Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese
Fragen beantworten zu können und dabei die beiden genannten Idealstaatsentwürfe
miteinander hinsichtlich spezifischer Aspekte einer „optimalen“ Gesellschaft zu
vergleichen. Prinzipiell soll die Frage geklärt werden, wo Platons Einflüsse deutlich
sichtbar sind und in welchen Bereichen Morus eigene distinktive Merkmale seiner
idealen Gesellschaft ergänzt hat. Die Hausarbeit beschränkt sich dabei auf
ausgewählte Bereiche. Für die Gegenüberstellung der Utopia und der Politeia wird ein
grobes Analyse- und Vergleichsraster entworfen, das wichtige textimmanente
Aspekte wie z.B. das Gesellschaftssystem, das Herrschafts- und Wirtschaftssystem
des idealen Staates einklammert. Am Ende des Hauptteils folgt eine
Zusammenfassung der Analyseergebnisse, ein Schlussteil und das
Literaturverzeichnis. Verweise auf Platons Politeia beziehen sich stets auf die übliche
Stephanus-Paginierung sowie deren Buch-, Seiten- und Abschnittseinteilung. Die
schier unüberschaubare Fülle an Literatur zu Platon respektive der Politeia zwingt zu
einer Literaturauswahl, die dem Sinn und Zweck vorliegender Arbeit dienlich ist.
Dazu gehören besonders der Sammelband zur Politeia, herausgegeben von Otfried
Höffe und eine Einführung zu Platon von Karlheinz Hülser. Eine sehr gute
Gesamtübersicht über die politischen Utopien der verschiedenen Epochen, bietet
Arno Waschkuhn. Als brückenschlagend zwischen der antiken Idealstaatsvorstellung
und der Utopie der Frühen Neuzeit erwies sich mehrfach Richard Saage, der zu den
führenden Utopieforschern Deutschlands gehört. In der Bibliographie am Ende der
Arbeit ist die gesamte benutzte Literatur aufgelistet. Die Gegenüberstellung von
Platons Politeia und Morus’ Utopia vorbereitend, soll zunächst auf Vita und
Hauptwerk der beiden eingegangen werden.
[...]
Gliederung
1 Einleitung
2 Personen, Werke und Epochen
2.1 Thomas Morus - Utopia
2.2 Platon - Politeia
2.3 Frühe Neuzeit & Antike
3 Utopia & Politeia
3.1 Die Organisation der idealen Gesellschaft
3.2 Der Einzelne und das Ganze
3.3 Zusammenfassung
4 Schluss
Literaturverzeichnis
„ Ach, umsonst auf allen Länderkarten spähst du nach dem seligen Gebiet, wo der Freiheit ewig grüner Garten, wo der Menschheit schöne Jugend blüht.“ [1]
1 Einleitung
Die Sehnsucht der Menschen nach Veränderung und nach einer besseren Welt findet sich nicht nur in religiösen Werken, in melancholischer Poesie und in Mythen wieder, die ein goldenes Zeitalter prophezeien, sondern sie wurde schon seit der Antike in eine strukturierte, durchdachte schriftliche Form gegossen. Utopien sind zwar irgendwo, aber doch nirgendwo (Outopia). Sie können eine bessere Zukunft entwerfen (Eutopien) oder – das Gegenteil – eine negative Welt ausmalen (Dystopien). In jedem Fall regen sie zum Nachdenken an über soziale oder politische Aspekte einer Gesellschaft.[2] Ihren Namen erhielten diese „Ordnungsentwürfe“[3] zu Beginn des 16. Jahrhunderts, durch die Utopia des Engländers Thomas More[4]. Die Utopia bot die Möglichkeit, sich völlig von realen Verhältnissen loszulösen und sich unabhängig von Zeit und Raum eine perfekte Gesellschaft zu erträumen– ohne Ungerechtigkeit und zum Glück aller und jedes Einzelnen.