S.M.S. "Goeben" - Ein Kapitel deutsch-türkischer Beziehungen


Ausarbeitung, 2005

32 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Das Schiff

Die politische Lage

Der Ausmarsch

Die politische Lage

Am Bosporus

Der Krieg im Mittelmeer

Diplomatisches Zwischenspiel

Der Durchbruch

Aus „Goeben“ wird „Yavus Sultan Selim“

Der Kampf umd die Dardanellen

Seekrieg im Schwarzen Meer

Ausklang

Quellen- und Literaturverzeichnis

Am 8. Juni 1973 erscheint die türkische Zeitung „Hurriyet“ (zu deutsch „Unabhängigkeit“) mit einer groß aufgemachten Titelstory:

„Adieu ruhmreiche Yavuz.

Als unser ruhmreiches Schiff bei einer traurigen Zeremonie in Gülcük außer Dienst gestellt wurde, konnten die Menschen ihre Tränen nicht zurückhalten.“

Das Schiff, von dem hier eine ganze Nation bewegten Herzens Abschied nimmt, ist der deutsche Schlachtkreuzer „Goeben“. Dieses Schiff hat wie kaum ein Schiff Geschichte gemacht und sich einen geradezu legendären Ruf erworben, aber nicht unter seinem deutschen Namen, sondern unter dem Namen „Yavuz Sultan Selim“ der türkischen Marine. Der Lebensweg der deutschen „Goeben“, der ruhmreichen „Yavuz“ der Türken in ein interessantes Kapitel deutscher wie türkischer Marinegeschichte und eines dramatischsten Kapitel des 1. Weltkrieges.

Das Schiff

Hamburg am 28. März 1911. Auf der Werft von Blohm & Voss läuft der Neubau „Großer Kreuzer H“ vom Stapel und wird auf den Namen „Goeben“ getauft. Pate bei der Namensgebung ist der preußische General August v. Goeben (1816 – 1880), der sich im deutsch-französischen Krieg 1870/71 verdient gemacht hat und dafür mit dem Großkreuz zum Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war, einer sehr selten verliehenen Auszeichnung.

Die amtliche Bezeichnung „Großer Kreuzer“ ist irreführend, denn sie wird dem Typ des Schiffes nicht gerecht. Nach internationaler Norm gehört „Goeben“ zum Typ der Schlachtkreuzer, der 1906 mit der britischen „Invincible“ als Parallelentwicklung zur „Dreadnought“ entstanden war. Die „Goeben“ ist in der Kaiserlichen Marine das dritte Schiff dieser Klasse nach der etwas kleineren „von der Tann“ und dem Schwesternschiff „Moltke“. Die „Goeben“ ist in der Tat ein mächtiger Vertreter ihrer Klasse: 23.000 t Wasserverdrängung, 186 m lang, 29,5 m breit, mit einem Tiefgang von 8 m. Die Maschinenanlage hat eine Stärke von 85.000 WPS und treibt vier Schrauben von jeweils 3,74 m Durch- Messer. Damit wird eine Höchstgeschwindigkeit von 26 kn erreicht. Die Bewaffnung besteht aus 10 – 28 cm-Geschützen, aufgestellt in fünf Doppel- türmen mit einer Reichweite von 19 Kilometern. Dazu kommt noch eine Anzahl mittlerer und leichter Geschütze. Die Panzerung erreicht eine Stärke bis zu 350 mm. Vierzehn Monate nach dem Stapellauf wird die „Goeben“ am 2. Juni 1912 feierlich in Dienst gestellt und der Nordseestation in Wilhelms- haven zugeteilt.

Die politische Lage I

Während die „Goeben“ ihre Probefahrten durchführt, richtet sich das Augen- merk der Weltöffentlichkeit auf einen anderen Punkt der Erde, den Balkan. Hier gärt es seit die Balkanvölker versuchen sich von der türkischen Fremd- herrschaft zu befreien. Nachdem das Osmanische Reich geschwächt aus dem Krieg mit Italien 1911/12 hervorgegangen war, ergreifen die im Balkan- bund zusammengeschlossenen Staaten Montenegro, Serbien, Bulgarien und Griechenland die Gelegenheit zu einem Angriff auf den europäischen Teil der Türkei.

Treibende Kraft hinter den Kulissen aber ist Russland. Für das Zarenreich ist der – später so genannte – Balkankrieg ein Mittel zum Zweck, sich so in den Besitz der Meerengen von Bosporus und Dardanellen zu bringen, die sich in türkischem Besitz befinden. Aus russischer Sicht führt der Balkanbund nur einen Stellvertreterkrieg, wie man heute sagen würde.

Der Besitz der Verbindung zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer ist ein Traumziel, das die Russen schon über Jahrhunderte ebenso beharrlich wie erfolglos anstreben. Es geht um den Zugang zu den Weltmeeren. Zwar grenzt Russland an der Ostsee wie am Nordpolarmeer und in Asien an den Pazifik.. Aber die dortigen Häfen frieren über Monate zu und blockieren sich damit selbst. Der Besitz der türkischen Meerengen aber konnte ein erster Schritt zu den wärmeren Gewässern des Atlantik wie des Indik. Gescheitert war Russland in diesem Bemühen immer wieder an England, das am Bestand einer unabhängigen Türkei stets ebenso interessiert war, wie Rußland an deren Vernichtung. Die Existenz der größten islamischen Macht war für England eine wichtige Voraussetzung für seinen Einfluss in Indien - dem Herzstück des Empire – und in ganz Zentralasien. Daher wollte England die Meerengen weder in russischer noch in bulgarischer Hand wissen. Da aber der Fall Konstantinopels nach dem atemberaubenden Vormarsch bulgarischer Truppen in greifbare Nähe rückte, schlug der britische Außenminister eine internationale Flottendemonstration vor. Nötigenfalls sollten die Meerengen unter internationale Kontrolle gestellt werden.

Der Vorschlag auf Entsendung von Kriegsschiffen erging auch an Deutschland. Aber Kaiser Wilhelm II. zögerte. Seine Schwester war Königin von Griechenland, das er nicht verärgern wollte. Schließlich gelang es dem Staatssekretär de Reichesmarineamtes, Admiral Alfred v. Tirpitz den Kaiser umzustimmen, indem er vorschlug, die „Goeben“ solle ihre – für alle Neubauten obligatorische – Auslandsreise mit dem Einsatz im Mittelmeer verbinden. So erging die Order an Reichskanzler und Reichmarineamt die „Goeben“ zum Schutz deutscher Interessen ins Mittelmeer zu entsenden. Zu ihrer Begleitung wurde der Kleine Kreuzer „Breslau“ bestimmt, mit seinen 7.900 Tonnen und 12 - 10,5 cm-Geschützen ebenfalls eines der modernsten Einheiten der Flotte. Die beiden Schiffe erhalten die Verbandsbezeichnung Mittelmeerdivision. In fieberhafter Eile rüsten beide Kreuzer aus und gehen am 6. November 1912 unter dem Kommando des Konteradmirals Trummler in See. Keiner an Bord kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass sie ihren Heimathafen nicht wiedersehen würden.

Der Ausmarsch

Der Marsch geht zunächst nach Malta. In dem dortigen britischen Flottenstützpunkt wird gekohlt. Dann trennen sich die Kreuzer. „Breslau“ geht an die syrische Küste, während „Goeben“ am 15. November nach Passieren der Dardanellen vor Konstantinopel ankommt und unmittelbar vor dem Sultanspalast vor Anker geht. Es ist wie im Frieden, die Mannschaft ist parademäßig an Deck angetreten und die „Goeben“-Kapelle schmettert. Tatsächlich kommt es nicht mehr zu einem Kriegseinsatz. Zwar setzen alle Einheiten in der Nacht zum 18. November zum Schutz des europäischen Viertel Truppen an Land. Doch durch die starke Auszehrung der Kräfte auf beiden Seiten ist die Front zum Stehen gekommen. In diesen Monaten entgeht die Welt noch einmal knapp einem europäischen Krieg. Zwei Jahre später wird sich zeigen, dass die Warnung nicht verstanden wurde.

