Die Krise in Veltlin / Graubünden (1613 ff.) im Kontext der Mächterivalität Frankreichs und Habsburgs


Seminararbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1

Bernd Ortmann (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Vorgeschichte
2.1) Herrschende und Gemeine Lande
2.2) Konfessionelle Konfliktsituation
2.3) Bedeutung des Veltlins für die Politik der „Casa de Austria“

3.) Beginn des Konfliktes
3.1) Aufstand der Veltliner
3.2) Vertrag von Monzón

4.) Höhepunkt der Krise
4.1) Intervention Frankreichs unter Herzog Rohan
4.2) Neuordnung der Lage
4.3) Meuterei in Bünden / Abzug der Franzosen

5.) Versuch einer vertraglichen Friedensordnung
5.1) Allianz zwischen Spanien und der Republik
5.2) Nutzen der Übereinkunft

6.) Fazit

7.) Bibliographie

Diese Hausarbeit folgt der neuen Rechtschreibung

1.) Einleitung

Der Pündtnern sind viel vnd wacker leuth/sie hand versucht das glauben wir nit/ zwantzig gantzer jahren zu kriegen kam/vnd haben da viel müssen schlahn/jetzt so ist das land schier widerbracht/so wöllend sie haben besser wacht.“[1]

In diesen 1669 verfassten Versen eines Veltliner Zeitgenossen finden sich die großen Leiden und Entbehrungen der gesamten Region des Veltlins und der Drei Bünden wider, die die Zeit der Bündner Wirren mit sich brachte. Sowie sich der zwanzig Jahre dauernde Krieg vordergründig als regional beschränkter Konflikt zwischen den im Folgenden näher erläuterten Herrschenden und Gemeinen Landen ausnimmt, so muss doch aber auf die europäische Komponente verwiesen werden. Das Tal der Adda stellte den Kristallisationspunkt gesamteuropäischer Konfliktlinien dar, die vornehmlich dem Gegensatz zwischen den Entitäten Spanien-Habsburg und Frankreich zuzuordnen sind. Der Besitz des Veltlins durch die Bündner machte sie zu Herren über die militärisch immens wichtigen Alpenpässe, aber zwang sie demgegenüber auch in eine geostrategische Schlüsselposition, die sich die involvierten Mächte jeweilig nutzbar oder besser, gefügig machen wollten. Aus dieser Zwangslage heraus entfaltete sich ein stetiger Wettbewerb staatsähnlicher Konstrukte um die Kontrolle des Veltlins, dessen wirkungsmächtiger Verlauf die in vordemokratischen Ansätzen gehüllte Integrität des Landes in Frage stellte.

Die Notwendigkeit für eine europäische Großmacht, Truppenverschiebungen von Mittel- nach Südeuropa und umgekehrt zügig durchzuführen, lässt auf die andere bedeutsame Sicherheitserwägung im konfessionellen Zeitalter schließen. Die katholische Macht Spanien konnte mit Hinblick auf seine Besitzungen auf der Appeninenhalbinsel einem häretischen Grenzgebiet nicht gleichgültig gegenüberstehen. Damit gerieten die Länder der protestantischen Bündner und vor allem auch ihre Religionspolitik in den Blickpunkt des Papsttums und der katholischen Kirche, die große potentielle Gefahren religiöser Natur von der Alpenregion ausgehen sah.

Diese Hausarbeit verfolgt das Ziel, die Ursachen und den Verlauf des Veltlinkonfliktes in seinen wesentlichen Zügen darzustellen und dabei die Interaktionen der beteiligten Großmächte stets in die Erörterungen einfließen zu lassen. Ausgangspunkt für die in drei Abschnitte unterteilte Abhandlung über die Auseinandersetzung um das Veltlin ist eine strukturelle Analyse der Situation, die politische, konfessionelle und militärische Faktoren berücksichtigt. Im Folgenden widmet sich die Analyse dem Konflikt selbst, dessen Abschnitt über das Eingreifen der Bourbonen den Höhepunkt der Krise darstellt und daher auch im Mittelpunkt der Arbeit stehen soll. Weitergehend soll eine kritische Betrachtung der vertraglichen Bestimmungen die abschließende Bewertung der gesamten Ereignisse mit Hinblick auf die nähere Zukunft ermöglichen.

Besonders hilfreich bei der Suche nach Nachweisen für ratifizierte Verträge, Urkunden und beglaubigte Nachweise der Akteure erwies sich die „Amtliche Sammlung der ältern eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1500 bis 1680“[2]. Phillip Zinsli veröffentlichte 1911 die Zusammenstellung „Politische Gedichte aus der Zeit der Bündner Wirren 1603-1639“[3] und verdichtet damit in Verbindung mit den teilweise recht eigenwilligen Chroniken Fortunat Sprecher von Berneggs[4] das Bild der zeitgenössischen Beobachter. Beim tieferen Studium der Sekundärliteratur bildet Andreas Wendlands[5] Abhandlung über die Bündner Wirren die Grundlage wichtiger anderer Erörtungen, allerdings stellt er zusammen mit Duri Blumenthals Dissertation „Die Drei Bünde 1535-1565“[6] von 1990 nur den aktuellen Schlusspunkt der Forschung um den Veltlinkonflikt dar. Dahingehend soll unter Zuhilfenahme der tiefblickenden Bündenanalyse Conradin von Moors[7] von 1871/74 dem Leser ein klares Bild von den Ereignissen gezeichnet werden.