[5] Folgt man der Geschichte der Utopien bis in die Antike zurück, entdeckt man in Platons wohl bekanntestem Werk – der Politeia [6] – einen Idealstaatsentwurf, der ebenfalls sämtliche für das Funktionieren der optimalen Gesellschaft relevanten Aspekte berücksichtigte, als er die Möglichkeit eines Idealstaats (kallipolis) skizzierte. Es ist die Art der Betrachtung, die eine Utopie von sonstigen sozialphilosophischen und politiktheoretischen Ansätzen unterscheidet. Und zwar insofern, als dass diese Ansätze abstrakte Prinzipien aus der menschlichen Natur für die ideale Verfassung ableiten, die Utopie jedoch ein ganzheitliches Konzept bzw. eine Fiktion funktionierender Gesellschaften darstellt. Dabei gewährt sie Einblicke in die Mechanismen der gewünschten bzw. gefürchteten Gesellschaft und in die Details des Alltagslebens der in ihr lebenden Menschen.[7] Doch welche Entwicklungen verzeichnet die Genese der Utopie seit der Antike? Wie viel von Platons „konstruktivistischen Leistungen“[8] ist noch in Morus’ Utopia sichtbar? Was verbindet diese, was das Konzept einer idealen Gesellschaft betrifft, exponiert dastehenden Werke miteinander? Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Fragen beantworten zu können und dabei die beiden genannten Idealstaatsentwürfe miteinander hinsichtlich spezifischer Aspekte einer „optimalen“ Gesellschaft zu vergleichen. Prinzipiell soll die Frage geklärt werden, wo Platons Einflüsse deutlich sichtbar sind und in welchen Bereichen Morus eigene distinktive Merkmale seiner idealen Gesellschaft ergänzt hat. Die Hausarbeit beschränkt sich dabei auf ausgewählte Bereiche. Für die Gegenüberstellung der Utopia und der Politeia wird ein grobes Analyse- und Vergleichsraster entworfen, das wichtige textimmanente Aspekte wie z.B. das Gesellschaftssystem, das Herrschafts- und Wirtschaftssystem des idealen Staates einklammert. Am Ende des Hauptteils folgt eine Zusammenfassung der Analyseergebnisse, ein Schlussteil und das Literaturverzeichnis. Verweise auf Platons Politeia beziehen sich stets auf die übliche Stephanus-Paginierung sowie deren Buch-, Seiten- und Abschnittseinteilung. Die schier unüberschaubare Fülle an Literatur zu Platon respektive der Politeia zwingt zu einer Literaturauswahl, die dem Sinn und Zweck vorliegender Arbeit dienlich ist. Dazu gehören besonders der Sammelband zur Politeia, herausgegeben von Otfried Höffe und eine Einführung zu Platon von Karlheinz Hülser. Eine sehr gute Gesamtübersicht über die politischen Utopien der verschiedenen Epochen, bietet Arno Waschkuhn. Als brückenschlagend zwischen der antiken Idealstaatsvorstellung und der Utopie der Frühen Neuzeit erwies sich mehrfach Richard Saage, der zu den führenden Utopieforschern Deutschlands gehört. In der Bibliographie am Ende der Arbeit ist die gesamte benutzte Literatur aufgelistet. Die Gegenüberstellung von Platons Politeia und Morus’ Utopia vorbereitend, soll zunächst auf Vita und Hauptwerk der beiden eingegangen werden.