Genau vier Monate bleibt die „Goeben“ am Bosporus. Am 15. März 1913 läuft sie zu einem Besuch nach Griechenland aus. In Piräus stattet Admiral Trummler am 1. April dem Chef der britischen Mittelmeerflotte, Admiral Sir A. Berkley Milne einen Höflichkeitsbesuch auf dessen Flaggschiff, dem Schlacht- kreuzer „Inflexible“ ab. Im Gespräch weist der britische Admiral den deutschen Admiral in geradezu eindringlicher Weise auf die Notwendigkeit der Anwesenheit deutscher Kriegsschiffe an der syrischen Küste hin. Einen genauen Grund dafür gibt er nicht an. Die Admiral Trummler diese Ansicht aus eigener Überzeugung teilt, ergreift er die Gelegenheit den Kaiser um die Entsendung von zwei weiteren Kleinen Kreuzern als Verstärkung zu bitten. Die Entscheidung fällt schnell. Bereits am 7. April 1913 laufen „Dresden“ und „Straßburg“ aus Kiel in Richtung Mittelmeer aus. Ermutigt durch diesen Erfolg geht Trummler noch einen Schritt weiter und schlägt dem Kaiser am 26. April telegrafisch vor, die nunmehr auf vier Einheiten angewachsene Mittelmeer-division als ständigen Verband im Mittelmeer zu belassen. Wilhelm II. stimmt auch dem zu. Es ist eine folgenschwere Entscheidung, die später den Verlauf des gesamten 1. Weltkrieges maßgeblich beeinflussen soll. Besonders Admiral Milne wird noch Gelegenheit haben, seinen den Deutschen erteilten Ratschlag zu bereuen.

Die politische Lage II

Im Juni 1913 beginnt der 2. Balkankrieg. Im Streit um die der Türkei abgenommenen Gebiete kämpft Bulgarien gegen seine bisherigen Verbündeten des Balkanbundes. Zudem kommt es zum Aufstand in Albanien. Es geht hierbei um die Unabhängigkeit von Montenegro. Vor der als albanische Hauptstadt vorgesehenen Hafenstadt Durrazzo versammelt sich wieder eine internationale Flotte, der von deutscher Seite aber nur „Breslau“ angehört. In den Konflikt werden auch die Großmächte verwickelt, vor allem Russland und Österreich-Ungarn. Es geht um Serbien, dessen Großmacht- ansprüche von Russland unterstützt, von Österreich-Ungarn aber scharf abgelehnt werden. Die Spannungen übertragen sich auch auf die Verbündeten beider Seiten: England/Frankreich auf russischer, Deutschland auf der Seite der Donaumonarchie. Das „dumme Ding auf dem Balkan“, in dem Bismarck bereits den Funken zu einem allgemeinen Krieg gesehen hatte, beginnt sich abzuzeichnen. Die „Goeben“ besucht in dieser Zeit eine Reihe von Häfen in italienischen Gewässern und im östlichen Mittelmeer. Bei einem Aufenthalt in Triest am 23./24. Oktober wird Admiral Trummler durch Konteradmiral Souchon abgelöst.

Mit Wilhelm Souchon betritt der Mann die Szene, unter dessen Führung die „Goeben“ ihre für den Verlauf des 1. Weltkrieges so entscheidende Rolle spielen wird. Der 1864 in Leipzig geborene Admiral ist wie kaum ein anderer Flaggoffizier für diese Aufgabe berufen. Umfangreiche theoretische und praktische Kenntnisse und Erfahrungen in Verbindung mit seiner in sich ruhenden Persönlichkeit, seiner Sprachgewandtheit und seinen diplomatischen Fähigkeiten bilden eine gute Basis für die Führung eines außerheimischen Verbandes in exponierter Lage. Souchon hat nach diversen Bordkommandos Dienst im Oberkommando der Marine und im Admiralstab getan. Während des russisch-japanischen Krieges 1904/05 war Souchon Chef des Stabes des deutschen Kreuzergeschwaders in Ostasien. Es folgten zwei Jahre im Reichsmarineamt mit der Bearbeitung der Auslandskriegführung, bevor er 1909 die Aufgaben eines Chefs des Stabes der Ostseestation übernahm. Zum Konteradmiral befördert wurde Souchon dann 2. Admiral des II. Geschwaders in Kiel.

In der Zeit, in der Admiral Souchon Chef der Mittelmeerdivision wird, erhält noch ein anderer Offizier eine Berufung, die sich später entscheidend auf den Gang der Ereignisse auswirken soll. Kapitänleutnant Human wird zum Kommandanten des deutschen Stationsschiffes „Loreley“ in Konstantinopel ernannt. Hans Humann, Sohn des bekannten Pergamon-Ausgräbers Carl Humann war bisher im Nachrichtenbüro des Reichsmarineamtes tätig und genießt das besondere Vertrauen des Admirals v. Tirpitz. Tirpitz ist sich der politischen Bedeutung der Türkei bewusst und möchte gern einen Offizier seines Vertrauens am Bosporus zur Unterstützung des deutschen Botschafters haben. Entscheidend für die Ernennung von Human ist es zudem, dass er in der Türkei geboren wurde und eng mit dem türkischen Kriegsminister und Nationalhelden Enver Pascha befreundet ist. Diese Freundschaft – sie stammt aus der Zeit Envers türkischer Militärattaché in Berlin – soll später eine wichtige Rolle in den deutsch-türkischen Beziehungen spielen. Viele Fragen werden im vertrauten Gespräch der beiden Freunde geklärt. Auch für die „Goeben“ soll diese Freundschaft noch Bedeutung erlangen.

Am Bosporus

Im Frühjahr 1914 tun „Goeben“ und „Breslau“ fünf Wochen lang Dienst als Begleitschiffe der Kaiserjacht „Hohenzollern“. Wilhelm II. hält sich auf seinem Schloss Achilleion auf Korfu auf. Die verwandtschaftlich bedingte Vorliebe des Kaisers für Griechenland wird immer mehr zu einem Politikum, denn sie nimmt den Kaiser gegen die Türkei ein. Daraus ergibt sich ein Widerspruch zur deutschen Orientpolitik. Der Unmut des Kaisers richtet sich vor allem gegen Enver, den führenden Kopf der jungtürkischen Revolution von 1912. Der Kaiser wirft ihm vor, den Sturz des Sultans veranlasst zu haben. Im Frühjahr 1914 kommt es zwischen dem Kaiser, dem deutschen Botschafter in der Türkei v. Wangenheim und Human zu einer geschichtsträchtigen Aussprache. In eindringlicher Weise machen v. Wangenheim und Human den Kaiser darauf aufmerksam, dass in der Türkei ein einzelner Mann keinen Umsturz machen kann, dass es sich um ein Vorurteil handelt, das der Kaiser hege. Wilhelm II. sagt zu, diese Frage mit dem Kanzler zu besprechen, den er ebenfalls in Korfu erwarte. Als Ergebnis dieses Gespräches erteilt Wilhelm II. sein Einverständnis, „Goeben“ als Zeichen deutscher Freundschaft zu einem Staatsbesuch nach Konstantinopel zu entsenden. Der Sultan billigt die ungewöhnlich lange Zeit von einer Woche zu. Genau 18 Monate nach ihrem ersten Einlaufen ankert der Schlachtkreuzer wieder vor dem Sultanspalast, von der Bevölkerung herzlich begrüßt.. Admiral Souchon nutzt die Gelegenheit, um mit Human über die politische Lage zu sprechen, der ihn auf die besondere politische Bedeutung hinweist und darauf, dass Enver besonders für die türkische Annäherung an Deutschland eintritt. Souchon wird sich später daran erinnern.

Während des Aufenthalts der „Goeben“ kommt es zu einem Zwischenfall, der das deutsch-türkische Verhältnis atmosphärisch prägen wird. In einer Kaserne bricht ein Großfeuer aus. Admiral Souchon schickt 300 Mann der Besatzung zur Hilfeleistung an Land. Mit ihrer Hilfe gelingt es, das Feuer zu löschen und das Gebäude zu retten. Das macht auf die Bevölkerung einen nachhaltigen Eindruck und wird später eine Grundlage für die positive Einstellung gegen- über dem Schiff und dem Land, dessen Flagge es führt. Als Goeben“ dann auslaufen will, verhakt sich der Anker und lässt das Schiff nicht los. Ein Matrose meint ahnungsvoll, „dass wir hierher noch einmal wie nach Hause zurückkehren werden“. Er soll Recht behalten.

