Bruno Bettelheim


Referat (Ausarbeitung), 2005

11 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Bruno Bettelheim

Kindheit und Jugend:

- 28.Agust 1903 in Wien als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Sägewerksbesitzers geboren
- die Familie war im jüdischen Glauben nicht tief verwurzelt
- Bettelheim genoss eine klassische Bildung am Wiener-Reform-Gymnasium
- bis zum Alter von 14Jahren hatte Bruno Bettelheim der Realität des Krieges durch Lesen entfliehen können
- doch nach und nach erkannte er das die heile Welt, welche ihm auch seine Familie gern vorspielen wollte, nicht existierte
- schon früh begann sein Engagement und sein Interesse, die Welt nicht so hin zunehmen wie sie war→ er trat den „JUNG- Wandervögeln“ bei, eine linksgerichtete Abspaltung der nationalistischen Jugendbewegung in Wien
- er abbonierte die Schulzeitschrift „Der Anfang“ → dies bildete die Grundlage für seine pädagogischen Überzeugungen
- In diesem Alter kam Bettelheim auch das erste Mal mit Freudschen Schriften in Berührung: - Er war in ein Mädchen verliebt, die ihrerseits aber einem jungen Medizinstudenten ihr Herz schenkte. Dieser Medizinstudent erzählte in der Jugendgruppe des öfteren von Freud und der Psychoanalyse. Um das Mädchen zurück zu erobern beschäftigte sich nun auch Bruno mit dem Thema Freud und kaufte sich so viel Literatur wie möglich war. ( und dies in der einzigen Buchhandlung Wien zu psychoanalytischen Themen → da sie diese selbst verlegte)
- Die Begeisterung für das Mädchen ließ schnell nach, die für Freud blieb
- Freuds Schriften waren sehr interessant für die jungen Leute, da sie radikal und neu klangen
- in dieser Zeit begann Bettelheim sich mit dem Judentum auseinander zusetzen und entwickelte ein Zugehörigkeitsgefühl und Stolz für den jüdischen Glauben→ dies war sehr bedeutend für ihn als er später in deutschen Konzentrationslagern für eben diesen Glauben misshandelt und gedemütigt wurde
- Der Zusammenbruch der österreichisch- ungarischen Monarchie im Jahr 1918 bedeutete für die Familie den Verlust eines großen Teils ihres Vermögens→ der Vater litt extrem unter den ganzen Veränderungen und konnte sich damit nicht abfinden: Bruno erkannte dadurch, das er die Sicherheit, welche ihm im Moment durch seine Umgebung gegeben ist, nicht als dauerhaft ansehen darf. Man muss sich einer Welt,, die sich verändert, anpassen.
- 1926 starb sein Vater und Bruno hatte den Betrieb geerbt und sollte ihn weiterführen

