Zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin


Hausarbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

VORBEMERKUNG

1 Grundlagen
1.1 Interesse als politikwissenschaftliches Analysekriterium
1.2 Parlamentarische und präsidentielle Regierungssysteme
1.3 Politische Parteien und Repräsentanten
1.3.1 Großbritannien
1.3.2 USA
1.4 Demokratisierungsprozess im 19. Jahrhundert
1.4.1 Großbritannien
1.4.2 USA

2 Zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin
2.1 These 1: Primat der Fraktionsdisziplin in Großbritannien
2.2 These 2: Hohe Wahlkreisbindung in den USA
2.3 Historische und systemimmanente Ursachen

3 Fazit

4 anhang
4.1 Abbildungen
4.2 Literatur
4.2.1 Monografien und Sammelbände
4.2.2 Internet-Links

VORBEMERKUNG

Bei meinem Ländervergleich von Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika kann ich mich nicht auf einen der in der Aufgabenstellung genannten Fokusse festlegen. Meiner Ansicht nach kann man die beiden Regierungssysteme nur dann miteinander vergleichen, wenn man die Rolle der Parteien bei der Aggregation und Artikulation von Interessen sowie die Vertretung gesellschaftlicher und individueller Interessen durch Parlamentarier gleichwertig nebeneinander betrachtet.

1 Grundlagen

Die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien lassen sich zwei unterschiedlichen Regierungssystemtypen zuordnen[1]. In beiden Ländern wird nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt[2], weshalb sich sowohl in den USA als auch im Vereinigten Königreich Zwei-Parteien-Systeme herausgebildet haben[3]. Die jeweiligen Parteien spielen allerdings bei der Aggregation und der Artikulation von (Wähler-)Interessen und bei der politischen Willensbildung in der Bevölkerung durchaus signifikant unterschiedliche Rollen. Dadurch unterscheiden sich auch die Rollen der jeweiligen Parlamentarier bei der Vertretung der Wahlkreisinteressen und in ihrem Verhältnis zu den Parteiorganisationen.

Die vorliegende Arbeit wird nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen britischen und amerikanischen Parteien suchen und die Parlamentsarbeit der jeweiligen Repräsentanten miteinander vergleichen. In Abhängigkeit von den Charakteristika der beiden Regieringssystemtypen werde ich versuchen, Gründe für die unterschiedlichen Entwicklungen aufzuzeigen und die Folgen für die Integrationskraft der Gesellschaft sowie die Legitimationskraft gegenüber den beiden Legislativen herauszuarbeiten[4].

In einem ersten Schritt werde ich dazu die Bedeutung des Begriffes „Interesse“ als politikwissenschaftliches Analysekriterium umreißen (Kapitel 1.1) und die Eigenschaften von parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystemen miteinander vergleichen (Kapitel 1.2). Im Anschluss fasse ich die Entstehungsgeschichte der politischen Parteien Großbritanniens und der USA zusammen und beschreibe die Arbeit der Parlamentarier beider Länder zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin (Kapitel 1.3). Wie sich zeigen wird, spielen die Demokratisierungsprozesse des 19. Jahrhunderts bei der Entwicklung der Parteien und der Repräsentantentätigkeit eine entscheidende Rolle. In Kaptitel 1.4 gebe ich daher einen kurzen historischen Rückblick.

Nach der Entwicklung zweier Thesen werde ich in Kapitel 2 dann versuchen, die Frage zu beantworten, welche Bedeutung bei dieser Entwicklung speziell den Wahlrechtsreformen in Großbritannien[5] zukommt. In einem dritten Teil fasse ich meine Ergebnisse zusammen und versuche, einen Ausblick darauf zu geben, wie sich die festgestellten Unterschiede auf die Integrationskraft der beiden Gesellschaften auswirken.

Zunächst also zur Klärung des Begriffes „Interesse“ und zur Verortung von Großbritannien und den USA auf der Skala der Regierungssystemtypen.

1.1 Interesse als politikwissenschaftliches Analysekriterium

Um das „Verhältnis von Parteien und Gesellschaft“ bzw. die Ausdifferenzierung eines „bestimmten Parteiensystems aus den zugrunde liegenden gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Entwicklungslinien“ zu beschreiben, „dominieren [in der Politikwissenschaft, P.H.] drei Begriffe: Sozialstruktur, Milieu und Interessen“. (VON ALEMANN 2003, S. 93)

Der Begriff des Interesses ist dabei in zwei Richtungen zu verstehen: Einmal verfolgen politische Parteien und Mandatsträger laut Ulrich von Alemann das eigennützige Ziel der „Stimmenmaximierung“. Parteien seien also „als Zusammenschlüsse von Macht- und Mandatssuchern zum eigenen Vorteil, als Vertreter von Interessen“ zu verstehen[6]. Dadurch – so schrieb schon Otto Kirchheimer 1965 in seinen „Thesen zum Wandel des westeuropäischen Parteiensystems“ - bilde sich „im Idealfall […] ein Zweiparteiensystem wie in den USA ohne große weltanschauliche Differenzen“[7] heraus. Die zweite Perspektive bezieht sich auf das Verhalten der Wähler. Anthony Downs sagt: „Die Bürger in so regierten Demokratien verhalten sich rational und sind ebenfalls in ihrer politischen Aktivität, besonders beim Wahlakt, nur durch die Maximierung ihres individuellen privaten Nutzens motiviert“[8].

Die Aggregation und Artikulation von Wählerinteressen sowie die Verfolgung eigener Interessen durch Abgeordnete scheint natürlich abhängig von den Schranken, die das jeweilige Regierungssystem den politischen Akteuren weist. Es ist also angebracht, kurz die Charakteristika der beiden Regierungssystemtypen Großbritanniens und der USA zusammenzufassen.