Der Krieg im Mittelmeer

Der verhängnisvolle 28. Juni 1914 ist ein Sonntag. „Goeben“ liegt vor Haifa, „Breslau“ im Rahmen der internationalen Flotte vor Durrazzo. Mit Sorge betrachtet Admiral Souchon die Meldung von der Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gattin in Sarajewo. Eine Woche später meldet der Admiralstab in Berlin den Zustand drohender Kriegsgefahr.

Am 10. Juli 1914 läuft „Goeben“ im österreich-ungarischen Kriegshafen von Pola ein. Hier kommen die aus Deutschland bestellten Werftarbeiter an Bord. Die Rohre der Wasserrohrkessel lecken. Die Höchstgeschwindigkeit sinkt damit auf 20 kn. Eigentlich sollte “Goeben“ in die Werft und vorübergehend durch das Schwesterschiff “Moltke“ abgelöst werden. Doch die politische Lage erlaubt das nicht. Daher muss der Einbau der Ersatzrohre vor Ort erfolgen.

Tag und Nacht wird gearbeitet. Jeder Mann, der mit einer Feile umgehen kann, wird herangezogen. Admiral Souchon nutzt die Zwangspause zu einem Gespräch mit dem österreich-ungarischen Flottenchef Admiral Haus. Im Falle eines allgemeinen Krieges ist Admiral Haus als Oberbefehlshaber der Flotten der Dreibundstaaten Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien vorgesehen, in deren Verband auch „Goeben“ und „Breslau“ operieren sollen. Als Sammel- punkt ist Messina an der Nordspitze von Sizilien vorgesehen. Angesichts der gespannten politischen Lage beschließt Souchon sich bereits in die Nähe von Messina zu begeben. Nach der Auflösung der internationalen Flotte vereinigt sich „Breslau“ bei Brindisi wieder mit der „Goeben“. Nachdem Souchon die Meldung vom Kriegsausbruch mit Russland erhalten hat, beschließt er Messina direkt anzusteuern. „Breslau“ erhält Befehl vorauszulaufen und die Vorbereitungen für die Kohlenübernahme zu treffen. Als „Goeben“ in Messina eintrifft und an der Marineboje Nr. 1 festmacht, erwarten den Admiral böse Überraschungen. Im Hafen befinden sich keine Kriegsschiffe der beiden verbündeten Mächte. Doch damit nicht genug. Der italienische Militär- befehlshaber in Messina erklärt, dass sich Italien entgegen den getroffenen Vereinbarungen neutral verhalten werde und die beiden deutschen Einheiten den Hafen binnen 24 Stunden wieder verlassen müssten. Damit befindet sich die Mittelmeerdivision von einem Moment auf den anderen in einer äußerst kritischen Lage. Messina kann als Stützpunkt nicht genutzt werden. Italien ist neutral. Österreich-Ungarn hält sich ebenfalls zurück, um einen Krieg gegen England und Frankreich möglichst zu vermeiden. Am 3. August kommt zwar die Meldung vom Kriegszustand mit Frankreich. Die Haltung Englands ist weiter unklar. Der deutsche Admiralstab hüllt sich in Schweigen. Souchon ist in Messina ganz auf sich gestellt.

Admiral Souchon bespricht die Lage mit seinem Stabschef Korvettenkapitän Busse. Wie sollen sich die deutsche Schiffe jetzt verhalten? Zweifellos wäre die Rückkehr nach Deutschland die beste Lösung. In einem Krieg gegen England und Frankreich stünden die beiden Schiffe einer erdrückenden Übermacht der gesamten englischern und französischen Mittelmeerflotte gegenüber. Messina liegt zudem im Schnittpunkt der britischen und französischen Flottenstützpunkte Doch diese Lösung scheidet aus. Die defekten Kesselrohre, an deren Erneuerung noch immer gearbeitet wird, lassen den Marsch durch die Straße von Gibraltar als zu risikoreich erscheinen. In dieser Situation entschließt sich Souchon zum selbständigen Handeln, was er später noch öfter tun wird. In der Nacht zum 3. August läuft er mit „Goeben“ und „Breslau“ aus. Ihr Auftrag: Beschießung der algerischen Häfen, um den Abtransport der französischen 19. Armee ins Mutterland zu behindern und den Gegner zur Bildung eines Kräfteschwerpunktes zu zwingen. Die deutschen Kreuzer sollen so mehr Bewegungsfreiheit gewinnen. Doch noch vor Erreichen der Küste geht aus Berlin ein folgenschwerer Funkspruch ein, der große Überraschung auslöst:: „Bündnis geschlossen mit Türkei. „Goeben“ und „Breslau“ gehen sofort nach Konstantinopel. Admiralstab“ Was war geschehen?

Diplomatisches Zwischenspiel

Das russische Streben nach dem Besitz der Meerengen bedeutete eine ständige Gefahr für die staatliche Existenz der Türkei. Bisher war England allen diesen Versuchen erfolgreich entgegengetreten. Als London jedoch unter dem Eindruck des Flottenwettrüstens mit Deutschland in der Nordsee dran ging, seine Probleme mit Russland zu regeln und 1907 mit Peterburg eine Konvention über eine Interessenabgrenzung in Persien und Afganistan schloss, glaubte man nicht nur in Petersburg, sondern auch in Konstantinopel an die Möglichkeit einer Änderung der britischen Haltung in der Meerengen- frage, die für die Türkei zur echten Gefahr werden konnte. Dieser Zweifel an der britischen Unterstützung wurde verstärkt, als England zwei von der Türkei bestellte und teilweise schon bezahlte, auf britischen Werften liegende Großkampfschiffe bei Kriegsbeginn beschlagnahmte und später sogar in die eigene Flotte einreihte. Daher suchte die türkische Regierung in „Goeben“ und „Breslau“ einen gewissen Ausgleich, was zu einer stärkeren Annäherung an Deutschland führte. Damit geriet Deutschland in das traditionelle Spannungs- feld zwischen russischer und britischer Politik. Von der Rolle der Türkei für die deutsche Außenpolitik hat besonders Tirpitz seine eigenen Vorstellungen. In Friedenszeiten war er dafür eingetreten, mit Russland zu einem Überein- kommen in der Meerengenfrage zu gelangen, um so den Ring der Einkreisung Deutschlands von England/Frankreich/Russland an dieser Stelle zu sprengen. Jetzt nachdem der Krieg mit Russland ausgebrochen ist, vertritt Tirpitz die Meinung, Konstantinopel und die Meerengen seien ein gutes Faustpfand für spätere Friedensverhandlungen mit Petersburg. Der Staats- sekretär tritt daher am 2. August dafür ein, dass „Goeben“ nach Konstninopel geht, damit Deutschland hier kräftemäßig präsent ist. Als in Konstantinopel der russische Plan einer Landung in der Nähe des Bosporus bekannt wird, bewegt Human den deutschen Botschafter dazu, die Meldung sofort nach Berlin weiterzugeben. So telegrafiert v. Wangenheim nach Berlin, dass die türkische Regierung den russischen Angriff gern mit Unterstützung der „Goeben“ zurückschlagen würde und verbindet damit die Frage, ob der Schlachtkreuzer zur Verfügung stehen würde. Weder Tirpitz noch Human wissen, dass bereits ein Angebot der türkischen Regierung auf ein Bünnis vorliegt. Am 2. August 1914 wird es von Botschafter v. Wangenheim unterzeichnet. „Goeben“ und „Breslau“ erhalten den bereits erwähnten Befehl nach Konstantinopel zu gehen. Bevor er diesen Befehl jedoch ausführt, beschließt Souchon die geplante Aktion gegen die algerische Küste durchzu- führen „Goeben“ nimmt den Hafen von Philippville, „Breslau“ Bone unter Feuer. Da anzunehmen ist, dass dieser Angriff Operationen französischer Seestreitkräfte auslöst, hätte Sochon gern den direkten Weg durch die Straße von Sizilien in die Ägäis genommen. Doch durch die schadhaften Kessel verbraucht „Goeben“ mehr Kohlen als normal, so dass vor dem Durchbruch nochmals in Messina gebunkert werden muss. Mit „Breslau“ ist ein Treffpunkt vereinbart, worden an dem sich beide Schiffe wieder vereinigen. Auf dem Marsch dorthin werden auf „Goeben“ Rauchwolken gesichtet. Sie gehören zu zwei Schiffen, die als französische Panzerkreuzer angesprochen werden. Auf „Goeben“ heißt es Klar Schiff zum Gefecht. Die Geschütze werden geladen und ausgeschwenkt. Beim Näherkommen entpuppen sich die vermeintlichen Franzosen jedoch als zwei britische Schlachtkreuzer. Eine prekäre Situation. Befindet sich England bereits im Krieg oder nicht? Um nicht ungewollt eine Provokation heraufzubeschwören, werden die Geschütze in Ruhestellung zurückgefahren. Der Klar-Schiff-Zustand bleibt bestehen. Mit hoher Fahrt brausen die beiden mächtigen englischen Großkampfschiffe auf Gegenkurs vorüber. Auch dort sind die Geschütze in Ruhestellung. Nichts geschieht. Es ist eine unwirkliche Situation. Doch dann plötzlich, als sie schon am Horizont zu verschwinden beginnen, drehen sie plötzlich um und folgen der „Goeben“.