Studium und Beruf

- Bruno Bettelheim begann ein paar Jahre vor dem Tod des Vaters sein Studium, Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie
- als sich heraus stellte, das er den Betrieb des Vaters übernehmen müsse, belegte er nebenbei noch Kurse in kaufmännischem Rechnungswesen und Handelsrecht
- schon wenige Monate nach dem Tod des Vaters übernimmt Bettelheim den Betrieb komplett und findet keine Zeit mehr fürs Studium→ wieder hat er das Gefühl das sich einer seiner Träume nicht erfüllen wird( er wollte unbedingt Universitätsprofessor werden), mit 16 Jahren musste er den Berufswunsch Architekt aufgeben, da er sehr schlechte Augen hatte
- 1928 begab sich Bettelheim selbst in Psychoanalyse bei Richard Sterba, einem ehemaligen Schüler Sigmund Freuds, Anlass war seine Unzufriedenheit mit seinem Leben → später kamen dann auch noch Probleme mit seiner Ehefrau hinzu. Die Ehe mit Gina Altstadt wurde 1930 geschlossen, doch das Paar blieb kinderlos; des weiteren erhoffte er sich durch die Analyse seiner selbst heraus zufinden wie er sich in der Zukunft sah
- 1932 lernt Bettelheim eine Amerikanerin kennen, die auf der Suche nach einem Arzt für ihre siebenjährige Tochter war, diese sprach nicht und zeigte auch sonst ein sonderbares Verhalten → später als Autismus benannt
- Anna Freud empfahl damals das, dass Kind in einem speziellen Milieu leben sollte, in dem sich psychoanalytisches Wissen mit einem Zuhause kombinierten, welches auf die Bedürfnisse des Kindes angepasst sei→ Bettelheim und seine Frau nahmen die Kleine bei sich auf, geplant waren einige Wochen→ daraus wurden sieben Jahre!
- später nahmen sie eine Zeit lang auch noch ein zweites Kind auf
- bereits 1936 setzte Bettelheim sein Studium an der Universität fort, und meldete acht Monate später seine Dissertation an( in der Holzfabrik machte er nur noch die Geschäftführung)
- er wollte seine Ausbildung zum Analytiker fortsetzen, doch der Einmarsch der Nationalsozialisten verhinderte dies, in dieser Zeit arbeitete er in einer Erziehungsanstalt für „sozial geschädigte Kinder“

Konzentrationslager und Emigration

- Im Frühjahr 1938 wurde Bruno Bettelheim verhaftet und er musste seinen Reisepass abgeben. (Seine Frau war zu dieser Zeit schon ausgereist, er hatte seine Abreise wegen Bittens seiner Mutter noch verschoben; von nun an war es ihm nicht mehr möglich seiner Frau zu folgen
- den Grund für seine Verhaftung sieht Bruno B. nicht nur in seinem jüdischen Glauben, er war auch als „Nazi-Gegner“ bekannt und hatte zeitweise auch Flüchtlinge bei sich versteckt
- Bettelheims Inhaftierung brachte ihn nach Dachau und später nach Buchenwald
- Über die Zeit im Konzentrationslager berichtet er später, dass er besser mit der Situation zurecht gekommen sei, da er „ durch die Lehren der Psychoanalyse auch mit den Schattenseiten des Menschen( d.h. mit Hassgefühlen, Zerstörungswünschen und dem Todestrieb) vertraut gewesen“ sei. (vgl. Sabine Wesely, 1997, S. 30)
- Durch diverse Verletzungen beim Transport kam Bettelheim vorerst auf eine „Krankenstation“, dort nutze er die Zeit um sich mit Hilfe der in der Psychoanalyse gewonnenen Erkenntnisse zu stabilisieren, nur so überstand jeden einzelnen Tag
- 1939 wurde der Häftling Bruno Bettelheim freigelassen, unter der Bedingung sein gesamtes Vermögen und Besitz in die Hände der Nationalsozialisten zu geben, und Deutschland binnen einer Woche zu verlassen
- später wird bekannt, das zusätzlich der Gouverneur von New York und die Gattin des Präsidenten( Eleanor Roosevelt) ihren Einfluss geltend machten. Das Kind, welches er über Jahre pflegte, stammte aus einer alten angesehenen amerikanischen Familie
- Die Mutter des kleinen Mädchens kümmerte sich um die Überreise nach Amerika und wollte auch sonst für den Unterhalt der Familie Bettelheim sorgen, wenn diese wiederum um das Mädchen betreuten
- Doch Frau Bettelheim war dazu nicht mehr bereit, kurze Zeit später wurde die Ehe geschieden
- Der KZ-Aufenthalt wird als das bedeutendste Erlebnis deutlich und es stellt sich für Bettelheim das „Problem des Überlebthabens“, er formuliert allgemeingültige Thesen zu diesem Thema
- Um sein Trauma zu verarbeiten, begann er bereits 1940 seine Erlebnisse und Erfahrungen über den KZ-Aufenthalt und das Verhalten anderer Inhaftierter aufzuschreiben, damit versuchte er auch die Öffentlichkeit auf die in Deutschland vorherrschende Situation sensibel zumachen, dieses Werk beendete er 1942: „Individuelles und Massenverhalten in Extremsituationen“
- er stellte Forschungen über das Verhalten von KZ-Häftlingen an und stellte bald fest das die Symptome dieser Häftlinge durchaus mit denen psychotischer Patienten vergleichbar seien( beide schienen Extremsituationen ausgeliefert gewesen zu sein, so dass Persönlichkeitsveränderung eine Reaktion auf die erlebten Situationen darstellten und nicht angeboren seien)
- → entwickelte These von der Prägung der Umgebung: wenn eine Umgebung einen „gesunden Menschen“ völlig zerstören kann – so kann eine „extreme“ Umgebung anderer Art einen „psychotischen Menschen“ vielleicht auch heilen
- 1941 heiratet er Trude Weinfeld, Montessorilehrerin, mit ihr bekommt er drei Kinder, in dieser Zeit ist er Forschungsassistent der Universität Chicago
- 1944 wird Bettelheim Assistenzprofessor und 1952 Professor für Kinder-Jugendpsychologie, -psychiatrie und –pädagogik.

