Die Schlacht um Gettysburg


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

35 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

1. Mississippi oder Virginia?

2. Lee marschiert nach Norden

3. Der erste Tag

4. Der zweite Tag

5. Der dritte Tag

6. Lees Rückzug nach Virginia

Anmerkungen

Bibliographie

Vorbemerkung

Gutes Schuhwerk ist für den Infanteristen so wichtig wie für den Kavalleristen das Pferd. Die miserable Versorgungslage der konföderierten Armee und der daraus resultierende Mangel an Schuhen zwang die Soldaten, zu beweisen, daß es auch anders geht, wenn es denn muß.

Das Gerücht um eine größere Menge Schuhe in einem Depot der Unionsarmee in Gettysburg und das Bestreben der Südstaatler, diese zu erbeuten, leitete im Sommer 1863 eine Schlacht ein, wie es sie größer und blutiger auf amerikanischem Boden nie gegeben hatte. Diese Schlacht sollte den entscheidenden Sieg für die Konföderation bringen. Tatsächlich hätte sie den amerikanischen Bürgerkrieg beenden können, wenn auch nicht zugunsten des Südens. Trotz allen taktischen Fehlern war sie fortan entscheidend für die weitere Entwicklung des Krieges. Wie es dazu kam, welche Fehler gemacht wurden und welche genialen, wenn auch oft durch Zufälle herbeigeführten Entscheidungen den Verlauf der Schlacht beeinflußten; dies alles soll meine Hausarbeit durchleuchten und bewerten. Tübingen, im Februar 1999

Mississippi oder Virginia?

Beide Kriegsparteien, die Union und die Konföderierten Staaten, mußten sich nach der ersten Schlacht am Bull Run bei dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt Manassas Junction auf einen Krieg einstellen, der länger dauern sollte, als ursprünglich erwartet. Doch im Sommer 1863 begann sich nach den vielen Erfolgen der konföderierten Armee die materielle Überlegenheit der Union auf den Verlauf des Krieges auszuwirken. Im Osten versuchte die Army of the Potomac, zu diesem Zeitpunkt unter der Führung von Generalmajor Joseph Hooker, weiterhin gegen General Robert E. Lees Army of Northern Virginia auf die konföderierte Hauptstadt Richmond in Virginia vorzurücken; im Osten bedrängten die US-Truppen unter Generalmajor Ulysses Simpson Grant und die US-Marine unter Konteradmiral David Dixon Porter die Konföderierten. Es begann sich abzuzeichnen, daß die Rebellen kaum noch längere Zeit standhalten konnten und bald eine Entscheidung herbeigeführt werden mußte.

Nach einigen erfolglosen Versuchen das am Mississippi gelegene Vicksburg einzunehmen, gelang es Generalmajor Grant durch einen Scheinangriff des US-Generalmajors William Tecumseh Sherman von Norden auf Vicksburg, Anfang Mai 1863 die Masse seiner Truppen westlich des Mississippis unbemerkt von den konföderierten Verteidigern unter Generalleutnant John C. Pemberton an Vicksburg vorbei zu bringen und südlich davon über den Fluß zu setzen. Ein gewagter Feldzug, ohne Verbindung zur rückwärtigen Versorgung, führte die 41.000 Mann starken Truppen Grants zuerst in die etwa 80 Kilometer ostwärts Vicksburgs gelegene Hauptstadt des Staates Mississippi, Jackson. Dort galt es, die Eisenbahnlinie nach Vicksburg zu unterbrechen und zu verhindern, daß General Joseph E. Johnston mit seinen Truppen Pemberton zu Hilfe kam. Pemberton selbst wendete sich nach Süden, um die nicht vorhandenen Nachschublinien Grants anzugreifen. Nachdem Jackson von Johnston geräumt wurde, marschierte Grant nach Vicksburg und griff die Stadt an. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen richtete sich Grant zur Belagerung ein. Nach sechs Wochen Belagerung kapitulierte Pemberton mit 29.511 Mann am 4. Juli bedingungslos.1

Der Fall Vicksburgs war ein weiterer Meilenstein zur Umsetzung des sogenannten Anaconda-Plans, der durch die Seeblockade und die Eroberung des Mississippi die Konföderierten Staaten teilen und wie eine Schlange erwürgen sollte. Auch in Tennessee wurden die Rebellen unter General Braxton Bragg von den Unionstruppen unter General Rosecrans bedrängt. General James Longstreet, dessen beiden Divisionen abkommandiert waren, als General Lee Fredericksburg gegen die über den Rappahannock setzenden Unionstruppen unter General Ambrose P. Burnside verteidigte, schlug dem konföderierten Kriegsminister James Seddon vor, mit seinen beiden Divisionen General Bragg in Tennessee zu verstärken. Sein Ziel war es, zusammen mit Braggs Divisionen Rosecrans nach Ohio zurückzudrängen, so daß Johnston in Vicksburg Pemberton gegen Grant unterstützen konnte. Seddon schlug dagegen vor, daß Longsstreet erst nach Vicksburg und dann gegen Rosecrans marschieren solle. Auch Jefferson Davis, Präsident der Konföderation, sprach sich dafür aus, weil er um seinen Heimatstaat fürchtete.

General Lee ging jedoch davon aus, daß Vicksburg nicht so lange gehalten werden konnte, wie das Verlegen von Longstreets Divisionen auf den schlechten Bahnlinien dauern würde. Er rechnete eher damit, daß Grant wegen des Klimas aufgeben würde. Zudem mußte Lee im Osten damit rechnen, daß sich die nach der Schlacht um Fredericksburg aufgeriebene Army of the Potomac reorganisieren und wieder zur Offensive antreten wird. In diesem Falle brauchte er Longstreets Divisionen.

Lee überraschte das Kabinett der konföderierten Regierung bei einer Strategiekonferenz am 15. Mai mit einem kühnen Plan: eine Invasion Pennsylvanias und Marylands mit Ziel Baltimore oder Philadelphia, um Washington zu isolieren. Ein solcher Feldzug sollte für den Süden mehrere Vorteile bringen. Zum einen müßte Hooker, der inzwischen das Kommando über die Army of the Potomac übernommen hatte, seine Truppen vom Rappahannock abziehen und Lee nach Norden folgen. Das vom Krieg gebeutelte Virginia wäre also entlastet. Zum anderen würde die Union in Panik geraten, die Nachschublinien nach Westen würden gefährdet und Grant müßte bestenfalls von Vicksburg ablassen. Zudem spekulierte der Süden bei einem Erfolg, also einer Niederlage der Union auf deren eigenem Boden, mit der bis dahin ausgebliebenen Anerkennung der Konföderation durch Großbritannien und Frankreich. Immer noch hoffte die Regierung des Südens auf eine Intervention der Briten im Bürgerkrieg. Auch die Republikaner in der Union hätten gegenüber den friedlicher gesinnten Demokraten geschwächt werden können.

Die konföderierte Regierung war von Lees Plan begeistert, selbst Longstreet ließ sich überreden und auch die tadellose Verfassung und Moral der Army of Northern Virginia sprach dafür. Nach den jüngsten Erfolgen wurde sie für unbesiegbar gehalten. Lee sagte von seinen Soldaten: „Solche Männer hat es noch in keiner Armee gegeben, wenn sie richtig geführt werden, gehen sie überall hin.“2 Doch Lee übersah mit seinem Plan einen Nachteil: Seine Army of Northern Virginia war nicht stark genug, um dieses Unternehmen zum Erfolg zu führen, denn die materiell überlegene Unionsarmee würde im Falle einer Invasion die Rebellen mit allen Mitteln bekämpfen. Eine Niederlage auf feindlichem Gebiet könnte Lees Armee sogar so weit zerschlagen, daß der Krieg beendet wäre. Denn die Army of the Potomac war trotz aller Niederlagen und schlechter Führung durch ihre Befehlshaber in guter Verfassung.3

Lee marschiert nach Norden

Lees Plan wurde in Richmond am 16. Juni angenommen. Weil Lees „rechter Arm“ Generalleutnant Thomas J. Jackson, genannt „Stonewall Jackson“, bei der Schlacht um Chancellorsville gefallen war, reorganisierte Lee seine Army of Northern Virginia innerhalb von drei Wochen. Aus den beiden verstärkten, also übergroßen Korps (Longstreet und Jackson) bildete er drei. Lee mußte also nicht nur einen, sondern gleich zwei neue Korpskommandeure finden. Er übertrug das Kommando über Jacksons altes Korps an Richard Stoddert Ewell und das Kommando über das neugebildete dritte Korps an Ambrose P. Hill. Im Zuge dieser Reorganisation bereitete Lee seine Armee auf die Invasion vor. Soweit es ihm möglich war, rüstete er seine Artillerie mit neuen Kanonen und besserer Munition aus, die Kavallerie faßte er zu einer kampfstarken Division unter dem Kommando von Generalmajor J. E. B. Stuart zusammen.