2 Personen, Werke und Epochen
2.1 Thomas Morus - Utopia
Der Engländer Thomas Morus wurde 1478 in London als Sohn eines Richters geboren. Dem Beruf seines Vaters folgend, erarbeitete sich Morus ein großes Ansehen sowohl als Jurist als auch in öffentlichen Ämtern. Von 1510 an war er acht Jahre lang Undersheriff von London, ehe er mit 39 Jahren voll in die Dienste des Königs Heinrichs VIII eintrat und bald darauf zum Ritter geschlagen wurde. 1529 ernannte man ihn zum Lordkanzler. Doch weil Morus sich später auf die Seite des Papstes stellte und 1534 vor dem Kronrat den Suprematseid verweigerte, wurde er im Tower eingekerkert. Ein Jahr später verurteilte ihn ein Sondergericht zum Tode, am 6. Juli 1535 wurde Thomas Morus im Alter von 58 Jahren hingerichtet.[9] Bis zu seinem Tode schrieb Morus religiöse Traktate und Trostschriften. Doch sein Hauptwerk erschien schon 1516 mit dem Titel: De optimo reipublicae statu deque nova insulana Utopia [10]. Die Utopia verlieh damit nachfolgenden Utopien ihren Gattungsbegriff. Denn sie stellt laut Waschkuhn einen „epochalen Einschnitt“ dar, da sie „eine neue Phase des wirklichkeitstranszendierenden Denkens und der politisch-sozialen Idealbildung“[11] anhebt. Die Utopia schrieb Morus auf einer Reise nach Flandern, die er in seiner Funktion als Berater des Londoner Bürgermeisters unternahm.[12] Aufgebaut ist das Werk im Prinzip „wie ein Diptychon, ein zweiflügeliger Altar, und die beiden Seiten, hier das erste und das zweite Buch, stehen in unmittelbarem Gegensatz zueinander: Wird im ersten Buch die aktuelle Situation in England beschrieben, der innere Verfall der Gesellschaft, die Auflösung der Ordnung, so berichtet Raphael Hythlodeus [...] im zweiten Buch über die gute Ordnung im Lande der Utopier.“[13] Hythlodeus ist zugleich Dialogpartner und Hauptredner und erzählt Morus – der als Gesprächspartner Teil seines eigenen Werkes ist – von seinen Reisen und Erfahrungen – und von der Insel Utopia.[14] Die Insel selbst misst an ihrer breitesten Stelle ca. 200 Meilen und ist umgeben von Untiefen und spitzen Felsklippen, was Sicherheit schafft für die Bewohner der vierundfünfzig, fast identisch aussehenden, Städte, von den Amaurotum [15] die Hauptstadt bildet. Im Laufe des zweiten Buches referiert Hythlodeus nun akribisch die Einzelheiten sowohl der Insel, als auch der Bevölkerung und deren gesellschaftlicher Organisation, der (Land-)wirtschaft und der Regeln und Gebräuche der Bewohner der Insel. So wird beispielsweise die Freiheit der Bürger durch ein Regierungssystem gesichert, dass z. B. durch einen häufigen Wechsel in der Besetzung der Ämter und durch öffentliche Verhandlungen gekennzeichnet ist und so vor der Tyrannei eines Einzelnen sichert. Morus’ „Vorgänger“ Platon entwarf das Konzept einer idealen Gesellschaft schon bedeutend früher.
2.2 Platon - Politeia
Platon wurde 427 v. Chr. geboren und stammte wie Morus „aus gutem Hause“, einer alten Athener Adelsfamilie. Es war die Zeit des bekannten Peloponnesischen Krieges, den Athen gegen Sparta ca. 431 bis 404 v. Chr. führte. Der Krieg endete schließlich mit der Niederlage Athens und führte somit zum Zusammenbruch des vorherrschenden Stadtstaates Athen. Platons Leben war also mitbestimmt durch die vielen gesellschaftlichen Veränderungen, die durch den Krieg bedingt waren. In dieser instabilen Zeit ging er dennoch politischen Interessen nach und suchte den Kontakt zu gebildeten Kreisen. So fand er zu Sokrates, der schließlich sein Lehrer wurde und in dessen Umfeld er sich fast zehn Jahre lang aufhielt. Nach Sokrates gewaltsamen Tod 399 v. Chr. war er in den folgenden Jahren politisch noch sehr aktiv.[16] Die Unvernunft und die Unfähigkeit der politischen Akteure, diese Erfahrung musste er in der athenischen Politik ständig machen, ließen in ihm letztendlich den Entschluss reifen, dass nur aus Sicht der Philosophie diese zentrale Einsicht gewonnen werden konnte: Das Wohl der Staaten oder das der Städte kann nur gewährleistet werden, wenn die Philosophen Regenten werden oder umgekehrt – die Regenten Philosophen.[17] Mit seinen Dialogen, Briefen und besonders natürlich der Politeia betrieb Platon eine systematische Ausarbeitung politischer, ethischer, metaphysischer und epistemologischer Themen der Menschheit, dass von seinen Nachfolgern lediglich Aristoteles, Thomas von Aquin und Immanuel Kant annähernd an ihn heranreichten, was Reichweite und Tiefe des Gesamtwerkes betrifft.[18] Bis zu seinem Tod 347 v. Chr. leitete er die philosophische Akademie in Athen.
