas wagt, gewinnt auch.

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Ich plane mein Leben nicht im Voraus, sondern lasse mich überraschen.

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2. In dieser Frage geht es um Ihre Lesegewohnheiten. Dabei sollen Sie angeben wie sehr Sie jede Lektüreart interessiert. Dabei bedeutet 1 „gefällt mir sehr gut“ und 5 „gefällt mir gar nicht“. 2,3 und 4 sind jeweilige Abstufungen.

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3. Erinnern Sie sich bitte an Ihre Urlaube der letzten drei Jahre und überlegen Sie sich, welcher Urlaub Ihnen davon am besten gefallen hat. An welchem Ort haben Sie diesen „schönsten Urlaub der letzten drei Jahre“ verbracht und auf welche Weise? (bitte kurze Umschreibung, z.B. Strandurlaub Korfu, Rucksackurlaub Peru)

4. Wie häufig nutzen Sie die Mitfahrzentrale im Internet?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5. Aus welchem Grund nutzen Sie heute eine Mitfahrgelegenheit? Hier sind mehrere Antworten möglich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

6. Haben Sie, bevor Sie sich heute für die Nutzung einer Internetmitfahrgelegenheit entschieden haben, auch an eine oder mehrere Alternativen dazu gedacht? (mehrere Antworten sind möglich) Bitte geben Sie nur die Alternative(n) an, an die Sie auch wirklich gedacht haben!

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

7. Wenn Sie wie heute die Internetmitfahrzentrale nutzen, welches Ziel/welche Ziele haben Sie dann vor Augen? Es sind mehrere Nennungen möglich, sofern Sie tatsächlich an mehrere Ziele gedacht haben. Sollten Sie an mehr als ein Ziel gedacht haben, markieren Sie bitte zusätzlich im rechten Kästchen die Rangfolge der jeweiligen Ziele (1 = wichtigstes Ziel, 2 = zweitwichtigstes Ziel etc.)

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8. Sie haben gerade genannt, was Ihnen am wichtigsten ist bei einer solchen Fahrt (vgl. wichtigstes Ziel Frage 7). Nun geben Sie bitte an, wie gut dieses Ziel Ihrer Meinung nach von einer Internetmitfahrgelegenheit erfüllt wird? Es wird…

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

9. Und wie gut wird dieses wichtigste Ziel, alternativ dazu, von der Bahn erfüllt?

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10. Wie zufrieden sind Sie allgemein mit der Mitfahrzentrale im Internet?

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11. Glauben Sie, dass Sie auch in Zukunft ohne eigenes Auto auskommen werden?

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12. Es gibt auch andere Bereiche, in denen Autos gemeinsam genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte „Carsharing“. Können Sie sich vorstellen Carsharing Angebote zu nutzen, wenn Sie künftig selbst über ein Auto verfügen möchten? Kann ich mir…

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

13. Beim Mitfahren kann man leider auch schlechte Erfahrungen machen. Im Folgenden werden mögliche negative Erfahrungen aufgezeigt. Kreuzen Sie bitte bei jeder Erfahrung an, ob sie diese schon machen mussten (ja) oder nicht (nein).

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Falls Sie andere schlechte Erfahrungen gemacht haben, könnten Sie diese hier bitte kurz schildern:

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14. Welches Geschlecht haben Sie?

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15. Welche Nationalität haben Sie?

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16. Wieviele Jahre sind Sie alt?

17. Welchen höchsten Bildungsabschluss haben Sie?

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18. Wenn Sie noch studieren, geben Sie bitte Ihre Fachrichtung an.

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19. Welche berufliche Tätigkeit haben Sie zuletzt ausgeübt? (gilt nur für Personen mit abgeschlossener Ausbildung)

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20. Wie ist Ihr derzeitiger Familienstand?

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21. Bitte geben Sie an, zu welcher Einkommensgruppe Sie gehören (monatliches Nettoeinkommen)

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22. Wenn Sie Ihre politische Haltung insgesamt kennzeichnen, inwieweit stimmen Sie mit Positionen folgender politischer Richtungen überein, und inwieweit lehnen Sie sie ab? Dabei bedeutet 1 „lehne völlig ab“ und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

23. Haben Sie Interesse daran, nach Beendigung der Studie eine Zusammenfassung der Ergebnisse per E-Mail zu erhalten? Falls ja, geben Sie bitte Ihre E-Mail Adresse an.

Datum der Befragung:

Fahrtstrecke:

Das war’s - Danke!!

Eventuelle Rückfragen mailen Sie bitte an sstegmueller@hotmail.com

A 8 Bsp: Gästebucheinträge „Schwarze Liste“ zu schlechten Erfahrungen

ClaMat

Ich möchte an dieser Stelle vor einem Fahrer warnen,der sich als "SAMUEL BECKER" ausgibt, bevorzugt von Dresden nach FR bzw. OG (und umgekehrt) unterwegs: Ich bin normalerweise niemand, der sich an diesen Haltegriffen im Auto festklammert,aber ich finde, wenn man 4 Leute mitnimmt,sollte man sich doch als Fahrer ein wenig mäßigen! Also wenn ihr mit Schlangenlinienfahren bei 190kmh, Vollbremsungen auf der Autobahn, LKW-Fahrer provozieren und Blindüberholvorgängen auf der Landstraße kein Problem habt,nur zu...

Am 21. wollte ich bei jemandem namens Sascha-Pierre von Berlin (Ernst-Reuter-Platz an der ARAL-Tankstelle) nach Köln mitfahren. Ein Kennzeichen gab er in der Anzeige nicht an, sondern nur "Mietwagen". Offensichtlich macht der Kerl das Ganze professionell und nimmt in seinem Bus (7 Plätze) von jedem 25 Euro. Das ginge ja noch. Aber offensichtlich gibt der raffgierige Kerl mehr Leuten eine Zusage als er eigentlich Plätze hat, um ganz sicher zu gehen, dass er auch an sein komplettes Geld kommt. Vertun kann man sich ja mal, aber er wurde total unverschämt, stritt ab, mit mir telefoniert zu haben und hat mich ohne Entschuldigung rausgeschmissen. Fast wäre er sogar mit meinem Gepäck absichtlich losgefahren...