1.2 Parlamentarische und präsidentielle Regierungssysteme

Um demokratische Regierungssysteme zu analysieren[9], befasst sich die Politikwissenschaft in erster Linie mit dem Verhältnis von Parlament und Regierung sowie dem institutionellen Umfeld des Wahlsystems. Anders ausgedrückt geht es um die Frage der Gewaltenteilung und -hemmung. Differenzieren lassen sich auf diese Weise parlamentarische Regierungssysteme wie in Großbritannien von Präsidentiellen wie in den USA[10]. Die wesentlichen Unterschiede fasst Tabelle 1 zusammen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Vergleich der Regierungssystemtypen (Quelle: FRAENKEL 1964)

Aus dieser stichwortartigen Auflistung ergeben sich bereits wesentlich andere Voraussetzungen für die Arbeit politischer Parteien in den unterschiedlichen Regierungssystemen. Während in präsidentiellen Systemen die Parteien – und somit auch die einzelnen Abgeordneten – völlig unabhängig vom Regierungschef arbeiten können, sieht ihre Situation im Parlamentarismus völlig anders aus: Klassisches Merkmal ist hier ein Dualismus von Legislative und Exekutive. Der Regierungschef wird in der Regel aus der Mehrheitsfraktion im Parlament rekrutiert und ist auf deren Unterstützung angewiesen, da sonst über das Mittel des Misstrauensvotums ein Sturz der Regierung droht. In der Praxis lässt sich in parlamentarischen Regierungssystemen dadurch eine Fraktionsdisziplin feststellen. Abgeordnete entscheiden hier im Allgemeinen nicht unabhängig sondern geschlossen in der Fraktion[11]. Dies stärkt die Bedeutung von Parteien innerhalb des Parlaments und der Gesellschaft insgesamt, wie schon Mitte des 19. Jahrhunderts der britische Premierminister Benjamin Disraeli feststellte: „… you cannot choose between party government and Parliamentary government. I say, you can have no Parliamentary government, if you have no party government”[12].

Doch bevor ich dies an den Beispielen USA und Großbritannien belegen werde, noch einige Eckdaten zu den Parteien und Mandatsträgern der beiden Vergleichsländer sowie ein kurzer historischer Abriss der Demokratisierungsschübe im 19. Jahrhundert.

1.3 Politische Parteien und Repräsentanten

Schon die Frage, wie sich eine politische Partei definiert, wird in den USA meist völlig anders beantwortet als in Ländern mit parlamentarischem Regierungssystem. Im Amerikanischen finden sich vorwiegend Minimaldefinitionen wie „a party is to elect“ (LÖSCHE 2004, S. 2), während beispielsweise Ulrich von Alemann für den westeuropäischen Parlamentarismus eine weit ausführlichere Begriffserklärung anbietet: „Parteien sind auf Dauer angelegte, freiwillige Organisationen, die politische Partizipation für Wähler und Mitglieder anbieten, diese in politischen Einfluss transformieren, indem sie politisches Personal selektieren, was wiederum zur politischen Integration und zur Sozialisation beiträgt und zur Selbstregulation führen kann, um damit die gesamte Legitimation des politischen Systems zu befördern“ (ALEMANN 2003, S. 12).

Sowohl in den USA als auch in Großbritannien haben sich, wie oben bereits angedeutet, Zwei-Parteien-Systeme herausgebildet:

1.3.1 Großbritannien

Die beiden heute bedeutendsten Parteien Großbritanniens sind die Konservativen und die Labour Partei.

Das klassische Merkmal der britischen Konservativen (Tories[13] ) war lange die Fähigkeit am Status quo festzuhalten – verknüpft mit flexiblen Reaktionen auf den sozialen Wandel. Erst seit dem Sieg des ultrakonservativen Parteiflügels unter Führung von Margaret Thatcher 1975 und insbesondere in der Regierungszeit von Margaret Thatcher und John Major (insgesamt von 1979 bis 1997) schwenkten die Konservativen auf den Abbau des Sozialstaates sowie der Staatsindustrien und der althergebrachten Gewerkschaftsrechte um, ohne aber jemals sozialdemokratische Politik völlig aufzugeben. Roland Sturm spricht hier von einem „sozial motivierten Paternalismus“[14].

Die Labour Party dagegen ist bis heute geprägt von kollektiven Mitgliedschaften. Diese entstehen dadurch, dass beispielsweise die Gewerkschaften mit ihren Beiträgen gleichzeitig Beiträge für die Labour Party einziehen und dafür im Gegenzug eine hohe Stimmenzahl auf Parteitagen erhalten, so genannte „block votes“. Während der langen Regierungszeit der Konservativen (s.o.) musste sich die Partei allerdings an die veränderten Gegebenheiten anpassen. Zunächst löste sie sich vom Image der Gewerkschaftspartei, ohne freilich eine enge Verbindung zu diesen ganz aufzugeben, und trug somit der Tatsache Rechnung, dass die Gewerkschaften in der Dienstleistungsgesellschaft immer mehr an Einfluss verlieren[15].

Die oft verwendete Bezeichnung Großbritanniens als Zwei-Parteien-System soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch andere britische Parteien gibt. Bedingt durch das relative Mehrheitswahlrecht erreichten diese trotz regelmäßiger Stimmenanteile zwischen 10 und 25 Prozent aber seit dem zweiten Weltkrieg nie mehr als ein Dutzend Sitze[16]. An erster Stelle zu nennen wären hier die Liberalen Demokraten, die bis 1920 zweitstärkste Partei des Landes waren und als Nachfolgeorganisation der Whigs[17] gelten.