Orthogenic School- die magischen Jahre

„In den meisten mir bekannten Institutionen besteht, das gilt sogar für die Behandlung des psychotischen Kindes, der wesentliche Ansatz darin, dass man das kranke Kind die Welt so sehen lassen möchte, wie sie wirklich ist. Genau dazu aber ist das psychotische Kind nicht fähig. Wir sahen nun unsere Aufgabe darin, für das Kind eine Welt zu schaffen, die völlig verschieden ist von der, die es voller Verzweiflung verlassen hat, eine Welt auch, in die es jetzt schon, so wie es ist, eintreten kann. Das heißt, das Kind muss das Gefühl haben, das wir in seiner privaten Welt bei ihm sind, und nicht, dass es noch einmal die Erfahrung macht, dass „jeder mich aus meiner Welt heraus in seine holen möchte“. Wie schaffen wir das? Dies impliziert im wesentlichen, dass man dem anderen nur dann helfen kann, aus seiner Hölle heraufzusteigen, wenn man zu ihm zunächst einmal, in welchem Maße auch immer, hinabgestiegen ist. Das kranke Kind verfügt nicht über die Möglichkeit der direkten Konfrontation. So dass sich jemand anders zu dieser Konfrontation bereit erklären muss.

Bis zu einem gewissen Grad bedeutet das immer einen abstieg in die eigene Hölle, ganz gleich, wie weit man diese hinter sich gelassen hat. Und bis zu einem gewissen Grad wird diese Konfrontation, bei der man sich dem anderen anbietet, zur Konfrontation mit sich selbst. Doch wäre das ganze Vorhaben sinnlos, wenn es lediglich dazu käme, dass wir das Kind in seiner trostlosen Lage akzeptieren. Wir müssen dem Kind vor Augen führen, dass wir die ganze Sache- sogar in dieser seiner Hölle- gemeinsam in Angriff nehmen können, denn allein ist es dazu nicht in der Lage. Der Kern unserer Arbeit bildet also nicht ein besonderes Wissen oder ein bestimmtes Verfahren, sondern eine innere Einstellung zum Leben und zu den Menschen, die in den Lebenskampf ebenso verwickelt sind wie wir.“

Bruno Bettelheim

Sein weiterer Weg führt Bettelheim an die Sonia Shankman Orthogenic School, welche 1913 gegründet wurde und organisatorisch eine Einrichtung der Chicagoer Universität ist.

1941 wurde harte Kritik an der Sonia Shankman Orthogenic Shool geübt. Der Grund hierfür war, dass die Schule emotional gestörte Kinder von normaler Intelligenz aufnahm, für die eine Integration in eine gewöhnliche Schule als Ziel vorgesehen war. Doch dies war nicht möglich, da es zuwenig gut geschultes Personal gab.

