Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Aufbau von Nachrichten
Form
Sprache
Wichtigkeit und Neuigkeitswert
Objektivität
2.4 Vergleich von „Tagesschau“ und „heute“
3. Analyse von drei Nachrichtenmeldungen
3.1 „18:30“
3.2 „heute“
3.3 „Tagesschau“
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
6.1 „18:30“
6.2 „heute“
6.3 „Tagesschau“
1. Vorwort
Die Nachrichtensendungen des Fernsehens bilden die Grundlage der politischen Information und Meinungsbildung der Bevölkerung [Gräbe (1980), S.148]. Aus diesem Grund beschäftigt sich diese Arbeit mit einer Analyse von drei Nachrichtenmeldungen.
Bei den ausgesuchten Nachrichtensendungen handelt es sich um die „Tageschau“ der ARD, der „heute“ - Sendung des ZDF und „18:30“ von Sat 1, die am Mittwoch, den
8. August 2001, aufgezeichnet wurden.
Diese Arbeit beginnt mit einem Theorieteil, der sich in die Unterthemen „Form“, „Sprache“, „Wichtigkeit und Neuigkeitswert“, „Objektivität“ und „Vergleich von ‚Tagesschau’ und ‚heute’“ gliedert. Ohne ihn wäre eine genaue Analyse nicht möglich gewesen. In der Analyse soll festgestellt werden, wann die einzelnen Meldungen in den Nachrichtensendungen gezeigt werden, welche Länge sie haben und mit welchen sprachlichen Merkmalen sie versehen sind. Die „Perspektivische Darstellung von Fernsehnachrichten“ soll deutlich werden. Um einen Vergleich der Nachrichtenmeldungen vornehmen zu können, habe ich mir eine Meldung ausgesucht, die Bestandteil aller drei Nachrichtensendungen ist. Es handelt sich dabei um eine Meldung über eine Festnahme von Mitarbeitern einer Hilfsorganisation namens ‚Shelter Now’ in Afghanistan. Der Anlass für die Festnahme soll aus Sicht der Taliban eine Missionierung des Christentums gewesen sein. Den Abschluss bildet das Fazit der Analyse. Im Anhang befindet sich die wörtliche Wiedergabe der drei Nachrichtenmeldungen zu diesem Thema. Die Bildsemiotik wird bei der Untersuchung vollständig ausgeklammert. Die Hauptlektüre, mit der ich gearbeitet habe, war das Buch „Rhetorik für Radio und Fernsehen“ von J. Häusermann.
2. Aufbau von Nachrichten
Für eine spätere Analyse der drei Nachrichtenmeldungen ist der folgende theoretische Teil unerlässlich, der sich aus den Unterthemen „Form“, „Sprache“, „Wichtigkeit und Neuigkeitswert“, „Objektivität“ und „Vergleich von ‚Tagesschau’ und ‚heute’“ zusammensetzt.
2.1 Form
In einer Nachrichtensendung wird das Wichtigste zuerst genannt (s. 2.2), dann folgen nähere Umstände und Einzelheiten. Der Aufbau wird oft durch eine umgekehrte Pyramide dargestellt. Der Einstieg zu Beginn einer Nachricht heißt Lead. Er beinhaltet Kerngedanken und besitzt außerdem die wichtige Funktion zu motivieren. Es gibt unterschiedliche Einstiegsvarianten für eine Nachricht; eine Zusammenfassung dient als Orientierungshilfe, eine Wundertüte baut Spannung auf, indem sie wichtige Informationen erst im zweiten oder dritten Satz erwähnt, ein Schlagzeilen- Einstieg schafft durch Auslassung meist von Verben Plakatives, und eine Inversion dreht die übliche Wortfolge im Satz um. Eine Ortsangabe signalisiert den Beginn einer neuen Nachricht und Rubriken, wie z.B. „Inland“ oder „Wirtschaft“, eignen sich gut als Gliederungshilfe [Häusermann (1986), S. 176 ff].