Durch die „faktische Entwertung“ des Oberhauses (House of Lords)[18], das sich lediglich noch „formell“ (HARTMANN 2000, S. 86) zu den Unterhausbeschlüssen äußern muss, wurde das Unterhaus (House of Commons) zum zentralen Legitimationsorgan der britischen Politik. Es ist als Redeparlament zu charakterisieren. Die Regierungsmitglieder der Parlamentsmehrheit sitzen schon bildlich in der ersten Reihe („front bench“) und verdrängen damit symbolisch die Repräsentanten der Wahlkreise in die hinteren Reihen. Überhaupt versteht die Parlamentsmehrheit ihren vornehmlichen Auftrag darin, die Regierung im Amt zu halten und sie rhetorisch gegen die Opposition zu verteidigen. „Die Regierung kontrolliert den Gesetzgebungsprozess vollständig.“ (DÖRING 1993, S. 133) Alle wichtigen Gesetzesvorlagen werden von ihr eingebracht[19]. Die „Zugehörigkeit zur Regierung im weiteren Sinne“ (HARTMANN 2000, S. 83) verlangt von den Abgeordneten eine besondere Loyalität gegenüber dem Kabinett und dem Premierminister. Darüber hinaus gibt die Parteizugehörigkeit bei Abstimmungen im Allgemeinen den Ausschlag, weil es sich bei den Abgeordneten um Generalisten handelt und dadurch das Potenzial für Detailberatungen von Gesetzesvorlagen fehlt. Um diese Fraktionsdisziplin zu gewährleisten, stellen die Fraktionen so genannte „Whips“ ab, deren Aufgabe darin besteht, dafür zu sorgen, dass bei Abstimmungen alle Abgeordneten zu gegen sind. Der „Chief Whip“ der Regierungsfraktion arbeitet eng mit dem Kabinettsminister zusammen und bringt im Auftrag der Regierung formell Gesetzesvorlagen ein.

1.3.2 USA

Die US-amerikanischen Parteien lassen sich mit den britischen nur schwer vergleichen – sie sind nach John H. Aldrich die „Stiefkinder des politischen Systems“[20]: Es existieren keine dauerhaften Parteiorganisationen, keine Parteibürokratie und keine profilierten Programme. Die Parteien sind föderalistisch organisiert und die Bundesparteien sind nur periodisch aktive Zusammenschlüsse der einzelstaatlichen Parteiorganisationen[21], die sich erst dann in den Wahlkampf einmischen, wenn die Kandidaten offiziell feststehen[22].

Auch in den USA finden wir ein Zwei-Parteien-System vor – bestehend aus den Demokraten und den Republikanern.

Die Demokratische Partei entstand aus den „Demokratischen Republikanern“, einer Gruppierung, die 1793 von Thomas Jefferson gegründet wurde. Sie hat sich – seit der Präsidentschaft Franklin D. Roosevelts von 1933 bis 1945 – den Ruf erworben, für die Rechte der wirtschaftlich Schwachen, der rassisch Diskriminierten und der Gewerkschaften einzutreten und gilt in der politischen Sprache der USA als liberal, was etwa mit links gleichzusetzen ist[23].

Die Republikanische Partei wurde 1854 gegründet und führt ihre Ursprünge auf die Föderalistische Partei (1787 bis 1814) und die Whig-Partei (1834 bis 1855) zurück. Sie tritt für sehr maßvolle staatliche Eingriffe in das wirtschaftliche Teilsystem und eine minimalistische Sozialpolitik ein. Im amerikanischen Sprachgebrauch gilt sie als konservativ, also als rechts.

Durch das präsidentielle Regierungssystem der USA mit seiner strikten Trennung zwischen Legislative und Exekutive ist es nicht notwendig, dass Präsident und Kongressmehrheit derselben Partei angehören[24]. Der Kongress besteht aus 100 Senatoren und 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus[25]. Er ist als „Arbeits- bzw. Ausschussparlament“ (u.a. HARTMANN 2000, S. 131) zu versehen und bei ihm liegt die Organisationsgewalt der Bundesregierung – also nicht etwa beim Präsidenten. Jeder Abgeordnete kann eine Gesetzesvorlage in seine Kammer einbringen, die dann von einem der zahlreichen Ausschüsse geprüft wird und durchaus sofort wieder abgewiesen werden kann. Die einzelnen Ausschüsse[26] verfügen dabei über große und qualifizierte Mitarbeiterstäbe. Nimmt der jeweilige Ausschuss die Vorlage an, so kann die Kammer darüber beraten und ihr ggf. zustimmen. Beide Kammern müssen einen Gesetzesentwurf im gleichen Wortlaut verabschieden, bevor dieser dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden kann.

Eine Fraktionsdisziplin wie in Großbritannien lässt sich in den USA nicht erkennen. Bei vielen kontroversen (namentlichen) Abstimmungen finden sich sowohl Demokraten als auch Republikaner unter den Befürwortern bzw. Gegnern. Wenn dennoch die Mehrheit der Republikaner und die Mehrheit der Demokraten meist unterschiedliche Positionen vertreten, so liegt dies hauptsächlich an ihrem stärkeren Kontakt untereinander[27].

1.4 Demokratisierungsprozess im 19. Jahrhundert

Wie weiter oben dargestellt, entwickelten sich die Parteien des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Die Demokratisierungsschübe des 19. Jahrhunderts veränderten die Gestalt der Parteien – und damit auch die Rolle einzelner Repräsentanten - dann aber noch einmal maßgeblich. Während das amerikanische Verfassungsverständnis bei einem unterstellten Dualismus von Legislative und Exekutive ansetzte, kristallisierte sich in Großbritannien bereits viel früher ein Dualismus zwischen Krone und Parlamentsmehrheit („ins“) einerseits und der Minderheit im Parlament („outs“) andererseits heraus. In der Folge bildete sich das Kabinett als „geschlossene politische Führungsmannschaft der Exekutive“ (HARTMANN 2000, S. 64).