Ralph Tyler, dem Bettelheim alle Anstellungen der letzten fünf Jahre zu verdanken hatte, kannte sein Potential und beauftragte ihn mit der Reorganisierung der Orthogenic School.

Bettelheim hatte zunächst keine Lust mit dieser Aufgabe betreut zu werden, nahm er doch an, dass sie dem jeweiligen Leiter nur Ärger einbringen würde. Doch er entschied sich doch dafür und erkannte bald die Möglichkeiten, die ihm diese Schule eröffnete. Sie lud ihm eine schwere Verantwortung auf, doch andererseits konnte er hier seine Ideen, in die Tat umsetzen. Bettelheim zieht gute Freunde und einige seiner ehemaligen Studentinnen mit sich, die er für kompetent genug hält ihn in seiner Arbeit in der Schule zu unterstützen.

Zusammen mit Emmy Sylvester, einer Kinderanalytikerin, entwickelte Bettelheim die theoretische Basis für die Schule: „Zum ersten Mal sollte eine vollkommene Milieutherapie, in der die Lebensbedingungen in allen Einzelheiten auf das Ziel der Heilung ausgerichtet sind. Im Alltag erprobt werden. Die kindlichen Bedürfnisse und die therapeutischen Mittel fanden sie bei Freud. >Die Milieutherapie ist keine neue psychotherapeutische Technik. Sie ist nichts anderes als die Anwendung psychoanalytischer Konzepte, um eine Umgebung für emotional gestörte Kinder zu schaffen, die eine stationäre Betreuung brauchen. Die Orthogenic School bot den Kindern etwas, das sie in individuellen Therapiesitzungen nicht finden konnten: Ein Leben, das von morgens bis abends, sieben Tage die Woche, vollkommen auf ihre seelische Entwicklung abgestimmt war. Das war das Fundament des Unternehmens“ (Sutton 1996, S.309).

Damals wurden einem verrückten Kind böse und verdorbene Eigenschaften zugewiesen und es wurde weggesperrt oder bestraft, wenn es durch nicht erwünschtes Verhalten auffällig wurde. In der Orthogenic School wurden die Symptome der Kinder als Folge einer Störung der emotionalen und mentalen Entwicklung gesehen und waren somit ein Krankheitsbild, um das man sich zu kümmern habe. Bettelheim wollte ihr „verrücktes“ Verhalten nicht abschaffen, sondern versuchte es zu begreifen.

Als Auswahlkriterium für die Aufnahme der Kinder nannte Bettelheim „primäre Verhaltensstörungen“. Die Kinder waren meist Straftäter oder Ausreißer, selbstmordgefährdet oder hospitalismusgeschädigt, manche auch psychotisch. Sie alle hatten aber zwei Dinge gemeinsam: eine mindeste normale, oft überdurchschnittliche Intelligenz und Verhaltensauffälligkeiten in mehreren Bereichen. Es waren „Problemkinder“, mit denen ihr Umfeld nicht mehr zurecht kam.

Die Philosophie des Hauses beinhaltete den Kindern Sicherheit zu geben, ihnen zu beweisen dass man sie so liebt, wie sie sind, auch wenn sie brüllen, beißen, treten, stehlen. Ihr Verhalten wurde akzeptiert, da es ihnen offenbar Erleichterung verschaffte, aber sie wurden schließlich nach und nach überzeugt, diese Abwehrmaßnahmen aufzugeben und in die Gesellschaft zurückzukehren.

Bettelheim hatte hohe Ansprüche an die Erzieherinnen und nicht alle wurden den Anforderungen gerecht. Es ist keine leichte Übung, sich mit einem Kind zu identifizieren, das gerade gekotet hat und einem dann den Kot auf die Bluse schmiert oder den Wunsch hat sich oder seine Mitmenschen umzubringen.