Von der Union zunächst unbemerkt marschierten Lees drei Infanteriekorps mit 76.000 Mann und 272 Geschützen von Fredericksburg aus durch das Shenandoahtal nach Norden und überquerten westlich der Blue Ridge Mountains den Potomac. Gedeckt wurde diese Bewegung von Stuarts 12.000 Mann starker Kavalleriedivision. Das dritte Korps unter Generalleutnant A. P. Hill blieb zunächst in Fredericksburg, um Generalmajor Hooker zu täuschen. Das erste Korps unter General Richard S. Ewell marschierte voran und nahm die Unionsgarnisonen Winchester und Martinsburg.4

Weder Lee noch Hooker wußten, was der andere beabsichtigte. Doch Lees Informationen waren genauer als die Hookers. Hooker ließ sich von mehreren Meldungen und Analysen des Kommandeurs seiner Kavallerie, Generalmajor Alfred Pleasanton, verwirren. Ballonaufklärer der Union beobachteten den Abzug großer Truppenteile aus Fredericksburg in den Raum Chancellorsville. In der Nacht zum 3. Juni wurden zwei konföderierte Deserteure aufgegriffen, die berichteten, daß ihre Einheiten Marschbefehle erhalten hatten. Hooker ließ am 5. Juni eine Division südlich Fredericksburg über den Rappahannock vorgehen, die Gefangene machte, welche zur Brigade Archer in Hills Korps gehörten. Da Hill die Stellung halten sollte, ergaben sich für Hooker keine neuen Informationen.5

Am 9. Juni ereignete sich ein Zwischenfall, der für den Verlauf der Schlacht um Gettysburg Auswirkungen hatte. Nördlich von Fredericksburg setzte die an Kampfkraft den konföderierten Reitern mittlerweile ebenbürtige Unionskavallerie über den Rappahannock. Ihr Ziel war es, die Absicht Lees aufzuklären. Stuart, der bisher erfolgreich Lees Marsch nach Norden deckte, wurde überrumpelt. Es kam bei Brandy Station zur größten Reiterschlacht des Bürgerkrieges, bei der die Unionskavallerie zurückgedrängt wurde. Hooker wußte nun, daß Lee nach Norden marschierte und Stuart war darüber gekränkt, daß er überrumpelt wurde. Die Kavallerie der Union hinderte ihn daran, Hookers Verhalten aufzuklären.6

Abraham Lincoln, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, fragte Hooker, was er nun zu tun gedenke. Hooker wollte auf Lees Invasion reagieren, indem er über den Rappahannock setzt und Lee von hinten angreift. Später schlug er vor, seine Armee nach Richmond zu führen, so daß Lee sich wieder zurückziehen muß, um die Stadt zu verteidigen. Von Hookers Plänen war Lincoln nicht begeistert, denn „ihr wahres Ziel ist doch Lees Armee und nicht Richmond“. Lincoln wies ihn daher an, nun defensiv vorzugehen, Lee zu folgen, sich mit seiner Armee zwischen Lee und Washington zu stellen und Lee nördlich des Rappahannock zum Kampf zu stellen.

Hooker setzte seine Armee in Marsch, doch Lees Vorhut unter General Ewell hatte bereits bei Shepardstown den Potomac ungehindert überquert. Lincoln drängte auf den Angriff, aber Hooker wendete ein, die Stärke von Lees Armee sei größer als seine eigene. Lincoln erkannte, daß Hooker nicht der richtige Kommandeur war, um die Konföderierten zu schlagen und ließ ihn am 28. Juni durch Generalmajor George Gordon Meade ersetzen.7

Unterdessen war Präsident Jefferson Davis der Meinung, man könne jetzt der Union Friedensvorschläge unterbreiten. Daher schickte er den Vizepräsidenten Alexander Stephens nach Washington, um bei Lincoln wegen des eingestellten Austausches von Kriegsgefangenen vorzusprechen. Im selben Zuge hätten Friedensvorschläge auf den Tisch gebracht werden können.8

Stuart hatte von Lee den Auftrag erhalten, mit seiner Kavallerie den Vormarsch der Armee zu decken und die Verbindung zu halten. Doch der ehrgeizige Stuart legte Lees Befehl anders aus und nutzte die Gelegenheit, seinem Gegner Pleasanton ein Schnippchen zu schlagen. Am 25. Juni startete er mit drei Brigaden einen sogenannten Raid, der zwischen Hooker und Washington hindurch um die gesamte Army of the Potomac führte. Am 28. Juni stand Stuart kurz vor Washington und versetzte die Stadt damit in helle Aufregung. Doch mit seinen drei Brigaden konnte er nicht gegen Washington vorgehen. Statt dessen überfiel er eine Nachschubkolonne der Unionsarmee und erbeutete 125 Wagen. Stuarts großer Fehler war, daß Lee während dieses Raids über keinerlei Informationen über die Bewegungen der Army of the Potomac verfügte. Der taktische Auftrag der Kavallerie war nämlich im allgemeinen die Deckung der Bewegungen der eigenen Infanterie und vor allem die Aufklärung des Feindes. So kam es, daß Lee vor Gettysburg stand und keine Informationen über die Stärke des Gegners hatte. Stuart plante, in York von Generalleutnant Ewell wieder aufgenommen zu werden. Dessen Auftrag war es, über den Suquehanna zu setzen und die Hauptstadt von Pennsylvania, Harrisburg, zu nehmen.9

Auf dem Weg über York zu einer Brücke über den Susquehanna bei Wrightsville marschierte ein Teil der Division von Generalleutnant Jubal Anderson Early, die zu Ewells Korps gehörte, am 26. Juni durch den Verkehrsknotenpunkt Gettysburg in Pennsylvania, fünf Tage bevor die Schlacht um Gettysburg begann. Early verlangte von der Stadt die Herausgabe von 60 Fässern Mehl, 7000 Pfund Fleisch, 1200 Pfund Zucker, 600 Pfund Kaffee, 1000 Pfund Salz, zehn Scheffeln Zwiebeln, 1000 Paar Schuhen, 500 Hüten oder die Zahlung von 10.000 Dollar. Der Vorsitzende des Gemeinderates, Dr. David Kendlehart, erklärte Early, es sei völlig unmöglich, diese Forderung zu erfüllen. Weil Early den Befehl hatte, so schnell wie möglich auf York vorzurücken und die Stadt zu nehmen, verzichtete er. Dafür kassierte er in York 28.000 Dollar, bevor er auf den Fersen des 11. Korps der Union nach Gettysburg zurückkehrte.10

Als Meade das Kommando übernahm, stand die rund 90.000 Mann starke Army of the Potomac im Raum Frederick in Maryland, weil Hooker glaubte, Lee würde auf der Route seiner Invasion von 1862 über Manassas und Leesburg marschieren und eventuell auf Washington einschwenken. Die konföderierten Korps von Longstreet und Hill lagen nur 60 Kilometer nördlich davon im Raum Chambersburg in Pennsylvania. Zu diesem Zeitpunkt wurde Lee von einem Späher Longstreets namens Harrison darüber informiert, daß sich die Army of the Potomac nicht wie angenommen in Virginia, sondern unter neuem Kommando nördlich des Potomac befindet. Lees Armee befand sich nun in einer gefährlichen Lage, da sie weit verstreut war. Lee fehlte insgesamt zehn Tage lang die Aufklärung durch Stuarts Kavallerie. Er reagierte daher der Lage entsprechend, wollte seine Korps zusammenziehen und im Raum Cashtown, unweit von Gettysburg, sammeln, um dort auf Meade zu warten und ihn zum Angriff zu provozieren.