2.) Vorgeschichte

2.1) Herrschende und Gemeine Lande

Die Vereinigung der im Verlauf des 14./15. Jahrhunderts entstandenen rhätischen Bünde Gotteshausbund, Grauer Bund und Zehngerichtebund konstituierte sich erst vollständig nach der 1510-1516 erfolgten Eroberung des Tals der Adda, also des Veltlins. Die Aufgabe, ein vergleichsweise hochentwickeltes Territorium sachgemäß zu verwalten, zwang die Eroberer zu einem engeren staatlichen Zusammenschluss und zum Aufbau eines gemeinsamen Regimes, das das erforderliche Minimum an Institutionen und Verfahren sicherstellte.[8]

Das tragende Element innerhalb der Bünde stellten die Gerichtsgemeinden dar, die sich selbst verwalteten und zum höchsten gemeinsamen Organ, dem Bundestag, Abgeordnete entsandten. Dieser entschied über die den Gesamtstaat betreffenden Angelegenheiten. Die von den Kommunen gewählten Vorsteher der drei Bünde, die sogenannten Häupter, beriefen zur Beratung außerordentlicher Angelegenheiten den Beitag an und gewannen damit an persönlichem Einfluss. Insgesamt war dieser in den Anfängen befindliche republikanische Aufbau jedoch einer schleichenden Erosion ausgesetzt, denn durch das Kompetenzwirrwarr zwischen den Gremien gelang es einigen Familiensippen wie den Salis oder den Plantas, ihren Einfluss geltend zu machen. Im heterogenen Gebilde der Drei Bünde bestand die eigentliche Aufgabe darin, den Schutz der meist unteschiedlichen Rechte und Privilegien, dessen Grundlage die Souveränität und Egalität der Gerichtsgemeinden war, sicherzustellen. Die Begrifflichkeit der Bündner Freiheit hingegen umfasste weniger das Individuum, als vielmehr die Gerichtsgemeinden als Kollektive. Für den Bündner selbst spielte die Fähigkeit, eigenverantwortlich seine Belange regeln zu können, die größte Rolle:„ Wir haben von Gots Gnaden eine schöne freyheit; Wie haben eigne Macht und Gewalt zu setzen und zu entsetzen! Wir haben eigen Stab und Sigel, Stock und Galgen; Wir sind Gotlob keinen frömden Fürsten und Herren nichts schuldig und unterworfen, denn allein dem Allmächtig Got![9]

Nach der widerstandslosen Eroberung des aus den drei Teilgebieten Veltlin, Chiavenna, Bormio bestehenden Addatals fanden sich die Bewohner mit den neuen Landesherren aus den Drei Bünden ab, die sich verpflichtet hatten, die bestehenden Privilegien der Veltliner zu respektieren. Der Bezeichnung des Veltlins als die „Gemeinen Lande“ impliziert die Vorstellung, dass die Gesamtheit der Bündner Gemeinden gleichsam als Fürst über ihre Untertanen zu wachen habe. Für den Bündner Chronisten Fortunat Sprecher von Bernegg fügte sich dieses Verhältnis wie selbstverständlich in die gottgegebene Ordnung, „ unnd letztlich ist das gantze Volck dises Thals seinem gebürlichen Fürsten zu dienen/zu gehorchen/und zu lieben gantz geneigt/und erbietig.“[10] Demzufolge bestand die Freiheit der herrschenden Bündner in der Minderberechtigung ihrer Untertanen auf jurisdiktionellem und wirtschaftlichem Gebiet, die aber durch die festgelegten Statuten nicht schrankenlos war. Diese schriftliche Satzungen der Veltliner schufen den Rahmen, in dem sich das Leben der Untertanen bewegen sollte. In den 287 zivilrechtlichen und 109 strafrechtlichen Kapiteln römischer Rechtstradition verband sich die politische und rechtliche Identität der Veltliner, die während der 300 Jahre dauernden Bündner Herrschaft über das Veltlin insgesamt drei Mal gedruckt wurden (1549, 1668 und 1737).[11] Die Herrschaftspraxis der Bündner geschah vorwiegend über die vom Bundestag und später von den Gemeinden abgeordneten Amtleute, die administrative, aber auch vor allem juristische Befugnisse ausübten. Den Amtleuten stand der Gouverneur vor, der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und die Durchsetzung der Gesetze zu wachen hatte.

2.2) Konfessionelle Konfliktsituation

Die Verbreitung des neuen Glaubens schritt nach 1520 in den Untertanengebieten im Vergleich zu den Drei Bünden, in denen die Mehrheit der Gerichtsgemeinden protestantisch wurde, nur sehr langsam voran. Die Bewohner des Veltlins trennten den weltlichen und kirchlichen Bereich schärfer und reagierten daher nicht so aufgeschlossen auf die Appelle des Protestantismus. Im Übrigen waren die Veltliner in ihrer Mehrheit dem alten Glauben zugetan und standen auch als Folge ihres Untertanenverhältnisses auf der Seite Roms und Spaniens.[12]

Der Bundestag fasste zwar den Beschluss, dass sowohl in den Herrschenden, als auch in den Gemeinen Landen die Religionsfreiheit zu gelten habe. Gleichermaßen galt es aber auch, den Einfluss Roms möglichst gering zu halten und sich als Schutzpatron der aus ihrer Sicht bedrohten protestantischen Gemeinden im Veltlin zu gerieren. Ebenso schreckte man auch nicht davor zurück, Eingriffe in die katholische Dogmatik und Jurisdiktion im Zuge von landesherrlichen Anordnungen vorzunehmen. Erwartungsgemäß traf dieses Vorgehen auf den vehementen Widerstand Roms und Spaniens. Am 7.Juni 1561 richteten der päpstliche Legat Bernardino Bianchi sowie der mailändisch-spanische Gesandte Gian Angelo Rizzio auf dem Bundestag von Chur und Ilanz gegenreformatorische Forderungen an die Bündner. Die Botschaft wurde gleichsam mit der Drohung versehen, dass man den Nachbarn Bündens bei Zuwiderhandlung anraten müsste, Verkehr und friedliche Gemeinschaft aufzugeben. Die Bündner Antwort hingegen wies fast alle Anklagen der Kirche ab und berief sich stattdessen auf die Tatsache, dass in religiösen Belangen bisher Einigkeit und Frieden geherrscht habe.[13]

Aus diesem Schwebezustand der konfessionellen Parität steigerte sich ab 1600 die Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten und führte zu einer Radikalisierung des Religionskonfliktes, vor allem innerhalb des Veltlins. In diesem vertraten republikanische Fundamentalisten die Ansicht, dass die Hispanisierten, also die Anhänger des katholischen Königs von Spanien, die religiöse und politische Freiheit Bündens beseitigen wollen. Der Bundestag von Davos bekräftigte 1617 von neuem die konfessionelle Gesetzgebung und deckte sich als legislativer Arm mit dem auf zunehmenden Widerstand treffenden Sendungsbewusstsein der Bündner Protestanten.

