In jeder Fachwissenschaft bestehen unterschiedliche Positionen über ihren Untersuchungsgegenstand. Von den akademischen Diskussionen und Debatten nimmt die breite Öffentlichkeit meistens kaum etwas wahr. Selten wird aus einem internen fachlichen Streit auch eine öffentlich geführte Auseinandersetzung. Das trifft ebenso auf den Bereich der Geschichte zu.
In der Vergangenheit gibt es einige Beispiele in denen Historiker aus ihrem sogenannten Schattendasein heraustraten und eine breite öffentliche Debatte auslösten.
Zweimal rückte in solchen Diskussionen inhaltlich die Kriegsschuldfrage im Ersten Weltkrieg in das Blickfeld der Deutschen. Einmal, bereits 1919 einsetzend, durchzog diese Auseinandersetzung den gesamten Zeitraum der Weimarer Republik. Dessen propagandistische Ausrichtung war ein Mosaikstein auf dem Weg in eine Diktatur.
Das zweite Mal, Anfang der 60er Jahre, löste eine fachliche Kontroverse einen öffentlich geführten Streit aus. Dieser leistete maßgeblich einen Beitrag zur politischen Kultur für die Demokratie in der Bundesrepublik – die Fischer-Kontroverse. Gleichzeitig stellte dies eine Zäsur in der Geschichtswissenschaft dar.
Die Berliner Morgenpost vom 3. Dezember 1999 würdigte in einem Nachruf den am Vortag verstorbenen Historiker Fritz Fischer folgendermaßen: „Die meisten Historiker denken nur über die Geschichte nach. Nur wenige aus der Zunft haben auch Geschichte gemacht. … Untrennbar mit seinem Namen verbunden ist der erste große Historikerstreit der Bundesrepublik, die ‚Fischer-Kontroverse’.“
Diese Auseinandersetzung ist Gegenstand der nachfolgenden Arbeit. Ausgehend von den unterschiedlichen Positionen innerhalb der fachwissenschaftlichen Auseinandersetzung wird die öffentliche Wahrnehmung in ihren Wirkungen auf die bundesdeutsche Gesellschaft in ausgewählten Bereichen verdeutlicht. Der Schwerpunkt wurde hierbei auf den Aspekt der politischen Kultur gelegt. Insgesamt sind jedoch nur Grundstrukturen und Leitgedanken berücksichtigt worden, eine detaillierte Ausdifferenzierung hätte den Rahmen der Arbeit gesprengt.
An Aktualität hat die von Fritz Fischer ausgelöste Debatte nichts verloren. Es haben sich fachliche Wandlungen um den Anteil der deutschen Verantwortung am Ersten Weltkrieg und die Frage nach einer Kontinuität, die vom Deutschen Kaiserreich bis hin zur nationalsozialistischen Diktatur führte, vollzogen. Ein abschließender Konsens steht jedoch bis zum heutigen Tage nach wie vor aus.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Fischer-Kontroverse
- Die Thesen Fritz Fischers zur Kriegszielpolitik des Deutschen Kaiserreiches im Vorfeld und Verlauf des Ersten Weltkrieges
- Die Thesen anderer Historiker zur Kriegszielpolitik des Deutschen Kaiserreiches im Vorfeld und Verlauf des Ersten Weltkrieges
- Die Wirkungen der Kontroverse in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen auf die politische Kultur der BRD
- Die Wirkungen auf die wissenschaftliche Analyse vergangener Zeiträume
- Die Wirkungen auf die öffentliche Meinung
- Die Wirkungen auf den Bildungssektor der Bundesrepublik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der „Fischer-Kontroverse“, einem bedeutenden Historikerstreit in der Bundesrepublik Deutschland, und untersucht die Bedeutung dieser Kontroverse für die deutsche Geschichtsschreibung und die politische Kultur der BRD. Die Arbeit analysiert die Thesen Fritz Fischers zur Kriegszielpolitik des Deutschen Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg und setzt diese in Bezug zu den Positionen anderer Historiker. Im Fokus steht dabei die Frage, ob die Fischer-Kontroverse eine Zäsur in der deutschen Geschichtsschreibung darstellte.
- Die Rolle der deutschen Kriegszielpolitik im Ersten Weltkrieg
- Die Kontinuität oder Diskontinuität in der deutschen Geschichte vom Kaiserreich zum Nationalsozialismus
- Die Auswirkungen der Fischer-Kontroverse auf die wissenschaftliche Analyse der deutschen Geschichte
- Der Einfluss der Fischer-Kontroverse auf die öffentliche Meinung und die politische Kultur in der BRD
- Die Auswirkungen auf den Bildungssektor der Bundesrepublik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Gegenstand der Arbeit vor, die Fischer-Kontroverse und ihre Bedeutung für die deutsche Geschichtsschreibung. Sie skizziert den historischen Kontext der Kontroverse und die Frage nach der deutschen Verantwortung am Ersten Weltkrieg. Die Einleitung führt außerdem die zentralen Fragestellungen der Arbeit ein.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Thesen Fritz Fischers zur Kriegszielpolitik des Deutschen Kaiserreiches. Es wird ein Überblick über Fischers Argumentation gegeben, die eine deutsche Kriegszielpolitik mit dem Ziel der europäischen Vorherrschaft als maßgebliche Ursache für den Ersten Weltkrieg identifizierte. Das Kapitel stellt außerdem die Thesen anderer Historiker zur Kriegszielpolitik des Deutschen Kaiserreiches gegenüber, die Fischers Interpretationen kritisch hinterfragten.
Das dritte Kapitel untersucht die Wirkungen der Fischer-Kontroverse auf die deutsche Gesellschaft. Es wird der Einfluss der Kontroverse auf die wissenschaftliche Analyse vergangener Zeiträume, die öffentliche Meinung und den Bildungssektor der Bundesrepublik analysiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, wie die Fischer-Kontroverse das Geschichtsbewusstsein der Deutschen beeinflusst hat.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen: Fischer-Kontroverse, deutsche Kriegszielpolitik, Erster Weltkrieg, Historikerstreit, politische Kultur, BRD, Geschichtsbewusstsein, deutsche Verantwortung, Kontinuität, Diskontinuität.
- Arbeit zitieren
- Kurt Fuchs (Autor:in), 2000, Die Fischer-Kontroverse - eine Zäsur in der deutschen Geschichtsschreibung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1091