1.4.1 Großbritannien

Das 19. Jahrhundert war in Großbritannien geprägt von drei großen Wahlrechtsreformen, die die Anzahl der Wahlberechtigten auf das ungefähr Achtfache anwachsen ließen[28]. Diese Reformen mussten anfänglich gegen den Widerstand des Oberhauses durchgesetzt werden, das sich aber spätestens nach der Drohung des Königs mit einem Peer-Schub[29] gezwungen sah einzulenken und damit seine Rolle als dem Unterhaus gleichberechtigte erste Kammer verlor.

Die Vergrößerung der Wählerschaft wirkte sich auf die gesamte Struktur des politischen Systems aus. Bereits nach der ersten Wahlrechtsreform 1832 hatten sich so genannte „registration societies“ gebildet, die die Kandidaten einer Partei vertraten und dafür sorgten, dass sich die Wahlberechtigten rechtzeitig in die Wählerlisten eintrugen. Noch ging es aber vornehmlich um die Wahl von Personen und nicht von Parteien. Spätestens das Anwachsen der Wählerschaft auf rund 2,5 Millionen Briten nach 1867 erforderte dann aber eine neue Qualität der politischen Willensbildung - es erforderte die Bildung landesweit organisierter Parteien, die ihre Kandidaten vertraten. Der Übergang von Honoratioren-Parteien zu heutigen Parteiapparaten hatte begonnen.

1.4.2 USA

Die Erweiterung der Wählerschaft ging in den Vereinigten Staaten – auch durch die rasche Ausweitung des Siedlungsgebietes nach Westen – viel schneller und widerstandsloser voran als in Großbritannien. Sie war bereits in den 1840er Jahren weitgehend abgeschlossen[30]. Auch hier verlangte die Größe der Wählerschaft eine Stärkung der Parteien, die sich zunächst auf lokaler Ebene organisierten. Es entstand das so genannte Konvent-System, in dem Delegierte zu Versammlungen auf höheren Ebenen entsandt wurden. Dieses System gewährleistete zwar einerseits eine Rückkopplung des Wählerwillens zu den Parteifunktionären und Amtsträgern – und zwar in einer Zeit ohne Massenmedien; andererseits förderte es aber auch die Patronage, da die Wahlämter von den Parteien kontrolliert wurden, welche dadurch die Möglichkeit bekamen, ihre Anhänger mit lukrativen Posten in der Verwaltung zu versorgen, die seinerzeit noch durch Wahlen rekrutiert wurde.

Mit dem Aufkommen der Massenpresse wurde dieses weit reichend etablierte Patronage-System aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts als geradezu skandalös verschrien. Die Medien zeichneten ein Bild von Parteibossen, die zwar Macht besaßen, aber niemandem verantwortlich schienen. Diese parteienfeindliche Grundstimmung in der Bevölkerung führte zu einer Revision der Partei-Satzungen und zur Etablierung von Vorwahlen, an denen jeder Amerikaner teilnehmen konnte, der sich zuvor als Anhänger einer Partei ausgewiesen hatte. Der in den Vorwahlen siegreiche Kandidat war dann auch der offizielle Bewerber einer Partei, die sich erst nach abgeschlossener Vorwahl – vornehmlich durch finanzielle Unterstützung – in den weiteren Wahlverlauf einmischte. Diese Entwicklung führte letztendlich zu einem erheblichen Bedeutungsverlust der Parteien und zu ihrer Verdrängung aus der Verwaltung, die fortan durch Verwaltungsfachleute besetzt wurde.

Damit seien die historischen und strukturellen Merkmale der politischen Systeme Großbritanniens und der USA hinreichend umrissen. Die bisherigen Ergebnisse werde ich im Folgenden in zwei begründeten Thesen zusammenfassen, um anschließend konkret nach den Ursachen für die unterschiedliche Bedeutung von Abgeordneten und Parteien bei der Interessenvertretung der Wähler zu fragen.

2 Zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin

2.1 These 1: Primat der Fraktionsdisziplin in Großbritannien

Festzuhalten bleibt nach dieser historischen Rückschau, dass der britische Parlamentarismus bis zur Wahlrechtserweiterung im Jahr 1867 noch keine Abstimmungsdisziplin der Parteien im Unterhaus kannte. Die britischen Parlamentarier waren bis dato – ähnlich wie die Kongressmitglieder in den USA bis heute – in erster Linie den Interessen ihres Wahlkreises verpflichtet. Die Herausbildung moderner Parteien beendete in Großbritannien dann aber die Ära des klassischen Parlamentarismus[31]. Die Unabhängigkeit der Abgeordneten ließ sich mit der Allgegenwart der Parteiorganisationen nicht mehr vereinbaren. Meine erste These lautet daher wie folgt:

Ein parlamentarisches Regierungssystem wie das Britische kann in der heutigen Zeit ohne eine Fraktionsdisziplin nicht mehr funktionieren.

Begründen lässt sich diese These, wenn man bedenkt, dass sich die Parteien gleich auf mehreren Ebenen in der Vordergrund gedrängt hatten: Sie wurden zum maßgeblichen Verbindungsglied zwischen Wählern, Parlament und Regierung[32]. Sie selektieren heute das politische Personal, sie stellen finanzielle Mittel für den Wahlkampf bereit und sie veränderten das Verhältnis von Parlament und Regierung entscheidend: Die Parlamentsmehrheit wird in Großbritannien seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Vehikel des Wählervotums und als Ausdruck für den Regierungsauftrag einer Partei verstanden. Die Bürger wählen also in erster Linien Parteien, an deren Programmen sie sich orientieren, und nicht mehr Personen. Diesem Votum scheinen die Fraktionen unterworfen, die sich darüber hinaus in der Pflicht sehen, die Regierung zu unterstützen.