Es macht sich jetzt bemerkbar, dass „Goeben“ ihre Höchstgeschwindigkeit nicht erreichen kann. Doch gelingt es dem Maschinenpersonal für kurze Zeit eine Geschwindigkeit von 24 kn zu erreichen, so dass die Engländer nach einiger Zeit wirklich abgehängt werden. Auf der „Breslau“ hat man den Vorgang aus sicherer Entfernung beobachtet. Da nicht klar war, ob es zum Kampf kommen würde, hat sich der Kommandant ferngehalten, da sein nur leicht gepanzertes Schiff dem Beschuss durch schwere Artillerie nicht gewachsen wäre.

In Messina gelingt es Souchon mit Geschick die Liegezeit um einen Tag zu verlängern. Da die italienische Regierung die Kohlenübernahme verbietet, werden Kohlen aus drei im Hafen liegenden deutschern Dampfern übernommen. Es gelingt sogar, die Ladung eines englischen Kohlenschiffes zu übernehmen. Wie man sich später lachend erzählt, hat ein trinkfester Leutnant mit dem englischen Kapitän so lange Whisky getrunken, bis er bereit war, seine Ladung an die Firma Stinnes und damit an die deutschen Kreuzer zu verkaufen. Trotzdem macht sich Admiral Souchon über den Ernst der Lage keine Illusionen. Der Hafen von Messina besitzt nur zwei schmale Ausfahrten, die leicht zu blockieren sind. Nachdem auch die Kriegserklärung Englands eingegangen ist, müssen die deutschen Einheiten mit der vereinigten britisch-französischen Flotte von 15 Linienschiffen, 3 Schlachtkreuzern, zahlreichen Panzerkreuzern sowie einer großen Anzahl leichter Einheiten einschließlich U-Booten rechnen. Vergeblich bemüht sich in Berlin der Admiralstab Österreich-Ungarn zu einer Entsendung seiner Flotte in das Seegebiet um Messina zu bewegen. Admiral Haus lehnt ab mit Hinweis, dass seine Flotte noch nicht kriegsbereit sei. Das ist ein Vorwand. Der wahre Grund ist vielmehr der, dass Österreich-Ungarn noch immer versucht den Krieg gegen England und Frankreich zu vermeiden und sogar noch mit deren Botschaftern Gespräche hierüber führt.

Der Durchbruch

Inzwischen werden „Goeben“ und „Breslau“ für den Durchbruch klar gemacht.

Mitten in diesen Vorbereitungen trifft ein Funkspruch des Admiralstabs aus Berlin ein. „Einlaufen Konstantinopel aus politischen Gründen zur Zeit nicht möglich.“ Diese Nachricht schlägt wie eine Bombe ein. Ist der Durchbruch ohnehin schon schwer und risikoreich, so verliert er jetzt auch noch das angestrebte Ziel. Souchon kann nicht wissen, dass in Konstantinopel der Großwesir den deutschen Botschafter leidenschaftlich beschworen hat „Goeben“ jetzt nicht kommen zu lassen, denn das würde Krieg mit England bedeuten, der ganz und gar unerwünscht sei. Durch die britische Kriegs- erklärung an Deutschland war die türkische Regierung derart geschockt, dass sie sogar eine Kündigung des soeben erst geschlossenen Beistandspaktes erwog um dann doch zu versuchen sich mit Russland zu arrangieren. Es herrschte eine ziemliche Kopflosigkeit. Nur Enver und Humann wissen was sie wollen. Die „Goeben“ muss kommen und zwar sofort. Doch erst einmal hat der Großwesir gesprochen. Wie ernst die Lage auch in Berlin gesehen wird, geht aus einem Handzettel des Kaisers an Tirpitz hervor: “Gott stehe „Goeben“ bei.“

Was soll jetzt geschehen? Was soll, vor allem was kann der einsame Admiral in Messina tun? Gibt es zu Konstantinopel überhaupt eine Alternative? Es gibt sie. Sie heißt Rückkehr nach Pola. Doch von Messina ist es nicht weniger schwierig in die Adria zu gelangen wie in die Ägäis. In dieser Situation, ganz auf sich und die beiden ihm anvertrauten Schiffe gestellt, fasst Souchon wieder einmal einen einsamen Entschluss. Er ist sich der Bedeutung der Türkei für Deutschland bewusst wie auch der Tatsache, dass es von großer politischer, militärischer und psychologischer Bedeutung ist, wenn „Goeben“ baldmöglich vor den Dardanellen erscheint. Der Admiral beschließt daher, den Befehl aus Berlin zu ignorieren und getreu der Devise des Generals York vor Tauroggen nach eigener Überzeugung zu handeln. Zudem hat es in dem Befehl geheißen, das Einlaufen in Konstantinopel sei „zur Zeit“ nicht möglich. Möglicherweise ändern sich die Möglichkeiten wieder. Für diesen Fall soll „Goeben“ gerüstet sein. Am 6. August 1914 laufen „Goeben“ und „Breslau“ aus, gefolgt vom Dampfer „General“, den Souchon als Versorgungsschiff requeriert hat. An den Admiralstab geht nur eine kurze lapidare Mitteilung:“Werde durchbrechen östlich.“

Eigentlich dürfte dieser Durchbruch nicht gelingen. Die britisch-französischen Seestreitkräfte sind den beiden deutschen Schiffen haushoch überlegen. Und die österreich-ungarische Flotte, die eine beachtliche Stärke hat, hält sich angesichts der unklaren politischen Lage nach wie vor zurück. Das Problem ist nur, dass es auf alliierter Seite weder eine abgestimmt Planung noch eine einheitliche Befehlsführung gibt. Hinzu kommt, dass es keine Vorstellungen gibt, wohin sich die Deutschen wenden werden. Diese Frage beantworten Franzosen und Engländer auf ganz unterschiedliche Weise. Die französische Flotte konzentriert sich in Toulon in der Erwartung weiterer Küsten- beschießungen. Admiral Milne steht mit zwei Schlachtkreuzern und zwei Kleinen Kreuzern zwischen der afrikanischen Küste und Sardinien, um einen eventuellen Durchbruch der Deutschen durch die Straße von Gibraltar zu verhindern. Von Malta läuft der Kleine Kreuzer „Dublin“ mit zwei Zerstörern in Richtung Messina aus. Am Ausgang der Adria befindet sich ein Verband mit vier Panzerkreuzern unter Admiral Toubridge für den Fall, dass „Goeben“ nach Pola will. Eine Koordination all dieser Maßnahmen gibt es aber nicht. Hinzu kommt die anfangs noch herrschende politische Lage. Als Milne mehr zufällig auf die deutschen Einheiten trifft, kann er nichts tun, da der Krieg offiziell noch nicht erklärt ist. So ist es auch mehr zufällig, dass der deutsche Verband bei seinem Auslaufen aus Messina vom britischen Kleinen Kreuzer „Gloucester“ entdeckt und beschattet wird. Da es der „Goeben“ durch ihre reduzierte Höchstgeschwindigkeit nicht möglich ist, den Fühlungshalter abzuschütteln versucht Souchon es mit einer Täuschung und nimmt Kurs auf die Adria. Da Admiral Milne glaubt, die dort stehenden vier Panzerkreuzer würden mit der „Goeben“ schon fertig werden, läuft er mit seinem Verband Malta zum Kohlen an. Torbridge nimmt mit seinem Verband Kurs auf die Straße von Otranto, als ihm eine Kursänderung der deutschen Schiffe in Richtung Ägäis gemeldet wird. Tourbridge hält das für einen Scheinkurs.