Meade war dagegen besser über die Feindlage informiert und marschierte am 29. Juni von Frederick in Richtung Hanover, um sich auf der Linie Hanover und Westminster entlang des Pipe Creek zur Verteidigung einzurichten und Washington zu decken. Er wußte, daß sich Stuart irgendwo im Osten befand, Ewell in Carlisle und Early in der Nähe von York war. Der Rest von Lees Armee wurde in der Nähe von Chambersburg vermutet.11 12

Der erste Tag

Männer aus der Brigade Archer (Division Heth), die in Chambersburg lagerten, hatten gehört, daß es in einem Depot der Union in Gettysburg eine größere Menge an Schuhen gebe. General Hill gab der Division Heth die Erlaubnis, nach Gettysburg zu marschieren, um die Schuhe zu erbeuten, da Lee seine Armee ohnehin bei Cashtown in der Nähe von Gettysburg sammeln wollte.13

Am frühen Morgen des 1. Juli marschierte die Division nach Gettysburg und stieß nicht wie erwartet auf Feldwachen oder Miliztruppen, sondern auf die 1. Kavalleriedivision unter dem Kommando von Brigadegeneral John Buford, die zwei Tage zuvor Gettysburg erreicht hatte. Bufords Division war gut ausgerüstet und kämpfte auf eine für die Kavallerie bisher neue Art: nicht wie Stuarts Reiter mit Säbel und Pistole, sondern abgesessen mit modernen Hinterlader-Karabinern. Diese Karabiner erlaubten das Schießen und Laden im Liegen und hatten zudem eine höhere Kadenz als Infanteriegewehre. Buford war wegen der Nähe von Lees Armee erhöhte Wachsamkeit befohlen worden, er sollte den linken Flügel der Army of the Potomac decken. Ein Korporal namens Hodges vom 9. New Yorker Kavallerieregiment entdeckte im Morgengrauen nordwestlich des Mc Pherson Ridge konföderierte Infanterie, die auf dem Chambersburg Pike in Richtung Gettysburg marschierte. Die Rebellen waren die Vorhut der Division Heth, die zu Hills Korps gehörte, dessen Rest im acht Meilen entfernten Cashtown lagerte.

Die Schlacht um Gettysburg begann mit einem Begegnungsgefecht, durch das im Laufe des 1. Juli die Armeen beider Kriegsparteien aufeinanderstoßen sollten. Weder Lee noch Meade beabsichtigten den Gegner an dieser Stelle zum Kampf zu stellen. Meade überlegte den ganzen Tag über, ob er in Gettysburg bleiben und kämpfen, oder sich wie geplant auf die Linie Westminster – Hanover zurückziehen soll. Lee befahl General Hill, dessen Korps nun im Raum Cashtown lag, sich auf keine größeren Gefechte einzulassen, ehe nicht die Korps Longstreet und Ewell aus Chambersburg und York angekommen waren. Als in Gettysburg die ersten Schüsse fielen, befand sich Lee mit Longstreet auf dem Weg von Chambersburg nach Cashtown, Meade hingegen hatte sein Hauptquartier in Taneytown, zwölf Meilen südostwärts von Gettysburg aufgeschlagen.14

General Buford, der das Gelände um Gettysburg erkundet hatte, erkannte schnell die Lage. Buford konnte vom Turm des Lutheranischen Seminars, das dem Seminary Ridge seinen Namen gegeben hat, die Bewegungen der Rebellen beobachten und entsprechend reagieren. Ihm standen vor den Toren der Stadt zunächst zwei Infanteriebrigaden gegenüber, wie er vermutete, die Vorhut von Lees Armee. Hätte er sich zurückgezogen, hätte Lee die südlich der Stadt gelegene Hügelkette Cemetery Ridge, die sich ideal zur Einrichtung von Verteidigungsstellungen eignet, besetzen können. Buford entschied also, die Konföderierten auf dem Mc Pherson Ridge solange aufzuhalten, bis die angeforderte Verstärkung, John F. Reynolds mit seinem 1. Korps, die Stadt erreicht hat. Reynolds Korps verstärkte um 10 Uhr Bufords Kavallerie, die gegen die dreifache Übermacht der Rebellen ausgehalten hatte. Inzwischen waren aus nördlicher und nordostwärtiger Richtung zwei konföderierte Divisionen von Ewells Korps aus Carlisle und Harrisburg eingetroffen, denen Buford die Brigade Devin entgegenstellte.15

Reynolds, dessen Korps der linke Flügel von drei Korps war, schickte eine Meldung an Generalmajor Oliver Otis Howard, er solle die drei Divisionen seines 11. „deutschen“ Korps im Eilmarsch nach Gettysburg bringen. Kurz drauf fiel Reynolds durch die Kugel eines konföderierten Scharfschützen am ostwärtigen Ende der Mc Pherson´s Woods. Die Meldung erreichte die führende Division Howards unter dem Kommando von Oberst Carl Schurz, einem Veteranen der badischen 48er Revolution16, um 10.30 Uhr. Schurz erreichte Gettysburg um 12.30 Uhr, die letzte Division des 11. Korps um 14 Uhr. Howard stoppte nördlich von Gettysburg das anrückende Korps Ewell, südlich von Gettysburg hatte er seine Reservedivision unter Oberst von Steinwehr auf dem Cemetery Hill aufgestellt. Während Ewell angriff, erreichte Lee das Schlachtfeld. Er wartete nicht auf Longstreets Korps, sondern ließ Hill und Ewell mit allen Einheiten angreifen. Howards rechte Flanke wurde eingedrückt, so daß er sein Korps bis auf die Hügel südlich der Stadt zurücknehmen mußte, wodurch die rechte Flanke des 1. Korps ungedeckt blieb. Das 1. Korps verteidigte den Seminary Ridge westlich der Stadt gegen General Hills Korps. Generalmajor Abner Doubleday, der die Führung des 1. Korps übernommen hatte, verschob drei Brigaden, um die rechte Flanke des Korps auf Höhe des Einschnittes einer im Bau befindlichen Bahnlinie zu decken. Das oberhalb des „Railroad Cut“ operierende 14. Brooklyn Regiment, ein „The Red Legged Devils“ genanntes Milizregiment, rieb dabei ein Regiment der Konföderierten auf, das im Schutze des Einschnittes vorrückte. Auch das 1. Korps mußte dem Druck der Rebellen nachgeben und wich auf die Stellung von Howards Reserve auf dem Cemetery Hill aus, denn die Konföderierten schafften es, ihre Einheiten schneller in die Schlacht zu werfen, als die Kommandeure der Gegenseite. Von allen Himmelsrichtungen marschierten die Einheiten beider Seiten nach Gettysburg. Doch Lee wußte nicht, wieviele Korps der Union auf dem Marsch waren, ihm fehlte weiterhin jegliche Aufklärung durch Stuart. Dennoch schien sich die Schlacht zugunsten Lees zu entwickeln. Die Union verzeichnete Verluste in Höhe von rund 10.000 Mann, die Konföderierten dagegen 7000. Meade schickte Generalmajor Winfield S. Hancock, Kommandeur des 2. Korps, nach Gettysburg, um die Lage zu erörtern. Er ordnete die Einheiten der Union neu und richtete sich auf den Hügeln südlich der Stadt zur Verteidigung ein. Gegen 16 Uhr griff General Longstreets Korps das Zentrum der gegnerischen Stellung auf dem Cemetery Hill an, nahm den Hügel, verlor ihn aber durch einen Gegenstoß wieder.17

Lee befahl Ewell, wenn möglich, den Cemetery Hill anzugreifen. Ewell war der Meinung, daß die gegnerische Stellung zu stark ist und sein Korps nicht in der Verfassung für einen weiteren Angriff. Er wartete, bis seine dritte Division unter General Johnson gegen 20 Uhr ankam. Johnson befahl er, gegen Culp´s Hill aufzuklären, doch dieser Hügel war von Unionstruppen besetzt. Erst um 4 Uhr nachts hatte Ewell genügend Informationen, um einen Angriff starten zu können, doch er blies die Operation ab. Wenn Ewell sofort angegriffen hätte, ehe weitere Unionstruppen Gettysburg erreichen, wäre unter Umständen die rechte Flanke der Union zusammengebrochen. Die vorteilhafte Stellung des Gegners auf den Hügeln hätte Ewell aufrollen und somit die Hügelkette nehmen können.

