Hohe und Niedere Minne im Vergleich


Zwischenprüfungsarbeit, 2005

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Gedicht aus der hohen Minne (A):
„Ich wirbe umb allez daz ein man“

Gedicht aus der Niederen Minne (B):
„Unter den linden“

1. Einleitung

2. Minnedichtung im Allgemeinen

3. Hohe Minne
3.1 Die Idealisierung der Frau
3.2 Die Begriffe „triuwe“ und „staete“
3.3 Minne als Selbstzweck

4. Niedere Minne
4.1 Die Gleichberechtigung von Mann und Frau
4.2 Parodisierung des triuwe-Begriffs?

5. Fiktionalität
5.1 Das lyrische Ich
5.2 Die Gefühle

6. Ablehnung der Hohen Minne
6.1 Paradoxie
6.2 Künstlichkeit

7. Unvereinbarkeit von Hoher und Niederer Minne

Literaturverzeichnis

Gedicht (A):

Ich wirbe umb allez daz ein man (von Reinmar von Hagenau)

Ich wirbe umb allez daz ein man

ze weretlîchen fröiden iemer haben sol.

daz ist ein wîp der ich enkan

nâch ir vil grôzen werdekeit gesprechen wol.

lob ich si sô man ander frowen tuot,

dazn nimet eht si von mir niht für guot.

doch swer ich des, sist an der stat

dâs ûz wîplîchen tugenden nie fuoz getrat.

daz ist in mat.

Si ist mir liep, und dunket mich

Daz ich ir volleclîche gar unmaere sî.

Nu waz dar umbe? Daz lîd ich,

und bin ir doch mit triuwen staeteclîchen bî.

Waz obe ein wunder lîhte an mir geschiht,

daz si mich eteswenne gerne siht?

Sâ denne lâze ich âne haz,

swer giht daz ime an fröiden sî gelungen baz:

der habe im daz.

Und ist daz mirs mîn saelde gan

Deich abe ir redendem munde ein küssen mac versteln,

gît got deichz mit mir bringe dan,

sô will ichz tougenlîche tragen und iemer heln.

Und ist daz siz für grôze swaere hât

Und vêhet mich dur mîne misstât,

waz tuon ich danne, unsaelic man?

Dâ heb i´z ûf und legez hin wider dâ ichz dâ nân,

als ich wol kann.

Gedicht (B):

Unter den Linden (von Walther von der Vogelweide)

Unter der Linden

an der Heide

da unser zweier Bette was

möget ihr finden

schöne beide

gebrochen Blumen und das Gras.

Vor dem Wald mit süßem Schall

-tandaradei-

sang im Tal die Nachtigall.

Ich kam gegangen

zu der Aue,

da war mein Friedel kommen eh.

Da ward ich empfangen,

hehre Fraue!

daß ich bin selig je und je.

Küßt´ er mich? Wohl tausendstund

-tandaradei-:

seht, wie rot mir ist mein Mund.

Da hätt er gemachet

unter Scherzen

ein Bett von Blumen mannigfalt.

Dessen wohl lachet

noch von Herzen,

wer jenes Pfads vorüberwallt.

Bei den Rosen er wohl mag

-tandaradei-

merken, wo das Haupt mir lag.

Wie wir da lagen,

wüßt´ es einer

(behüte Gott!), so schämt´ ich mich.

Weß wir da pflagen,

keiner, keiner

erfahre das als er und ich,

und ein kleines Vögelein

-tandaradei-

das mag wohl verschwiegen sein.

1. Einleitung

Einen großen Raum in der mittelalterlichen Literatur nimmt die Minnelyrik ein. Die Minne wurde dabei zur Bezeichnung für das Liebesverhältnis zwischen Ritter und Dame. Natürlich konnten hierbei die Stände der Protagonisten sowie auch die Frage, ob es sich um eine erwiderte oder einseitige Liebe handelte, variieren, doch „[z]weifellos gehörte die leidenschaftliche Liebe zu den dominanten Themen der mittelalterlichen Dichter“[1].

Die Minne konnte beispielsweise dem Handeln eines Ritters einen Sinn geben, wenn er Waffentaten vollbrachte, um seiner Auserwählten seine Treue zu beweisen.

2. Minnedichtung im Allgemeinen

Der Minnesang spielte von der zweiten Hälfte des 12. Jh. bis ins späte Mittelalter eine Rolle; es handelte sich dabei in der Regel um höfische Dichtung oder sogenannte „Gesellschaftsdichtung“, die zu offiziellen Anlässen an den Fürstenhöfen von den Minnesängern selbst vorgetragen wurde.[2]

Die Minnelieder waren meist schon für bestimmte Anlässe konzipiert und deshalb wohl auch nicht für den mehrmaligen Vortrag vorgesehen. Man sollte sie als einen für die Vorstellung entworfenen Vortrag betrachten, der für die Werbung um eine bestimmte Dame gedacht war.

Passten der Werbende und die Dame von der sozialen Stellung her zusammen, konnte die Minne auch zur Ehe führen, was aber nicht der Regel entsprach.