Niemand kommt auf den Gedanken, dass Konstantinopel das eigentliche Ziel des deutschen Verbandes ist, obwohl das deutsch-türkiche Abkommen inzwischen bekannt geworden war. Es ist Mitternacht als Tourbridge klar wird, dass der Adria-Kurs der Scheinkurs war. Er geht mit seinem Verband auf Gegenkurs, bricht die Verfolgung aber nach wenigen Stundenaber ab. Ihm wird klar, dass er die „Goeben“ nicht mehr, wie geplant, in den frühen Morgenstunden sondern bei hellem Tag erreichen kann. Doch seine Einheiten sind Panzerkreuzer, Vorläufer des Schlachtkreuzers, diesem in Bewaffnung, Panzerung und Geschwindigkeit erheblich unterlegen. Es wäre der „Goeben“ ohne weiteres möglich, sich außerhalb der Reichweite der britischen Geschütze zu halten und mit ihrer eigenen überlegen Schweren Artillerie den britischen Verband Schiff für Schiff zu vernichten.

Inzwischen hat auch Admiral Milne mit seinen Schlachtkreuzern die Jagd wieder aufgenommen, als auf dem Flaggschiff ein Funkspruch der Admiralität eingeht :“Feindseligkeiten gegen Österreich-Ungarn sofort eröffnen.“ Damit ändert sich die strategische Gesamtlage schlagartig. Die Flotte der k.u.k.-Kriegsmarine, besteht im Kern immerhin aus vier modernen Großkampf- schiffen der „Tegetthoff“-Klasse sowie einer Reihe weiterer Linienschiffe, Panzerkreuzer und leichten Einheiten, ein Machtfaktor, an dem die deutschen Einheiten künftig einen Rückhalt haben werden. Auch die Stützpunkte von Österreich-Ungarn stehen den deutschen Schiffen zur Verfügung. Es bleibt Admiral Milne nur die Jagd abzubrechen. Er nimmt Kurs auf die Adria um sich mit den Panzerkreuzern von Tourbridge zu vereinen. Wenn auch ein paar Stunden später ein weiterer Funkspruch der Admiralität eingeht, der die Meldung vom Kriegsausbruch mit Österreich-Ungarn als Versehen bezeichnet, ändert das für Milne nichts. Für eine weitere Verfolgung der Deutschen ist es ohnehin zu spät. Es gibt nur ein Schiff, das aufgrund der Fühlungshaltermeldungen der „Gloucester“ an die deutsche Schiffe heran- kommt:: der Kleine Kreuzer „Dublin“. Als sein Kommandant aber feststellt, dass er nur „Breslau“ vor sich hat, bricht er die weitere Verfolgung ab um nach „Goeben“ zu suchen. Warum „Dublin“ nicht wenigsten einen Torpedoangriff auf die „Breslau“ versucht hat, bleibt unklar. Im Licht der späteren Ereignisse haben die englische und französische Marine eine der schwersten Nieder- lagen des ganzen Krieges erlitten haben, indem sie die deutschen Schiffe entkommen ließen.

„Goeben“ und „Breslau“ sind in der Inselwelt der Ägäis untergetaucht.

In einer kleinen Bucht der Insel Denusa ergänzen sie aus einem vorsorglich dorthin dirigierten Dampfer Kohlen. Doch die Erlaubnis zum Einlaufen in die Dardanellen lässt auf sich warten. Das Warten kostet Nerven und vor allem auch Kohlen, die nur in begrenztem Umfang bereitstehen. Eine direkte Funkverbindung nach Konstantinopel besteht auch nicht. Daher erhält der Dampfer „General“ den Befehl nach Smyrna zu gehen und ein Telegramm an die deutsche Marineetappe Konstantinopel aufzugeben. „Handeln Sie bis aufs äußerste, dass ich kann passieren Meerengen unverzüglich mit Erlaubnis türkischer Regierung, gegebenenfalls ohne formelles Einverständnis“.

Am 10. August kommt von Human die Antwort. Kurz und bündig heißt es dort: “Einlaufen. Festung zur Kapitulation auffordern. Dardanellen-Sperrlotsen nehmen.“ Um 17 Uhr treffen die Schiffe gefechtbereit vor den Dardanellen ein. In seinem Buch „Die Kreuzerfahrten der GOEBEN und BRESLAU schildert Fregattenkapitän Kraus von der „Goeben“ diesen spannungsgeladenen Augenblick:

„Wir gleiten langsam auf die Einfahrt zu. Von drüben legen zwei Torpedoboote ab und nähern sich mit großer Fahrt. Inzwischen ist deutlich zu sehen, wie die Geschütze der Landbatterien mit unserem Auswandern ihre Seitenstellung ändern.

Dauernd bleiben die Mündungen auf uns gerichtet. ... Der Admiralstabsoffizier ruft auf die obere Brücke seinem Flaggleutnant zu: ‚Internationales Signal heißen: Schicken sie mir einen Sperrlotsen’... Auf uns allen liegt es mit ungeheurer Spannung. Die Antwort muss eine wichtige Entscheidung bringen. Der Admiral strahlt eisigkalte Ruhe aus. ... Da ruft der wachhabende Maat ‚Signal auf dem Führerboot.’ Drei Tuchballen steigen auf ihm untern den Flaggenknopf. Zuckend reißt es an der Leine und die Schrift weht mit einem Mal aus: Nannie, Gustav, Sophie liest der Maat mit vernehmlicher Stimme: Folgen Sie meinem Schiff.“

Es ist der 10. August 1914 um 17,17 Uhr. Zwei Stunden später fallen auf beiden Schiffen die Anker. Sie haben es geschafft.

Der Erlaubnis zum Einlaufen war in Konstantinopel eine dramatische Szene vorausgegangen. Botschafter v. Wangenheim hatte sich zum Handeln entschlossen und Human mit einem Schreiben zum Großwesir geschickt mit dem Auftrag notfalls mit der Duldung einer russischen Landung durch Deutschland zu drohen, wenn die Schiffe nicht einlaufen können. Doch zur Übereichung des Schreiben war es nicht mehr gekommen. Enver hatte inzwischen die Erlaubnis zum einlaufen aus eigener Machtvollkommenheit erteilt. Als er dieses später seinen Ministerkollegen mitteilt, tut er das mit den Worten „Ein Sohn ist uns geboren“.

Am Abend desselben Tages erscheint die britische Mittelmeerflotte vor den Dardanellen und ersucht um die Genehmigung zum Einlaufen unter Hinweis auf das Einlaufen der deutschen Schiffe. Die türkische Regierung lehnt ab und teilt dem verduzten britischen Admiral mit, es befänden sich keine deutschen Schiffe in den Dardanellen, sondern nur der türkische Schlacht- kreuzer „Yavus Sultan Selim“ und der türkische Kleine Kreuzer „Midilli“.