Meade erreichte den Cemetery Hill gegen Mitternacht und fand seine Einheiten gut organisiert in einer Verteidigungsstellung vor, die einem Angelhaken glich. Diese Stellung hatte den Vorteil, daß Meade seiner Reserve einen Verfügungsraum in der Mitte zuweisen konnte, so daß recht schnell die Mitte und die Flanken verstärkt werden konnten. Auch die Kommunikation zwischen den Einheiten war innerhalb der Krümmung besser aufrechtzuerhalten und vor allem schneller. Meade verwarf seinen Plan, auf den Pipe Creek auszuweichen, und befahl alle Einheiten nach Gettysburg. Zu diesem Zeitpunkt hatten insgesamt 68.000 Unionssoldaten das Schlachtfeld erreicht, ihnen standen nur 60.000 Rebellen gegenüber. Vier Stunden später erreichte General John Sedgwick mit dem 15.000 Mann starken 6. Korps nach einem Nachtmarsch von 35 Meilen Gettysburg.18

Longstreet, der defensive Taktiken bevorzugte, erkundete am Abend des 1. Juli die Stellungen des Gegners und kam zu der Einsicht, daß der Feind auf den Hügeln zu stark sei. Er riet Lee, sich vom Feind zu lösen und ihn im Süden an seiner linken Flanke zu umgehen. Zwischen Meade und Washington gestellt könne Lee das Schlachtfeld selbst wählen. Zudem wäre Meade im Zugzwang gewesen und hätte Lee schnellstens angreifen müssen, um ihn davon abzuhalten, nach Washington zu marschieren. Lee war jedoch davon überzeugt, die Army of the Potomac in Gettysburg am nächsten Tag zerschlagen zu können, denn die Moral seiner Soldaten war hervorragend. Ein Ausweichen hätten sie nach dem erfolgreichen Tag als Rückzug empfunden. „Da steht der Feind, und da werde ich ihn angreifen“, sagte Lee entschlossen und Longstreet sah die Katastrophe kommen.19

Im Nachhinein gesehen wäre Longstreets Vorschlag besser gewesen. Im rückwärtigen Raum der Unionsstellungen gab es keine Hügel, auf denen sich Meades Einheiten hätten verschanzen können. Es wäre auch möglich gewesen, mit Stuarts Kavallerie Meades Versorgungslinien zu stören, denn die materielle Überlegenheit Meades begründet sich auch auf den hervorragend organisierten Nachschub aus Boston über die Eisenbahn unter dem Kommando von Brigadegeneral Hermann Haupt.

Karte 1

Der zweite Tag

Am Morgen des zweiten Tages blieb es in Gettysburg ruhig. Lee plante einen weiteren Angriff und trotz der Bedenken Longstreets sollte sein „altes Schlachtroß“ die Hauptlast des Angriffs tragen. Longstreet sollte mit seinen beiden frischen Divisionen, die als Nachhut eingesetzte dritte Division unter dem Kommando von Generalmajor George E. Pickett hatte Gettysburg noch nicht erreicht, die linke Flanke der Union auf dem südlichen Ausläufer des Cemetery Ridge angreifen und die Stellung aufrollen. Ewell hielt die Stellungen der rechten Flanke auf dem Cemetery Hill und Culp´s Hill immer noch für zu stark. Lee stimmte ihm zu und befahl ihm daher, gegen die Stellungen der Union vorzugehen und erst zum Angriff überzugehen, wenn Meade infolge des Angriffes von Longstreet Einheiten an die linke Flanke verlegt und damit die rechte Flanke schwächt. Hills Auftrag war es, mit seinem vom Vortag geschwächten Korps vor dem Zentrum der Unionsstellungen Präsenz zu zeigen und diese mit seiner Artillerie unter Beschuß zu nehmen, damit Meade auch von dort keine Truppen zur Verstärkung der Flanken abziehen kann. Longstreet war nicht vom Erfolg seines bevorstehenden Angriffes überzeugt und bereitete sich daher auch nur widerwillig vor, obwohl Lee ihm befohlen hatte, so schnell wie möglich anzugreifen. Er zögerte lange und verschenkte dadurch Zeit.

Unterdessen fällte Generalmajor Daniel E. Sickles, Kommandeur des 3. US-Korps eine Entscheidung, die für die Army of the Potomac sehr gefährlich wurde und sehr viel Blut kostete. Das 3. Korps hatte den Auftrag, auf dem höhergelegenen Gelände des Cemetery Ridge in Stellung zu gehen. Sickles glaubte jedoch ein Gelände erkundet zu haben, auf dem er sich besser gegen die Rebellen verteidigen könne. Unter Mißachtung von Meades Befehl befahl er am frühen Nachmittag seinem Korps einen Stellungswechsel und rückte etwa eine halbe Meile über das kleine Tal des Plum Run vor, um sich auf einem Weizenfeld und einem Pfirsichgarten ostwärts der Emmitsburg Road zur Verteidigung einzurichten. Auch wenn Sickles hier gutes Gelände vorfand, so riß doch der Kontakt zu den anderen Einheiten ab und es entstand eine gefährliche Lücke zwischen der Emmitsburg Road und dem Cemetery Hill in der Linie der Union. Dadurch war die linke Flanke des 2. Korps (Hancock) genauso ungedeckt wie seine rechte Flanke. Durch Sickles´ exponierte Stellung war zudem die linke Flanke von Meades Armee ungeschützt, weil die Konföderierten das 3. Korps hätten umgehen und von den unbesetzten Hügeln Little Round Top und Round Top die Unionsstellung hätte aufrollen können. Meade hatte von Sickles eigenmächtigem Handeln erst erfahren, als dieser bereits von Longstreet angegriffen wurde.20

Longstreet rückte am Nachmittag mit seinen beiden Divisionen, deren 15.000 Mann in der Nacht zuvor nach Gettysburg marschiert waren, entlang des Herr Ridge bis zur Black Horse Tavern vor. Dort bemerkte er, daß Lees Führer ihm einen Weg gezeigt hatte, der von den Signalwinkern der Union auf dem Little Round Top eingesehen werden konnte. Er kehrte daher um und ging dann über die Hagerstown Road und entlang des Willoughby´s Run vor. Longstreets Angriff vom Ablaufpunkt westlich der Emmitsburg Road begann erst gegen 16 Uhr. Longstreet hatte aber nicht damit gerechnet, daß Sickles als linke Flanke sich um eine halbe Meile bis zur Emmitsburg Road verschoben hatte. Als Longstreets zahlenmäßig überlegene Truppen das 3. Korps angriffen, entwickelte sich im Pfirsichgarten, auf dem Weizenfeld, an der Felskuppe Devil´s Den und in dem kleinen Tal des Plum Run, später Valley of Death genannt, ein blutiges und langes Gefecht. Longstreet erhielt Verstärkung von Divisionen aus Hills Korps. Als das 3. Korps der Union schließlich aufgerieben wurde und sich auf die Hügel des Cemetery Ridge zurückziehen mußte, schickte Meade Infanterie und Artillerie vom 5. Korps als Verstärkung, so daß die Hügel gehalten werden konnten. Das 5. Korps hatte als Reserve seinen Verfügungsraum beim Power´s Hill. Am anderen Ende der Front zögerte auch Ewell viel zu lange mit seinem Angriff, dennoch konnte seine Division Johnson von Banner´s Hill aus Teile der Unionsstellungen auf dem Culp´s Hill nehmen. Die Stellungen der äußerst rechten Flanke wurden durch den Abzug der Division Slocum (12. Korps) geräumt. Diese Division wurde als Verstärkung an der linken Flanke eingesetzt. Die Division Johnson stieß aber beim weiteren Vormarsch auf erbitterten Widerstand. In den frühen Morgenstunden des 3. Juli erreichte die von Meade zurückbeorderte Division wieder ihre mittlerweile vom Feind besetzte ursprüngliche Stellung. In einem siebenstündigen Gefecht wurde sie zurückerobert. Auch die Schlüsselstellungen des 11. Korps auf dem Cemetery Hill wurden in der Dämmerung von General Jubal Earlys Division genommen, als Meade von dort Truppen zur Verstärkung der linken Flanke abzog. Sie wurden aber durch einen Gegenangriff einer Brigade des 2. Korps (Hancock) mit Unterstützung von Teilen des 1. (Doubleday) und 11. Korps (Howard) wieder besetzt.