Beides ist aber nur dann möglich, wenn eine strikte Fraktionsdisziplin befolgt wird - und wenn die Regierung die Unterstützungsbereitschaft „ihrer“ Mehrheit nicht überfordert[33]. Nur durch Abstimmungsdisziplin innerhalb der Fraktionen ist es möglich, Abstimmungsniederlagen der Regierung zu verhindern und eventuelle Misstrauensanträge der Opposition zu überstehen. Erst durch diese Tatsachen hatten sich im britischen Demokratisierungsprozess des 19. Jahrhunderts die detaillierte Verfahrenskontrolle durch das Kabinett und die Vorgabe von Zeit- und Arbeitsplänen für das Unterhaus durch einen Kabinettsminister entwickelt.

Wie aber wird die Fraktionsdisziplin durch die Parteien gewährleistet? Wie oben beschrieben, gibt es im britischen Unterhaus zum ersten eigens abgestellte Mitarbeiter („Whips“), die die Angeordneten „auf Kurs bringen“ sollen. Noch wichtiger scheint aber die Nominierung der Kandidaten für die Sitze im Unterhaus: „Die Nominierungsausschüsse der Wahlkreisparteien“ nominieren im Regelfall nur solche Kandidaten, die „erwarten lassen, dass sie Parteiloyalität üben werden“ (HARTMANN 2000, S. 85). Um die eigene Karriere als Abgeordneter zu fördern, „scheinen die Anreize, aus eigener Einsicht der Fraktionsdisziplin zu gehorchen, […] gewaltig“ (SEARING 1994).

Zwar ist auch in Großbritannien - wie in anderen europäischen Demokratien - heute eine wachsende Unabhängigkeit einzelner Abgeordneter festzustellen und die ideologische Bindung der Wählerschaft an eine Partei scheint nachzulassen[34]. Ebenfalls zu berücksichtigen ist die Tatsache, dass jeder britische Parlamentarier - also auch die Minister im Kabinett und der Premierminister selbst – sich den Wählern seines Wahlkreises stellen muss, um Mandat und Amt zu behalten. Dennoch scheint die These vom Primat der Fraktionsdisziplin, ohne die eine parlamentarische Arbeit nicht möglich wäre, für Großbritannien bestätigt.

2.2 These 2: Hohe Wahlkreisbindung in den USA

Die Arbeitsbedingungen für einen Abgeordneten im US-amerikanischen Senat und Repräsentantenhaus sehen dagegen grundlegend anders aus. Die Parlamentarier sind im Vergleich unabhängig geblieben, eine Fraktionsdisziplin hat sich nicht etabliert. Die Parteien in den USA sind, wie oben beschrieben, fragmentiert[35], nicht „pyramidenförmig und hierarchisch“ aufgebaut (LÖSCHE 2004, S. 3) und eine überwölbende Bundesorganisation findet sich nicht. Schon der Begriff „party“ kann im Amerikanischen durchaus unterschiedlich verstanden werden: Er meint nicht unbedingt die Parlamentsfraktion einer einzelnen politischen Partei, sondern steht genauso für einen losen Zusammenschluss einzelner Angeordneter in bestimmten Sachfragen. Wie aber kommt der einzelne Abgeordnete dann zu seinem Votum als Interessenvertreter im Parlament? Meine These hierzu lautet:

Die Wahlkreisorientierung der Kongressabgeordneten in den USA ist deutlich stärker ausgeprägt als im Parlamentarismus Großbritanniens.

„It’s true, we just don’t have time to legislate around here”, wird ein republikanischer Kongressabgeordneter zitiert[36], der damit auf den hohen Arbeitsaufwand eines amerikanischen Parlamentariers bei der Kontaktpflege zu verschiedensten Interessenvertretern anspielt. Wie bereits oben dargelegt vertritt jeder einzelne Abgeordnete im Repräsentantenhaus eine deutlich größere Anzahl von Wählern als dies in westeuropäischen Ländern üblicherweise der Fall ist. Dies macht große Mitarbeiterstäbe zwingend erforderlich[37]. Diese Mitarbeiter schreiben Reden und pflegen Kontakte zu Lobbyisten und anderen Abgeordneten. Etliche pflegen aber auch ausschließlich den Kontakt zum jeweiligen Wahlkreis, da die politische Existenz der Repräsentanten in beinahe jeder Hinsicht vom Wahlkreis abhängt. Auch zwischen den Wahlen werden intensive Kontakte zu den wichtigsten Leuten im Wahlkreis gepflegt und „diese Briefkasten- und Sozialarbeiter-Rollen der Krongreßmitglieder sind von vitaler politischer Bedeutung.“ (FIORINA/RHODE 1994) Bereits seit fast vier Jahrzehnten belegen US-amerikanische Umfragen ein sinkendes Ansehen des Kongresses in der Bevölkerung, aber eben auch, dass die Wähler die eigenen Senatoren und Repräsentanten nach wie vor hoch schätzen[38]. Es scheint also letztendlich darauf anzukommen, wie gut ein Kongressabgeordneter durch seine Mitarbeiter in die Lage versetzt wird, seine Handlungsmöglichkeiten abzuschätzen und die Interessen seines Wahlkreises auszuloten. Diese Wahlkreispolitik ist als „eine wichtige Ursache für die relativ große Stabilität der Mehrheitsverhältnisse“ in den USA anzusehen (HARTMANN 2000, S. 136).

Hinzu kommt, dass im amerikanischen Kongress alle Gesetze von einigermaßen großer Bedeutung in namentlicher Abstimmung verabschiedet werden. So sind die Wähler in der Lage, genau verfolgen zu können, wie ihr Abgeordneter die Interessen seines Wahlkreises vertritt. Verfehlt ein Kongressmitglied häufiger die Wünsche des Wahlkreises, so läuft er Gefahr, dass er bei der nächsten Wahl von einem seiner Opponenten abgelöst wird[39]. Hier zeigt sich noch einmal die Bedeutung einer guten Wahlkreisbetreuung durch den Mitarbeiterstab eines Abgeordneten: Das Image des guten Wahlkreisvertreters in Washington verschafft dem Abgeordneten nämlich einen gewissen Freiraum, bei der ein oder anderen Abstimmung auch mal gegen die Stimmung im Wahlkreis votieren zu können.