Sein Hauptwerk Politeia hat Platon ungefähr im Jahr 374 v. Chr. geschrieben, nach seiner ersten Sizilienreise im Jahr Jahre 389/88 v. Chr., auf der er sich am Hof des sizilianischen Herrschers Dionysios I. aufhielt und sich ihm dort wohl auch die Möglichkeit bot, seinem Konzept einer Verbindung zwischen Regentschaft und Philosophie eine praktische Bedeutung zukommen zu lassen. Allerdings geriet Platon mit Dionysios I. in einen Streit, den er mit Kriegsgefangenschaft bezahlen musste, aus der er aber wieder befreit wurde.[19] Politeia ist zweifellos Platons bekanntestes Werk. Aber anstatt seine „Ideen“ einfach aufgereiht zu präsentieren, verfasste Platon ein Werk, das alles für die Menschheit Relevante und Erkennbare strukturiert darbietet und systematisch aufbaut[20] – und damit im Prinzip eine „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“[21] bietet. Hauptthema in Platons Politeia ist einerseits die Frage danach, was Gerechtigkeit ist und andererseits die gerechte, die ideale Polisordnung. Doch zunächst zur Szenerie: Die Politeia ist dialogisch aufgebaut.[22] Ein Gespräch, das im Hause des alten Kephalos stattfindet. Dessen Sohn Polemarchos bittet Sokrates – Platon spricht durch die Figur seines Lehrers[23] – und Platons Brüder Glaukon und Adeimantos, die gerade auf dem Heimweg nach Athen sind und ein Fest der Göttin Bendis besucht haben, um ein Gespräch[24]. Der Hausherr Kephalos beantwortet Sokrates’ Frage nach dem höchsten Gut mit dem Verweis auf die Gerechtigkeit. Damit setzt die bekannte Diskussion ein, die das gesamte erste Kapitel bestimmt. Denn Sokrates will nun wissen, was denn die Gerechtigkeit sei und sowohl die Antwort Kephalos’ und Polemarchos’ stellt Sokrates nicht zufrieden. Auch Glaukon und Adeimantos wollen wissen, ob man denn nun ständig gerecht sein solle – z.B. auch als Regent. Sokrates beginnt zu erklären, dass anhand einer gedachten Stadt und ihrem Verhältnis zur Gerechtigkeit, das Verhältnis zur Gerechtigkeit der ganzen Menschheit dargestellt werden kann. In den darauf folgenden Büchern 2 bis 4 entwickelt Platon die Ständegesellschaft seiner idealen Polis und dabei den „Wächterstaat“.[25] Die Wächter (phylakes) sind dank einer besonderen Erziehung dafür geeignet, die Fundamente des Gemeinwesens zu sichern und den Staat zu verteidigen. Die fähigsten Wächter wiederum können zu einem, zur Erkenntnis gelangten, Philosophenherrscher (árchontes) erzogen werden. Dem dritten Stand, den die Bauern und Handwerker (demiurgoi) bilden, ist kein eigenes Kapitel gewidmet.[26] Der gerechte Philosophenstaat hingegen ist Hauptthema der Bücher 5 bis 7. Der „Exkurs“ zur Klärung der Frage nach einer Gerechtigkeit sowohl für den Einzelnen, als auch für die gesamte Gesellschaft nimmt so insgesamt fast zwei Drittel des Gesamtwerks in Anspruch. In den folgenden Büchern 8 und 9 erörtert Platon vier verschiedene Staatsformen (Timokratie, Oligarchie, Demokratie und Tyrannis). Im 10. Buch geht es unter anderem um die mimetischen Künste. Den größten Teil der Politeia macht jedoch die Gesellschaftskonzeption aus.