Hallo Ihr, ich kann nur alle vor einer ANNALENA XXXX warnen. Sie wollte heute mit mir von Dresden nach Lindau fahren. Treffpunkt war 15.00 Uhr in Dresden. Ich und eine andere Mitfahrerin waren auch dort, nur Annalena war nicht da. 15.10 Uhr rief ich sie an. Sie sagte, dass sich sich ca. 20 Minuten verspäten wird. Weil dass schließlich jedem mal passieren kann, warteten wir bis 15.40 Uhr. Wer nicht kam, war ANNALENA. Ich versuchte erneut, sie mehrmals anzurufen - VERGEBLICH - sie nahm nicht ab. So fuhren wir schließlich los. Eine halbe Stunde später war das Handy ganz aus und ist bis jetzt auch noch nicht wieder an. Zum Kotzen. Zu spät losgefahren, in Stau gekommen und Geld eingebüßt. Spitzenmäßig!!!

Nimtz

Habe einen Fahrgast gehabt, der am Ziel Berlin-München nicht zahlen wollt. (Wohlfahrtsverein?) Ich finde das ziemlich mies.

@ Petrus Auf alle Fälle vor der Fahrt kassieren, seriöse Mitfahrer diskutieren da gar nicht, wer nicht zahlen will, bleibt dann halt zuhause (Bahn etc. kassieren auch vorher, aber schon x-mal hier gelesen). Ein weiterer Grund: mir ist ganz zu Anfang, als ich noch unerfahren war und dieses Gästebuch noch nicht kannte schon mal jemand am Zielort an einer Ampel einfach abgehauen (saß mit seinem bischen Gepäck auf der Rückbank). Spreche die Fahrpreise schon am Telefon ab und wenn dann jemand diskutieren will, biete ich ihm an, mit der Bahn zu fahren (hilfreich ist es, mal eben die aktuellen Preise der Bahn für die Strecke parat zu haben, ein schlagendes Argument! Die weiß ich, weil ich auch mal überlegt habe mit selbiger zu fahren).

Kaempre

Zu den letzten Beiträgen - die sich inhaltlich leider oft wiederholen: Das "Nachhandeln" eines Fahrpreises ist zu umgehen: Vorher den Preis, wenn möglich durch Mail, fest vereinbaren. Will dann jemand nicht entsprechend bezahlen häätte man die Möglichkeit diese Person zu fragen, ob ihr es recht wäre, dass man eben die Polizei anruft wegen einer möglichen Beförderungserschleichung Wenn das Rechtsempfinden entweder (noch) nicht entwickelt ist, oder abhanden gekommen, kann man möglicherweise nachhelfen Auch bei Zusagen entstehen Verträge, die von beiden Seiten einzuhalten sind. Schwierig mündlichen Zusagen ohne Zeugen zu Beweisen. Deshalb: Nach mündlichen/telefonischen Anfragen ergänzend per Mail die Vereinbarungen bestätigen. Nun sollte nicht immer gleich mit Kanonen nach Spatzen geschossen werden. Aber machner Spatz braucht vielleicht mal einen kleinen "Anschuß"... Letztlich "siebe" ich zum Beispiel gleich bei einer telefonischen Anfrage. Stellt der Anrufer sich vorweg nicht gleich vor, sondern platzt gleich nur damit heraus was er für sich will. Darauf erhält er von mir die "automatische" Antwort: "Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich nur Personen mitnehme die ich kenne oder die sich mir vorgestellt haben. Bemühen Sie sich bitte um eine anderweitige Mitfahrgelegenheit. Ich danke Ihnen für Ihren Anruf" Damit umgehe ich eine weitere mögliche Unhöflichkeit: Nämlich, dass die Person den Termin nicht einhält. Kernsatz: Im Vorfeld aussortieren und alles abklären. Meine Erfahrung: Das hilft!

Gästebuch: „Schwarze Liste“ Mitfahrgelegenheit.de, 22.3.2004.

***: persönliche Angaben von mir anonymisiert

A9 Nachgefragt bei einem „Vielmitfahrer“ (per e-mail)

Fragen:

a) Sind es oft dieselben Personen mit denen Sie mitfahren oder meist unterschiedliche FahrerInnen und MitfahrerInnen? b) Wie handhaben Sie die telefonische Absprache am Telefon: Welche Details der Fahrt werden im Regelfall vorab angesprochen und abgeklärt (z.B. Preis, Absetzpunkt, Fahrstil, Raucher, Fahrzeugtyp) oder setzen Sie und die Fahrer diesbzgl. eher auf Vertrauen und Nichtnachfragen?

Antwort:

zu a): Teilweise ergibt es sich, dass ich auf Fahrer treffe, mit denen ich schon mitgefahren bin. Das sind dann überwiegend Leute, die aus beruflichen Gründen vorübergehend in Bayern tätig sind und für wenige Monate die Strecke relativ regelmäßig fahren. Allerdings erledigen sich solche "Dauermitfahrgelegenheiten" leider meist schon recht bald. Ist ja auch nachvollziehbar. Schließlich fährt kaum jemand auf Dauer eine solche Strecke Woche für Woche. Zufällige Wiedertreffen gab es auch schon. Dann allerdings meist nach einer längeren Zeit.

Zu b): Der erste Kontakt entsteht üblicherweise per E-Mail. Wenn die Fahrt noch aktuell ist wird dann per Telefon der genaue Treffpunkt vereinbart sowie die Uhrzeit sicherheitshalber noch ein mal abgesprochen. Teilweise wird der Fahrzeugtyp und das Kennzeichen mitgeteilt, um den Fahrer dann auch sicher zu finden. Der Preis wird relativ häufig erst direkt bei der Fahrt besprochen. Das ist aber auch nicht so entscheidend, da der Preis für die gleiche Strecke ziemlich einheitlich ist, egal wer fährt und womit. Von München/Ingolstadt nach Düsseldorf oder zurück liegt der Preis um die 25 Euro. Weniger als 20 waren es noch nie, mehr als 30 auch nicht. Der Fahrstil war im Vorfeld noch nie ein Thema. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Fahrer durchaus verträglich gefahren.