Wenn überhaupt in den USA von Parteiabhängigkeiten die Rede sein kann, dann geht es um lokale oder einzelstaatliche Parteien. Der fortschreitende Niedergang selbst dieser Parteien hat die Restbindung der Abgeordneten an außerparlamentarische politische Organisationen weiter gemindert und die These von einer starken Wahlkreisbindung, die von elementarer Bedeutung für jeden Abgeordneten ist, scheint somit bestätigt.

2.3 Historische und systemimmanente Ursachen

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es für die unterschiedliche Entwicklung von Parteiorganisationen auf der einen und der Arbeitsweise einzelner Abgeordneten bei der Interessenvertretung auf der anderen Seite sowohl Ursachen gibt, die mit den unterschiedlichen Regierungssystemtypen der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens korrelieren; andererseits zeigte sich auch die unterschiedliche historische Entwicklung der beiden Vergleichsländer als dafür verantwortlich.

Diese Ursachen möchte ich nun abschließend in einem Fazit zusammenfassen und ihre Folgen bewerten.

3 Fazit

Der Dualismus von Exekutive und Legislative, den wir in parlamentarischen Regierungssystemen wie dem Großbritanniens vorfinden, stärkt die Rolle von Parteien. Diese bilden Fraktionen im Parlament. Regierung und Regierungschef werden aus der Mehrheitsfraktion heraus rekrutiert. Das bringt die Fraktionen in die Pflicht, „ihre“ Regierung unterstützen zu müssen – auch um sie gegen Misstrauensvoten aus der Oppositionsfraktion[40] zu schützen. Für den Wähler entsteht dadurch ein Bild von im Parlament geschlossen auftretenden Parteien, weshalb er seine Wahlentscheidung auch hauptsächlich auf Parteien und weniger auf einzelne Kandidaten bezieht.

Von den Philosophen des Deutschen Idealismus wie Hegel und Marx werden Parteien als Mittler zwischen den autonomen Sphären Staat und Gesellschaft gesehen, deren Aufgabe darin besteht, die Interessen der Wählerschaft zu aggregieren, zu formulieren, zu artikulieren und im Idealfall schließlich in Gesetzestexte zu transformieren. Notwendig wurde diese neue Form der politischen Willensbildung durch hierarchische Parteiorganisationen erst durch die Demokratisierungsschübe des 19. Jahrhunderts, die die politische Partizipation der Staatsbürger quantitativ und auch qualitativ deutlich erhöhten. Man konnte sich fortan nicht mehr darauf verlassen, dass die Abgeordneten die Interessen ihres Wahlkreises in ausreichendem Maße einschätzen konnten. Eine stärkere Ausdifferenzierung politischer Aktivitäten war erforderlich. Dies stärkte in Großbritannien auch die Rolle des Premierministers gegenüber der Krone, die bis zum 20. Jahrhundert deutlich an politischer Bedeutung verlor.

In einem präsidentiellen Regierungssystem wie dem der USA ist die beschriebene Fraktionsdisziplin nicht notwendig. Exekutive und Legislative sind hier deutlich voneinander zu trennen. Namentlich der amerikanische Präsident bleibt mit seinen Ministern auch dann im Amt, wenn sich die Mehrheiten im Kongress verändern. Schließlich wird er unabhängig von den beiden Kammern des Parlaments gewählt. Dass dabei nicht unbedingt die Parteien eine entscheidende Rolle spielen, zeigt sich auch am bisweilen großen Erfolg von Präsidentschaftskandidaten, die weder aus den Reihen der Demokraten noch aus denen der Republikaner kommen. Dass diese Kandidaten es im Allgemeinen nicht bis an ihr Ziel schaffen, liegt wohl hauptsächlich daran, dass die Parteien bei der Wahlkampf finanzierung dann doch eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

Auch in den USA wurde selbstverständlich durch die Vergrößerung der Wählerschaft im 19. Jahrhundert die Bildung politischer Parteien als organisatorische Plattform notwendig. Durch das traditionell sehr hohe regionale Zugehörigkeitsgefühl der Amerikaner und die hohe einzelstaatliche Identifikation entwickelten diese sich aber vornehmlich auf lokaler und regionaler Ebene. Auch die schiere Größe des Landes spielt dabei sicherlich eine Rolle. Washington und damit bundesstaatliche Organisationen sind eben weit weg und haben kein großes Identifikationspotenzial. Das zeigt sich auch an den Organisationsstrukturen anderer Interessenverbände und nicht politischer Organisationen in den Vereinigten Staaten.

Die Form der Interessenvertretung ist somit in den beiden Vergleichländern signifikant unterschiedlich. Dies ist die Folge langfristiger gesellschaftlicher Entwicklung und in der Gesellschaft allgemein akzeptiert. Obwohl auch in parlamentarischen Regierungssystemen die Unabhängigkeit der Abgeordneten häufig formal garantiert ist[41], stören sich die Wähler nicht am geschlossenen Abstimmungsverhalten der Fraktionen. Im Gegenteil schafft dies für den Wähler eine gewünschte Erwartungssicherheit.

Die gesellschaftliche Integrationskraft der unterschiedlichen Regierungssysteme Großbritanniens und der USA sowie ihre Legitimationsbasis durch die Gesellschaft scheinen gleich. Ob sich die Tendenz fortsetzt, dass auch im Parlamentarismus die Repräsentanten unabhängiger von Parteien werden und dass Parteien auch im präsidentiellen Regierungssystem – nicht zuletzt durch den kostspieligen und immer kommerzieller werdenden medialen Wahlkampf - zunehmend an Bedeutung gewinnen, werden zukünftige Untersuchungen zeigen.