Beim Minnesang stehen sich die Hohe und die Niedere Minne gegenüber, wobei der wichtigste Unterschied in der sozialen Stellung und dem Verhalten der Frau liegt, was jedoch im Folgenden noch näher erläutert werden soll.

3. Hohe Minne

Der „eigentliche“ Minnesang ist zeitlich etwa in den Jahren 1170 – 1190/1200 einzuordnen, wird im Allgemeinen als die zweite Phase in der Geschichte der Minne bezeichnet und folgt direkt auf die erste Phase, dem sogenannten „donauländischen“ Minnesang.[3] Typisch für diese zweite Phase, die als „Hohe Minne“ gilt, ist der höfische Frauendienst. Es gibt hierbei keine gleichberechtigten Partner; im Gegenteil wird die Frau zu einem für den Sänger unerreichbaren Ideal stilisiert. Sie ist die Herrin und erscheint als Inbegriff des Weiblichen. Die Hohe Minne ist eine Art Rollenlyrik, ein ästhetisches Spiel mit poetischem Formelschatz, was eine persönliche Betroffenheit jedoch nicht ausschließen muss.

Als Beispiel für die Hohe Minne soll das Gedicht (A) „Ich wirbe umb allez daz ein man“ von Reinmar von Hagenau dienen, anhand dem ich drei wichtige Merkmale herausarbeiten möchte.

3.1 Die Idealisierung der Frau

In der Hohen Minne steht die Frau auf einer sozial höheren Stufe als der sie umwerbende Ritter. Die Frau wird vom Ritter idealisiert und gilt zudem als Ideal aller Frauen.

„Die Frau steht als idealisierte Figur hoch über dem Mann, der sie [...] anbetet“[4]

Aufgrund dieser Idealisierung, durch die der Ritter nur noch zu der Dame aufsehen kann, wird sie für ihn zu einem unerreichbaren Wesen. In Reinmars Gedicht zeigt sich die Idealisierung an zwei Stellen besonders deutlich. Zum einen steht für das lyrische Ich fest, dass es sich bei seiner Angebeteten um eine Frau handelt, „der ich enkan nâch ir vil grôzen werdekeit gesprechen wol.“[5] Die Vollkommenheit der Frau erscheint also als so groß, dass der Werbende es gar nicht erst versuchen will, sie in Worte zu fassen. Auch in der dritten Strophe, in der das lyrische Ich mitteilt, schon ein einziger Kuss von der Frau würde für ihn ein unglaubliches Glück („saelde“[6]) bedeuten, wird die Idealisierung mehr als deutlich.

Die erste Strophe des Gedichts endet weiterhin mit der Aussage „daz ist in mat“, womit der Werbende zum Ausdruck bringen will, keine Frau könne es mit der Besagten aufnehmen. Hier wird die eine Frau also tatsächlich, wie schon im Vorangegangenen beschrieben zum Ideal für alle Frauen, da sie ihnen allen voransteht.

3.2 Die Begriffe „triuwe“ und „staete“

Eine besonders wichtige Rolle in der Hohen Minne spielt der Triuwe-Begriff. Die selbstlose Minne lebt davon, dass der Ritter der Frau ergeben und treu ist. Dies versucht er unter anderem durch Helden- bzw. Waffentaten, die er für seine Dame vollbringt, zu beweisen. Auch wenn die Liebe unerwidert bleibt, mindert das die Treue des Ritters zu der Frau nicht, denn die wahre Liebe besteht im Verzicht und in der Vorstellung. Auch im vorliegenden Gedicht wird die Treue thematisiert, denn das lyrische Ich versichert, der Dame „mit triuwen staeteclîchen bî“[7] zu sein, wobei er sich auch durch die Tatsache nicht abschrecken lässt, dass er „ir volleclîche gar unmaere sî“[8].

Dieses Misstrauen der Frau rührt von der Tatsache her, dass ein Verdacht auf unstaete besteht. Sie ist sich zunächst nicht sicher, ob der Ritter es in seiner Werbung ernst meint und auch wirklich redliche Absichten hegt.

„Die Dame riskiert ihre Ehre, wenn sie sich auf die Werbung des Sängers einläßt , und ihr Verdacht auf unstaete des Sängers muß deshalb beruhigt werden. Diese Beruhigung nimmt der Sänger vor, indem er sich auf die Bedingungen ihrer Probe einlässt.“[9]

Feministisch argumentiert könnte man also sagen, dass es im Grunde nicht an der Frau liegt, dass der Ritter durch die Zurückweisung leiden muss, sondern an seinen Geschlechtgenossen, denn die Frauen können sich nicht sicher sein, ob es sich bei der Werbung um ehrenvolle Absichten handelt oder ob der Mann „nur das Eine“ will.