2.3) Bedeutung des Veltlins für die Politik der „Casa de Austria“

Dem Veltlin kam in der Nachbarschaft des losen Länderverbundes der Habsburger, deren gemeinsamer Nenner die katholische Dynastie mit Herrschaftsanspruch nach außen und Glaubenseinheit nach innen darstellte, vielfältige Bedeutung zu. Die Problematik, ein heterogenes, zersplittertes Territorium zu verwalten und verteidigen, macht den militär-strategischen Faktor und den Zwang zu funktionierenden Kommunikationslinien offenkundig. Gleichermaßen war die spanisch-habsburgische Machtkumulation ebenso eine „ militante katholische Achse, die Madrid mit Rom und über den Alpenwall hinweg mit Wien, München und Warschau verband.“[14] Jener Alpenpass war für Truppenverschiebungen aller Art durch das Tal der Adda oberhalb des Comer Sees einfach der Kürzeste und besonders nach Ausbruch des Aufstandes in den Niederlanden 1572 durch Wilhelm von Oranien, der durch Soldaten aus Mailand niedergeschlagen werden sollte, gewann der Korridor über die Alpen erheblich an Gewicht. Das Herzogtum Mailand galt durch seine zentrale Stellung in Bezug auf den Handel, das Gewerbe, der Finanzkraft und seiner militärischen Doppelbedeutung als Waffendepot- und Produktionsstätte sowie als Ausfallstor gen Deutschland hin als das Herz Italiens.[15] Insofern nimmt die norditalienische Stadt eine Schlüsselfunktion in den Erörterungen zum Veltlin ein und dient daher als Ausgangspunkt wichtiger spanischer Aktionen. Zum Unmut der Spanier fehlte es auch an schlagkräftigen Alternativen, denn der Weg über die Gebiete der Schweizer Eidgenossen müsste verhältnismäßig teuer entlohnt werden und unterlag auch noch der Beeinflussung durch französische Diplomaten.

Deswegen musste gerade auch aus der konfessionellen Perspektive heraus das Veltlin nach Ansicht der unter spanischer Herrschaft stehenden Mailänder „rein“ gehalten werden, denn ein von Häretikern beherrschtes Gebiet könne zweifelsohne als ein Einfallstor des Protestantismus nach Italien dienen. Insofern wird auch das Dilemma der Spanier ersichtlich, wenigstens eine indirekte Kontrolle des Veltlins zu gewährleisten, ohne das Misstrauen der italienischen Fürsten vor einer weiteren Machtausdehnung in Italien zu schüren. Die weitere Folge der Ereignisse nach dem Prager Fenstersturz (23.5.1618) und der Erhebung der böhmischen Stände machte eine Intervention im Reich wahrscheinlicher und ebnete den Weg zu einer aggressiveren Veltlinpolitik Spaniens.

3.) Beginn des Konfliktes

3.1) Aufstand der Veltliner

Im Frühjahr 1620 erreichte die zunehmende Konfliktsituation im Veltlin einen neuen Höhepunkt. Schon zwei Jahre vorher äußerte sich die wachsende Beunruhigung der katholischen Orte in der Konferenz von Luzern vom 7./8. August 1618 vor einer Sperrung des Gothardpasses durch die Bündner Protestanten.[16] Zahlreiche Veltliner Katholiken, unter ihnen hohe Adelsfamilien, beklagten die unzureichende Wahrung der eigenen Rechte durch die Bündner Fremdherrschaft und sondierten beim spanischen Verbündeten eine grundsätzliche Hilfsbereitschaft aus. „ Damit der Übermut der Bündner gerächt, die ketzerischen Praktiken vereitelt und Italien von der Infektion und Gefahr befreit würde[17], trugen die Veltliner Abgeordneten als letztes Mittel dem spanischen Machthaber eine Eroberung des Veltlins an. Jene Ereignisse weckten die Aufmerksamkeit des von 1618-1625 in Mailand amtierenden spanischen Gouverneurs, Herzog von Feria, der den Zeitpunkt zum Eingreifen in den Konflikt als günstig beurteilte.[18] Der von Mailand finanzierte Aufstand sah eine Unterteilung in drei Einzelaktionen vor, von denen die erste eine Zusammenarbeit von Bündner Exilierten und Katholiken des Grauen Bundes, die zweite eine Invasion von Tirol aus und die dritte die Unterstützung der Erhebung im Veltlin selbst vorsah. Daher förderte man ein Einhergehen von verbannten Bündner Katholiken und Teilen der Veltliner Nobilität, mit dem Ziel der Wiederherstellung der religiösen Freiheiten und rechtlichen Privilegien der Untertanen. Wie der sprichwörtliche Funken im Pulverfass wirkte das unter Folter durchgeführte, entehrende Verhör des fanatischen Erzpriesters Nicolaus Rusca, der den Protestanten als Seele aller Umtriebe galt. Das ausführende Strafgericht von Thusis verfolgte dabei die Absicht, die Förderer des angestrebten spanischen Bündnisses auszumerzen. Die Reaktion in den Drei Bünden war beispiellos und spielte den Verschwörern nun jenen Vorwand in die Hände, mit dem sie die Volksmasse zum Aufstand aufwiegeln konnten.[19]

Am 19.Juli 1620 schlugen die Aufständischen los. Zuerst entledigten sie sich der Exponenten der landesherrschaftlichen Gewalt, danach gingen sie mit äußerster Gewalt zu hundertfachem Morden an Reformierten über, denen sie die Schuld für den Bruch in ihren Familien anlasteten. In diesem zweifelhaften Vorgehen wurden daher nicht nur freiheitliche und religiöse, sondern auch materielle Motive ersichtlich, denn viele Aufständische machten sich evangelischer Besitztümer habhaft.