2.3 Frühe Neuzeit & Antike
Gesellschaftsentwürfe haben die Intension, neue Gesellschaften zu konstruieren. Oft verbunden ist dies mit der Abneigung gegenüber den bestehenden Zuständen, aus der sich das Bedürfnis oder der Wunsch nach anderen Verhältnissen knüpft. So folgt ein erster Abgleich mit der realen Situation zur Zeit Platons und den gesellschaftlichen Zuständen zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Für die annähernd Kongruenz herstellende Sichtweise steht beispielsweise Richard Saage, der behauptet, dass sich Thomas Morus mit seiner Utopia nicht zufällig an ein antikes Vorbild anlehne und die Ursachen dafür mitunter in den gesellschaftlichen Umständen und Umbrüchen, die beide Epochen miteinander verbindet, zu liegen scheinen. So meint Saage, dass die gesellschaftliche Entwicklung in Europa im 16. Jahrhundert mit Problemen konfrontiert wurde, die schon im antiken Griechenland aktuell waren. Denn schon zur Zeit Platons wären wichtige „kapitalisierte Teilsektoren der Wirtschaft“[27] im Begriff gewesen, eine Dynamik zu erzeugen, die das bisherige Gesellschaftssystem zu kippen drohte. Dabei wären – so Saage – erstens eine externe Kriegspolitik, die mit der Hilfe des gesamten Volkes wie auch mit der in neuen aufstrebenden Wirtschaftszweigen zu Geld und Einfluss gelangten Oligarchen (Reedern, Bankiers usw.) generiert wurde, ausschlaggebend für ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen den Alliierten des Attischen Bundes. Zweitens hätte es – und dies ist im Hinblick auf die Situation in der frühen Neuzeit noch stärker von Relevanz – zunehmende interne soziale Konflikte zwischen dem einfachen Volk, dem Grundadel sowie den oberen reichen Oligarchen gegeben.[28] Platon wendete sich mit seiner Kritik sowohl gegen die Demokratie und der politischen Partizipation der Unterschichten, als auch gegen das rohe Gewinnmaximierungsprinzip der Oligarchen. Beides – so schrieb Platon – sei schlecht für die Gesellschaft und führe nur in die Tyrannis.[29] Zur Zeit des Thomas Morus, also zu Anfang des 16. Jahrhunderts, sei laut Saage die Situation ganz ähnlich gewesen. Bereits Max Horkheimer wies auf die Geschichte Englands im beginnenden 16. Jahrhundert hin, auf tausende enteigneter Bauern, die von ihren Gutsherren vertrieben worden sind, um ihre Güter in Schafweiden zu verwandeln, damit der hohe Bedarf an Wolle gedeckt werden kann. Tausende der plündernd umherziehenden, hungrigen Bauern wurden getötet. Die übrigen wurden unter miserablen Bedingungen in die sich entwickelnden Manufakturen gezwungen. Sie stellten somit „die erste Form des modernen Proletariats da“.[30] Laut Horkheimer sei ihre Lage „der Grund für die erste große Utopie der neueren Zeit, die allen folgenden den Namen gegeben hat, die Utopie des Thomas Morus.“[31] Denn in England hatte diese neue Form des Wirtschaftens, deren Dynamik und Eigengesetzlichkeit unabsehbare Folgen für die Gesellschaft gehabt. Hier bereitete der „Prozeß kapitalistischer Zersetzung feudaler Strukturen das Terrain blutiger Konflikte.“[32] Das Besitzstreben sei so auch bei Morus ursächlich für die Zweiklassengesellschaft, folgert Saage und überzeugt zumindest darin, als dass er den Grund für zukünftige ideale Gesellschaftspläne oder zumindest für eine damit möglicherweise einhergehende Gesellschaftskritik, hauptsächlich mit der „Desintegration des Gemeinwesens“[33] in der Realität zusammenhängend sieht. Desintegrative Wirkungsfaktoren sah Platon mit den Worten Saages darin, dass „die auf der Verfügung über Privateigentum beruhenden Interessen den politischen Willen bestimmen und zugleich dessen Einheit zerstören.“[34] Denn eine ständig wachsende Anzahl von Bauern, die zugunsten der Schafzucht von ihren Ländereien vertrieben wurden und eine immer weiter klaffende Lücke zwischen arm und reich, machten es fast zwingend erforderlich, eben jenes Problem in der Beschreibung einer idealen Gesellschaft zu beheben. Die oben genannten Aspekte verdeutlichen also, dass „sowohl Platon als auch die Utopisten (der Frühen Neuzeit, Anm. K.L.) ihre idealen Gemeinwesen in der Auseinandersetzung mit den sozio-politischen Verhältnissen ihrer Zeit entwickelten, die sie entschieden ablehnten.“[35] Nachdem obenstehend beide Werke betrachtet und sich daran ein kurzer Exkurs auf die Entstehungsbedingungen anschloss, soll im Folgenden der Fokus auf relevanten inhaltlichen Aspekten liegen. Dabei wird – dem Ziel der Hausarbeit entsprechend –die Intensität von Platons Einfluss auf die vorgestellte ideale Gesellschaft in Morus’ Utopia im Mittelpunkt stehen.