Aufklärer berichteten Longstreet während seines Angriffes auf das 3. Korps, daß die Hügel Little Round Top und Round Top unbesetzt seien. Er hätte somit Sickles südlich des Devil´s Den umfassen und von hinten angreifen können. Zudem hätte Longstreet von den beiden beherrschenden Hügeln aus die Flanke des 6. Korps auf dem südlichen Ausläufer des Cemetery Ridge angreifen können. Eventuell hätte er es geschafft, die linke Flanke der Union zum Einbrechen zu bringen. Wenn dann noch Ewell zum richtigen Zeitpunkt energischer die linke Flanke angegriffen hätte, wäre Lees Plan geglückt. Longstreet versäumte es aber, Lee zu melden, daß die linke Flanke der Union an anderer Stelle stand und dadurch die beiden Hügel unbesetzt waren. Statt dessen griff er so an, wie es ihm Lee befohlen hatte. Die Division Hood hatte den Auftrag, südlich des Round Top zu operieren, wurde aber von einer Division des 3. Korps daran gehindert. Longstreet hätte die Flanke der Union bei den Round Tops angreifen sollen. Durch das Vorrücken Sickles´ an eine Stelle, an der Lee und Longstreet keinen Feind vermuteten, entwickelte sich diese Operation zu einem Frontalangriff. Longstreet reagierte zu langsam, um die Schwäche der Union durch Sickles´ Fehler noch ausnutzen zu können.

Meade hatte vor Beginn des Angriffs den Chefingenieur seiner Armee, Brigadegeneral G. K. Warren, mit einigen Signalwinkern auf den Round Top beordert. Warren bemerkte den Anmarsch von Teilen der konföderierten Division Hood, die Longstreets rechte Flanke bildete, auf diese Schlüsselstellung. Er meldete dies sofort Meade und forderte eine Division an. Eine Unionsbatterie, die unterhalb des Little Round Top in Stellung ging, schaffte es mit dem Beschuß der Wälder ostwärts der Emmitsburg Road, die Konföderierten solange aufzuhalten, bis die Verstärkung eintraf. Meade verlegte vier Regimenter des 5. Korps auf den Little Round Top. Die äußerst linke Flanke auf dem Little Round Top bildete nun das 20. Maine-Regiment unter der Führung von Oberst Joshua Lawrence Chamberlain. Ihm wurde befohlen, die Stellung um jeden Preis zu halten, damit der Feind nicht in die Flanke der Union einbrechen konnte. Indessen marschierte Oberst William C. Oates mit seinem 15. Alabama-Regiment zwischen den beiden Hügeln. Chamberlain hatte die Chance erkannt, die sich ihm hier bot: „Innerhalb einer halben Stunde konnte ich Little Round Top in eine Art Gibraltar verwandeln, das selbst gegen eine zehnfache Übermacht zu halten war.“21 Kaum hatte Chamberlain sein 360 Mann starkes Regiment zur Verteidigung aufgestellt, stürmten die Männer aus Alabama seine Reihen. Chamberlain hatte den taktischen Vorteil, von gedeckter und erhöhter Stellung die Angreifer, die erst den Hang erklimmen mußten, abzuwehren. Chamberlain wähnte seine Kompanie B, die während des Angriffs zur Verstärkung herbeieilen sollte, von den Rebellen zerschlagen. Das Regiment wurde während des eineinhalb Stunden dauernden Gefechtes fünfmal zurückgeworfen, nahm aber seine ursprüngliche Stellung immer wieder im Gegenstoß. Schnell war ein Drittel des Regiments gefallen, die Munition ging ebenfalls aus. Da Chamberlain nicht ausweichen durfte, entschied er sich zum Angriff mit aufgepflanztem Bajonett, einer Kampfweise, die während des Bürgerkrieges durch die gesteigerte Wirkung und Zielgenauigkeit der gezogenen Gewehre immer seltener angewendet wurde. Als Oates wieder angriff, blieb die rechte Hälfte des Regiments in ihrer Stellung und die linke griff bergabwärts an. Die Rebellen waren derart überrascht, daß sie die Flucht ergriffen. Als sie sich wieder gefangen hatten, preschte plötzlich die von Chamberlain verloren geglaubte Kompanie B aus ihrem Versteck hervor. 400 Konföderierte ergaben sich, die Flanke der Union wurde gehalten.22

Eineinhalb Kilometer nördlich versuchten die Konföderierten die Lücke auszunutzen, die Sickles zwischen ihm und dem 2. Korps unter General Hancock verursacht hatte. 262 Männer aus acht Kompanien des 1. Minnesota-Regiments sollten gegen 1600 Mann aus Alabama verteidigen, bis Hancock die Lücke mit Verstärkung schließen konnte. Nur 47 überlebten überlebten das Gefecht.23

Die von Lee gewünschten Erfolge blieben aus, auch weil die Zusammenarbeit zwischen den Korps nicht funktionierte. Vor allem aber hatten Hill und Ewell nicht energisch genug angegriffen, so daß Meade von der rechten Flanke Truppen zur Verstärkung abziehen konnte. Die Gefechte des Tages wertete Lee als Erfolg, obwohl sein Ziel nicht erreicht wurde. „Als der zweite Kampftag vorüber war, verkündete General Lee, es sei ein Erfolg gewesen. Aber im Grunde waren wir dem Sieg kaum nähergekommen“, so General Longstreet.24 Bis auf Sickles´ exponierte Stellung gelang es den Kommandeuren der Army of the Potomac die Verteidigungsstellungen auf den Hügeln durch geschicktes Meistern der Krisen und Verschieben von Reserven zu halten. Der Kampf auf eigenem Boden zur Verteidigung der Heimat setzte in den Soldaten der Union neue Energien frei. Auf beiden Seiten fielen rund 9000 Mann. Aber Lee war immer noch überzeugt, am nächsten Tag die Entscheidung herbeiführen zu können.25

Meade berief am Abend alle seine Korpskommandeure zum Kriegsrat in sein Hauptquartier im Haus Leister am Cemetery Hill, um die Pläne für den nächsten Tag auszuarbeiten. Es wurde entschieden, daß sich die Armee weiterhin am selben Ort dem Feind stellt und die Sache ausfechtet. Meade sagte General Gibbon, der zeitweise Hancocks 2. Korps auf dem Cemetery Rigde befehligte, daß er am nächsten Tag in seinem Abschnitt mit einem Angriff Lees rechnen müsse, nachdem dieser bereits an den Flanken versuchte durchzubrechen. Und so kam es auch.26

Karte 2

Der dritte Tag

In den Gefechten des vergangenen Tages hatte Lee die beiden Flanken der Unionsstellung angegriffen und glaubte, sie damit erheblich geschwächt zu haben, so daß Meade gezwungen war, dies durch Verstärkungen auszugleichen. Eine Schwächung der rechten Flanke zugunsten der linken war für die Konföderierten am Nachmittag des zweiten Tages der Schlacht auch deutlich spürbar. Doch Meade und seine Korpskommandeure hatten es geschafft, Truppenteile so zu bewegen, daß die Front stabil blieb. Einen wesentlichen Anteil daran hatte die zahlenmäßige Überlegenheit der Army of the Potomac. Dadurch waren genügend frische Reserven vorhanden, die entstandene Lücken schließen konnten.

Lee feierte seine größten Erfolge bei den defensiven Gefechten in Virginia, wenn möglich vermied er Angriffe seiner an Stärke meist unterlegenen Truppen. Lees angriffslustiges Verhalten in Gettysburg ist um so erstaunlicher, wenn man eine Grundregel der Taktik bedenkt. Man rechnet heute, im Zeitalter der modernen Kriege, mit einem Kräfteverhältnis von mindestens drei zu eins zugunsten des Angreifers, erst dann ist ein Angriff sinnvoll. Bei der heutigen Waffenwirkung sollte wohl eher mit einer noch größeren Stärke des Angreifers gerechnet werden. In Gettysburg war die Army of the Potomac so gut auf den zur Verteidigung vorteilhaften Hügeln verschanzt, daß Lee eine dreifache Übermacht gebraucht hätte, um sicher sein zu können, die gegnerische Armee völlig zu zerschlagen.