Doch war die Lage nach dem Putsch keineswegs gefestigt, denn der erfolgreich geführte Bündner Gegenangriff führte zu einem Eingreifen der Spanier, die nun mit offenen Karten spielen mussten, um den gewonnen Vorteil nicht mehr zu verlieren. Die politische Neuordnung des Veltlins wurde auf die Bedürfnisse des Veltliner Adels zugeschnitten und beinhaltete Maßnahmen, die eine Rückkehr in die katholische Kirche deutlich machen. Dies führte allerdings zu einer diplomatischen Verschärfung zwischen Frankreich und Spanien. Der Widerstand Frankreichs äußerte sich auch in der Frage der Legitimität der Intervention und erschwerte eine vertragliche Absicherung der neuen Lage. Durch die am 7.Februar 1623 gegründete Liga von Lyon, einem Bündnis zwischen Frankreich, Venedig und Savoyen, erhöhte sich der Druck auf Spanien und zwang den Papst, in der Veltlinfrage eine Schiedsrichterrolle zu übernehmen und mit eigenen Truppen präsent zu sein. Diese wurden aber im Herbst 1624 vom neuen französischen Ersten Minister Richelieu und seinem Feldherrn Coeuvres zum Rückzug gezwungen, der allerdings wegen innenpolitischer Schwierigkeiten mit den Hugenotten wieder einlenken musste. Gleichwohl verstand es der Premier, nationale Interessen den römischen Wünschen überzuordnen und Spanien die Nutzung der Pässe durch eine umfassende Revidierung der politischen Verhältnisse unmöglich zu machen.[20]

Der am 5.März 1626 ratifizierte und am 10.Mai in Barcelona bestätigte Vertrag von Monzón[21] regelte den Abzug der Franzosen und stellte die Grundlage für die von allen katholischen Mächten geforderte Regelung des Veltlinsproblems dar.

3.2) Vertrag von Monzón

Der seit den Tagen des Veltlinermordes verhandelte Vertrag regelte im Wesentlichen das Verhältnis zwischen den Drei Bünden und dem Veltlin. Die Bündner übten jetzt nur noch eine nominelle Kontrolle über das Tal der Adda aus und waren weitgehend entmachtet . Die involvierten Mächte Frankreich, Spanien und Rom einigten sich über die Wiedereinsetzung des Katholizismus im Veltlin, Bormio und Chiavenna sowie die letztinstanzliche Entscheidungsgewalt des Papstes bei konfessionellen Streitfragen. Protestanten durften nur zeitlich begrenzt in das Veltlin einreisen und unterlagen rigiden Regelungen. Bei politischen Auseinandersetzungen zwischen dem Freistaat und den Untertanenlanden hingegen erhielten Frankreich und Spanien die Regelungsmacht, denen beide Vorteile aus dem Vertrag zugekommen sind. Frankreich konnte sich in der Erklärung des Vertrages über die formellen Herrschaftsrechte der Bündner ein Zugeständnis zusichern, aus der es sich eine Erneuerung der bisherigen Staatsverträge mit den Bündnern von 1516, 1564, 1582 und 1602 erhoffte.[22] So sollte der Einfluss Spaniens in der Region gering gehalten werden. Die Handhabbarkeit des Vertrages für die Bündner, denen ja immerhin noch formelle Rechte zugestanden worden sind, gestaltete sich äußerst schwierig. Selbst eine einseitige, nachträgliche Erklärung des französischen Königs über die Auslegung des Vertrages[23] beseitige dessen Widersprüche in der Interpretation nicht.

Die Veltliner nahmen das Vertragswerk freudig entgegen und benutzen ihn als Rechtsbasis, um mit der Umgestaltung ihrer religiösen, politischen und rechtlichen Lage zu beginnen. Allgemein lehnte sich das neue Veltlin eng an Spanien an und begann mit dem Aufbau einer eigenen Verwaltung und Jurisdiktion. Verheerend wirkte sich für die Bündner aus, dass ihnen die Einkünfte aus den Ämtern von nun an fehlten und der Süden wirtschaftlich abgeriegelt wurde. Insgesamt war der Vertrag für die Verteidigung der „liberta“ der Veltliner ein Segen, für die Drei Bünde jedoch eine „ Katastrophe [...], eine Vergewaltigung des kleines Freistaates durch die damaligen Grossmächte.“[24]

4.) Höhepunkt der Krise

4.1) Intervention Frankreichs unter Herzog Rohan

Im Kampf um die Vorherrschaft in Europa bildete Frankreich, das 1519 nach der Wahlniederlage gegen Karl V. für längere Zeit in die Rolle des Verteidigers der europäischen Freiheit gegen die habsburgerischen Hegemoniebestrebungen gedrängt wurde[25], den anderen Gegenpol im Konfliktherd Graubünden. Bemerkenswert an der französischen Politik Spanien gegenüber war das Hintertreffen konfessioneller Aspekte hinter diejenigen der Selbsterhaltung, denn Frankreich scheute sich nicht, auch mit lutherischen Kräften ein Bündnis gegen Spanien einzugehen.[26]

Nach dem vorläufigen Abzug der Franzosen aus dem Veltlin im März 1627 galt es für die Bündner, die Ergebnisse des Vertrages von Monzon rückgängig zu machen. Jörg Jenatsch, der führende Kopf der Bündner Freiheitskämpfer, setzte vornehmlich auf diplomatische Mittel, insbesondere durch Reisen nach Venedig und auch Paris, allerdings vorerst ohne greifbare Erfolge.

Im Reich änderte sich die Situation hingegen nach dem Sieg des Generalinfanten am 6.9.1634 über die Schweden zu Gunsten der Habsburger und führte zu einer Bedrohung der französischen Grenze. Dies zwang den französischen König Ludwig XIII., Spanien am 19.Mai 1635 den Krieg zu erklären. Im Zuge dieser Auseinandersetzung sollte das Tal der Adda besetzt und für spanische Truppendurchzüge gesperrt werden. Der Protestant Herzog Rohan, mit kurzen Unterbrechungen schon von Dezember 1631 bis Mai 1634 Oberbefehlshaber der französischen Truppen in den Drei Bünden, brachte das Tal schnell unter seine Kontrolle. Dabei verfolgte er das Ziel der Wiederherstellung der Bündner Herrschaft über die Veltliner. Durch die aktive Führung militanter Hugenotten unter Rohan war seine Vergangenheit hingegen nicht über jeden Zweifel erhaben, doch noch hielten ihn die Verantwortlichen für den richtigen Mann.[27]