3 Utopia & Politeia
Zunächst soll der Aufbau der Städte Utopias und deren interne politische und soziale Organisation betrachtet werden. Allgemein sicher ist vorerst nur, dass auf jeden Fall Aspekte in der Utopia ausfindig gemacht werden können, die mit Platon korrespondieren bzw. auf dessen Gedankengut aufbauen. Diese Erkenntnis ist aber zunächst auch angesichts der recht vielfältigen Meinungen zur Intensität des platonischen Einflusses auf die ihm nachfolgende Geistesgeschichte im Allgemeinen nicht überraschend.[36] Auf Platons Einfluss speziell auf die Utopia verweist ihre Rezeptionsgeschichte schließlich schon seit dem 16. Jahrhundert[37]. Sogar Morus’ Hauptfigur Hythlodeus selbst schien so von Platons Werk angetan zu sein, dass er auf seiner vierten Seereise nach Utopia „einen ordentlichen Stoß Bücher“ mitnahm, davon „die meisten Werke Platons“[38]. Die folgende Betrachtung der innergesellschaftlichen Organisation gibt einen ersten Hinweis auf die Beantwortung der Frage, wie stark Platon durch die Utopia „nachwirkt“.
3.1 Die Organisation der idealen Gesellschaft
Die politische Organisation in den Städten der Insel Utopia ist transparent und übersichtlich: Dreißig Haushalte, von denen jeder aus mindestens vierzig Menschen besteht, unterstehen einem Phylarchen, von denen zehn wiederum einem sogenannten Protophylarchen unterstehen. Diese wiederum gestalten gemeinsam mit dem Staatspräsidenten, der Ademus[39] genannt wird, die Tagespolitik im Senat. Der Ademus selbst aber wird jedoch von allen zweihundert Phylarchen der Insel gewählt – auf Lebenszeit. Wichtige Gesetze werden mit Hilfe der Phylarchen beschlossen, obwohl hier hervorgehoben werden muss, dass die Bevölkerung Gesetzen eher skeptisch gegenübersteht und es ohnehin nicht viele Gesetze auf der Insel zu geben scheint.[40] Platons Idealstaat ist gekennzeichnet durch die Unterteilung der Gesellschaft in strikt voneinander abgegrenzte Stände. Allerdings sind diese nicht erblicher Natur, sondern im Prozess einer spezifischen Ausdifferenzierung der Veranlagungen oder Begabungen der Bürger zu sehen. Der Stand der Philosophen herrscht über die ideale Stadt und nimmt die Erziehung der anderen Stände war, der Stand der Wächter beschützt die Stadt vor Angriffe von außen und sorgt für Sicherheit im Innern. Der Stand der Handwerker, Bauern und Kaufleute bildet die produktiv arbeitende Masse der Bevölkerung.[41] Welchen Stand man letztendlich einnimmt, entscheidet bei Platon die Dauer der Ausbildung und die Eignung. Doch nur wer die Ausbildung bis zum Ende besteht, kann ein ,,Philosophenkönig" werden, wenn er den bis dahin mind. 50 Jahre dauernden Ausbildungsweg erfolgreich absolviert hat.[42] Des weiteren mögen Sklaven existiert haben, was aber für das antike Griechenland nicht unüblich war.[43] Unterschiede zwischen den Ständen existieren z.B. in der Reglementierung des Alltags durch Auflagen und Gesetze, die von den Philosophen beliebig – absolut gerecht – beschlossen werden.