Ich persönlich bin über die Möglichkeiten, die durch die beiden Internetseiten Mitfahrzentrale und Mitfahrgelegenheit entstehen, sehr froh. Dadurch kann ich es relativ preisgünstig und bequem einrichten, nahezu jedes Wochenende eine Strecke von über 1.000 Kilometern zurückzulegen.

Eine Fernbeziehung wie in meinem Fall wäre sonst wohl kaum auf Dauer durchzuhalten. In zirka einem Jahr ist es bisher erst ein einziges Mal nicht möglich gewesen, entsprechende Fahrer für ein Wochenende zu finden. Allerdings war es schon mehrfach notwendig, mit dem Reiseziel flexibel zu sein, also zum Beispiel Köln oder Essen anstatt Düsseldorf. Aber damit kann ich leben.

[...]


[1] Ein anderer origineller, aber bisher resonanzarmer Versuch jüngster Zeit ist ein System das sich „elektronischer Daumen“ nennt und in der Schweiz in der ländlichen Umgebung von Bern von einem „Büro für Utopien“ installiert wurde. Für zwei Schweizer Franken kann hier an einer Säule in eine Art Bordcomputer das Fahrtziel eingegeben werden, welches dann an der Säulenspitze auf einem Display erscheint. Hält ein Wagen wird dieser samt FahrerIn und MitfahrerIn zur Gewährleistung größerer Sicherheit von einem in der Säule integrierten Videoüberwachungssystem gefilmt. Vgl. Thomas Kirchner: Per Anhalter durch den Kanton. Ein neues Mitfahrsystem organisiert in der Schweiz das Trampen- eine Säule ersetzt den Daumen, Leuchtdioden das Pappschild. Süddeutsche Zeitung Nr. 147, 28.6.2002, S.12. / FAZ. 8.1.2003, Nr. 6, S.7.

[2] Rein rechnerisch finden seit 1996 alle Deutschen auf den Vordersitzen aller PKW Platz auch wenn noch 25% der Haushalte ohne Auto sind. Ein weiterer Anstieg der Zahl der PKW um 5 Millionen wird bis 2015 erwartet. Vgl. Datenreport 2002, S.354-355.

[3] Ein Beispiel: Ein Ticket von Leipzig nach Stuttgart kostet mit der Bahn regulär zwischen 65 und 81 €; billigere Preise sind an besondere Konditionen, im Fall der Bahncard an weitere Kosten, gebunden. Mit einer Internetmitfahrgelegenheit kostet die Fahrt 15-20 € (Städtemitfahrzentrale: 26,50€). Stand April 2004.

[4] Die Massigkeit dieser Autos ist technologisch dysfunktional und daher vorwiegend sozialpsychologisch zu begreifen. Vgl. Thomas Steinfeld in Süddeutsche Zeitung 24.1.2004, Nr. 19, S.14: Dick und böse.

[5] Diese lebensweltliche Begründung basierend auf der Annahme des Nutzens einer halbwegs intakten Natur für jetzige und zukünftige Generationen und dem Nutzen von Solidarität für die Zivilgesellschaft ist insbesondere nach Ansicht der autopoietischen Systemtheorie theoretisch unzureichend. Z.B. erscheint Protest gegen Umweltprobleme aus dieser Sicht als undefinierbares Rauschen das die gesellschaftlichen Funktionssysteme in ihrer Selbstreproduktion stört (z.B. die Autoindustrie die zur Zeit ohnehin große Absatzprobleme im Inland hat; ebenso die Politik die in einem starken Interdependenzverhältnis zur Wirtschaft aber auch dem Recht steht und wohl dem Mitfahren dadurch Vorbehalte entgegenbringt ). Das Anstreben kurzfristiger Umweltziele ändert nach Niklas Luhmann nichts daran, dass ökologische Probleme in die Struktur moderner Gesellschaften eingelassen sind und daher besser diese thematisiert werden sollte. Da die Systemtheorie selbst aber keine Lösung für solche die organische Umwelt des Gesellschaftssystems betreffende Probleme sieht, sei auf diese elegante und beschreibende Sicht auf Umweltprobleme und Protest nur verwiesen. Vgl. ebd. (1986) und Nassehi (1997).

[6] In Zahlen erscheinen die erbrachten Verkehrsleistungen der auf Mitfahrzentrale.de angebotenen Internet-mitfahrgelegenheiten als relative Peanuts. So wurden im Jahr 2000 in der Bundesrepublik 758 Mrd. Personenkilometer (Pkm) mithilfe des motorisierten Individualverkehrs (hierzu werden neben PKW’s auch Motorräder gerechnet) zurückgelegt. Rechnen wir optimistisch eine durchschnittliche Streckenlänge von 300 km die per Internetmitfahrgelegenheit zurückgelegt wird und 570.000 NutzerInnen (sowohl FahrerInnen als auch MitfahrerInnen) von Mitfahrgelegenheiten pro Monat, kommen wir „nur“ auf gute 2 Mrd. Pkm im Jahr. Vgl. die Zahlen zum Nutzungszuwachs von Mitfahrzentrale.de., A1, S. 93. Für den Eisenbahnverkehr (75 Mrd. Pkm) dürfte diese Zahl schon eher Ansporn sein. Vgl. Datenreport 2002, S.360.