Aus „Goeben“ wird „Yavus Sultan Selim“

Am 16. August gibt die türkische Regierung offiziell die Übernahme von „zwei beschädigten Schiffen“ bekannt. In Form eines Scheinverkaufs werden „Goeben“ und „Breslau“ in die türkische Marine übernommen. Bei der morgendlichen Flaggenparade wird statt der deutschen Reichkriegsflagge die türkische Flagge mit Stern und Halbmond gesetzt. Die deutschen Besatzungen bleiben an Bord, tragen aber künftig zur deutschen Uniform den türkischen Fez. Auf Veranlassung von Enver Pascha wird Admiral Souchon türkischer Flottenchef. Er erhält einen türkischen Stabschef und einen türkischen Flaggleutnant. Den türkischen Kommandanten werden deutsche Kommandanten zur Seite gestellt. Weitere türkische Offiziere kommen zu Ausbildungszwecken an Bord. Aus Deutschland fordert Souchon weiteres Personal an. Am 29. August trifft eine Sonderkommission der Kaiserlichen Marine in Konstantinopel ein mit zwei Admiralen, sieben Offizieren und 521 Mann. Admiral v. Usedom erhält den Oberbefehl über die Küsten-befestigungen, Admiral Merten wird deutscher Vertreter des türkischen Hauptquartiers. Bereits ein Jahr zuvor hatte Deutschland auf türkische Bitte eine Militärmission unter General Liman v. Sanders entsandt, der zugleich den Oberbefehl über das I. türkische Armeekorps in Konstantinopel übernommen hatte, ein Vorgang der seinerzeit eine heftige diplomatische Kontroverse mit Russland ausgelöst hatte. Mit „Goeben“ und „Breslau“ erfährt die türkische Flotte eine wesentliche Verstärkung, die ansonsten nur aus zwei von Deutschland gekauften alten Linienschiffen des Vor-Dreadnought-Typs, zwei modernen Kleinen Kreuzern, acht modernen Torpedobooten sowie einer Anzahl kleiner und veralteter Einheiten besteht. Diese Flotte stand bisher unter der Führung einer britischen Marinekommission, deren Tätigkeit nunmehr die Grundlage entzogen ist und die das Land daraufhin verlässt.

Es folgen Wochen harter Arbeit. Die türkischen Schiffe befinden sich trotz der Tätigkeit der britischen Marinemission, unter deren Führung sie bisher standen, in einem geradezu erbärmlichen Zustand und müssen erst einmal kriegsbereit gemacht werden. Seit 1877 war kein türkisches Kriegschiff mehr in das Schwarze Meer ausgelaufen. Schießübungen hatte so gut wie nicht stattgefunden. Außerdem muss aus den Schiffen der beiden Marinen ein einigermaßen homogener Flottenverband gemacht werden.

Im Gegensatz zu diesen gemeinsamen Aktivitäten ist die Haltung der türkischen Regierung nicht so eindeutig. Aus Angst vor einem Krieg mit England schwankt das Kabinett bis in den Oktober hinein unentschlossen hin und her. Daher versucht Souchon in den folgenden Wochen und Monaten immer wieder die führenden türkischen Persönlichkeiten von der Notwendigkeit einer aktiven Kriegsteilnahme der Türkei gegen Russland zu überzeugen. Es sei für die Türkei lebensnotwendig dazu beizutragen, dass Russland nicht zum Sieger des Krieges werde, denn das würde letztlich den Verlust von Konstantinopel und den Meerengen bedeuten. Zustimmung findet er damit aber nur bei Enver und dem Innenminister Talat. Doch die Zeit drängt. Der russische Angriff hängt wie ein Damoklesschwert über der Türkei. Souchon entschließt sich zum Handeln. Er möchte versuchen, gegen die russische Schwarzmeer-Flotte einen überraschenden Schlag zu führen, durch den der Angriff vereitelt werden soll. Zugleich soll die türkische Regierung aus ihrer Unentschlossenheit gerissen werden. Der Unterstützung durch Enver kann Souchon sicher sein.

Am 27. Oktober laufen alle fahrbereiten Einheiten aus dem Bosporus aus. Es sind dieses neben der „Yavuz“ und „Midilli“ nur der Kleine Kreuzer „Hamidije“, vier Torpedoboote und zwei Minenleger. Die beiden Linienschiffe bleiben zum Schutz des Bosporus zurück. Es ist die Absicht Souchons die russischen Stützpunkte zu verminen und mit „Yavus“ die russische Flotte zu erwarten, die nur über Linienschiffe des Vor-Dreadnought-Typs verfügt. In einem Telegramm nach Berlin teilt Souchon mit: “Auslaufe mit Flotte Schwarzes Meer unter Vorwand Flottenübung mit der Absicht anzugreifen sobald eintrifft verabredetes Telegramm von Enver Pascha oder wenn Gelegenheit günstig.“

Doch Enver schweigt. So übernimmt der Admiral wieder einmal allein die volle Verantwortung, als er in einer Sitzung der Kommandanten auf dem Flaggschiff den Angriff befiehlt. Als die Einheiten für ihre Aufgaben entlassen werden, weht an der Rah der „Yavuz“ das Signal „Tuns Sie Ihr Äußerstes. Es gilt die Zukunft der Türkei.“ Zwei Tage später beschießt „Yavuz“ in Begleitung von zwei Torpedobooten Sewastapol. „Midilli“ legt Minen in der Straße von Kertsch, „Hamidije“ beschießt Geodosia. Die übrigen Torpedoboote und Minenleger neben Küstenbeschießungen vor und legen ebenfalls Minen. Die russische Flotte wird nicht angetroffen und der angestrebte Zweck damit nicht erreicht. Doch am 2. November 1914 erklärt Russland der Türkei den Krieg. Am 4. November folgen die Kriegserklärungen Englands und Frankreichs. Die Würfel sind gefallen.

Der Kampf um die Dardanellen

Der Kriegseintritt der Türkei auf deutscher Seite hat für den weiteren Verlauf des Ersten Weltkrieges gravierende Auswirkungen. Bei Kriegsbeginn war die gesamtstrategische Lage vor allem durch die geografische Lage der Gegner zueinander gekennzeichnet. Geografisch bilden die beiden Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn einen quer durch Europa liegenden geschlossenen Block. Er trennte die Gegner in einen westlichen Teil mit England und Frankreich und einen östlichen Teil mit Russland. Zwischen den beiden Teilen gibt es keine Verbindung, keinen gemeinsamen Operationsplan und keinen gemeinsamen Oberbefehl. Nachdem sich die Landfronten im Stellungskrieg festgefressen haben, plant die Entente daher durch einen Flankenangriff die fehlende Verbindung zu Russland herzustellen. Da der Landweg aufgrund der im russisch-japanischen Krieg gemachten schlechten Erfahrungen mit der russischen Eisenbahn ausfällt, kommt nur der Seeweg infrage, entweder über die Ostsee oder das Schwarze Meer. Die Ostsee wurde von der deutschen Hochseeflotte beherrscht. Die russische Ostsee- flotte verhält sich völlig passiv. So bleibt nur der Weg durch die Meerengen vom Mittelmeer ins schwarze Meer. Doch die sind jetzt geschlossen und trennen damit Russland auch hier von seinen westlichen Verbündeten Es scheint auf alliierter Seite nur einen Mann gegeben zu haben, der an maßgeblicher Stelle sitzend, dieses Problem klar erkannt hat: der englische Marineminister Winston Churchill. So wie eine Forcierung der Ostseeeingänge mit anschließender Landung an der Küste Schleswig-Holsteins der Lieblings- gedanke des Ersten Seelords Fisher war, so war Churchills Lieblingsgedanke die Eroberung der Dardanellen. Zwischen beiden Männern entbrannte in dieser Frage daher ein heftiger Meinungsstreit. Erst im Februar 1915 kann sich Churchill durchsetzen. Im Sommer 1914 wäre dieser Plan wahrscheinlich erfolgreich gewesen. Als der Angriff dann am 19. Februar 1915 tatsächlich beginnt hat sich die Lage grundlegend verändert. Unter deutscher Leitung waren die Befestigungen ausgebaut wurden. Zudem waren umfangreiche Minensperren gelegt worden. Hinzu kam, dass Churchill den Fehler beging, diese Angriffe ausschließlich mit Seestreitkräften durchführen zu wollen. In einem ersten Angriff schwerer englischer und französischer Seestreitkräfte gelingt es zwar die Außenforts doch in den Minensperren bleibt er hängen.. Am 18. März beginnt dann die „Große Schlacht um die Dardanellen“, wie das Unternehmen später genannt werden wird. Daran nehmen 14 britische und vier französische Linienschiffe sowie eine Anzahl Kreuzer teil. Doch auch dieser Angriff scheitert an den Minensperren. Drei Linienschiffe – zwei britische und ein französisches – sinken, ein britisches Linienschiff und zwei französische werden schwer beschädigt. Churchill beginnt zu begreifen, dass ein Angriff allein mit Seestreitkräften nicht zum Erfolg führt, ganz abgesehen davon, dass auch diese nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Die deutsche Hochseeflotte hält das Gros der britischen Flotte mit den stärksten Schlacht- schiffen und Schlachtkreuzern in der Nordsee fest, ein Beweis für die weite Ausstrahlung maritimer Operationen.