Somit geht man nicht zu weit, wenn man behauptet, dass das Gesellschaftssystem Utopias wesentlich demokratischere Züge aufweist – wenn man vom Ademus absieht, der zuweilen autokratische Züge aufweisen kann.[44] Erwähnenswert ist weiterhin, dass die Sklaverei bei Morus nicht abgeschafft ist, sie aber ihre Form bedeutend änderte. So sind Sklaven beispielsweise zum Tode verurteilte Kriminelle aus anderen Ländern oder aber normale Bürger anderer Länder, die das Nötigste zu Leben nicht mehr besitzen und sich somit sogar in die Sklaverei „retten“, indem sie sich von den Utopiern kaufen lassen.[45] So scheint die bisherige Betrachtung die Vermutung nahe zu legen, dass die Vorstellungen Morus’ und Platons hinsichtlich der gesellschaftlichen Organisation des idealen Staates stark differieren. Denn weder existiert in der Utopia des Thomas Morus eine Aufteilung in Stände, noch sorgt eine spezielle „Erziehung“[46] und eine „Auslese der Besten“ für eine gesellschaftliche Elite. Durch Leistung ist es zwar auch den Menschen auf Utopia möglich, in einen anderen Stand, etwa vom Handwerkerstand zum geistig arbeitenden Gebildetenstand zu wechseln, aber da überall egalitäre Vorstellungen vorherrschen und nicht einmal die Syphogranten, die im Prinzip von physischer Arbeit freigestellt sind, ihr Privileg nutzen, sind die Ausgangsbedingungen die soziale Schicht zu wechseln, auf Utopia anders verteilt. Es besteht – orientiert man sich an der Politeia – auf Utopia zumindest die Möglichkeit einer Wahl, wohingegen Platons Konzeption eher von einer Auswahl auszugehen scheint. Jedoch kann ein erstes Bild von der egalitären Gesellschaft Morus’ über eine Platon stark ähnelnde Dreiteilung der gebildeten Schichten Utopias hinwegtäuschen. Denn die Elite (Priester, Protophylarchen und Staatspräsident) wird ausschließlich aus der von physischer Arbeit befreiten Schicht der wissenschaftlich Gebildeten rekrutiert.[47]
Bis hierhin soll festgehalten werden, dass sich aus einer ersten groben Perspektive große Unterschiede gezeigt haben, die Morus’ ideale Gesellschaft eindeutig der Platons gegenüberstehen lassen. Denn auch der Hinweis auf eine gewisse „Aufteilung“ der Inselbevölkerung in eine Land- und Stadtbevölkerung und eine gewisse „Dreiteilung“ der politischen Elite Utopias, kann den aufgezeigten Unterschieden – Ständesystem versus egalitäre Gesellschaft und Wahl versus Auswahl der Eliten, nicht standhalten. Doch wie stark ist Platons Einfluss auf einer noch tieferen Ebene, auf Ebene der kleinsten sozialen Einheit – der Familie?
3.1.1 Familie
Während bei Morus die Familie einen wichtigen Platz in der Gesellschaft einnimmt,[48] fällt die Funktion der Familie zumindest für Platons Wächter- und Philosophenstand weg, da für sie „die Gemeinschaft der Frauen und Kinder“[49] gilt. Folgt man Saage, hätte Platon in Monogamie und Familie eine Quelle der Zwietracht gesehen, die sich hätte zu Unruhen ausweiten können.[50] Bezüglich der Gründung einer Familie beziehungsweise der Kontrolle der Geschlechterbeziehungen bestehen daneben aber auch Gemeinsamkeiten. Gemeinsam ist beiden Entwürfen eine gewisse Systematik, wenn es darum geht, wie die Sexualpartner zueinander finden. Der Einfluss von Platons Politeia auf die Gesellschaft Utopias ist hier stärker, wobei der Grad der Kontrolle der Paarbeziehungen und die „Überwachung“ der Fortpflanzung jedoch wieder ein wenig differiert: Bei Platon könne man von Manipulation reden, unterstreicht Saage und wirft Platon vor, dass bei ihm die „Zusammenführung der Geschlechter nach eugenischen Gesichtspunkten mit gefälschten Losen“ erfolgt.[51] Noch weiter geht Waschkuhn, indem er Platon vorwirft, dass er prinzipiell die Euthanasie propagiere.