2.2 Sprache
Die Sprache der Fernsehnachrichten ist einerseits in der Regel einfacher als die Sprache der Tageszeitungen [Muckenhaupt (2000), S. 69], andererseits „gehört (sie) in den prägnantesten Merkmalen einem Sprachsystem an, das den meisten Rezipienten nicht zur Verfügung steht [Gräbe (1980), S.101].“ Allerdings darf es „als gesichert gelten, dass man Themen, die man verstehen will, [...], tatsächlich versteht, auch wenn sie vermeintlich mit Sprachbarrieren versehen sind [Kreuzer (1980), S. 230].“ Stilmittel der Nachrichten sind komprimierte Sätze und Nominalisierungen. Sie sind typische Erscheinungen der Nachrichtensprache, da sie es ermöglichen, möglichst viel in kurzer Zeit zu sagen [Muckenhaupt (2000), S. 86]. Es kommen sehr häufig Redensarten oder feste Verbindungen in der Nachrichtensprache vor [Muckenhaupt (2000), S. 82], da sie die Bedeutung einer Nachricht besonders unterstreichen können.
2.3 Wichtigkeit und Neuigkeitswert
In den USA wird die Wichtigkeit von Nachrichten zwischen hard und soft news unterschieden. In Deutschland teilt man die Meldungen in E- und U- Nachrichten auf, wobei „E“ für ernste und „U“ für unterhaltende Nachrichten steht. Während ernste Nachrichten für die Entwicklung einer Gesellschaft von Bedeutung sind, wie z.B. Wirtschaft, Politik oder Kultur, berichten unterhaltende Nachrichten über Kurioses, Sensationelles und Individuelles. Es gibt zusätzlich folgende Kriterien für die Wichtigkeit einer Nachricht. Da wäre das allgemeine Interesse, das berücksichtigt werden muss, denn manche Nachrichten sind nur für eine bestimmte Alters- oder Berufsgruppe interessant; die Folgenschwere meint, dass beispielsweise kleine Krisen weitreichende Folgen mit sich bringen können und deshalb von großer Bedeutung sind; mit Nähe und Intensität ist gemeint, dass z.B. bei einem Unglück in unserer Nähe die Wahrscheinlichkeit größer ist, selbst unter den Opfern gewesen sein zu können, daher betrifft es uns mehr; weit entfernte Ereignisse können aber aufgrund politischer, wirtschaftlicher oder kultureller ‚Nähe’ wichtig sein. Die Informationsmenge richtet sich danach, ob der Informationsfluss gering oder sehr groß ist. Tritt der zweite Fall ein, kann nur noch das Wichtigste vom Wichtigsten berücksichtigt werden. Sogenannte „Dauerbrenner“ sind Ereignisse, über die Tage, Wochen oder Jahre kontinuierlich berichtet wird [Häusermann (1986), S. 157ff].
2.4 Objektivität
Eine objektive Nachrichtenmeldung, die eine realitätsgerechte Wahrnehmung und Sachlichkeit ohne Einseitigkeit und ohne Parteinahme beinhaltet, gibt es gar nicht. Schon die Wahl des Aufnahmestandorts, der Perspektive und des Ausschnitts beruht immer auf subjektiven Wertungen und Einstellungen. Verschiedene Interpretationen der Realität durch gesellschaftliche Gruppen wie z.B. Parteien, Verbände und Kirchen schaffen Ausgewogenheit. Außerdem sind Ansichten und Interpretationen selbst auch wieder Teil der Realität, daher gilt für sie der Grundsatz der Objektivität [Häusermann (1986), S. 164]. Quellenangaben bieten einer Nachrichtenredaktion die Möglichkeit Abstand vom berichteten Sachverhalt zu gewinnen. Wenn Quellenangaben gemacht werden, trägt die Redaktion nicht die Verantwortung für das Gemeldete. Beispiele für Quellenangaben sind z.B. „ nach Angaben [des Auswärtigen Amtes]“, „wie [am Abend] bekannt wurde“ oder „ so heißt es“. Adverbien wie „vermutlich“ oder Modalverben wie „ sollen“ schwächen die Glaubwürdigkeit einer Nachricht [Muckenhaupt (2000), S. 74]. Der Boulevardjournalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nach sachlichem Gehalt gewichtet, sondern nach dem Reizwert einer Nachricht [Häusermann (1986), S. 182]. Eine Interpretation eines Geschehens muss immer durch Fakten belegt sein, denn Spekulationen und persönliche Meinungen sind nicht mit dem Anspruch der Objektivität vereinbar [Häusermann (1986), S. 169].