4 anhang

4.1 Abbildungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vergleich der Gesetzgebungsverfahren (Quelle: HARTMANN 2000, S. 81 und 133). Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem britischen Unterhaus und dem amerikanischen Repräsentantenhaus wurde farblich markiert.

4.2 Literatur

4.2.1 Monografien und Sammelbände

ALDRICH, JOHN H. 1995: Why Parties? The Origin and Transformation of Party Politics in America, Chicago

ALEMANN, ULRICH VON 1973: Parteiensysteme im Parlamentarismus – Eine Einführung und Kritik von Parlamentarismustheorien, Düsseldorf

ALEMANN, ULRICH VON 2003: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland, Hagen

BAGEHOT, WALTER 1969: The English Constitution, London

CUMMINGS jr., MILTON C./WISE, DAVID 1974: Democracy under Pressure – An Introduction to the American Political System, New York/San Francisco/Atlanta

DÖRING, HERBERT 1993: Großbritannien – Regierung, Gesellschaft und politische Kultur, Opladen

DOWNS, ANTHONY 1968: Ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen (zuerst englisch 1957)

FIORINA, MORRIS P./RHODE, DAVID W. (Hrsg.) 1994: Home Style and Washington Work, New York

FRAENKEL, ERST 1964: Parlamentarisches Regierungssystem, in: Ernst Frenkel und Karl-Dietrich Bracher (Hrsg.): Staat und Politik – Fischer Lexikon, Frankfurt a.M.

HARTMANN, JÜRGEN 2000: Westliche Regierungssysteme – Parlamentarismus, präsidentielles und semi-präsidentielles Regierungssystem, Hagen

KIRCHHEIMER, OTTO 1965: Wandel des westeuropäischen Regierungssystems, in: PVS 6, Heft 1, Wiesbaden

LÖSCHE, PETER 2004: Mittler zwischen Politik und Gesellschaft, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 283, Bonn

OEL, FLORIAN 2002: Das britische Parteiensystem – Entstehung und Struktur der Parteien, München

SEARING, DONALD D. 1994: Westminster’s World: Understanding Political Roles, Cambridge, Mass.

STURM, ROLAND 1999: Politische Willensbildung, in: Informationen zur politischen Bildung, Heft 262, Bonn

4.2.2 Internet-Links

http://www.parliament.uk/directories/hcio/StateParties.cfm Informationen zur Sitzverteilung im britischen Unterhaus

http://www.senate.gov/general/contact_information/senators_cfm.cfm Informationen zur Zusammensetzung des US-amerikanischen Senats

http://www.house.gov/house/MemStateSearch.shtml Informationen zur Zusammensetzung des US-Repräsentantenhauses

[...]


[1] In den USA finden wir prototypisch ein präsidentielles Regierungssystem vor, in Großbritannien ein Parlamentarisches. Vgl. HARTMANN 2000, S. 26 ff.

[2] Vgl. für die USA: LÖSCHE 2004, S. 8; für Großbritannien: HARTMANN 2000, S. 73f.

[3] Während in den USA bereits seit mehr als zwei Jahrhunderten nur die beiden Traditionsparteien der „Demokraten“ und der „Republikaner“ eine Rolle spielen, ist der Begriff „Zwei-Parteien-System“ in Großbritannien so zu verstehen, dass dort traditionell immer nur zwei Parteien im Parlament bedeutende Stimmenanteile innehatten. 1920 wurden die Liberalen in der Rolle der zweitstärksten Partei von den Konservativen abgelöst. Grund dafür ist das absolute Mehrheitswahlsystem. Vgl. auch STURM 1999, S. 3

[4] Genauer geht es im Fall von Großbritannien auch um die Legitimierung der Exekutiven, da sich hier der für Westeuropa typische Dualismus zwischen der Legislativen und der Exekutiven herausgebildet hat. Siehe Kapitel 1.2 und 1.4.

[5] Im Besonderen geht es um die Wahlrechtserweiterung von 1867.

[6] ebd. S. 105

[7] KIRCHHEIMER 1965, zitiert nach VON ALEMANN 2003, S. 107

[8] Das Zitat ist Teil der „Ökonomischen Theorie der Politik“ von Anthony Downs. Vgl. DOWNS 1968, S. 289

[9] Eine Analyse, wie ich sie hier vornehme, macht aufgrund der Gewaltenteilungsfrage natürlich nur bei demokratischen Systemen Sinn. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass neben diesen auch autokratische und totalitäre Systeme existieren.

[10] Neben den beiden Erwähnten gibt es noch das so genannte „semi-präsidentielle“ Regierungssystem, wie wir es beispielsweise in Frankreich finden. Für unseren Vergleich spielt es aber zunächst keine Rolle. Vgl. HARTMANN 2000, S. 24ff.

[11] Vgl. HARTMANN 2000, S. 79ff.

[12] zitiert nach VON ALEMANN 1973

[13] Die „Tories“ gründeten sich bereits im 17. Jahrhundert und gelten damit als älteste Partei der Welt (OEL 2002, S. 1). Sie waren Gegner der Republik und wurden ab 1679 vom katholischen König Jakob II. im Kampf gegen die „Whigs“ (s.u.) eingesetzt.

[14] STURM 1999, S. 4; vgl. auch HARTMANN 2000, S. 97f.

[15] ebd. S. 99f

[16] Insgesamt gibt es derzeit im britischen Unterhaus 646 Abgeordnete (Quelle: http://www.parliament.uk/directories/hcio/StateParties.cfm, 16.2.2006). Das Mehrheitswahlrecht begünstigt klare Mehrheiten. Eine Tradition der Koalitionsbildung gibt es im britischen Parlament nicht.