Und vorerst erledigte Rohan seine Aufgabe vorzüglich, denn die seit 1632 in den Drei Bünden stationierten Einheiten besetzen am 28./29.März 1635 im Handstreich Bormio und Chiavenna, die Einfallstore ins Veltlin. Ebenso weckte das Eingreifen Rohans die Hoffnungen und Sympathien der Bündner aufs Neue, wie sich in zahlreichen politischen Gedichten äußert:

Nun fangt ein frisch new Liedlin an Luwdig dem König z’ehren: Sampt seinem Feldherr von Rohan Gott wöl jhr Glück vermehren, Daß sey das gfreite Pündtnerland Setzen wider in altem Stand.“[28] Rohan galt den Bündnern als Hoffnungsträger und das nicht nur aufgrund seiner protestantischen Konfession. Man wertete die Intervention als ein Signal, dass Frankreich von nun an gewillt war, sich der Belange des Freistaates anzunehmen. Der Herzog hatte in den Vorjahren einen präzisen Einblick in Staatsstruktur der rhätischen Republik gewonnen, doch für ihn selbst spielte die „Freiheit“ der Bündner nur eine untergeordnete Rolle.[29]

Spanien befand sich beim Einmarsch Rohans in einer ungünstigen Position, weil in der Gegend des Comer Sees durch den verlustreichen Krieg im Reich nur schwache spanische Verbände standen. Auch auf administrativer Ebene fehlte es an Schlagkraft, denn in Mailand bekleidete der Kardinal Gil Carillo Albornoz das Amt des Gouverneurs, ein Übergangskandidat ohne Autorität und militärischer Erfahrung.[30] Dennoch ging Spanien mit Unterstützung kaiserlichen Truppen zur Gegenoffensive über, die allerdings wegen Missverständnissen innerhalb der Armeeführung und weitreichender Unterschätzung des Gegners erfolglos blieb. Das Scheitern der Operation bewirkte einen Zusammenschluss italienischer Staaten mit Frankreich zum Krieg gegen Spanien-Mailand. Dort lastete man Albornoz die Schuld an der katastrophalen Aktion an und betraute stattdessen Leganés, ein enger Vertrauter des ersten spanischen Ministers Olivarés, mit dem Amt des Gouverneurs.

Auf französischer Seite kam es infolge der unsauberen Trennung zwischen der politischen und militärischen Armeeführung zu Kompetenzkämpfen zwischen Rohan und seinem Armeeintendanten Du Landé, der danach abgesetzt wurde. Trotzdem konnte Rohan auch den zweiten Gegenangriff Habsburgs vereiteln, das nun nicht mehr hoffen konnte, die Pässe schnell unter seine Kontrolle zu bringen.

4.2) Neuordnung der Lage

Nachdem sich die Position der französischen Ordnungsmacht gefestigt hatte, begab man sich an die Neuordnung der Verhältnisse. Auch diesmal stützte sich Frankreich auf den Vertrag von Monzón und übertrug den Bündnern zwar wieder das Veltlin, gestattete dort aber nicht die freie Ausübung des Protestantismus. Das Eigentum der Protestanten sollte grundsätzlich abgestoßen werden und der Aufenthalt von Protestanten wurde zeitlich begrenzt. Die Richter würden von den Talschaften im Veltlin selbst gewählt, die für dieses Recht im Frieden 25000 Gulden, im Krieg 15000 Gulden den Bündnern zu entrichten hatten. Im Ganzen wurde der Staat nicht nach dem Willen der Bündner umgeformt, weil die Franzosen die schwierigen religiösen und politischen Probleme nicht neu entfachen wollten. Der Vertrag von Chiavenna normierte diese Entscheidungen, an denen sich die Bündner vor allem an der Übertragung der Gerichtsbarkeit auf Veltliner unzufrieden zeigten und ihnen nur einen Schatten der Oberherrschaft ließ. Schließlich ratifizierte endgültig der am 11.April 1636 tagende Beitag von Thusis den Vertrag, allerdings unter dem Vorbehalt, dass der allerchristlichste König keine Abänderungen mehr vornehmen dürfe. Der vertragliche Vorbehalt ergänzte sich durch den innerlichen, denn die Bündner hielten wenigstens prinzipiell noch an ihren Rechtstiteln im Veltlin fest.[31]

Für den französischen Kommandanten Rohan traten die Wünsche der Bündner hinter die machtpolitische Erwägung eines Angriffes auf Mailand zurück. Der Angriff wurde anfänglich mit einigem Erfolg geführt - u.a. verwüstete die Armee Rohans Colico und Gravedona in Norditalien - doch brachte auch hier das Versagen der Militärs die Niederlage und Spanien in eine bessere Position. Leganés gelang es, im Juli 1636 die savoyischen Truppen zurückzudrängen und die größte Gefahr für Mailand zu bannen. Damit hatte der Gouverneur durch seine „Untätigkeit“ mehr erreicht als seine Vorgänger mit ihren erfolglosen Gegenangriffen.[32]

Rohan, nun zum Rückzug in das Tal der Adda gezwungen, wurde mit den Forderungen der Spanier nach einer Räumung des Veltlins und der spanischen Auslegung von Monzón konfrontiert. Weitergehend war ihm aber ebenso bewusst, dass der Widerstand in Bünden gegen die „Thusner Artikel“ äußerst stark war und ersuchte daher Jenatsch, seinen Einfluss für die Annahme der Artikeln geltend zu machen. Dieser genoss zwar das Vertrauen des französischen Kommandierenden, konnte jedoch durch die unbedingte Hingabe an seine Heimat dem französischen Auftreten nicht inaktiv gegenüberstehen und begann daher mit eigenen Planungen zur Neugestaltung der Verhältnisse in den Drei Bünden.[33]

4.3) Meuterei in Bünden / Abzug der Franzosen

Rohan sah sich im Sommer 1636 mit einer schwindenden Kontrolle über das Expeditionskorps, das zur Hälfte aus angeworbenen Bündner Offizieren und Soldaten bestand, und einer wachsenden Opposition konfrontiert. Die Bündner empfanden die politischen Entscheidungen als völlig unzureichend für ihre eigene Freiheit, gleichzeitig stärkten sich auch noch antifranzösische Ressentiments. Die in den Drei Bünden stationierte Soldateska wurde zunehmend als Besatzer empfunden, die die Zivilbevölkerung drangsalierte und die Freiheit der Bündner sehr gering schätzte.[34] Doch bestand der eigentliche Grund für die Unzufriedenheit in der Zahlungsunfähigkeit der französischen Administration, die den Söldnern schon etliche Monatsraten schuldete und sie damit in den wirtschaftlichen Ruin trieb.