2.4 Vergleich von „Tagesschau“ und „heute“
Die „Tagesschau“ wird mit der „heute“ - Sendung am häufigsten eingeschaltet und hatte 1996 pro Tag durchschnittlich 8, 44 Millionen Zuschauer. Die Fernsehzuschauer glauben, dass die „Tagesschau“ klarer zwischen Nachricht und Meinung trennt, d.h. die Tatsachen so wiedergibt, wie sie sind. Die Nachrichtensendungen der Privaten rufen ein deutliches Seriositätsdefizit hervor, da sie „zu viel Buntes und Vermischtes bringen, statt sich auf wichtige Ereignisse zu konzentrieren.“ [Mast (1999), S. 268] Viele Zuschauer empfinden die Nachrichten als gelegentlich übertrieben, und glauben, dass durch Übertreibungen der Ereigniswert gesteigert werden soll [Mast (1999), S. 267 f].
Die „heute“ – Sendung startete 1963 und versuchte sich gegenüber dem Konkurrenten „Tagesschau“, die 1958 erstmals ausgestrahlt wurde, durchzusetzen, indem sie eine „flotte Dramaturgie“, eine längere Sendezeit, umgangssprachliche Texte und das ein oder andere vergnügliche Thema verwendete [Kreuzer (1980), S. 149].
Die Sprechermeldungen der „Tagesschau“ sind wesentlich komplizierter und von der Umgangssprache abweichender formuliert als bei der „heute“ - Sendung [Kreuzer (1980), S. 227]. Während in der Umgangssprache ca. 11 % des Wortmaterials Substantive sind, beläuft sich der Anteil sowohl in der „Tagesschau“ als auch in der „heute“ – Sendung auf 33 %. Der Anteil der Nominalisierungen ist doppelt bis dreifach so hoch wie in der gesprochenen Umgangssprache [Kreuzer (1980), S. 232]. Außerdem werden überdurchschnittlich viele Passivsätze gebraucht, die schwieriger zu verstehen sind als die aktiven Formen. Während 18 % in den Sprechermeldungen der „Tagesschau“ Passivsätze darstellen, sind es bei „heute“ nur 4 %. Die hohe Sprechgeschwindigkeit der „Tagesschau“ mit 334 Silben/ Minute liegt deutlich über dem optimalen mittleren Sprechtempo von 250 Silben/ Minute. Dies hängt vielleicht damit zusammen, dass die „Tagesschau“ eine kürzere Sendezeit hat als die „heute“ - Sendung [Kreuzer (1980), S. 236f].
3. Analyse von drei Nachrichtenmeldungen
Die Nachrichtenmeldung über die inhaftierten Deutschen in Afghanistan gehört in die Kategorie „Dauerbrenner“, da sie über mehrere Tage in den Nachrichten erschien. Sie ist eine ernste Nachricht, die in den drei Nachrichtensendungen unterschiedlich dargestellt wird. In wieweit sich diese Sendungen von einander unterscheiden, soll nun in den Unterkategorien „Position“, „Länge“ und „sprachliche Merkmale“ untersucht werden.
3.1 „18:30“
3.1.1 Position
Die Meldung über die in Afghanistan inhaftierten Deutschen erfährt in der Sendung eine geringere Gewichtung als in den folgenden Nachrichtensendungen. Sie taucht nur im Nachrichtenüberblick auf. Zuvor sind die ersten Meldungen ein Tunnelunglück, die Arbeitslosigkeit in Deutschland und eine Tötung einer Kuh auf einer Autobahn.
3.1.2 Länge
Es handelt sich um eine Kurzmeldung [Muckenhaupt (2000), S. 71] im Umfang von fünf Sätzen (s. Anhang).
3.1.3 sprachliche Merkmale
Die Nachrichtenmeldung beginnt mit der Nominalisierung „Hoffnung“, durch deren positive Bedeutung eine Spannung hervorgerufen wird, die den Zuschauer neugierig machen soll. Der erste Satz ist der Lead. Er beinhaltet den Kerngedanken der Meldung, dass Deutsche in Afghanistan inhaftiert wurden und wahrscheinlich doch ausgewiesen werden. Es folgen die näheren Umstände, dass den Inhaftierten vorgeworfen wird, „zum Christentum bekehren zu wollen“ und dass darauf die Todesstrafe steht. Die Einzelheiten, dass mit den deutschen Mitarbeitern Afghanen, Australier und US- Bürger in Haft sitzen und „deutsche Diplomaten [...] auf dem Weg nach Kabul“ seien beenden den ersten Abschnitt. Gekennzeichnet ist die Nachricht durch kurze Sätze, die von einem Sprecher vorgetragen werden, d.h. es erfolgt also kein Sprecherwechsel.