[7] Einschränkungen gibt es dennoch- die wesentlichsten scheinen dabei zu sein: der Ausschluss von RaucherInnen und Männern als MitfahrerInnen (das gleiche gilt natürlich für die FahrerInnen). In der Praxis dürfte dies aber selten zu Ausschluss führen, da Raucherpausen eingelegt oder Verzicht geübt werden kann und Personen die sich vor gewalttätigen Männern fürchten ohnehin seltener Mitfahrgelegenheiten anbieten dürften.

[8] Es gibt noch zahlreiche andere Seiten die Mitfahrgelegenheiten anbieten. Aktuellen Aufschluss bietet eine Suchanfrage („Mitfahrzentrale“) über Yahoo.de. Kultursoziologisch besonders interessant ist die Seite www.Drive2Day.de, wo FahrerInnen und MitfahrerInnen sich unter Angabe ihrer Hobbys und ihrem Musikgeschmack registrieren lassen können- die Resonanz der Seite ist bisher jedoch verhalten.

[9] Der rein pragmatische Grund für diese Wahl war die Möglichkeit des Einsehens der Telefonnummern der Inserierenden auf Mitfahrgelegenheit.de. Es scheint im übrigen, als nutzten viele FahrerInnen und MitfahrerInnen beide Seiten parallel um ihre „Trefferwahrscheinlichkeit“ zu erhöhen.

[10] Im Anhang auf S. 94, 95 und 96 finden sich beispielhafte Seitenansichten.

[11] Laut ARD/ ZDF Online Studie ist das Misstrauen bei der Angabe persönlicher Daten im Internet nachwievor groß. Vgl. ebd. S. 354. Ferner könnte der Aufwand einer Registrierung überschätzt werden.

[12] So ist das Verhältnis zwischen Angeboten und Gesuchen in größeren Städten teils 1:10 obwohl die Zahl der MitfahrerInnen die der FahrerInnen nachweislich übersteigt (vgl. 2.4. zum Besetzungsgrad).

[13] Das „wenn“ ist hier sehr zu betonen, da nicht immer und von überall nach überall hin Mitfahrgelegenheiten im Internet angeboten bzw. gesucht werden, sondern hauptsächlich an Freitagen und Sonntagen und meist von deutschen Großstädten aus wobei der klassische Abfahrts- und Ankunftsort hier der Hauptbahnhof ist. Das Zustandekommen von Mitfahrgelegenheiten hängt damit relativ stark von der zeitlichen und örtlichen Kompromissmöglichkeit der Beteiligten ab. Während die MitfahrerInnen ihre Fahrtplanung meist nach den Angeboten ausrichten müssen nehmen Fahrende ihrerseits kleine Umwege in Kauf, um Mitfahrenden den Zu- oder Ausstieg zu ermöglichen. Dieser erfolgt recht häufig auch an Autobahnausfahrten, wenn MitfahrerInnen nur einen Teil der Strecke fahren möchten.

[14] Trotz der Informalität der Absprache operieren Internetmitfahrgelegenheiten nicht in einem rechtsfreien Raum. Der Fahrtpreis ist durch das „Personenbeförderungsgesetz“ dahingehend reguliert, dass nur reine Betriebskosten, also keine Kosten für Autounterhalts-, Abnutzungskosten, Arbeitszeit etc. veranschlagt werden dürfen. Durch ein neues Gesetz sind Mitfahrende ferner seit August 2002 durch die Haftpflichtversicherung des Fahrenden mitversichert, so dass Internetmitfahrgelegenheiten hier in punkto Sicherheit Boden gegenüber den Städtemitfahrzentralen wettgemacht haben. Vgl. www.adac.de Suchanfrage „Fahrgemeinschaften“, 1.5.2004.

[15] Zumeist handelt es sich wie mir scheint um Untersuchungen von Fahrgemeinschaften zur Arbeit und in jüngster Zeit verstärkt auch zu organisiertem Car-Sharing.

[16] Dies waren: Süddeutsche und Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, taz, Welt und die Zeit.

[17] In diesem Artikel werden Branchenumsatzeinbußen zwischen 50-60% genannt; diese Zahlen scheinen aber den ebenfalls im Artikel erwähnten Auslastungszuwächsen einzelner Büros zu widersprechen die den Misserfolg anderer Büros auf deren schlechtes Marketing zurückführen.

[18] Unklar ist, welche der Seiten mehr Zulauf hat. Dies liegt auch an der geringen Auskunftsbereitschaft der SeitenbetreiberInnen, aufgrund derer nur Basisdaten von Mitfahrzentrale.de erhalten werden konnten während die nur per E-Mail erreichbare Pressestelle von Mitfahrgelegenheit.de nach Verweis auf den Zulauf an studentischen ForscherInnen und dem geringen Teilnahmeinteresse auf Seiten der NutzerInnen von Internetmitfahrgelegenheiten zwei weitere E-Mails nicht mehr beantwortete.

[19] Die Angaben sind aber nur gesichert für Dresden und Leipzig, so dass es sich auch um ein speziell ostdeutsches Bild im Sinn einer Häufung von BerufspendlerInnen die in Westdeutschland arbeiten handeln könnte.

[20] Der Motivbegriff umfasst sowohl Ursachen als auch Beweggründe von menschlichem Verhalten. Weiterhin wird zwischen außengelagerten, sogenannten extrinsischen (z.B. Anerkennung durch andere) und innengelagerten, sprich intrinsischen Motiven (z.B. Zufriedenheit) differenziert, zwischen bewussten und unbewussten Motiven. Vgl. Hillmann, S.579-580.

[21] Daneben dürfte auch der Benzinpreis eine wichtige Rolle spielen.

[22] Vgl. dazu die Feuilletonbeiträge von Björn Kern und Florian Illies.

[23] Für Internetseiten vgl. z.B. www.digihitch.com

[24] Allgemein existieren wenig soziologische Schriften zum Trampen. Dennoch einen kleinen Literaturüberblick bietet Bernd Wechner, der auch unpublizierte Abschlussarbeiten auflistet wie die von Paul Di Maggio (1971): Sociability and the Hitchhiker.Vgl. www.suite101.com/article.cfm/92/89695. Chesters und Smith sehen in dem Thema ein ungenutztes Potential für die Anwendung von neueren sozialwissenschaftlichen Theorien über sozialen Wandel sowie Risiko und Vertrauen.