Ziel war die vollständige Heilung der Kinder und das bedeutete in diesem Fall: Autonomie und Verantwortung. Die Kinder mussten lernen auf eigenen Füßen zu stehen, so wie Bettelheim es im Lager erfahren hatte.

„Bettelheims Erfahrung der Konzentrationslager stand im Zentrum seines therapeutischen Handelns, wahrscheinlich lange, bevor er sich dessen bewusst wurde. Wie hätte es anders sein können, war doch seine eigene Analyse auf engste mit dieser Erfahrung verknüpft. Das Einfühlungsvermögen, die Empathie, die er tagtäglich für die Ängste seiner Kinder bewies, kam doch daher, dass diese Ängste in ihm selbst wiederhallten als Echo von Gefühle, die ihm nur allzu bekannt waren“ (Sutton 1996, S.434).

Er selbst befand sich in Gefangenschaft und somit in einer „Extremsituation“, die er mit der Situation der Kinder in seiner Einrichtung vergleicht. Eine Extremsituation zeichnet sich dadurch aus, dass man ihr ausgeliefert ist und nicht weiß, ob sie jemals enden wird. Es ist seiner Meinung nach ziemlich gleichgültig, ob die Ursachen der Angst reale oder eingebildete Gefahren oder innere psychische Prozesse gewesen sind.

Heimerziehung als Milieugestaltung

Mit Bettelheim ist der Begriff des „therapeutischen Milieus“ verbunden.

Die Aufgabe der Heimerziehung besteht nach Bettelheim darin, in einem institutionellen Kontext für Kinder und Jugendliche ein Milieu zu schaffen, das zugleich Grundbedürfnisse befriedigt und persönliche Entwicklung ermöglicht. Für Bettelheim sind in der Heimerziehung drei Dimensionen bedeutsam:

1. die institutionelle Dimension (organisatorische Strukturen de Institution):

Die Kinder in Bettelheims Heim sollten Achtung, Respekt vor dem Menschen, Wohlwollen und Lebensbejahung empfinden können. Da emotional gestörte Kinder innerlich zerrissen sind, musste das Heim überschaubar, klar strukturiert sein, soziale Solidarität mit jedem Bewohner signalisieren und durfte keine hierarchischen Strukturen haben.

2. die physikalische Dimension:

- Gebäude, Räume und Einrichtungen beeinflussen maßgeblich das Milieu. Die Orthogenic School sollte ein Ort der Ruhe, Entspannung und Selbstfindung sein.
- Die Kombination von alten Möbeln, Antiquitäten und modernen Möbeln sollte den psychischen Prozess der Kinder, die Integration des Alten in das Neue, symbolisieren.
- Die Türen, die nur nach innen Klinken hatten, waren Symbole des Schutzes, aber auch der persönlichen Freiheit und Autonomie.
- Gegessen wurde nur von gutem Porzellan, um den Kindern Wertschätzung zu signalisieren.
- Zerbrochene Gegenstände oder Fensterscheiben wurden sofort ersetzt, um kein Klima der Verwahrlosung oder des Chaos aufkommen zu lassen.

3. die personale Dimension:

Die Persönlichkeit des Mitarbeiters ist die zentrale Größe des Milieus. Den Kern der Arbeit bildet nicht ein besonderes Wissen oder ein bestimmtes Verfahren, sondern eine innere Einstellung zum Leben und zu den Menschen. Das entscheidende Merkmal der Grundhaltung besteht in der Überzeugung, dass zwischen den Mitarbeitern und den Patienten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bestehen. Diese innere Einstellung erlaubt es, im therapeutischen Prozess das Kind empathisch zu verstehen. Es geht darum, die Erfahrungen des Kindes über die Vergegenwärtigung eigener, analoger Erfahrungen zu erfassen. Ist dies nicht möglich, so kann man sich der Situation des Kindes mit Hilfe der Frage nähern: „Welche Umstände könnten mich dazu veranlassen, so zu reagieren wie das Kind?“

Die entscheidende Qualität liegt in der Integration der institutionellen, physikalischen und menschlichen „Umwelt“ im Kontext eines tiefenpsychologisch reflektierten und gestalteten Alltags.