3.3 Minne als Selbstzweck

Bei der Hohen Minne geht es nicht um Eroberung, sondern allein um den Dienst an der Verehrung. Die Aufgabe der Frau ist es, den Mann zurückzuweisen, weshalb es ihm im Grunde gar nicht möglich ist, aus einer anderen Absicht heraus zu handeln als nur die Frau zu preisen und sie zu umwerben. Die Minne wird somit zum Selbstzweck; durch die Zurückweisung durch die Frau kann der Ritter die Kunst weiter vervollkommnen und besser bzw. reiner in seinem Streben werden. Einer Frau den Hof zu machen und sie selbstlos zu lieben galt im Mittelalter ohnehin als ritterliche Tugend. Dass der Minnedienst für den Ritter höfische Qualitäten mit sich bringt, heißt natürlich nicht, dass die Selbstlosigkeit der Handlung entwertet wird, denn die Werbung um die Frau, aus der die Minne ja besteht, bleibt ja trotz allem erfolglos.

„Minne verleiht einem Mann Ehre, weil sie die repräsentative Haltung der bedingungslosen Dienstbereitschaft einzunehmen erlaubt und repräsentativen Gefühlen Raum gibt.“[10]

Dadurch, dass somit kein „Ziel“ im herkömmlichen Sinne verfolgt wird, ist es also die Selbstlosigkeit, die nun einen hohen Stellenwert einnimmt; „[d]er nutz wird also als Gegenbegriff zur Minne verwendet“[11].

Da die Frau dem Werben nicht nachgibt, wird eine „Ferne zur Frau“ charakteristisch für die Hohe Minne, die in der trotz der Zurückweisung fortgeführten Werbung liegt. In Reinmars Gedicht wird diese Unnahbarkeit durch die Aussage „daz ûz wîpelichen tugenden nie fuoz getrat“[12] versinnbildlicht. Die weibliche Tugend wird als eine Art Raum beschrieben, den die Frau bei einer unehrenvollen Handlung verlässt und durch den der Sänger von ihr abgetrennt ist. Doch schon in der zweiten Strophe lässt er eine Hoffnung anklingen, die er mit seiner Treue zu der Frau verbunden sieht.[13]

4. Niedere Minne

Da er in der Hohen Minne keine Möglichkeit zur Steigerung und zudem kaum mehr Realitätsnähe sah, wandte sich unter anderen Walther von der Vogelweide schließlich von der Hohen Minne ab und schuf die Niedere Minne. Um einige entscheidende Merkmale der Niederen Minne zu veranschaulichen, soll das „Lindenlied“ (B) als Beispiel dienen. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes „Mädchenlied“, bei dem unverheiratete Mädchen ohne soziale Auszeichnung im Mittelpunkt stehen. Beim „Lindenlied“ steht das Mädchen sogar im wahrsten Sinne des Wortes im Mittelpunkt, denn das Geschehene wird gleichzeitig auch aus der Perspektive des Mädchens berichtet.

Die Kritik, die Walther an der Hohen Minne übt, wird schon beim oberflächlichen Lesen deutlich, denn anstatt einer idealisierten Frau, die als unerreichbar gilt, wird die Minne nun vielmehr als beglückende Partnerschaft dargestellt.

„In fast allen Gattungen [...] rückt die Geschlechterbeziehung im Zeichen erotischer Intimität in den Mittelpunkt der poetischen Gestaltung“[14]

Neben der gegenseitigen Beziehung zwischen Mann und Frau gehört aber auch die körperliche Vereinigung außerhalb der Ehe zu den Themen der Niederen Minne, denn man will sich deutlich von der Hohen Minne abgrenzen, in der es ja vor allem um Tugend und vergeistigte Liebe ging; somit dient die Niedere Minne also auch keinem höfischen Zweck.

Im vorliegenden Gedicht (B) wird diese Abgrenzung beispielsweise durch den refrainhaften Kehrreim „tandaradei“[15] erreicht, der dem Gedicht einen volksliedhaften Charakter verleiht, was im Gegensatz zum Höfischen steht.

[...]


[1] Karnein, Alfred. S. 14, Z. 1,2

[2] vgl. Schnaus, Peter. Linke Spalte

[3] vgl. ebd. Rechte Spalte

[4] Schlechtweg-Jahn, Ralf. S. 27, Z. 21,22

[5] Gedicht (A). V. 3,4

[6] ebd. V.19

[7] Gedicht (A). V. 13

[8] ebd. V. 11

[9] Haferland, Harald. S. 287, Z. 32-35

[10] Haferland, Harald. S. 192, Z. 27-29

[11] Schlechtweg-Jahn, Ralf. S. 207, Z. 1

[12] Gedicht (A). V. 8

[13] vgl. gedicht (A) V. 15

[14] Karnein, Alfred. S. 14, Z. 1,2

[15] Gedicht (B). V. 8,17,26,36

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Hohe und Niedere Minne im Vergleich
Hochschule
Universität Stuttgart
Veranstaltung
Mediävistik II
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V109461
ISBN (eBook)
9783640076420
ISBN (Buch)
9783640976003
Dateigröße
362 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hohe, Niedere, Minne, Vergleich, Mediävistik
Arbeit zitieren
Tatjana Titze (Autor:in), 2005, Hohe und Niedere Minne im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109461

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