Die Verschwörung, dessen Mitglieder sich zunehmend nicht nur als Söldner, sondern auch als Bündner Patrioten verstanden, nahm deshalb Verhandlungen mit Spanien auf. Man einigte sich am 7.Januar 1637 darauf, dass die Truppen Rohans mit kaiserlichen Soldaten vertrieben und die Rechtsverhältnisse von 1621/22 wiederhergestellt werden sollten. Gleichermaßen erhielten die Spanier das Durchmarschrecht durch das Veltlin und die Bündner weitreichende wirtschaftliche Unterstützung in Verbindung mit einer für sie zuträglichen Lösung der Konfessionenkonfliktes. Die habsburgerischen Unterhändler erklärten sich bereit, dass „ auch neben der catholischen Religion diejenigen, welche derselben nit zuegethan, bey ihren Glauben, Kürchenbreuchen und Ceremonien, wie sy dieselbe bis dahero im Gebrauch gehabt, frey und ungehindert gelassen werden sollen.“[35] Jörg Jenatsch verließ im Spätherbst mit seinen Mitstreitern seine Posten und forderte Rohan zur Übertragung des Veltlins auf. Der zukünftige Kurs der Bündner Freiheitskämpfer erhielt seine Form auf dem am 6.Februar 1637 in Chur tagenden Kettenbund. Dort entschied man sich gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Frankreich und für einen wiederherzustellenden Frieden mit Spanien-Habsburg, auch wenn er durch Unfrieden erkauft werden musste.[36]

In der Befürchtung, der Herzog könnte die Pläne doch noch gefährden, schlugen die Verschworenen schon früher als geplant am 20.März 1637 los. Mit Unterstützung der Spanier konnte Rohan in Bünden festgesetzt werden. Lediglich das Kommando über 2500 französische Soldaten führend, wurde er mit dem Eingreifen der Habsburger bedroht. Unter Vermittlung von Züricher Abgesandten konnte Rohan schließlich aber doch zur Unterzeichnung des Kapitulationsvertrages[37] bewogen werden. In diesem wurde der Abzug der französischen Armee geregelt, die dann am 16.April 1637 ohne Blutvergießen und habsburgische Intervention das Land verließ.

Rückblickend wurde Herzog Rohan vor allem aufgrund verklärender Darstellungen einiger Historiker wie Conradin von Moor zu einer Legende, zu jemandem, der sein gegebenes Wort nicht habe brechen wollen und „ das bündnerische Volk und nicht bloß dessen Alpenpässe liebte.“[38]

5.) Versuch einer vertraglichen Friedensordnung

5.1) Allianz zwischen Spanien und der Republik

Die neue Ordnung in den Drei Bünden regelten zwei eng miteinander verzahnte Verträge, der Ewige Friede[39] und das Kapitulat[40]. Im Ewigen Frieden verbündeten sich Spanien und Dreibünden, der inhaltlich den Bündnern die Verpflichtung auferlegte, Spanien gegen Zollentrichtung das Durchmarschrecht, sowie die Rekrutierung von Söldnern zu gewähren. Ebenso beschränkte man die äußere Freiheit der Bündner, denn Allianzen durften sich nicht gegen die spanische Krone richten. Im Gegenzug erwuchsen den Bündnern in beiderparteilichem Einverständnis wirtschaftliche Privilegien im Herzogtum Mailand, die vornehmlich weitreichende Einkaufsrechte an möglichst grenznahen Getreidemärkten betrafen.[41] Dadurch erhielten die Bündner die Möglichkeit, konfessionsunabhängig im Herzogtum aktiv zu werden und beschworen damit gleichsam wieder die Gefahr einer „Häresierung“ Norditaliens, die aber vom Verantwortlichen Leganés für vertretbar gehalten wurde.

Die eigentliche Forderung Bündens wurde hingegen im Kapitulat vernormt, in dem es sich verpflichtete, die Verwaltung des Veltlins unter bestimmten Modalitäten zu übernehmen. Diese Regeln beschränkten allerdings die volle Souveränität der Herrschenden Lande, die in den Augen vieler Bündner unrechtmäßig waren. Die katholische Religion wurde mitsamt ihrer Gerichtsbarkeit und der Rechte des Bischofs von Como im Veltlin wieder hergestellt und Protestanten, die kein Eigentum besassen, die Einreise ins Veltlin verweigert. Und obgleich die Inquisition keinen Zutritt zum Veltlin hatte, so genoss der Katholizismus eine Renaissance im Tal der Adda, das auf Drängen der Spanier fortan demilitarisiert war.[42] Die Verwaltung der weltlichen Justiz und die Wahl der Amtleute folgte hingegen den Wünschen der Bündner, die die Veltliner fortan vertraglich festgelegt als „ sudditi[43] (Untertanen) bezeichnen durften.

5.2 ) Nutzen der Übereinkunft

Die Verträge brachten ein kunstvolles Nebeneinander der landesherrschaftlichen Gewalt der Bündner über die Veltliner und die Wahrung der kirchlichen Jurisdiktion hervor, deren Erfüllung sich jedoch in Anbetracht der Ereignisse schwierig ausnahm. Dieses Risiko entschärfte sich durch die Verpflichtungen der Bündner, denen durch deutliche Drohungen der Spanier Nachdruck verliehen wurde. Die Männer um Olivares betrachteten daher einen Vertragsbruch des Kapitulats als eine Abkehr vom Bündnis insgesamt, selbst wenn dieses vertragsgemäß befolgt wurde, mit den daraus logischen Konsequenzen. Dahingehend müssen die beiden Verträge als eine politische Einheit betrachtet werden.