Engländer und Franzosen planen jetzt eine Landung auf der Gallipoli-Halbinsel im Rücken der Dardanellenforts. Die Vorbereitungen hierzu laufen nur sehr langsam, da sie praktisch aus dem Stand heraus erfolgen müssen. Das verschafft den deutsch-türkischen Verteidigern ausreichend Zeit für eine Verstärkung. Gleichzeitig mit den Landungsvorbereitungen der Westalliierten wird auf russischer Seite ein Landungskorps zusammengestellt, das in der Nähe des Bosporus landen und damit eine Zersplitterung der deutsch-türkischen Kräfte bewirken soll. Die Schlacht um Gallipoli beginnt am 25. April 1915 mit der Landung starker australischer und neuseeländischer Verbände von den griechischen Inseln Lemnos, Tonedos und Imbros aus. Von See unterstützen Linienschiffe, darunter sogar der Dreagnought „Queen Elisabeth“ die Landung mit dem Feuer ihrer schweren Artillerie.

Während die Kämpfe toben, läuft aus der Nordsee das deutsche U-Boot „U 21“ unter dem Kommando von Kapitänleutnant Hersing aus, passiert als erstes deutsches U-Boot die Straße von Gibraltar und erscheint vor den Dardanellen. Am 25. Mai gelingt es Hersing das britische Linienschiff „Triumpf“ mit Torpedos zu versenken. Zwei Tage später folgt das britische Linienschiff „Majestic“. In London ist Lord Fisher hierüber derart geschockt, dass er den sofortigen Rückzug der „Queen Elisabeth“ fordert. Andernfalls werde er sofort zurücktreten. Die gewaltigen 38 cm-Geschütze dieses Schiffe waren eine wichtige Unterstützung, die nun ausfällt. Noch entscheidender für den Ausgang der Kämpfe ist der militärische Zusammenbruch Serbiens. Damit entsteht eine direkte Landverbindung zwischen der Türkei und Deutschland. Per Eisenbahn rollt nun der Nachschub an Waffen, Munition, Ausrüstungen und natürlich Soldaten für die Verteidiger. Am 19. Dezember stellen die Alliierten den Angriff ein und beginnen mit dem Rückzug. Am 8. Januar 1916 verlässt der letzte alliierte Soldat türkischen Boden. Doch wo war das russische Landungskorps? Es wurde überhaupt nicht in Marsch gesetzt. Der russische Generalquartiermeister hatte seinem Außenminister erklärt, dass die Landungskräfte nur geschickt werden könnten, wenn die Alliierten an Konstantinopel herankämen und die türkische Flotte vernichtet sei. Die türkische Flotte, das ist natürlich in erster Linie „Yavuz“.

Über Jahrzehnte hat England keinen Einsatz gescheut, um die Integrität der Türkei zu sichern, besonders dann, wenn es um russische Versuche ging, die Meerengen in die Hand zu bekommen. Der Versuch, Dardanellen und Bosporus gemeinsam mit den Russen zu erobern, war eine völlig Kehrt- wendung englischer Außenpolitik, getreu dem allzeit gültigen britischen Motto „Es gibt keine ewigen Verbündeten nur ewige Interessen.“ Dass der Versuch gescheitert ist, ist nicht zuletzt der Anwesenheit der „Goeben“ und der Initiative Admiral Souchons zu verdanken. Die Türken wissen das. Für sie ist die „Goeben“ längst nur noch ihre „Yavuz“.

Seekrieg im Schwarzen Meer

Es ist die türkische Armee, die die Initiative mit ei einer Offensive zu Lande eröffnet. Doch sie kommt nur schwer voran und bleibt schließlich liegen. Die türkische Flotte hat die Aufgabe der Nachschubsicherung. Rein zahlenmäßig ist die russische Flotte ist der türkischen überlegen. Doch verfügt sie nur über fünf Linienschiffe des Vor-Dreagnought-Typs, denen die „Goeben“ allein gewachsen ist. Nur an Kreuzern und Torpedobooten sind die Russen erheblich überlegen. Hinzu kommt die bessere strategische Ausgangsposition der russischen Flotte. Sewastapol liegt zentral. Von hier aus kann jeder Punkt des Schwarzen Meeres gut erreicht werden. Der Bosporus aber liegt am äußersten Ende des Schwarzen Meeres. Die Anmarschwege sind sehr lang und daher auch sehr gefährdet. Doch wie in der Ostsee verhalten sich die Russen auch im Schwarzen Meer sehr zurückhaltend, so dass Souchon die seiner Flotte gestellte Aufgabe im wesentlichen erfüllen kann. Aktiv sind die Russen nur mit der Minenwaffe. Immer wieder legen sie Minen in die Auslaufwege am Bosporus, die dann anderntags von den türken wieder geräumt werden. Am 26. Dezember 1915 jedoch passiert es. „Yavuz“ berührt zwei Minen, die zwei große Löcher in den Rumpf reißen, durch die 2.000 Tonnen Wasser in das Schiff strömen. Nur das Torpedoschott verhindert den Untergang und damit die größte Katastrophe, die der türkischen Flotte zustoßen kann. Vier Monate ist „Yavuz“ außer Gefecht. Doch die Russen merken es nicht und können daher auch keine Vorteile daraus ziehen Im Herbst 1915 treten die ersten beiden russischen Schlachtschiffe vom Dreadnought-Typ auf, mit denen Russland künftig das Schwarze Meer beherrscht. Daran ändert sich auch nichts als Bulgarien auf der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintritt und die bulgarischen Seestreitkräfte ebenfalls dem Befehl des Admirals Souchon unterstellt werden. Es sind nur wenige leichte Einheiten.

Die russische Überlegenheit zur See kann sich allerdings nicht mehr auswirken. In Russland beginnt es zu gären. Die zweite Revolution in diesem Jahrhundert kündigt sich an. Angeheizt wird sie durch die militärische Lage. Durch den fehlenden Nachschub erleiden die russischen Truppen vernichtende Niederlagen. Der Plan des russischen Außenministers im Herbst 1917 doch noch eine Landung am Bosporus zur Eroberung Konstantinopels und damit zur Öffnung der Meerengen zu versuchen, kann nicht mehr durchgeführt werden. Die bolschewistische Oktober-Revolution fegt über das Land. Dadurch kommt auch der Seekrieg im Schwarzen Meer völlig zum Erliegen.

Am 4. September 1917 wird Admiral Souchon abberufen, um in Wilhelmshaven das IV. Geschwader der Hochseeflotte zu übernehmen. Sein Nachfolger wird Konteradmiral v. Rebeur-Paschwitz, bisher Chef des II. Geschwaders. Nachdem es im Schwarzen Meer keine Aufgaben mehr gibt, plant der neue Flottenchef einen Vorstoß durch die Dardanellen ins Mittelmeer. Dort geht der Seekrieg weiter,. Schon 1915 hatte sich Italien der Entente angeschlossen. Am 20. Januar 1918 laufen „Yavuz“ und „Midilli“ zum ersten Mal wieder ins Mittelmeer. Bei der Insel Imbros nahe Naxos vernichtet „Yavuz“ zwei englische Küstenpanzerschiffe. Auf dem Rückmarsch kommt es dann zur Katastrophe. Beide Schiffe geraten in ein unbekanntes Minenfeld. Allein „Midilli“ berührt fünf Minen und wird so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr zu retten ist und sinkt. Die Schäden auf „Yavuz“ sind nicht so bedeutend. Zudem ist das Schiff größer und stabiler als der Kleine Kreuzer. So gelingt dem Schlachtkreuzer die Rückkehr.