[25] Ein Prototyp der deutschen Mitfahrzentralen wird von Kerouac in “On the road” (das Buch gilt im übrigen als autobiographische Schilderung real stattgefundener Ereignisse ) mehrfach beschrieben und ähnlich wie das Trampen als unkonventioneller Usus einiger Außenseiter porträtiert: „The travel bureau is where you go for share-the-gas rides, legal in the West. Shifty characters wait with battered suitcases.” (Kerouac, S. 147).

[26] Und nicht nur den französischen Existentialismus: „ (...)Chip hit the road with a backpack full of Heidegger and Wittgenstein that he was too lonely to read.“ heißt es in Jonathan Franzens Roman “The corrections” (2001), New York, S.47, über einen unglücklichen jungen US-amerikanischen Professor der Literaturwissenschaft der in Schottland trampt.

[27] Trotz aller Orientierung an rauschhaftem Erleben wird von der Sekundärliteratur betont, dass es eigentlich ein „spiritual quest“ war, der die Beatniks antrieb. Auch Kerouac der „On the road“ beginnt, indem er als Grund seiner Reisen „my feeling that everything was dead “ nennt, fühlte die Rezeption seines Romans als Manifest des hedonistisches Lebensgefühls der Beat Generation als ungerechtfertigte Verkürzung derer Motive.

Vgl. Wilson (2003).

[28] Das zeigt sich bereits im englischen Wortstamm. So erfährt das Substantiv „tramp“ zu seiner früheren Bedeutung „person who wanders about, vagabond“ um 1922 die Ergänzung „promiscuous woman“ (vgl. www.etymonline.com). Für einen neutralen Wortgebrauch empfiehlt sich im Deutschen daher „ Autostop machen“/ „per AnhalterIn fahren“; im Englischen ohnehin „to hitch-hike“ bzw. „to hitch a ride“. Zur Stellung der Frauen innerhalb Subkulturen etwas veraltet: Angela Mc Robbie und Jenny Garber (1997). Natürlich dürfte beim Trampen Sexualität eine Rolle spielen, umso mehr als dass das Auto einen abgeschlossenen, privaten Raum darstellt in den einer fremden Person Einlass gewährt wird. Es zeigt sich das Bias darin, dass solche Gedanken vornehmlich Frauen in extremer Form (bei Kundera z.B. in Form von Prostitution) als Motive zugeschrieben werden. Die Betonung des Risikos von Vergewaltigungen und anderen Verbrechen dürfte den Versuch darstellen, Zucht (vor allem in der prüden Nachkriegszeit) und Ordnung sowie die Unantastbarkeit der Privatsphäre zu gewährleisten, leider teils aber auch die Wirkung einer „selffulfilling prophecy“ haben.

[29] Sehr viel beunruhigender lesen sich die Ergebnisse bei Rinvolucri hinsichtlich des Ferntrampens, wo befragte Frauen zu 40% und Männer zu 22% bereits beim Trampen Opfer von sexuellen Übergriffen geworden waren- meiner Meinung nach hängt dies mit der größeren Anonymität des Ferntrampens zusammen gegenüber dem Kurztrampen das nicht selten im Heimatort beginnt. Vgl. ebd. Chapter 7 und Chesters and Smith, 2.3. Gefahr war wohl seit jeher die dominante Sichtweise auf das Trampen seitens der „hegemonialen“ Kultur und wird insbesondere in Filmen endlos zitiert, so bspw. in „California“ (1993) wo Brad Pitt als zahlender Mitfahrer und Psychopath das ihn mitnehmende Akademikerpaar ermordet - meist ist es aber das Trampen in seiner prägnanteren Reinform das als Rahmenhandlung für allerlei Gewaltverbrechen gebraucht wird.

[30] Die Normalisierung des Autobesitzes führt nach Chesters und Smith ferner dazu, dass die verbleibenden TramperInnen immer stärker als deviant erachtet werden; als „...suspect, disreputable, risky, abnormal, and potentially dangerous, as criminals or people with a mental disorder..” (vgl ebd. 4.1). Nach Fiedler et al kann Trampen lediglich (und auch das immer weniger) qua Alter gesellschaftliche Legitimität beanspruchen und wird dann vornehmlich von jungen Menschen in Ausbildung praktiziert (vgl. ebd., S.33). Nach einer kurzen Zeit der relativen Legitimität vor allem in den siebziger Jahren erscheint das Trampen in den autoreichen westlichen Ländern damit heute wieder zunehmend als deviant (wie wohl schon zur Entstehungszeit von „On the road“ um 1950 als das Trampen in 23 US-Bundesstaaten verboten war, vgl. Rinvolucri Chapter 8).

[31] Die der Diagnose zugrunde liegende repräsentative Befragung wurde Mitte der achtziger Jahre durchgeführt. Es wurden hierzu nur Personen westdeutscher Herkunft mit deutscher Staatsbürgerschaft im Alter zwischen 18 und 70 Jahren berücksichtigt.

[32] „Buchstäblich alles kann Menschen als schön gelten.“ (vgl. ebd. , S.39)

[34] Diese Semantik war grundlegend geprägt durch die objektive Ungleichheit hinsichtlich des Zugangs zu materiellen Werten (z.B. Reichtum, Status).

[35] Auch dem Trampen unterliegt heute angesichts der Tatsache, dass „On the road“ nun als Penguin Classic editiert und in Amerikanistikseminaren behandelt wird, längst nicht mehr so stark das Spannungsschema sondern immer stärker das Hochkulturschema.

[36] Dennoch wird teilweise von solchen stilistischen Idealtypen ausgegangen, wohl aus Gründen der so erzielten höheren Prägnanz von Zusammenhangshypothesen. Vgl. Jürgen Gerhards und Jörg Rössel (2002) über das Ernährungsverhalten von Jugendlichen.