In der zweiten Nachrichtenzeile taucht das relativierende Adverbium „möglicherweise“ auf, das auf eine ungesicherte Nachricht hinweist. Der Eindruck einer ungesicherten Meldung wird noch verstärkt, wenn man einen Vergleich mit den anderen Nachrichtensendungen vornimmt. Es zeigt sich, dass nur die Nachrichtenmeldung in Sat1 davon berichtet, dass die „inhaftierten vier Deutschen [...] möglicherweise doch ausgewiesen“ werden. In den Nachrichten von ARD und ZDF wird lediglich davon gesprochen, dass sich Diplomaten um eine Einreise bemühen. Eine Nachrichtenquelle für die in Sat1 ausgestrahlte Meldung wird nicht angegeben. Im folgenden wird von „Todesstrafe“ gesprochen, während die Tagesschau über „drastische Strafen“ informiert. Die heute- Sendung berichtet zuerst über eine Strafe „nach der Sharia“, dann - im unteren Drittel der Meldung - spricht der Korrespondent ebenfalls von einer Todesstrafe. Sat1 erweckt den Eindruck, dass die Gefangenen auf jeden Fall getötet werden, wenn sie nicht ausgewiesen werden. Die heute- Sendung spricht davon, dass eine Todesstrafe den Gefangenen aber „zumindest wohl nicht“ drohe. In der Tagesschau wird das Wort „Todesstrafe“ gar nicht erwähnt. Im letzten Satz der
Sat1- Meldung wird gesagt, dass „deutsche Diplomaten [...] mittlerweile auf dem Weg nach Kabul“ seien. Dies steht im Widerspruch zu den Äußerungen sowohl der Tagesschau als auch der heute- Sendung. In der Tagesschau heißt es bezüglich der Einreise der Diplomaten, dass es eigentlich „schon heute“ zu einer Einreise der Diplomaten kommen sollte, jetzt aber „morgen damit gerechnet“ werde. Eine Einreise der Diplomaten ist also auch „morgen“ nicht eindeutig sicher. In der heute- Sendung wird durch das relativierende Wort „wollen“ ebenfalls deutlich, dass es noch nicht gesichert ist, dass die Diplomaten wirklich einreisen. In ARD und ZDF ist die Rede von fehlenden Visa, die die Unsicherheit einer Einreise der Diplomaten am folgenden Tag noch erhöht.
3.2 „heute“
3.2.1 Position
Die Nachrichtenmeldung über die inhaftierten Deutschen ist die erste Meldung der Nachrichtensendung. Sie besitzt damit eine sehr hohe Gewichtung innerhalb der Sendung.
3.2.2 Länge
Mit einer Länge von ca. einer DinA4– Seite (s. Anhang) ist sie die längste der drei Nachrichtenmeldungen.
3.2.3 sprachliche Merkmale
Die Nachricht beginnt mit einer Zusammenfassung. Der Lead umfasst den ersten Abschnitt. Es folgen die näheren Umstände bis zu der Stelle, wo sie von den Einzelheiten in dem Dialog der Nachrichtensprecherin mit dem Korrespondenten abgelöst werden.
Im Gegensatz zu der Nachrichtenmeldung in Sat1, in der nur ein Sprecher vorträgt, gibt es hier insgesamt elf Sprecherwechsel. Ein Grund für den häufigen Wechsel ist ein Dialog der Nachrichtensprecherin mit einem Süd- Ostasien- Korrespondenten. Dass es sich bei dem Kommentar des Korrespondenten um seine persönliche Meinung handelt, wird durch das Personalpronomen „ich“ sichtbar. Als Informationsquellen werden ein Sprecher von „Shelter Germany“, ein Botschafter der Taliban, ein Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und ein Süd- Ostasien- Korrespondent genannt. Die Quellenangaben zeigen, dass die Redaktion Distanz zu den dazugehörigen Berichten wahrt und keine Verantwortung für eben diese übernimmt. Die Glaubwürdigkeit dieser Meldung wird abgeschwächt, indem Adverbien wie „angeblich“ und Modalverben wie „wollen“ verwendet werden. Adjektive wie „intensiv“ oder „fieberhaft“ kommen vor und betonen die Anstrengungen der westlichen Diplomaten und des Auswärtigen Amtes um eine Freilassung der inhaftierten Deutschen. Viele Nominalisierungen wie beispielsweise „Ungewissheit“, „Festgenommenen“, „Verhandlungen“, Verzögerung“, „Einschüchterung“ und „Verängstigung“ tauchen auf, da sie typisch für Nachrichten sind. Es werden hauptsächlich Aktivsätze verwendet. Am Schluss der Meldung wird die Redensart „fest im Sattel sitzen“ eingesetzt, um der Frage über die Macht des Talibanregime besonderen Ausdruck zu verleihen.