Nun, Lee wußte also, daß Meade seine Flanken gestärkt hatte, um zu verhindern, daß er aus seinem rückwärtigen Raum angegriffen wird. Lee glaubte jedoch, Meade habe seine Flanken derart verstärkt, daß nun das Zentrum der Unionsstellungen geschwächt sein muß. Wie Meade richtig vermutete, glaubte Lee, die Verteidigung der Union nun auf dem Cemetery Ridge brechen zu können27. Betrachtet man die Gefechte am zweiten Tag isoliert und geht davon aus, sie seien erfolgreicher verlaufen, dann ist diese Annahme aus taktischer Sicht kein Fehler. Auch das Schwanken der Verteidigung auf dem Cemetery Hill ließ diesen Schluß zu. Lee wußte inzwischen, daß er der gesamten Army of the Potomac gegenüberstand, ihm fehlten aber genauere Aufklärungsergebnisse, insbesondere die Stärke betreffend, die Stuart hätte melden sollen. Stuart traf mit seiner Kavallerie erst am Nachmittag des 2. Juli in Gettysburg ein, nachdem er Ewells Korps vergeblich in York und Carlisle gesucht hatte. Er brachte 125 erbeutete Wagen, aber keine Informationen über Meades Armee.28

Lee beabsichtigte nun, das Zentrum der Union mit General George Picketts frischer Division an der Spitze nach Artillerievorbereitung anzugreifen. Stuart sollte den Angriff unterstützen, indem er umfassend vorrückt und die Union im Rücken angreift. Ewell sollte erneut die rechte Flanke angreifen. Wenn ein Durchbruch im Zentrum gelänge, wäre die Army of the Potomac geteilt und Ewell und Stuart hätten die Zange schließen sollen. Lee war sich darüber bewußt, daß seine Korpskommandeure in den vergangenen zwei Tagen die gebotenen Vorteile nicht ausreichend genutzt hatten. Er ging davon aus, daß Meades gesamte Armee durch die beinahe eingetretene Katastrophe stark geschwächt sein mußte und einem weiteren Angriff nicht standhalten würde. Doch das war eine Fehleinschätzung.29

Wieder brachte Longstreet gegenüber Lee seine Bedenken gegen einen Frontalangriff auf die verstärkten Verteidigungsstellungen auf den Hügeln vor. Nochmals riet er Lee dazu, Meade an der linken Flanke zu umgehen. Vor der linken Flanke stand Longstreets Korps immer noch den Verteidigern gegenüber. Lee schlug den Rat aus und befahl, den Angriff auf das Zentrum der Stellungen mit der Division Pickett und den drei Divisionen von Hills Korps vorzubereiten, da Longstreet zwei Divisionen seines Korps nicht von Feind lösen konnte. Auch wenn der Großteil der angreifenden Truppe aus Hills Korps stammte, sollte Longstreet den Angriff führen. Lee befahl, daß der Angriff in den frühen Morgenstunden beginnen solle. Longstreet versuchte das beste daraus zu machen. Der Angriff sollte von der konföderierten Artillerie gründlich vorbereitet werden. Ziel war es, nach Möglichkeit die feindlichen Geschütze auf den Hügeln auszuschalten. Die drei angreifenden Divisionen mit einer Stärke von rund 15.000 Mann sollten sich in den Wäldern auf dem Seminary Ridge bereitstellen und dann in breiter Front auf die feindlichen Stellungen vorrücken, damit die Verteidiger ihre Kräfte in der Breite verteilen mußten. Während des Vorrückens sollten die einzelnen Brigaden auf eine Baumgruppe am südlichen Ausläufer des Cemetery Hill einschwenken, so daß sich der Angriff auf einen Punkt konzentriert. Longstreet ahnte aber im Voraus, was passieren würde. Die Divisionen mußten über eine freie Pläne mit einer Länge von etwa 1,5 Kilometern wie auf dem Präsentierteller vorrücken. Dieses Gelände konnte sehr gut von der Unionsartillerie auf dem Cemetery Hill und dem Little Round Top bestrichen werden. Stark dezimiert würde dann der letzte verbliebene Angriffsschwung im Salvenfeuer der Verteidiger aus den befestigten Stellungen erlahmen. Aus diesem Grund ließ sich Longstreet mit der Vorbereitung des Angriffs mehr Zeit, als Lee ihm vorgegeben hatte.

Um 13.07 Uhr gaben zwei konföderierte Kanonen den Startschuß für das Bombardement auf Cemetery Hill und Cemetery Ridge. Rund 150 Feldgeschütze unter dem Kommando von Oberst E. P. Alexander, aufgestellt in einer Reihe von etwa zwei Meilen Breite, begannen mit rund 80 sofort antwortenden Geschützen der Union das größte Artilleriegefecht auf amerikanischem Boden. Wenig später schossen 200 Unionsgeschütze, denn Meade hatte in Erwartung eines Angriffes zusätzliche Batterien so postiert, daß sie auf die freie Pläne westlich des Cemetery Ridge wirken konnten. Alexanders Batterien hatten den Nachteil, nach oben zielen zu müssen, wodurch die Zielgenauigkeit litt. Auch verfügte Alexander über weniger und vor allem schlechtere Munition. Die Unionsartillerie hatte im übrigen mehr Geschütze, vor allem modernere, gezogene Parrot-Geschütze. Der Beschuß überraschte den Generalstab Meades beim Mittagessen. Meades Hauptquartier erhielt einige Treffer, ebenso Sanitätseinrichtungen, Reserveartillerie, Versorgungseinheiten und Munitionswagen. Die Frontlinien des 2. Korps (Hancock) erlitten dagegen nur geringen Schaden. General Hancock ritt die Reihen seiner Soldaten ab und befahl ihnen, den Feind nahe herankommen zu lassen und das Feuer erst aus einer Entfernung von 200 Metern zu eröffnen. Als ihm einer seiner Brigadekommandeure riet, in Deckung zu gehen, antwortete er: „Es gibt Momente, in denen das Leben eines Kommandeurs nicht zählt!“30 Die Soldaten lagen im Schutz einer Steinmauer und warteten mit den Gewehren im Arm auf den kommenden Angriff der Infanterie. Zwei Stunden flogen die Granaten hin und her, ohne daß Oberst Alexander sonderlich viel Erfolg gehabt hätte. Doch plötzlich verstummten die Kanonen der Union, und als Alexander beobachtete, wie auf dem Cemetery Ridge 18 beschädigte Geschütze abgezogen wurden, glaubte er, er habe die Unionsartillerie zerschlagen. Außerdem ging seine Munition zur Neige. Er setzte hastig eine Meldung an Longstreet auf: „Um Gottes Willen kommen sie schnell, 18 Kanonen sind weg; wenn sie nicht schnell angreifen, wird meine Munition nicht mehr ausreichen, um ihren Angriff zu unterstützen.“ Der Kommandeur der Unionsartillerie, Brigadegeneral Henry J. Hunt, täuschte seinen Gegner mit einer List. Er befahl seinen Batterien, das Feuer einzustellen. Seine Absicht war es, die Rohre abkühlen zu lassen, den Feind anzulocken, Munition für den Angriff der Infanterie zu sparen und beschädigte Geschütze austauschen zu lassen.31

Indessen ritt Pickett zu Longstreet und fragte ihn: „Herr General, soll ich angreifen?“ Longstreet, der die Verantwortung für den Tod tausender Männer nicht tragen wollte, nickte nur. Pickett ritt zur Mitte der bereitgestellten Divisionen und befahl den Brigadekommandeuren, ihre Einheiten zu formieren. Pickett besaß noch keine Kampferfahrung und brannte besonders darauf, sich nun auf dem Schlachtfeld Ruhm zu erwerben. Die Brigaden traten aus dem schützenden Wald hervor und stellten sich in drei Reihen auf. Ganz links stand die Division Trimble, in der Mitte die Divisionen Pettigrew und Anderson (allesamt von Hills Korps), ganz rechts formierte sich Picketts Division mit den Brigaden Armistead, Garnett und Kemper. Jede Division marschierte mit zwei Brigaden vorne und der dritten dahinter und einer Geschwindigkeit von etwa 100 Metern pro Minute über die Felder und die Emmitsburg Road auf die feindlichen Linien zu; zwei Brigaden blieben als Reserve zurück. In der heißen Julisonne bot sich den Verteidigern ein einzigartiges militärisches Schauspiel. Die Truppenfahnen wehten und die aufgepflanzten Bajonette glänzten wie auf dem Exerzierplatz. Die Batterien des 2. Korps auf dem Cemetery Ridge begannen noch nicht zu schießen, da sie bereits die notwendigen Kanisterladungen geladen hatten, die für die Abwehr des Angriffes auf kürzere Distanz gebraucht wurden. Jedoch eröffneten die Batterien an anderen Stellen, insbesondere auf den Cemetery Hill und Little Round Top das Feuer. Die Geschütze der Union konnten die Angreifer nun ungehindert ins Kreuzfeuer nehmen, da die konföderierte Artillerie die vorrückende Infanterie nicht gefährden durfte.32