Die Belange der Veltliner, also vor allem auch die Wahrung der eigenen Liberta, wurden hingegen nicht gewahrt. Ihnen widerfuhr keine hohe Ehrung durch die Mailänder Vertragsfüher, vielmehr legte man ihnen auf, die Herrschaft der Bündner zu befolgen und zu respektieren. Aus ihrem jahrelangen Kampf gegen die Fremdherrschaft ist letztlich nur der Misserfolg geblieben. Aus alledem wurde deutlich, dass Spanien die Sache der Veltliner nun endgültig fallengelassen hatte und den Drei Bünden den Vorzug gab.[44] Die wiedererstarkten Bündner Herren fanden sich mit den Verträgen ab und richteten die Herrschaftspraxis der Amtleute wieder ein. In diesen nahmen, sofern noch lebend, die alten Amtleute oder von den Erben bestimmte Ersatzleute für den Zeitraum, der ihren Vorgängern noch verblieben wäre, wieder Platz.[45]

6.) Fazit

Die Bewältigung der großen Aufgabe, Machtpolitik und konfessionelle Vorgaben unter gleichzeitiger Berücksichtigung des legitimen Bündner Wunsches nach Freiheit zu verbinden, gelang den Spaniern um Olivares nicht gänzlich. Doch im Gegensatz zu den Bourbonen, deren Eingreifen in die spanischen Aktivitäten den Konflikt um das Veltlin mit bestimmten, brachten sie die Erfordernisse der politischen Konjunktur und dem Zweck der Eindämmung der Häresie auf den kleinsten, aber möglichen gemeinsamen Nenner. Die eigentliche Leistung der spanischen Verhandlungsführer liegt daher in einem Pragmatismus, der sich erst kurz vor Abschluss der Verträge auf konfessionspolitischem Gebiet geäußert hat, dann aber mit einer größeren Innovation antrat, zu der der Kardinal-Premier Richelieu jemals im Stande gewesen wäre. Trotzdem wäre es vermessen, angesichts der Aufweichung der konfessionellen Imperative von einer „Machiavellisierung“ der spanischen Außenpolitik zu sprechen.

Insofern ging man zwar ein Bündnis mit Protestanten ein, hielt gegenreformatorische Anliegen jedoch stets im Blickpunkt der Vorgehensweise und bekräftige in der Allianz mit Bünden von Neuem die katholische Religion. Und damit Italien von einer Ansteckung des Protestantismus verschont bliebe, bedurfte es nicht nur der Mithilfe der römischen Kirche, sondern ebenso die Unterstützung der katholischen Mächte. Auch militärpolitisch errangen die Spanier einen Erfolg, denn nun standen die wichtigen Alpenpässe nach Mitteleuropa offen. Der Ausblick bei Abschluss der Verträge sah ungewiss aus, doch blieb die Allianz bis zum Ende der spanischen Herrschaft in Mailand bestehen und zeigte so nachträglich den eigentümlichen Erfolg Habsburgs.

7.) Bibliographie

Gedruckte Quellen:

Amtliche Sammlung der ältern eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1500 bis 1680, HG. auf Anordnung der Bundesbehörden, Bd.V, Abteilung 1, Bern 1872, und Abteilung 2, Basel 1875, [Abkürzung: EA = E idgenössische A bschiede].

Jecklin, Constanz: Urkunden zur Staatsgeschichte Graubündens. [=Fortsetzung von Mohr’s Codex diplomaticus, 5. Bd., 3 Hefte], Chur 1883-1886.

Sprecher von Bernegg, Fortunat: Rhetische Cronica/Oder kurtze und wahrhaffte Beschreibung Rhetischer Kriegs/unnd Regiments-Sachen, Chur 1672, (Übersetzung von Sprechers Pallas Rhaetica, armata et togata, Basel 1617).

Sprecher von Bernegg, Fortunat: Geschichte der bünderischen Kriege und Unruhen, von welchem die drei Bünde in Hohenrätien von 1618-1645 heimgesucht worden, 1.Teil (1618-1628) u. 2.Teil (1629-1645), aus dem lateinischen übersetzt und herausgegeben von Conradin von Moor, [=Archiv für die Geschichte der Republik Graubünden, 3], Chur 1856/57.

Zinsli, Phillip: Politische Gedichte aus der Zeit der Bündner Wirren 1603-1639, in: JHGG 40 und 41 (beide 1911).

Monographien:

Blumenthal, Duri: Die Drei Bünde 1535 – 1565. Unter besonderer Berücksichtigung der Bündnisverhandlungen mit Frankreich und Mailand, Diss., Zürich 1990.

Bolzern, Rudolf: Spanien, Mailan und die katholische Eidgenossenschaft. Militärische, wirtschaftliche und politische Beziehungen zur Zeit des Gesandten Alfonso Casati (1594-1621), Luzern, Stuttgart 1982.

Bosbach, Franz: Die Habsburger und die Entstehung des Dreissigjährigen Krieges. Die Monarchia Universalis, in: Krieg und Politik. Europäische Probleme und Perspektiven, hg. v.K. Repgen, München 1988.

Camenisch, Emil: Geschichte der Reformation und Gegenreformation in den italienischen Südtälern Graubündens und in den ehemaligen Untertanengebieten Chiavenne, Veltlin und Bormio, Chur 1950.

Jenny, Rudolf: Historisches über den Freistaat der Drei Bünde und über Graubündens Volk und Kultur, in: Bündner Monatsblatt, ½ (1965).

Lutz, Heinrich: Reformation und Gegenreformation. Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd.10, München-Wien, 1982.

Lutz, Georg: Rom und Europa während des Pontifikats Urbans VIII. Politik und Diplomatie – Wirtschaft und Finanzen – Kultur und Religion, Separatabdruck aus: Rom in der Neuzeit. Politische , kirchliche und kulturelle Aspekte (Hg. v.R. Elze, H. Schmidinger, H. Schulte Nordholt), Wien, Rom 1976.

Moor, Conradin von: Geschichte von Currhätien und der Republik „gemeiner drei Bünde“ (Graubünden), 1 u. 2. Bd., 1. u. 2. Abt., Chur 1871/74.

Pfister, Alexander: Jörg Jenatsch. Briefe 1614-1639, Chur 1983.

Wendland, Andreas: Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen, Zürich 1995.