3.3 „Tagesschau“
3.3.1 Position
Die untersuchte Nachricht befindet sich an achter Stelle der Meldungen. Zuvor wird über Wirtschaftsthemen, wie „Wirtschaftswachstum“, „Ökosteuer“ und „Teuerung im Juli“ berichtet.
3.3.2 Länge
Mit ca. einer halben DinA4 – Seite Umfang (s. Anhang) liegt diese Meldung zwischen den beiden anderen.
3.3.3 sprachliche Merkmale
Mit einer Zusammenfassung beginnt auch diese Nachrichtenmeldung. Der Lead umfasst wieder den ersten Abschnitt, die Einzelheiten sind im letzten Absatz zu finden und die näheren Umstände sind in dem Abschnitt in der Mitte angesiedelt.
Im Gegensatz zur heute- Sendung wechselt hier der Sprecher nur zwei mal. Dies liegt an einer niedrigeren Gewichtung der Meldung, die einen entsprechend geringeren Umfang ausmacht. Ein anderer Grund ist die längere Sendezeit der heute- Sendung, die dadurch längere Berichte zeigen kann. Die genannten Informationsquellen in der Tagesschau sind ein afghanischer Oppositionspolitiker und ein stellvertretender afghanischer Botschafter in Pakistan. Die Quellenangaben zeigen auch hier, dass die Redaktion Distanz zu den dazugehörigen Berichten wahren möchte. Ein weiteres sprachliches Merkmal ist die in Nachrichten häufig verwendete Satzklammer („[...] bemühen sich [...] herzustellen.“), die gleich im ersten Satz steht. Nominalisierungen wie „ die Festgenommenen“, „die Festnahme“, „ die Untersuchungen“ und „die Verhafteten“ treten vermehrt auf. Auch dies ist eine typische Erscheinung der Nachrichtensprache, da dadurch ermöglicht wird, möglichst viel in kurzer Zeit zu sagen. Es werden keine Adverbien oder Modalverben benutzt, die eine Abschwächung der Glaubhaftigkeit zur Folge hätten.
4. Fazit
Nach der Analyse der drei Nachrichtenmeldungen lässt sich der Grund für die Wahl des Titels der Hausarbeit „Perspektivische Darstellung von Fernsehnachrichten“ erkennen.
Die Meldung über die inhaftierten Deutschen in Afghanistan erfährt in den drei Nachrichtensendungen ganz unterschiedliche Gewichtungen. Während sie in der heute- Sendung die Hauptmeldung darstellt, die dementsprechend ausgearbeitet wurde, taucht sie in den Sat1- Nachrichten mit fünf Sätzen nur im Nachrichtenüberblick auf. Die Meldung der Tagesschau liegt von ihrem Umfang her in der Mitte der Nachrichtensendungen. Ein Ereignis wird hier aus den unterschiedlichen Perspektiven der Nachrichtensendungen dargestellt. Dadurch kommt es zu unterschiedlichen Ergebnissen im Bezug auf Gewichtung, Umfang und sprachliche Mittel.
Zuerst komme ich zu einer Bewertung der Sat1- Nachricht. Bei der Aussage, dass die Deutschen „möglicherweise doch ausgewiesen“ werden, handelt es sich um eine unbegründete Hoffnung. Es handelt sich um eine Beschönigung von Tatsachen. Die Aussage ist eher eine Spekulation und eine persönliche Meinung und ist daher nicht mit dem Anspruch der Objektivität vereinbar. Die Meldung liefert keinen Anhaltspunkt, warum es jetzt zu einer Ausweisung der Gefangenen kommen sollte. Die Interpretation eines Geschehens muss aber durch Fakten belegt sein. Die Nachrichtenmeldungen von ARD und ZDF machen ihrerseits keine unbegründeten Hoffnungen über eine mögliche Freilassung der Gefangenen. Das ZDF berichtet von weiteren Bemühungen des Auswärtigen Amtes um eine Freilassung der Deutschen und in der ARD sagt der afghanische Botschafter, dass der Zeitpunkt einer Freilassung ungewiss sei. Mit der unbegründeten „Hoffnung“ wendet Sat1 einen stilistischen Trick an, um den Ereigniswert zu steigern. Diesen Eindruck bekommt man auch durch die Wahl des Wortes „Todesstrafe“. Während das Wort in der ARD vermieden und im ZDF in Verbindung mit den beruhigenden Worten „zumindest wohl nicht“ verwendet wird, taucht es in Sat1 ungemildert auf. Die Sat1- Nachrichtenmeldung erinnert an den Boulevardjournalismus, der die Informationen nicht nach dem sachlichen Gehalt, sondern nach dem Reizwert gewichtet. Daher schließe ich mich der Meinung vieler Zuschauer an, dass die Nachrichtensendungen der Privaten ein deutliches Seriositätsdefizit hervorrufen und die Nachrichten teilweise übertrieben wirken. Interessant ist auch die unterschiedliche Wertung der einzelnen Meldungen in den Sat1- Nachrichten. So wird die Wichtigkeit der ersten drei Meldungen durch ihre Nähe und Intensität bestimmt. Sowohl das Tunnelunglück in Österreich, als auch die Arbeitslosigkeit in Deutschland und die Kuh auf einer bayrischen Autobahn besitzen einen Nähefaktor. Das weit entfernte Ereignis in Afghanistan besitzt aber durch die dort inhaftierten Deutschen einen Nähefaktor und taucht wahrscheinlich deshalb als erste Meldung in der Nachrichtenübersicht auf.
