Der Soziologe Max Weber charakterisierte einst >Franklins Zeitmanagement< als klassisches Beispiel für den >Geist des Kapitalismus<. Und Gary Becker, Wirtschaftsnobelpreisträger aus Chicago, hat Franklins Diktum >Zeit sei Geld< noch in den 80er Jahren zu einer Theorie der >Zeit-Allokation< verfeinert, nach der die Menschen versuchen, das Verhältnis von >Erwerbszeit< und >Konsumzeit< zu optimieren. Sie läuft trotz aller Verfeinerungen auf das bekannte Ergebnis heraus: Je mehr Geld wir haben, desto weniger Zeit haben wir. Und das, obwohl das Geld ja eigentlich nur ein Hilfsmittel ist, um unsere Lebenszeit bestreiten zu können. Bedenke, daß Zeit Geld ist, braucht heute - nach der >großen Kehre< Anfang der neunziger Jahre des eben vergangenen Jahrhunderts, als einerseits die Drohung des Kommunismus in sich zusammenfiel und andererseits die Vernetzung der Welt durch die modernen Kommunikationstechnologien wirksamer und wirksamer wurde - keinem vernünftig denkenden Menschen mehr ins Stammbuch geschrieben zu werden. Und in der Tat, für die schmale Schicht der wirklich Mächtigen, jenes halbe Prozent von Vermögensbesitzern und ihren angestellten Top-Unternehmern, die in Sekundenschnelle riesige Finanztransaktionen vollziehen lassen, ist >Zeit natürlich Geld<. Für sie versteht sich heute Benjamin Franklins Maxime geradezu von selbst. Und fast noch mehr gilt dies für die neue, rasant wachsende Schicht der >Symbolanalytiker<; die für das Funktionieren der Gesellschaft unabdingbar notwendigen Wissensverwalter und Kreativen: Web-Designer, Multimedia-Leute, Finanzdienstleister, Rechtsanwälte, Architekten, Kameraleute und Konstrukteure: Eine Schicht, die viel Geld verdient, aber sich vorbehaltlos einer >Nanosekunden-Kultur< unterwirft: mobil, flexibel, professionell. Aber wie steht es um die übrigen? Kapital, Waren und Menschen bewegen sich immer schneller, die einfachen Routinetätigkeiten werden vom Computer erledigt. Aber nicht allein sie: Mit der >Fronarbeit< verschwinden auch das Expertenwissen und die letzen >freien Zeitporen< der Sachbearbeiterin und des Konstrukteurs in den kleinen grauen Kästen. Und so ergeht es - selbst wenn dies auf den ersten Blick nicht so offensichtlich ist - auch der Krankenschwester und dem Handwerker, dem Lehrer und der Landwirtin. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Zeit ist Geld
- Ausgegrenzte und Überflüssige der Arbeitsgesellschaft
- Keine Rückkehr zur Vollbeschäftigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Text analysiert die Auswirkungen der Beschleunigung der Arbeitsgesellschaft, insbesondere im Kontext der digitalen Revolution. Er untersucht die Folgen für verschiedene gesellschaftliche Gruppen und hinterfragt das gängige Verständnis von Zeit und Arbeit.
- Der Wandel des Arbeitsmarktes durch Digitalisierung und Automatisierung
- Die zunehmende Kluft zwischen den Gewinnern und Verlierern der Globalisierung
- Die kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept "Zeit ist Geld"
- Die Frage nach alternativen Lebensmodellen jenseits der Arbeitsgesellschaft
- Die Herausforderungen für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Stabilität
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil des Textes beleuchtet die historische Entwicklung des Konzepts "Zeit ist Geld" und seine Auswirkungen auf die moderne Arbeitswelt. Der Fokus liegt auf dem Vergleich zwischen den Mächtigen und denjenigen, die von den Folgen der Beschleunigung negativ betroffen sind. Es wird gezeigt, wie die Digitalisierung zu neuen Arbeitsformen und -strukturen führt und die traditionellen Mittelschichten unter Druck setzt.
Der zweite Teil beschreibt die wachsende Zahl der Ausgegrenzten und Überflüssigen in der Arbeitsgesellschaft und analysiert die sozialen und ökonomischen Folgen. Der Text zeigt auf, wie bestimmte Gruppen von den Entwicklungen ausgeschlossen werden und welche Herausforderungen sich daraus ergeben.
Der dritte Teil diskutiert die Unmöglichkeit einer Rückkehr zur Vollbeschäftigung und beleuchtet alternative Lösungsansätze wie ein Grundeinkommen. Es wird die Notwendigkeit einer grundlegenden gesellschaftlichen Umgestaltung angesprochen und die Positionen verschiedener Denker wie Peter Glotz und André Gorz vorgestellt.
Schlüsselwörter
Arbeitsgesellschaft, Digitalisierung, Beschleunigung, Globalisierung, Zeitmanagement, soziale Ungleichheit, Vollbeschäftigung, Grundeinkommen, Ausgrenzung, Modernisierung, digitale Revolution, Lebenslanges Lernen, Soziale Gerechtigkeit.
- Arbeit zitieren
- Dr. phil. Walter Grode (Autor:in), Gertrud Grode (Autor:in), 2000, Das Ende der Arbeitsgesellschaft - Benötigen wir mehr oder weniger Beschleunigung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109455