Arbeit mit autistischen Kindern

Bruno Bettelheim ist unter anderem auch mit seiner theoretischen und pädagogisch-therapeutischen Arbeit mit autistischen Kindern bekannt geworden.

Bereits in den 30er Jahren hatte Bettelheim ein, zeitweise zwei autistische Kinder in seine Familie aufgenommen. Die Erfahrungen mit diesen Kindern hatten Bettelheim in seiner Überzeugung bestärkt, dass man diese nicht nur durch Ideen, sondern durch die Erkenntnis der eigenen psychischen Probleme heilen könne.

„Auch er war, wenn auch nur für relativ kurze Zeit, aus einer absolut feindseligen und unberechenbaren Welt in einen Zustand tiefster Verzweiflung und völliger Ohnmacht gefallen. Und er merkte, dass der Begriff der Extremsituation, den er dafür geprägt hatte, sich auf die Erfahrungen autistischer Kinder anwenden ließ; in der Geburt des Selbst wird dieser Begriff zum erstenmal klar definiert: „Es ist das eine Situation, in der wir uns aller Erfahrung verschließen, weil das, irrtümlicherweise, der einzige Ausweg zu sein scheint.

Mehr noch als bei anderen Kindern, hingen ihre Fortschritte mit der Persönlichkeit ihrer Bezugsperson zusammen.

Zwar gelingt es mit konstanter Zuwendung manchmal einem Menschen, eine Bresche in den autistischen Verteidigungswall zu schlagen, das hat aber keine Auswirkungen auf die Beziehungen zu anderen, der Panzer öffnet sich nicht für den Rest der Welt. Obwohl Bettelheim keinen so vollständigen Sieg über den Autismus davongetragen hat, wie er es öfter behauptet hat, kann man durchaus behaupten, dass die Ergebnisse kaum schlechter waren als heutzutage, also immerhin vierzig Jahre später. Dazu muss gesagt werden, dass es bei der Arbeit mit autistischen Kindern nicht um den Versuch ging, dass sie lernen sich zu waschen, zu essen oder den Bus zu benutzen, sondern den Versuch, im Einklang mit sich Selbst zu leben.

Bruno Bettelheim hat insgesamt 16 Bücher veröffentlicht. Schriften zur Milieutherapie, zur Kindererziehung, zur Psychoanalyse und Sozialpsychologie, Erfahrungen aus dem Konzentrationslager und Autobiographie.

Kinder brauchen Märchen

Kinder brauchen Märchen ist wohl Bruno Bettelheims populärstes Buch. Seine Publikation fällt in eine Zeit, in der die Märchen in den Verdacht geraten, falsche Vorstellungen und Einstellungen bei Kindern und Jugendlichen zu wecken und nicht zu ihrer Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen beizutragen. Die Gewalttätigkeit, die bei Märchen auftaucht, spielte bei den damaligen Debatten eine zentrale Rolle. Von gesellschaftstheoretischer Seite her wurde Märchen vorgeworfen, sie legitimierten Gewalt, indem sie aggressive Lösungsmuster anbieten. Aus pädagogischer Sicht wurde eingewandt, die Gewalttätigkeit der Märchen erzeuge nicht nur Aggression, sondern auch Ängste, die jeder realen Grundlage entbehren. Bettelheims Buch fand und findet breite Resonanz, weil er dieser Kritik Widerpart bietet und die Märchen rehabilitiert, sondern weil es gleichzeitig zum Verständnis des kindlichen Seelenlebens beiträgt.

Bettelheim versucht in seinem Buch den Zusammenhang zwischen Märchenwelt und kindlichen Denken und Erleben nachzuweisen. Nach Bettelheim sind Märchen „Erkenntnis des Lebens von innen her, weil sie „innere Vorgänge“ zum Ausdruck bringen und verständlich machen.