Ausklang

Am 1. November 1918 ist der Krieg dann auch im Mittelmeer zu Ende. Ein Waffenstillstand wird abgeschlossen. Admiral v. Rebeur-Paschwitz holt seine Flagge nieder und übergibt das Schiff an die türkische Marine. Zusammen mit den deutschen Soldaten kehrt der Admiral anschließend nach Deutschland zurück. Die Forderung der Alliierten nach Auslieferung des deutschen Personals wird von der Türkei abgelehnt. Eine alliierte Flotte läuft in den Bosporus ein. Konstantinopel wird besetzt. Bezeichnenderweise ist Russland hieran nicht beteiligt, so dass das russische Traumziel wieder nicht erreicht wird. Auch nach Abschluss des Friedensvertrages bleiben die Meerengen türkisch. Sie sind es noch heute.

Und die „Yavuz Sultan Selim“ ex „Goeben“? Noch bis 1950 bleibt sie das Flaggschiff der türkischen Flotte. Nur der Name wird zweimal geändert. 1930 wird das „Sultan“ aus dem Namen gestrichen, 1936 auch das „Selim“. Doch für die Türken war es schon immer nur der „Yavuz“, was so viel heißt wie der „Strenge“. 1950 wird das Schiff in die Reserve verlegt und 1954 aus der Schiffsliste gestrichen und zum Museumsschiff. Als solches würde sie die türkische Marine gern behalten. Doch es fehlt am Geld. In Deutschland bemühen sich Privatpersonen, Museen und Vereine um einen Rückkauf des Schiffes. Der Hamburgische Senat ist bereit an den Landungsbrücken einen Liegeplatz zur Verfügung zu stellen. Doch die Verhandlungen kommen nicht zum Abschluss. So wird das Schiff 1971 zum Abwracken an eine private Firma verkauft, die zu diesem Zweck extra eine kleine Werft aufbauen muss.

Am 7. Juni wird zum letzten Mal das Kommando gegeben „Hol nieder Flagge“ Drei Jahre später ist die „Yavuz“ ex „Goeben“ nicht mehr. Im März 1976 überreicht der Inspekteur der Bundesmarine, Vizeadmiral Luther dem Deutschen Museum in München eine Platte aus dem Flachkiel des Schiffes, ein Freundschaftsgeschenk, das Bundesverteidigungsminister Leber in der Türkei erhalten hat.

Der deutsche Schlachtkreuzer „Goeben“, die türkische „Yavuz“ hat wie kaum ein andere Schiffe Geschichte gemacht. Durch seinen geschickten Einsatz ist es Admiral Souchon gelungen, die Dardanellen zu schließen und Russland so von seinen westlichen Verbündeten zu trennen, was den Zusammenbruch des Zarenreiches zweifellos beschleunigt hat. Dadurch ist es gelungen die Meerengen und Konstantinopel, der heutige Instanbul, türkisch zu erhalten. Was die „Yavuz“ den Türken bedeutet belegen die Aussagen zweier türkischer Admirale. In dem eingangs erwähnten Bericht über die Außer- Dienststellung von „Yavuz“ schreibt Vizeadmiral Hilmi Firat: „Gölcük, Du verlierst den der Dich geboren hat“. Und Admiral Kemal Kayacini ergänzt:

„Der einzige Trost, den wir in unserem Bedauern empfinden, wenn wir Dich jetzt auf deiner letzten fahrt begleiten, ist die Hoffnung, ein schiff zu bekommen, das Deines Namens wert ist.“

Seit 1987 gibt es in der türkischen Marine wieder ein Schiff, das den Namen „Yavuz“ trägt. Es ist eine Lenkwaffen-Fregatte, die wir ihr großer Namens- vetter in Deutschland auf der Werft von Blohm + Voss Hamburg gebaut wurde. Damit schließt sich der Kreis.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
S.M.S. "Goeben" - Ein Kapitel deutsch-türkischer Beziehungen
Veranstaltung
-
Autor
Jahr
2005
Seiten
32
Katalognummer
V109402
ISBN (eBook)
9783640075836
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Goeben, Kapitel, Beziehungen
Arbeit zitieren
Rolf Bürgel (Autor:in), 2005, S.M.S. "Goeben" - Ein Kapitel deutsch-türkischer Beziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109402

Kommentare

  • Gast am 31.5.2014

    Was die "Übergabe" der Göben an die Osm. Marine und was die Haltung der osm. Regierung im Aug.- 0kt. 1914 angeht...alles historisch ungenau bis falsch. Warum nicht die Akten des AA, Berlin und die des BA MA Freiburg oder des SA Ankara herangezogen? Das der HH Senat die Landungsbrücken als Standort für das Schiff bereit gestellt hat ist eine Lüge und zeigt wie weit der gute Mann aus Finnland sich mit der politischen Lage HH und der BRD in den frühen 70ziger ausgekannt hat. . HH war und ist "rot" Undenkbar...wo ist der Belegt ? Wer hätte die gewaltigen Unterhaltskosten getragen? Zeigt nur wie was für Unsinn im Internet verbreitet wird.

  • Gast am 25.6.2008

    S.M.S. Goeben.

    Der gesamte Artikel entspricht der historischen Forschung der Zwischenkriegszeit. Besonderst die Vorgänge Sommer 1914 sind kindlich naiv Neben neuerer deutscher Literatur, die sich auf den großen Bestand an Akten im BA-MA, Freiburg , darunter die `täglichen ` Briefe Souchons an seine Ehefrau, den Nachlass Firle , Kittler usw , wie auch auf türkische Dokumentationen stützt. Zudem sind in den letzten Jahren in der Ukraine und in Russland eine Reihe von hervorragenden Arbeiten über die russische sicht der Dinge erschienen.

  • Gast am 28.6.2005

    weite Ausstrahlung!.

    "Die deutsche Hochseeflotte hält das Gros der britischen Flotte mit den stärksten Schlacht- schiffen und Schlachtkreuzern in der Nordsee fest, ein Beweis für die weite Ausstrahlung maritimer Operationen."

    Zitat aus der interessanten Arbeit von Rolf Bürgel.

    Weiteres Beispiel für die "weite Ausstrahlung maritimer Operationen":

    Mittels maritimer Operationen (u.a. von Jürgen Rohwer 1964 beschrieben im "Untergang von Struma und Mefkure, 1942 u. 1944") verfolgten die fanatischen Zionisten während des WK II eine Immigrationspolitik in Palästina, die England zu Zeiten des Juden-Holokaust in ein "Bündnis" mit dem 3. Reich trieb, so der Autor Shabatei Beit-Zvi in seinem Werk "Der Post-Uganda-Zionismus vor Gericht" (gleich auf den ersten Seiten des Buches), nachdem Letzteres seine zunächst zionsfreundliche Haltung aus Rücksichtnahme auf berechtigte arabische Interessen fallen lassen mußte.

    Als Urheber dieses deutsch-britischen Bündnisses wurden die sog. orthodoxen Zionisten damit doch UNSERE Verbündeten und tatsächlich waren die Engländer dazu gezwungen, im östlichen Mittelmeer zur Abwehr der zionistischen Immigration eine Armada von 700.000 Mann aufzustellen. Und gewiß hat diese Zionspolitik wiederum zu einer Schwächung der deutsch-feindlichen britischen maritimen Operationen an anderer Stelle beigetragen, z.B. tausende von Meilen entfernt im Nordatlantik.

    Schwierig, diese Bündnispolitiken in ein paar Sätzen treffend zu beschreiben, da diese vom Freund-Feind- bzw. Schwarz-Weiß-Schema nicht abgedeckt werden kön

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