[...]


[1] Zinsli, Phillip: Politische Gedichte aus der Zeit der Bündner Wirren 1603-1639, in: JHGG 40 und 41 (beide 1911), S.7.

[2] Amtliche Sammlung der ältern eidgenössischen Abschiede aus dem Zeitraume von 1500 bis 1680, Bd.V, Abteilung 1, Bern 1872, und Abteilung 2, Basel 1875.

[3] Zinsli, Politische Gedichte, JHGG 40 und 41 (beide 1911).

[4] Sprecher von Bernegg, Fortunat: Rhetische Cronica/Oder kurtze und wahrhaffte Beschreibung Rhetischer Kriegs/unnd Regiments-Sachen , Chur 1672, u., Geschichte der bünderischen Kriege und Unruhen, von welchem die drei Bünde in Hohenrätien von 1618-1645 heimgesucht worden, 1.Teil (1618-1628) u. 2.Teil (1629-1645), aus dem lateinischen übersetzt und herausgegeben von Conradin von Moor, [=Archiv für die Geschichte der Republik Graubünden, 3], Chur 1856/57.

[5] Wendland, Andreas, Der Nutzen der Pässe und die Gefährdung der Seelen, Zürich 1995.

[6] Blumenthal, Duri: Die Drei Bünde 1535 – 1565. Unter besonderer Berücksichtigung der Bündnisverhandlungen mit Frankreich und Mailand, Diss., Zürich 1990.

[7] Moor, Conradin von: Geschichte von Currhätien und der Republik „gemeiner drei Bünde“ (Graubünden) , 1 u. 2. Bd., 1. u. 2. Abt., Chur 1871/74.

[8] Wendland, Nutzen der Pässe, S.21.

[9] Aus der Schwurformel des Averser Landbuchs von 1622, wiedergegeben von Jenny, Historisches über den Freistaat der Drei Bünde, S.19.

[10] Sprecher, Rhetische Cronica, S.342.

[11] Sprecher , Geschichte der bünderischen Kriege und Unruhen, 1.Bd., S.502.

[12] Vgl. Camenisch, Emil: Geschichte der Reformation und Gegenreformation in den italienischen Südtälern Graubündens und in den ehemaligen Untertanengebieten Chiavenna, Veltlin und Bormio, Chur 1950, S.136.

[13] Camenisch, Geschichte der Reformation, S.137.

[14] Bolzern, Rudolf: Spanien, Mailand und die katholische Eidgenossenschaft. Militärische, wirtschaftliche und politische Beziehungen zur Zeit des Gesandten Alfonso Casati (1594-1621 ), Luzern, Stuttgart 1982, S.16.

[15] Blumenthal, Drei Bünde, S.19.

[16] EA, Bd.V, Abt.2, S.29 f.

[17] Ebd., S.30.

[18] Bolzern, Spanien, Mailand, S.329.

[19] Vgl. die Anmerkung C.v.Moors über den Auslöser des Aufstandes: „Missbilligten schon diesseits der Berge viele Evangelische diese barbarische Prozedur gegen einen seines Verbrechen wenigstens nicht geständigen Mann, so klatschen sich die Volksführer im Veltlin in die Hände; denn jetzt hatten sie die Handhabe gefunden, um den in tiefster Unwissenheit und geistiger Verkommenheit vegetierenden Pöbel zu elektrisieren und zur Rache aufzustacheln.“ (Moor, Gemeiner Drei Bünde, 2.Bd, S.369).

[20] Pfister, Alexander: Jörg Jenatsch. Briefe 1614-1639, Chur 1983, S.21.

[21] EA, Bd.V, Abt.2, S.2123 - 2130.

[22] Jecklin, Constanz, Urkunden zur Staatsgeschichte Graubündens, Chur 1883-1886, S.80, 115, 128 und 130.

[23] EA, Bd.V, Abt.2, S.2129 - 2130.

[24] Pfister, Jenatsch, S.23.

[25] Lutz, Heinrich: Reformation und Gegenreformation. Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd.10, München-Wien, 1982, S.22.

[26] Blumenthal, Drei Bünde, S.26.

[27] Wendland, Nutzen der Pässe, S.153.

[28] Zinsli, Politische Gedichte, S.211 (Titel des Gedichtes: Zwey schöne Lieder: Zu Ehren Ihr Excellenz Herren Heinrich Hertzogen von Rohan, etc. Ludwigen des XIII. Königs in Frankreich

Generälen in Pünden).

[29] EA, Bd.V, Abt.2, S.2034-2035.

[30] Wendland, Nutzen der Pässe, S.155.

[31] EA, Bd.5, Abt.2, S.2161-2162.

[32] Vgl. Wendland, Nutzen der Pässe, S.184 f.

[33] Pfister, Jenatsch, Brief Nr.53 an Ulysses von Salis vom 7.April 1637, S.210.

[34] Wendland, Nutzen der Pässe, S.189.

[35] EA, Bd.V, Abt.2, S.2174.

[36] Vgl. Pfister, Jenatsch, S.40.

[37] EA, Bd.V, Abt.1, S.1023-1025.

[38] Vgl. Moor, Gemeiner Drei Bünde, Bd.2, Abt.2, S.935 u. 937.

[39] EA, Bd.V, Abt.2, S.2174-2195.

[40] Ebd., S.2191.

[41] Ebd., S.2177-2182.

[42] Ebd., S.2207.

[43] Ebd., S.2198, 2206 (Artikel 4 u. 34).

[44] Wendland, Nutzen der Pässe, S.326.

[45] Sprecher, Geschichte der bünderischen Kriege und Unruhen, Bd.2, S.345.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Krise in Veltlin / Graubünden (1613 ff.) im Kontext der Mächterivalität Frankreichs und Habsburgs
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Proseminar
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V109735
ISBN (eBook)
9783640079131
Dateigröße
398 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krise, Veltlin, Graubünden, Kontext, Mächterivalität, Frankreichs, Habsburgs, Proseminar
Arbeit zitieren
Bernd Ortmann (Autor:in), 2005, Die Krise in Veltlin / Graubünden (1613 ff.) im Kontext der Mächterivalität Frankreichs und Habsburgs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109735

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