Märchen stärken das Vertrauen des Kindes in sich selbst und in seine Zukunft, nicht indem sie kindliche Nöte verniedlichen, sondern indem sie ihre Schwere ernst nehmen. Sie zeigen also auch die „Schattenseiten“ des Lebens und beziehen sich alle Persönlichkeitsaspekte. Sie geben zu erkennen, welche Erfahrungen notwendig sind, um den eigenen Charakter weiterzuentwickeln. Sie vermitteln die Gewissheit, dass ein lohnendes gutes Leben in Reichweite des Menschen liegt, auch wenn viele Hindernisse dazwischenzutreten scheinen, aber nur, wenn man nicht vor den gefahrvollen Kämpfen zurückschreckt, ohne die man niemals wahre Identität erlangen kann.

Märchen setzen dort ein, wo sich das Kind derzeit befindet, und lassen durchblicken, wo es hingelangen muss, mit Betonung auf die dazwischenliegende Strecke. Sie zeigen also, „dass eine innere Entwicklung stattfinden muss, damit der Held wahre Autonomie erlangt“, indem es Lösungen anbietet, die das Kind verstehen kann.

In Märchen gibt es eine klare Einteilung in „gut und böse“, die folgende Funktion haben: Da die Weltsicht und der Inhalt des Unbewussten beim Vorschulkind noch chaotisch sind, befindet es sich in einem „Hexenkessel“ widersprüchlicher Gefühle, mit denen es selbst nicht fertig wird. Durch die Einteilung in Gegensätze kann das Kind das Chaos in seinem Inneren ordnen. Die Märchen stellen ihm Gestalten vor, auf die das Kind das, was in ihm vorgeht, projizieren kann. Wenn sich das Wunschdenken des Kindes in einer Fee verkörpert, wenn es seine destruktiven Wünsche einer bösen Hexe beilegt usw. kann das Kind endlich anfangen, seine widersprüchlichen Neigungen zu ordnen.

Märchen produzieren weder Aggressionen noch Ängste, ganz im Gegenteil: sie helfen bei der Bewältigung dieser Gefühle.

„ Hänsel und Gretel mit dem Lebkuchenhaus und dem kleinen Jungen, der von der Hexe gemästet wird, erklärt den ganz Kleinen wie man das Stadium der Oralität überwindet. Die Geschichte von den drei kleinen Schweinchen stellt die drei Phasen der kindlichen Entwicklung dar(...) Rotkäppchen warnt das präpubertäre Mädchen davor, zu früh mit dem Feuer der Verführung zu spielen.“

1973 beginnt Bettelheim sich von der Orthogenic School zu verabschieden, da ihn langsam seine Kräfte verlassen und er sich nicht mehr in der Lage sieht, seine Schützlinge angemessen zu behandeln.

Er ist weiterhin sehr aktiv tätig, schreibt und hält Vorträge, doch der Tod seiner zweiten Ehefrau nimmt ihn sehr mit. Es folgen zwei Schlaganfälle, die ihn nun enorm in seiner Schaffenskraft eingrenzen. Am 13.März 1990 nimmt sich Bruno Bettelheim das Leben.

Quellenangaben

Kaufhold, Roland. Annäherung an Bruno Bettelheim. Mainz 1994

Sutton, Nina. Bruno Bettelheim- auf dem Weg zur Seele des Kindes. Hamburg 1996

F.-J.Krumenacker. Bruno Bettelheim-Grundpositionen seiner Theorie und Praxis. München 1998

http://www.kigaweb.de/suche/result_detail?k_onl_struktur=242&k_beitrag=472525 am 16.05.2005

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Bruno Bettelheim
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
11
Katalognummer
V109751
ISBN (eBook)
9783640079292
Dateigröße
371 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bruno, Bettelheim
Arbeit zitieren
Anna Biedermann (Autor:in), 2005, Bruno Bettelheim, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109751

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Titel: Bruno Bettelheim



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