Bei einem Vergleich von ARD und ZDF fällt auf, dass beide in dieser Meldung keine gemeinsame Quellenangabe besitzen, wie das in anderen Meldungen schon mal der Fall ist. Gemeinsam ist beiden Nachrichtensendungen zwar ein Kommentar eines afghanischen Botschafters, in der Tagesschau handelt es sich aber um einen „stellvertretenden afghanischen Botschafter“ und in der heute- Sendung um einen „Botschafter der Taliban“. Durch den afghanischen Oppositionspolitiker, der in der Tagesschau zu Wort kommt, wird deutlich, dass nicht alle Afghanen das Talibanregime inklusive der Verhaftung der Mitarbeiter der Hilfsorganisation billigen. Die heute- Sendung interviewt einen Botschafter der Taliban, der betont, dass die Deutschen bereits Propaganda betrieben hätten und verwarnt worden wären. Dies ist eine wichtige Information, wenn man einschätzen will, wie eine Bestrafung der Taliban aussehen könnte. Als einzige Nachrichtensendung berichtet die Tagesschau davon, dass es den Gefangenen gut geht. Da bereits vor der Aufnahme der untersuchten Meldungen über die inhaftierten Deutschen berichtet wurde, besteht die Möglichkeit, dass die Tagesschau einen ausführlichen Bericht schon gesendet hatte. Im Gegensatz zu den Meldungen von Sat1 und ZDF werden in der ARD keine Adverbien oder Modalverben benutzt, die eine Abschwächung der Glaubwürdigkeit zur Folge hätten. Im Unterschied zur heute- Sendung verzichtet die Tagesschau außerdem auf Adjektive wie z.B. „fieberhaft“ und wirkt durch diese Aussparungen objektiver. Durch die genannten Merkmale der „Tagesschau“ wird verständlich, warum viele Fernsehzuschauer glauben, dass sie die Tatsachen so wiedergibt, wie sie sind.
5. Literaturverzeichnis
- Gräbe, Roland (Hrsg.): Fernsehen im Deutschunterricht. Opladen 1980.
- Häusermann, Jürg (Hrsg.): Rhetorik für Radio und Fernsehen. Aarau 1986.
- Kreuzer, Helmut (Hrsg.): Fernsehforschung – Fernsehkritik. Göttingen 1980.
- Mast, Claudia (Hrsg.): Programmpolitik zwischen Markt und Moral. Opladen 1999.
- Muckenhaupt, Manfred (Hrsg.): Fernsehnachrichten gestern und heute. Tübingen 2000.
6. Anhang
3 Nachrichtensendungen vom 08.08.01
Es folgt die wortgetreue Wiedergabe der drei Nachrichtenmeldungen. Ein neuer Absatz kennzeichnet einen Sprecherwechsel.