[37] Auch die Beziehungswahl erfolgt damit in einem durch Alter und Bildung vorgegebenen Rahmen dessen Verlassen mit Unverständnis, schlimmstenfalls Ausschluss seitens der anderen Milieuangehörigen quittiert wird.

[38] Beiden jungen Milieus unterliegt ein spontaner Handlungsstil während sie sich im Denkstil unterscheiden, da dieser im Selbstverwirklichungsmilieu komplex, im Unterhaltungsmilieu hingegen einfach ist.

[39] Den Mangel an deduktiven Überprüfungen von induktiv festgelegten Lebensstilen in der Lebensstilsoziologie beklagt auch Gunnar Otte (2000), S.472.

[40] Das Selbstverwirklichungsmilieu ist das Milieu mit dem größten Anteil an Personen die sich in Ausbildung befinden (31%).

[41] Das Englische bietet hier eine bessere sprachliche Differenzierung indem es zwischen selfishness und self-interest unterscheidet.

[43] Auf Deutsch: Theorie des geplanten Verhaltens.

[44] Vgl. dazu Esser (1999), S. 247-293.

[45] Nach Hartmut Esser ist das Streben nach einem positiven Selbstbild ein noch grundlegenderes Bedürfnis. [46] Demnach lässt sich dann die Funktion für die Salienz etwas konkretisieren als β = f (X1, X2, X3) wobei dann x1= soziale Wertschätzung, x2=physisches Wohlbefinden und x3=Verlustvermeidung ist.

[47] Die korrigierte Lösung wurde hier nicht berücksichtigt da wir ohnehin nur ein Teil der Modellgleichung überprüfen können werden.

[48] “Brückenannahmen verknüpfen die generellen Variablen der Handlungsebene mit der spezifischen Situationslogik, wie sie von den Akteuren im Rahmen ihrer Definition der Situation wahrgenommen wird:” (vgl. Kunz, S. 86). Brückenannahmen sind somit quasi aber nichts anderes als die empirische Bestimmung der sozialen Produktionsfunktionen die in einer spezifischen Situation für einen Akteure gelten und dem Nutzen ihrer Funktionswerte. Im Rahmen unserer Befragung kam der Analyse der Mediendarstellung diese explorative Funktion zu; ferner wurden offene Fragen in den Fragebogen eingebaut.

[49] Eine andere Möglichkeit die sich angesichts der Interaktionsmöglichkeiten im Kommunikationsraum Internet angeboten hätte wäre eine Internetbefragung über das Verlegen eines Links auf die Homepage von Mitfahrgelegenheit.de/ per Pop-up-Fenster gewesen. Diese Methode wurde jedoch aufgrund der daraus resultierenden Selbstselektion der Antwortenden und des geringen technischen Know How’s der Autorin nicht weiter erwogen. Zur nachwievorherigen Problematik von Internetbefragungen siehe z.B. Dillman (2000).

[50] Hier floss das Vorwissen über die Verteilungsstruktur von Fahrten auf Orte und Tage in die Auswahl mit ein. Bei der Stichprobe handelt es sich insgesamt also um eine Art von Quotenstichprobe; weiterhin findet die Schneeballtechnik durch die Verteilung der Fragebögen über die FahrerInnen Anwendung. Um eine Zufallsstichprobe handelt es sich, streng genommen, hingegen nicht. LeserInnen sollten daher für sich selbst entscheiden, ob sie die Ergebnisse als repräsentativ gelten lassen oder nicht und in letzterem Fall die inferenzstatistischen Kennwerte und ihre Deutung in den Kapiteln 7 und 8 überlesen. Vgl. Diekmann (2000) zu Stichproben, S.325ff.

[51] Aufgrund außerordentlich schlechter telefonischer Erreichbarkeit (viele Mobiltelefone) und den begrenzten personellen Kapazitäten mussten an drei Wochenenden Teilstichproben gezogen werden bis genügend Fragebögen verschickt waren. Erreichte Personen waren aber bis auf circa fünf Ausnahmen bereit zur Teilnahme; als besondere Vorkommnisse wähnten drei Fahrer die Steuerfahndung hinter dem Anruf.

[52] Möglicherweise hätte eine erneute briefliche Aufforderung zur Teilnahme diese erhöht, wurde aber aus finanziellen Gründen unterlassen. Da die Rückläufe anonym erfolgten ließ sich auch nicht überprüfen, warum die restlichen 25% nicht teilgenommen hatten. Allerdings erfolgte nachträglich eine Befragung von fünf FahrerInnen über den Verlauf der Befragung in ihrem Auto. Die Antworten finden sich im Anhang 6, S. 98 .

[54] Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Befragung eine Bewertung der Ziele nach Rangfolge von den Befragten verlangt.

[55] Dabei fungierte bei Lüdemann das Ziel mit dem höchsten Score als dominantes Ziel. Keine Hinweise fanden sich bei ihm für den Fall, dass zwei Ziele einen gleichen Score erzielten. Auch aus Gründen wie sie Greve nennt, der Schwierigkeit der Vergleichbarkeit von extrinsischen und intrinsischen Motiven (wenn es einer Person sowohl nach einer Likert-Skala sehr wichtig ist, schnell zu sein als auch die Umwelt zu schonen, welches Ziel ist dann dominanter?) habe ich für mein Fragebogendesign eine ordinale Bewertung der Ziele bevorzugt indem die Befragten ihre Ziele in eine Rangskala einordnen sollten und auf eine Berechnung der Salienz verzichtet. Ferner widerspricht Lüdemanns Berechnung der Salienz anhand bewusst wahrgenommener sekundärer Ziele vor der Wahlentscheidung Lindenbergs Modellannahme, wonach die Hintergrundziele unbemerkt aus dem Hintergrund wirkten, und eben nicht als solche bewusst würden.