[17] Der Name „Whigs“ leitet sich vom schottischen Schimpfwort für Pferdedieb ab. Sie richteten sich im 17. Jahrhundert gegen den katholischen König Jakob II.

[18] Gemeint sind hier vor allem Prozesse im Zuge der Wahlrechtsreformen im 19. Jahrhundert. Vgl. dazu Kapitel 1.4.1. Darüber hinaus darf das Oberhaus seit dem „Parliament Act“ von 1949 Unterhausbeschlüsse nur noch um ein Jahr verzögern. Vgl. dazu HARTMANN 2000, S. 86

[19] „Alle wichtigen Gesetzesvorlagen“ meint die so genannten „public bills“. Lediglich Einzelfallgesetze („private laws“) werden von einzelnen Abgeordneten als Vertreter der Interessen ihres Wahlkreises eingebracht.

[20] Vgl. ALDRICH 1995

[21] Die einzelstaatlichen Parteiorganisationen verlangen so zum Beispiel uneingeschränkte Autonomie gegenüber den Bundesparteien.

[22] Dies zeigt sich beispielsweise am sporadischen Erfolg unabhängiger Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen. Vgl. dazu HARTMANN 2000, S. 175

[23] Die Begriffe „liberal“ und „konservativ“ wurden in den USA in der Ära des „New Deal“ von Präsident Franklin D. Roosevelt eingebracht. Sie sind nicht mit ihrer europäischen Verwendung zu verwechseln.

[24] Vgl. Kapitel 1.2

[25] Bemerkenswert daran ist, dass die Legislative der USA damit kleiner ist als die der größeren europäischen Industrienationen. Quellen: http://www.senate.gov/general/contact_information/senators_cfm.cfm (28.2.2006) und http://www.house.gov/house/MemStateSearch.shtml (28.2.2006)

[26] Aktuell gibt es im Repräsentantenhaus 20 und im Senat 21 Fachausschüsse. Hinzu kommen mehr als 200 Unterausschüsse und drei gemeinsame Ausschüsse beider Kammern.

[27] Der Gesetzgebungsprozess der Vergleichländer wird in Abb. 1 gegenübergestellt. Vgl. HARTMANN 2000

[28] Vor der ersten Reform 1832 waren 2,1 Prozent der britischen Bevölkerung wahlberechtigt, danach 4,2 Prozent. Durch die Reform von 1867 wurden dann 8,3 Prozent wahlberechtigt, ab 1884 waren es 15,9 Prozent.

[29] Ein „Peer-Schub“ bedeutet, dass die Krone so viele neue Oberhaus-Mitglieder benennt, die die Position der Regierung vertreten, bis mit einer Abstimmung zu ihren Gunsten zu rechnen ist.

[30] vgl. HARTMANN 2000, S. 118

[31] Als „Klassischer Parlamentarismus“ wird in der Parlamentsgeschichte die Ära beschrieben, in der das Unterhaus über den Fortbestand der Regierung entscheiden konnte, ohne damit seine eigene (vorzeitige) Auflösung zu riskieren. In dieser Zeit bestimmten die Beiträge in den Parlamentsdebatten, die vorgebrachten Argumente und die rhetorischen Fähigkeiten der Redner das Abstimmungsverhalten der Unterhausmitglieder - und zwar ungeachtet ihrer Parteizugehörigkeit. Vgl. dazu auch BAGEHOT 1969

[32] Vgl. dazu HARTMANN 2000, S. 69

[33] Hier kann durchaus auch die Vertrauensfrage von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder im Juli 2005 als Beispiel herangezogen werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist mit stark profilierten Parteien und einem parlamentarischen Regierungssystem mit Großbritannien vergleichbar.

[34] Neben die klassische Bindung sozialer Milieus an eine Partei tritt heute mehr und mehr eine Beurteilung der Problemlösungskompetenz in spezifischen Sachfragen durch den Wähler. Also zum Beispiel die Frage, welche Partei die Probleme der Arbeitsmarktpolitik besser lösen kann. Vgl. dazu STURM 1999, S. 13

[35] Dies gilt übrigens gemeinhin auch als Abbild der amerikanischen Gesellschaft, die sozial, ethnisch, religiös und kulturell stark segmentiert ist. Vgl. dazu LÖSCHE 2004, S. 1

[36] zitiert nach CUMMINGS/WISE 1974, S. 413

[37] Insgesamt kommt der US-amerikanische Kongress auf eine Mitarbeiterzahl von ca. 30.000. Vgl. HARTMANN 2000, S. 134f.

[38] Vgl. hierzu HARTMANN 2000, S. 137

[39] Vgl. hierzu HARTMANN 2000, S. 130ff.

[40] Ich verwende an dieser Stelle den Singular, da im britischen Parlamentarismus klassischerweise nur zwei Fraktionen eine Rolle spielen. Gleiches gilt aber natürlich auch für andere parlamentarische Regierungssysteme wie das der Bundesrepublik Deutschland, in dem es durchaus mehrere Fraktionen geben kann, die der Regierungsmehrheit gegenüber stehen.

[41] In der Bundesrepublik Deutschland wird dies beispielsweise durch Artikel 38 GG garantiert. Absatz 1 besagt dort: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V110056
ISBN (eBook)
9783640082339
Dateigröße
638 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin. Die Rolle von Abgeordneten und Parteien bei Interessenaggregation und der politischen Willensbildung. Ein Vergleich zwischen Großbritannien und den USA.
Schlagworte
Zwischen, Wahlkreisbindung, Fraktionsdisziplin
Arbeit zitieren
Patrick Heiser (Autor:in), 2006, Zwischen Wahlkreisbindung und Fraktionsdisziplin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110056

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