6.1 18:30 (Sat 1)
- „Hoffnung: Die in Afghanistan inhaftierten vier Deutschen – hier zwei der Frauen- werden möglicherweise doch ausgewiesen. Ihnen wird vorgeworfen Moslems zum Christentum bekehren zu wollen. Darauf steht in dem radikal- islamischen Land die Todesstrafe. Mit den Deutschen sitzen auch zwei Australier, zwei US- Bürger und 16 Afghanen in Haft. Deutsche Diplomaten sind mittlerweile auf dem Weg nach Kabul.“
6.2 heute (ZDF)
- „Der Westen macht sich weiter große Sorgen um die Mitarbeiter der Hilfsorganisation ‚Shelter Now’, die in Afghanistan im Gefängnis sitzen. Unter den acht Ausländern sind vier Deutsche, die zusammen mit 16 Einheimischen von der Sittenpolizei festgenommen wurden. Angeblich, weil sie für das Christentum missioniert hätten. Die Taliban haben bereits angekündigt alle Gefangenen nach der Sharia abzuurteilen. Bisher haben sie ihnen auch keinen Kontakt zu ihren Botschaften erlaubt.“
- „Die Ungewissheit über das Schicksal der deutschen Helfer wächst mit jedem Tag. Noch immer hat ‚Shelter Now’ keinen Kontakt zu dem Projektleiter und den drei Assistentinnen. Um nicht noch weitere Mitarbeiter in Afghanistan zu gefährden, hat die Organisation jetzt Konsequenzen gezogen.“
- „Die Situation ist die, dass unser Büro in Kabul geschlossen wurde und unsere Mitarbeiter nach Pakistan geflohen sind, bis auf die acht die inhaftiert sind. Wir haben momentan keine Mitarbeiter in Afghanistan.“ (Sprecher „Shelter Germany“)
- „Die Taliban werfen den Festgenommenen vor, sie hätten unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe für das Christentum geworben und das nicht zum ersten Mal.“
- „Schon vor einiger Zeit, so sagte ein Botschafter der Taliban, wurde Shelter deshalb verwarnt und aufgefordert diese Propaganda in Zukunft zu unterlassen.
In Berlin bemüht sich das Auswärtige Amt weiter intensiv um die Freilassung der Deutschen. Hier zu Lande setzt man auf Verhandlungen mit den Taliban.“
- „Wichtig ist, dass man einen Kontakt bekommt zu den Gefangenen; wichtig ist auch, dass man einen Kontakt bekommt zu denen, die zu entscheiden haben; wichtig ist jede Situation zu vermeiden, in der es ums Prinzipielle geht und nicht mehr um die konkrete Situation.“ (Vorsitzender Auswärtiger Ausschuss)
- „Morgen wollen Diplomaten aus Deutschland, den USA und Australien nach Kabul reisen, zu Verhandlungen vor Ort und zur Betreuung der Gefangenen.“
- „Jetzt bin ich verbunden mit unserem Süd-Ostasien- Korrespondenten Uwe Kröger.
Westliche Diplomaten bemühen sich ja fieberhaft um eine Einreise nach Kabul. Wird Ihnen das denn gelingen?“
- „Ich habe eben noch mit der Deutschen Botschaft in Islamabad gesprochen. Es gibt keine Zusage, aber auch keine Absage. Das heißt, heute Abend steht nur fest, bisher gibt es noch keine Visa für die drei westlichen Diplomaten. Die sollten ja eigentlich morgen früh mit der Maschine der Vereinigten Nation nach Kabul fliegen, um dort die Gefangenen zu treffen. Eines steht fest, die Todesstrafe droht den westlichen Gefangenen zumindest wohl nicht. Weshalb die Verzögerung mit den Visa zustande gekommen ist, weiß man nicht. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Taliban sich selbst uneins sind, wie sie die Geschichte spielen wollen. Ob sie das versöhnlich machen wollen, oder eher im Sinne der Konfrontation, die sie ja früher in der Buddhaaffäre an den Tag gelegt haben.“
- „Sie waren ja gerade erst in Afghanistan. Wie fest sitzt dieses Talibanregime denn überhaupt im Sattel?“
- „Ich denke sie sitzen sehr fest im Sattel. Und es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass sich die Hardliner, die harte Linie, also noch weiterhin durchsetzt. Das heißt, dass es noch weiterhin Richtung eines islamischen Gottesstaates geht, indem nichts anderes gilt, als der Koran und damit die Sharia, das islamische Recht. Was die Opposition, die Formierung einer Opposition, anlangt, so muss man eher pessimistisch sein. Unter diesem Netz von Einschüchterung und Verängstigung wird sich kaum eine Opposition formieren können. Also, ich denke mal zur Taliban gibt es keine Alternative.“
- „Vielen Dank für ihre Einschätzungen.“
6.3 Tagesschau (ARD)
- „Diplomaten aus Deutschland, den USA und Australien bemühen sich weiter Kontakt zu den in Afghanistan festgenommenen Mitarbeitern der internationalen Hilfsorganisation Shelter Now herzustellen. Sie wollen morgen nach Kabul reisen, haben bislang allerdings noch nicht die nötigen Einreisevisa. Den Festgenommenen wird vorgeworfen, für das Christentum geworben zu haben, was vom Radikalislamischen Regime mit drastischen Strafen geahndet wird.“
- „Ghairat Baheer ist afghanischer Oppositionspolitiker. Er verurteilt die Politik der Taliban, gerade auch was die Festnahme der Mitarbeiter der Hilfsorganisation betrifft. ‚Afghanistan ist in großer Not, benötigt Hilfe von überall her. Die Taliban sollten den Weg frei machen für diese Hilfen.’ Doch zumindest für die festgenommenen Mitarbeiter von Shelter Now trifft das nicht zu. Wir treffen den stellvertretenden afghanischen Botschafter in Pakistan, Mohamed Shaheen.