[56] Wie mir scheint verlangt eine modellgerechte Operationalisierung des Diskriminationsmodells den Befragten eine für Befragungen sicher überdurchschnittliche und daher problematische Denk- und Erinnerungsleistung ab.

[57] Eine grobe Einordnung der Studienrichtungen ergab folgende Verteilung: Medizin (13%), Sozialwissenschaften (32%), Kulturwissenschaften (21%), Naturwissenschaften (23%) und Pädagogische Studiengänge (11%). Hingegen studierte niemand, im Gegensatz zum Klischee, im Hauptfach Soziologie.

[58] Sämtliche sprachliche Bewertungen von statistischen Zusammenhangsmaßen folgen Wittenberg (1991). Im Fall von R² konnte eine solche konventionelle Festlegung nicht gefunden werden so dass die Werte unkommentiert aufgeführt werden; meines Erachtens sind Varianzaufklärungen von weniger als 10% bei bivariaten Zusammenhängen als gering anzusehen.

[59] *= signifikant auf dem 95% Niveau; **= signifikant auf dem 99% N.; ***=signifikant auf dem 99,5% N. .

[60] Obwohl auch ein freiwilliger Verzicht/ Verschiebung des Fahrtanlasses denkbar wäre.

[61] Bei Lüdemann lag die angegebene Wahlwahrscheinlichkeit der faktisch ausgeführten Handlung in 85% höher als die der nicht ausgeführten Alternativen (vgl. ebd. 1997, S.131).

[62] Eine Angabe der Häufigkeit der Nutzung von Internetmitfahrgelegenheiten von MitfahrerInnen, die selbst schon ein Auto haben, ist leider nicht möglich, da in der Fragestellung nach der Häufigkeit der Nutzung der Internetmitfahrzentrale gefragt wurde ohne noch einmal die Benutzung als MitfahrerIn zu betonen.

[63] Schulze rechnete bereits Personen mit Mittlerer Reife und besuchter berufsbildender Schule dem Selbstverwirklichungsmilieu zu. Hier stellt sich nun die Frage, ob der kontinuierliche Anstieg des allgemeinen Bildungsniveaus in Deutschland die niedrigeren Bildungsabschlüsse von jüngeren Personen weiter abgedrängt hat oder aber diese dadurch verstärkt den Anschluss nach oben suchen und ebenso an Niveau gewonnen haben.

[64] Geringe Alpha Werte deuten nicht automatisch auf die Nichtreliabilität einer Skala als Messinstrument hin sondern können auch durch inkonsistentes Antwortverhalten ausgelöst werden oder Zeichen dafür sein, dass die Untersuchungspersonen stark von dem Durchschnitt abweichen für den die Skala konzipiert wurde. Vgl. Schnell et al (1999), S.147.

[65] Wobei für sich betrachtet das niedrigere Alter im Unterhaltungsmilieu auch eine jedoch geringfügigere Rolle spielt.

[66] Lüdemann wünscht sich 1997 in seiner Habilschrift eine weitere Verbreitung des Diskriminationsmodells, insbesondere durch die Entwicklung entsprechender Erhebungsdesigns und eines Anschlussmodells zur Erhebung der Salienz. Für ihn misst sich die Bewährung des Diskriminationsmodells einzig an der 85%igen Bestätigung der Annahme, dass das dominante Ziel über den größten Nutzen verfügt. Doch was ist mit den restlichen Modellannahmen? Vgl. ebd., S.145.

Persönlich scheint mir, wobei ich nur auf meine und Lüdemanns Ergebnisse zurückgreifen kann, sich die Theorie schwach empirisch zu bewähren und auf jeden Fall verbesserungswürdig. Dass das Diskriminationsmodell noch 2003 in der renommierten Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie von Greve in gleicher Form wie auch hier vorgestellt wird zeigt aber, dass es auf dem Markt soziologischer Theorien offenbar konkurrenzfähig ist.

[68] Die Wahrscheinlichkeit, dass trotz der Frage nach den wahrgenommenen Zielen vor der Wahlentscheidung durch das ex-ante-post Design und die Auflistung verschiedener Ziele eine Beeinflussung der Befragten und Rationalisierung ihres eigenen Verhaltens erfolgte im Sinn eines in den Blick nehmen von noch mehr Zielen ist sicher nicht gleich Null. Um dies zu unterbinden wären Befragungen vor und nach der Wahlentscheidung sinnvoll oder am besten gleich eine Laborsituation mit Kontrolle sämtliche Störgrößen.

[69] Ökonomen sehen Geld und Zeit gerne als zwei Seiten einer Medaille („Time is money“) und messen Zeiteinheiten dann als indirekte Geldeinheiten im Sinn entgangenen Lohneinkommens und vice versa. Diese Sichtweise ist idealtypisch, da sie unterstellt, dass die Zeit ihren Wert allein aus dem in ihr verdienten Geld bezöge über dessen Nutzen ferner Konsens bestehe und scheint daher vor allem auf zweckrationales Handeln zugeschnitten, trifft aber offensichtlich zumindest auf die 37% der MitfahrerInnen, deren zweites Ziel schnell war, gut zu.

[70] Sicher haben Autos durch ihre hohe Verbreitung als Statussymbole etwas an Bedeutung verloren; diesem Bedeutungsverlust wird aber dadurch entgegengewirkt, dass die symbolische Statusdifferenzierung nun noch stärker entlang der Marke und des Designs verlaufen. So gibt es „Sportwagen“, „Intellektuellenautos“, „Frauenautos“ etc.

[71] In der Befragung gaben Frauen nur unwesentlich häufiger Sicherheit als Ziel bei der Wahl an. Aufgrund der hohen Zufriedenheit mit Internetmitfahrgelegenheiten erscheinen gravierende Ängste der Mitfahrerinnen unwahrscheinlich; vielmehr dürften Internetmitfahrgelegenheiten aufgrund ihrer formalen Organisationsstruktur als relativ sicher gelten ganz im Gegensatz zum Trampen.