Die Rebellen marschierten stur vorwärts, ohne auf eigene Verluste zu achten. Sie schlossen ihre Reihen so schnell, wie feindliche Granaten Lücken in sie schossen. Der Angriff der Rebellen erinnerte die beeindruckten Unionssoldaten an ihren Angriff auf Fredericksburg, so daß sie immer wieder „Fredericksburg, Fredericksburg!“ riefen. Durch das Artilleriefeuer stark dezimiert erreichten die Rebellen fast die Stellungen der Union. Aus 200 Metern Entfernung wurden sie dann vom Gewehrfeuer der Verteidiger niedergemäht. Regimenter aus New York, Vermont und Ohio schwenkten aus der Verteidigungslinie aus und griffen die Flanken der Konföderierten an. Nur wenige hundert Mann stürmten hinter Brigadegeneral Lewis A. Armistead her und durchbrachen die Front der Union an einer „Angle“ genannten Biegung einer Steinmauer. In diesem Moment fiel Armistead und die ihm folgenden Männer wurden entweder getötet oder gefangengenommen. Diese Stelle wurde später „High Water Mark“ (Hochwassermarke) genannt. Weniger als die Hälfte der angreifenden Rebellen kehrte zurück, rund 7000 lagen tot oder verwundet zwischen Seminary Ridge und Cemetery Ridge. Picketts Angriff wurde abgewehrt, seine Division war zerschlagen und hatte rund zwei Drittel ihrer ursprünglichen Stärke eingebüßt. Alle drei Brigadekommandeure und 13 Obristen waren gefallen oder verwundet.

Als General Lee die Überlebenden zurück humpeln sah, sagte er: „Es war alles mein Fehler. Ich bin es, der diesen Kampf verloren hat, und sie müssen mir da heraushelfen, so gut sie können.“ Lee und Longstreet rechneten mit einem Gegenangriff Meades und formierten eine Verteidigungslinie. Dazu befahl Lee auch Pickett, seine Division zu sammeln. Dieser starrte Lee ungläubig an und sagte: „General Lee, ich habe keine Division mehr!“33

Am Abend kehrte auch Stuart mit seiner Kavallerie zurück. Er war vor Beginn von Picketts Angriff ausgerückt und marschierte ostwärts der Stadt über den York Pike, um dann nach Süden zu schwenken und über die Hanover Road und den Baltimore Pike in den rückwärtigen Raum der Army of the Potomac zu gelangen. Etwa 2,5 Meilen ostwärts Gettysburg wurde er von der Unionskavallerie unter General D. McM. Gregg abgefangen. Es kam zum Gefecht, bei dem Stuart unterlag, nicht zuletzt auch wegen des tollkühnen Einsatzes von Brigadegeneral George Armstrong Custer.34

Meade entschied sich nicht für einen Gegenangriff auf die Army of Northern Virginia, obwohl mehrere Korpskommandeure darauf drängten. Der bei Picketts Angriff verwundete General Hancock, aber auch Pleasanton und Howard forderten Meade auf, mit 20.000 Mann frischer Reserve vom 5. Und 6. Korps anzugreifen. Andere jedoch, wie zum Beispiel General Hunt, pflichteten Meade bei, daß nun genug getan worden sei. Meade wußte nicht, wie schwer Lees Armee aufgerieben wurde und daß seine Artillerie kaum mehr Munition hatte. Zudem wähnte er Stuart in seinem Rücken, da ihn die Meldung von dem Kavalleriegefecht ostwärts Gettysburg noch nicht erreicht hatte. Meade machte also denselben Fehler, wie die Konföderierten damals nach der ersten Schlacht um Manassas. Hätte Meade Lee nachgesetzt, hätte er dessen Armee vollends zerschlagen können. Dazu hätte er aber unter Umständen mehr als seine Reserven gebraucht. Aber Meade war sich vermutlich unsicher, denn er hatte das Kommando über die Army of the Potomac erst seit sechs Tagen inne und in dreien davon eine große Gefahr abgewendet. Sicherlich war Meade genauso froh wie seine Soldaten, den Feind endlich geschlagen zu haben. Auch mußten nach der Schlacht die herrschenden Probleme mit Nachschub und der Versorgung der Verwundeten in den Griff bekommen werden. Bei der Frage, ob Meade zum Gegenangriff hätte übergehen sollen, muß man auch das zu dieser Jahreszeit in Gettysburg herrschende Klima in Betracht ziehen. Die Truppen waren durch die Eilmärsche, die Kämpfe bei einer Hitze von weit über 30 Grad Celsius und nicht zuletzt durch die schwere Ausrüstung und die Uniformen aus Filzstoff erschöpft. Lees zügiger Rückzug muß für seine Soldaten also weitaus schwieriger gewesen sein. Da Meade nicht wußte, wie es um die Kampfkraft von Lees Armee bestellt war, wollte er nicht das Risiko eingehen und denselben Fehlern wie Lee zu machen, nämlich gegen eine starke Verteidigungsstellung anzurennen. Am Spätnachmittag hatten zwei Kavallerieregimenter die Infanterie Longstreets westlich des Round Top attackiert und waren aufgerieben worden. Doch scheint es auch, als habe sich Meade dazu entschlossen, gegen den Feind vorzufühlen. Am Spätnachmittag rückten nämlich einige Einheiten des 5. und 6. Korps über den Devil´s Den und das Weizenfeld vor und trafen dort auf die Nachhut von zwei Divisionen Longstreets. Ein möglicher Angriff wurde am 4. Juli nicht ausführbar, da gegen Mittag ein schweres Unwetter losbrach.35

Karte 3

Lees Rückzug nach Virginia

Für die Konföderation war die Schlacht um Gettysburg und die gescheiterte Invasion die Wende im Verlauf des Krieges, die Schlacht war das Stalingrad des amerikanischen Bürgerkrieges. Auf der Seite der Union waren 23.000 Mann, etwa ein Viertel aller Soldaten, gefallen. Lees Army of Northern Virginia war um mehr als ein Drittel seiner ursprünglichen Stärke geschrumpft, 28.000 Mann waren insgesamt gefallen. Mit rund 50.000 Mann, zumeist verwundet, dazu 4000 gefangene Unionssoldaten, begann er einen geordneten Rückzug von Gettysburg nach Virginia.

Am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, erreichte die Nachricht vom Sieg in Gettysburg Washington. Drei Tage später wurde die Kapitulation Pembertons in Vicksburg bekannt. Als Washington den Unabhängigkeitstag und den Sieg feierte, erfuhr die Regierung auch von der Absicht des konföderierten Unterhändlers Alexander Stephens und erlaubte ihm nicht, die Front zu passieren. Die Siege in Gettysburg und Vicksburg ließen im Süden die Hoffnungen auf den Sieg und die politische Anerkennung durch das Ausland schmelzen.36

Mit großer Sorgfalt plante Lee seinen Rückzug. Während des Unwetters marschierte seine Armee mit zahlreichen auf requirierten Wagen verladenen Verwundeten auf der Straße nach Chambersburg zurück; 7000 Verwundete wurden in Gettysburg zurückgelassen. Gegen Abend des 4. Juli war sich Lee sicher, daß Meade nicht zum Gegenangriff ausholen wird. Zwei Kavalleriebrigaden deckten den Rückzug auf der Chambersburg Road, zwei weitere deckten den Monterey Pass bei Fairfield und die übrigen zwei marschierten unter dem Kommando von General Stuart auf der Straße nach Emmitsburg, um die linke Flanke Lees zu decken. Ewells Korps stellte die Nachhut.