Den Verhafteten gehe es gut, sagt er uns, es sei nur ungewiss, wann sie freigelassen würden. ‚Es gibt keine bestimmte Zeit, erst müssen die Untersuchungen abgeschlossen sein..’ Und wann können die ausländischen Diplomaten die Festgenommenen besuchen? ‚Ich bin in Kontakt mit dem Außenministerium in Kabul. Dort wird entschieden, wann die Diplomaten einreisen können.’ Eigentlich sollte das schon heute passieren, jetzt wird morgen damit gerechnet.“
Häufig gestellte Fragen
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Diese HTML-Datei enthält eine Analyse von drei Nachrichtensendungen des Fernsehens: "Tagesschau" (ARD), "heute" (ZDF) und "18:30" (Sat 1). Die Analyse konzentriert sich auf eine Meldung über die Festnahme von Mitarbeitern einer Hilfsorganisation namens 'Shelter Now' in Afghanistan im August 2001.
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Die Analyse untersucht die folgenden Aspekte der Nachrichtensendungen: Form, Sprache, Wichtigkeit und Neuigkeitswert, Objektivität und einen Vergleich von "Tagesschau" und "heute". Für die konkrete Meldung über die Festnahme werden Position innerhalb der Sendung, Länge und sprachliche Merkmale betrachtet.
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Der Theorieteil behandelt den Aufbau von Nachrichten (Lead, umgekehrte Pyramide), die Sprache der Fernsehnachrichten (komprimierte Sätze, Nominalisierungen), die Kriterien für Wichtigkeit und Neuigkeitswert (allgemeines Interesse, Folgenschwere, Nähe, Informationsmenge) und die Problematik der Objektivität.
Welche Schlussfolgerungen werden aus der Analyse gezogen?
Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass die gleiche Nachricht in den drei Sendungen unterschiedlich gewichtet und dargestellt wird, was zu unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf Gewichtung, Umfang und sprachliche Mittel führt. Die Sat.1-Nachrichtenmeldung wird als dem Boulevardjournalismus näherstehend bewertet.
Welche spezifischen Unterschiede werden zwischen den Sendungen festgestellt?
Die "heute"-Sendung gibt dem Thema die höchste Priorität, während es in "18:30" nur kurz im Nachrichtenüberblick erwähnt wird. "Tagesschau" liegt dazwischen. Die Sprache und die verwendete Terminologie (z.B. "Todesstrafe") variieren ebenfalls zwischen den Sendungen, was die Glaubwürdigkeit und den Eindruck der Objektivität beeinflusst.
Welche Informationsquellen werden verwendet und erwähnt?
Die Analyse erwähnt eine Reihe von Informationsquellen, darunter Sprecher von "Shelter Germany", afghanische Oppositionspolitiker, Taliban-Botschafter, Korrespondenten und Vorsitzende von Ausschüssen. Die Verwendung dieser Quellen dient dazu, Distanz zum berichteten Sachverhalt zu wahren.
Was wird im Anhang bereitgestellt?
Der Anhang enthält die wortgetreue Wiedergabe der drei analysierten Nachrichtensendungen vom 8. August 2001, um die Grundlage der Analyse nachvollziehbar zu machen.
Welche Einschränkungen werden in der Analyse erwähnt?
Die Bildsemiotik wird bei der Untersuchung vollständig ausgeklammert. Die Hauptlektüre, mit der gearbeitet wurde, war das Buch „Rhetorik für Radio und Fernsehen“ von J. Häusermann.
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- Anonym (Autor:in), 2001, Perspektivische Darstellung von Fernsehnachrichten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109744