[72] Gemeinsam ist auch die Sinnsuche- bei den heutigen MitfahrerInnen hat sich diese aber nach innenverlagert während die Beatniks noch einen außengelagerten Sinn suchten, z.B. im Zen-Buddhismus.

[73] Das würde ich an der Höherbewertung der Richtung „national-konservativ“(+0,5) und geringeren Befürwortung der Richtung „Grüne Alternative“ (-0,6) auf einer 5-stufigen Likert-Skala festmachen; allerdings lagen aber auch nur von 14 Personen des Unterhaltungsmilieus (richtige)Antworten zu den beiden Fragen vor und sind die Unterschiede angesichts der geringen Zahl möglicherweise reiner Zufall. Nach Hartmut Esser könnte hier aber auch ein sogenanntes SD Response Set (sozial erwünschtes Antwortverhalten) im Unterhaltungsmilieu vorliegen; über die Gründe zu mutmaßen, weshalb das bei den höher Gebildeten in Hinblick auf die Umwelt nicht so sein sollte erscheint mir zu spekulativ.

[74] Vgl. dazu Esser (1990) der zeigt, wie sogenannte Response Sets das Antwortverhalten in Befragungen systematisch verzerren. Demnach könnte im Unterhaltungsmilieu aufgrund dessen geringeren sozialen Status und höheren Bedürfnisses nach Anerkennung eine Zustimmungtendenz (Acquisenz Response Set) vorliegen.

[75] Preisendörfers Ergebnisse basieren zum einen auf einer Sekundärauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 und dem Sozioökonomischen Panel 1998 sowie einer telefonischen Primärbefragung Münchner Haushalte im Jahr 2002 (600 mit, 600 ohne Auto).

[76] Alte Menschen in Armut werden dagegen wohl aufgrund ihrer altersbedingten größeren Unsicherheit und der Zugangsbarriere Internet nicht durch Internetmitfahrgelegenheiten erreicht.

[77] Nach dem EVS 1998 waren die Vorstände autoloser Haushalte zu 43% Frauen und nur zu 13% Männer.

[78] Anders so beim Trampen, wo laut Fiedlers Studie Ende der achtziger Jahre männliche Jugendliche mehr Erfahrungen beim Trampen aufweisen konnten (Vgl. ebd. VII).

[79] Jean Baudrillard (1974). Das Ding und das Ich. Gespräch mit der alltäglichen Umwelt. Wien, S.90.

[80] Vgl. dazu „Solidarität“ in Karl-Heinz Hillmanns Wörterbuch der Soziologie (1994), Stuttgart, S.793-794.

[81] Darin liegt im übrigen der Grund, weshalb ein Gruppenbeitrag in Form einer Geldzahlung eine geringere Solidarität produziert da z.B. nicht kontrolliert werden kann, woher dieses Geld kam, ob es nicht nur auf dem Papier existiert und wie viel es dem Investierenden bedeutet. Dies gilt auch für Internetmitfahrgelegenheiten.

[82] Vgl. dazu Robert Axelrod (1984): Die Evolution der Kooperation. München.

[83] Vgl. dazu die Nachfrage bei einem „Vielmitfahrer“, A9, S. 108.

[84] Beispiele für schlechte Erfahrungen aus dem Forum finden sich im A8, S.106.

[85] Dagegen sprechen Ergebnisse von Rinvolucri- von den von ihm befragten TramperInnen waren fast ein Drittel schon sexuell belästigt worden; eine Erfahrung die im Fall der Internetmitfahrgelegenheiten gar nicht vorkam- gegen diese Hypothese denn auch Rinvolucris Befragte trampten weiter.

[86] Andreas Diekmann kommt bei einer Überprüfung des Reputationssystems von e-bay zu dem positiven Ergebnis:„Diese einfachen institutionellen Regelungen garantieren ein reibungsloses Funktionieren der Märkte trotz beidseitiger Möglichkeiten opportunistischen Handelns.“ (vgl. ebd. S. 2) und notiert den positiven Nutzen von Reputation für die Käufer die damit einen stärkeren Zulauf an KundInnen haben. Allerdings handelt es sich bei dem e-bay Bewertungssystem um eine Bewertung von Verkaufs- und Zahlungsvorgängen ohne persönliche Interaktion.

[87] Die Auskunft erteilte mir Bärbel Grabitzki vom Referat Bürgerservice am 9.März 2004 per E-Mail. Auch die ADM- Städtemitfahrzentralen werden nicht politisch gefördert, so ihr Bundesvorsitzender Christoph Krause in einem Gespräch am 20.8.2003. Auf kommunaler Ebene gibt es dagegen schon politisches Engagement bei der Förderung von täglichen Fahrgemeinschaften, vgl. www.pendlernetz.de.

[88] abgekürzte Schreibweise für Mitfahrer und Mitfahrerinnen

Ende der Leseprobe aus 108 Seiten

Details

Titel
Motivlagen und Sozialstrukturanalyse der NutzerInnen von Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet und ein Exkurs zur Entstehung von Solidarität
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
108
Katalognummer
V109007
ISBN (eBook)
9783640071944
Dateigröße
1303 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Anhang ist aus Darstellungsgründen nur in der Druckversion enthalten.
Schlagworte
Motivlagen, Sozialstrukturanalyse, NutzerInnen, Mitfahrgelegenheiten, Internet, Exkurs, Entstehung, Solidarität
Arbeit zitieren
Susanne Stegmüller (Autor:in), 2004, Motivlagen und Sozialstrukturanalyse der NutzerInnen von Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet und ein Exkurs zur Entstehung von Solidarität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109007

Kommentare

  • Gast am 20.11.2005

    Dipl.Hdl..

    Klasse Arbeit - wer sich für das Thema interessiert sollte sie gelesen haben!! Respekt.

Blick ins Buch
Titel: Motivlagen und Sozialstrukturanalyse der NutzerInnen von Mitfahrgelegenheiten aus dem Internet  und ein Exkurs zur Entstehung von Solidarität



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