Meade erfuhr erst im Laufe des 5. Juli, daß sich Lee zurückgezogen hat und befahl sofort einer Kavalleriebrigade, Lee zu folgen; das 3. Korps sollte Lees Hauptstreitmacht in der Nähe von Fairfield abfangen. Die Army of the Potomac folgte Lee zu langsam, um ihn noch einzuholen, schwenkte aber bei Frederick nach Westen und stieß auf die Konföderierten, die sich bei Williamsport in Maryland zur Verteidigung eingerichtet hatten und darauf warteten, über den Hochwasser führenden Potomac setzen zu können. Meade selbst blieb bis zum 7. Juli in Gettysburg. Lees gesamte Armee überquerte am 13. Juli fast ungehindert den Fluß. Die Kavallerie der Union hatte durch einen Raid eine Pontonbrücke der Rebellen zerstört. Dadurch mußte Lee warten, bis seine Pioniere mit dem Holz eingerissener Lagerhäuser eine neue Brücke gebaut hatten. Präsident Lincoln ärgerte sich über das Verhalten Meades. Er drängte ihn, Lee auf seinem Rückzug, insbesondere beim Übersetzen, anzugreifen und zu zerschlagen. Solange Lee mit dem Potomac im Rücken ausharrte, saß er in guten Verteidigungsstellungen. Da sich Lee aber während des Übersetzens schwerer hätte verteidigen können, hätte ein Angriff Meades vielleicht zum Erfolg geführt. Wäre Lees Armee nicht zerschlagen worden, so doch zumindest erheblich geschwächt. Der Krieg hätte mit diesem letzten Schlag vielleicht beendet werden können. Lee wartete in Williamsport auf Meades Angriff. Doch durch eine Kriegslist der Konföderierten blieb Meade vorsichtig. Ein vermeintlicher Deserteur berichtete, der Zustand von Lees Armee sei tadellos und sie brenne auf einen weiteren Kampf.37

Einen Monat nach der Schlacht um Gettysburg reichte Lee bei Präsident Davis seinen Rücktritt ein. „Niemand kennt besser als ich meine Unfähigkeit, die mit meiner Stellung verbundenen Pflichten zu erfüllen. Ich vermag nicht einmal zu vollbringen, was ich mir wünsche“, schrieb er an Davis. Der Präsident lehnte das Gesuch ab.38

Der Bürgerkrieg dauerte noch fast zwei Jahre.

Mit der Unterstützung anderer Bundesstaaten legte der Staat Pennsylvania in Gettysburg einen Soldatenfriedhof für die Gefallenen der Schlacht an. Zur Einweihung am 19. November 1863 sprach auch Präsident Lincoln. Seine Rede ging als „Gettysburg Adress“ in die Geschichte der Vereinigten Staaten ein.39

Anmerkungen

Bibliographie

Burns, Ken. The Civil War übers. von Monika Hey und Adelheid Zöfel (München: TR-Verlagsunion, 1992).

Mc Pherson, James. Battle Cry of Freedom – The Civil War Era (New York: Oxford University Press, 1988).

Nye, Wilbur S. „The Prelude to Gettysburg“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968).

Nye, Wilbur S. „Cavalry Fight At Gettysburg“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968).

Schoemakers, Günter. Der Bürgerkrieg in Nordamerika (Wels-München: Verlag Welsermühl, 1977).

Stackpole, Edward J. „The Battle of Gettysburg“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968).

Tucker, Glenn. „The Cavalry Invasion of the North“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968).

[...]


1 Günter Schoemakers, Der Bürgerkrieg in Nordamerika (Wels-München: Verlag Welsermühl, 1977), 70-75.

2 James Mc Pherson, Battle Cry of Freedom – The Civil War Era, übers. von Holger Fließbach und Christa Seibicke (New York: Oxford University Press, 1988), 636-37.

3 Schoemakers, Der Bürgerkrieg in Nordamerika, 77.

4 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 637-38.

5 Wilbur S. Nye, „The Prelude to Gettysburg“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968), 10

6 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 638.

7 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 641.

8 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 640. Mc Pherson deutet auch an, daß Stephens vielleicht zusätzliche inoffizielle Vollmachten gehabt haben könnte. Er könnte damit einen vorbereiteten Friedensvertrag meinen, den Stephens vorlegen sollte, falls Lee Erfolg hat und Washington bedroht.

9 Glenn Tucker, „The Cavalry Invasion of the North“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968), 18-22. Vgl. Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 638-39.

10 Glenn Tucker, „The Cavalry Invasion of the North“, 21.

11 Wilbur S. Nye, „The Prelude to Gettysburg“, 10.

12 Wilbur S. Nye, „The Prelude to Gettysburg“, 12-13.

13 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 642.

14 Edward J. Stackpole, „The Battle of Gettysburg“ in: Civil War Times Illustrated II:4 (1968), 3-4. Vgl. Jan Boger, Der US-Bürgerkrieg 1861-1865: Soldaten, Waffen, Ausrüstung (Stuttgart: Motorbuch-Verlag, 11984)

15 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 643. Das Korps des Pennsylvaniers Reynolds war von Meades Armee am nächsten an Gettysburg herangerückt.

16 Wilhelm Kaufmann, Die deutschen im amerikanischen Buergerkriege (München: Oldenburg, 1911) Carl Schurz (1829-1906) flüchtete wie viele andere nach der Niederschlagung der badischen Revolution 1848/49 nach Amerika und kämpfte im Bürgerkrieg für seine Ideale. Später wurde er General, von 1877-81 war er Innenminister der Vereinigten Saaten. Das 11. Korps wurde „deutsches“ Korps genannt, weil darin (insbesondere in der Division Blenker) sehr viele deutsche Auswanderer kämpften. Manche Regimenter waren sogar rein deutsch und drillten nach dem preußischen Exerzierreglement. General Howards Vorgänger war der 48er-Flüchtling Franz Sigel.

17 Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 4-5. Vgl. Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 643-44 und Schoemakers, Der Bürgerkrieg in Nordamerika, 80.

18 Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 7. Vgl. Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 644.

19 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 645.

20 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 645-46.

21 Ken Burns, The Civil War, übers. von Monika Hey und Adelheid Zöfel (München: TR-Verlagsunion, 1992), 115.

22 Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 45-47. Für diese militärische Glanzleistung verlieh der Kongreß der Vereinigten Staaten nach dem Krieg Joshua Lawrence Chamberlain die „Medal of Honor“, die höchste militärische Auszeichnung für vorbildliche Pflichterfüllung im Gefecht.

23 McPherson, Battle Cry of Freedom, 649.

24 Ken Burns, The Civil War, 119.

25 McPherson, Battle Cry of Freedom, 650.

26 Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 48.

27 McPherson, Battle Cry of Freedom, 650.

28 Glenn Tucker, „The Cavalry Invasion of the North“, 22.

29 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 650.

30 Ken Burns, The Civil War, 121.

31 Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 50.

32 Stackpole, „The Battle of Gettysburg, 50.

33 Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 50-51. Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 652-53.

34 Wilbur S. Nye, „Cavalry Fight At Gettysburg“ in: Civil War Times Illustrated II:4, 1968, 29.

35 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 653.

36 McPherson, Battle Cry of Freedom, 654.

37 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 656. Vgl. Stackpole, „The Battle of Gettysburg“, 51-52.

38 Mc Pherson, Battle Cry of Freedom, 655.

39 Schoemakers, Der Bürgerkrieg in Nordamerika, 81-82.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Die Schlacht um Gettysburg
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Von Mondschein und Magnolien - Realität und Legende des alten Südens der USA
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
35
Katalognummer
V109215
ISBN (eBook)
9783640073962
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Schlacht um Gettyburg war der entscheidede Wendepunkt im Bürgerkrieg. Nach dem Einmarsch der Truppen des Südens unter General Robert E. Lee in Pennsylvania brach die letzte grosse Offensive des Südens an der stratisch günstigeren Position der Verteidiger zusammen. Nach hohen Verlusten musste Lee sich zurückziehen, die Handlungsinitiative ging damit verloren, was Lee zu einer defensiven Taktik zwang. Der Krieg dauerte noch zwei Jahre. Die Arbeit enthielt ursprünglich 3 Karten - diese werden hier nicht mitveröffentlicht!
Schlagworte
Schlacht, Gettysburg, Mondschein, Magnolien, Realität, Legende, Südens
Arbeit zitieren
Karsten Dyba (Autor:in), 1998, Die Schlacht um Gettysburg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109215

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