[52] Dennoch greift aber auch in der Utopia eine Form der Reglementierung insofern, als dass das Thema Partnerwahl an strikte Vorgaben gekoppelt ist – allerdings in einer „milderen“ Form. So müssen sich die eventuellen Partner zunächst nackt gegenüberstehen, bevor sie zueinander kommen, schließlich könnte ja „unter jenen Hüllen eine so abstoßende Hässlichkeit verborgen sein“.[53] Ein solches im Prinzip harmloses, aber dennoch erzwungenes Ritual erinnert aber auch hier an Platon, in dessen idealer Polis spezielle (heilige) Hochzeiten vorgeschrieben sind, deren Anzahl exakt geplant und dem spezifischen Anteil der Geschlechter an der Gesellschaft entspricht.[54]
Wenn somit Platon in seiner Gesellschaftskonzeption die Erziehung des Menschen und die dafür nötigen Maßnahmen sehr stark in den Mittelpunkt rückte und Morus, wie festgestellt werden konnte, dem nicht völlig entsprochen hat, so konnte dennoch eine gemeinsame Schnittmenge auf einer niedriger gelegenen sozialen Stufe – auf Ebene der Familie und der Paarbildung – ausgemacht werden. Platon und Morus scheinen sich somit darin einig zu sein, dass die Partnerwahl kein vom Gesetz unangetasteter Bereich sein muss und auch hier Reglementierungen im Sinne der gesamten Gesellschaft greifen dürfen.[55] Nun folgend, soll noch einmal von der kleinsten Stufe der Gesellschaft an die obere kontrollierende Spitze der Gesellschaft gesprungen werden. Die für einen optimalen Staat erforderliche Herrschaftsform der Politeia und der Utopia soll nun auf weitere Schnittmengen hin untersucht werden.
3.1.2 Herrschaftsform
Im Idealstaat Platons regieren die Philosophen. Bedeutend dabei ist, dass bereits im ersten Buch der Utopia ein Querverweis zu den Philosophen Platons zu finden ist. Denn Hythlodeus selbst hält sich an den großen Philosophen, als er mit der Frage konfrontiert wird, warum er sich nicht in die Dienste eines Fürsten stellt, um diesen mit seiner Erfahrung, die er auf den Reisen mit Amerigo Vespucci gesammelt hat, zu beraten. Schon Platon habe vorausgesehen, „dass die Könige niemals, es sei denn, dass sie selber Philosophie treiben, den Ratschlägen philosophierender Männer innerlich zustimmen werden“[56]. Damit spielt Hythlodeus unverkennbar auf Platons bekannten Philosophenherrschersatz an, der im Zentrum der Politeia steht und besagt, dass nur die Philosophen erkennen könnten, dass die Idee des Guten realer als das sinnlich Wahrnehmbare sei.[57] Platon möchte – durch eine glückliche Fügung oder freiwillige Akzeptanz der Bürger – erreichen, dass der Stand der Philosophen politische Macht und philosophische Erkenntnis vereint.[58] In Morus’ Utopia existiert zwar kein explizit beschriebener Herrscher, doch könnte man anhand der Äußerungen Hythlodeus’ im ersten Buch[59] darauf schließen, dass auch Morus einen selbstlosen, der Philosophie nicht völlig abgeneigten Herrscher, der auf das Wohl seines Volkes fixiert ist, favorisieren würde. Doch die „Untertanen“ des Staatspräsidenten von Utopia bewegen sich auf einer moralisch so hohen Ebene, dass die Präsenz bzw. spezielle Maßnahmen seitens des Fürsten nicht nötig zu sein scheinen – zumal er verfassungsmäßig auch eingeschränkt ist. Hier hat der Staatspräsident – der Ademus – eher eine administrative Funktion.[60] Während der platonische Fürst quasi politisch unfehlbar erscheint, sind einem abweichenden Verhalten des utopischen Herrschers, etwa das Bestreben nach Tyrannei, durch Gesetzesklausel klar definierte Schranken gesetzt.[61] Hythlodeus selbst heißt Platons Forderung nach einem philosophisch geschulten Herrscher gut, indem er fordert, dass endlich mehr Philosophie an die Fürstenhöfe gelangen müsse.[62]. Doch unterscheidet Hythlodeus zwischen einer „anwendbaren“ Philosophie und der rein abstrakten Form der Philosophie. Somit scheint auf beiden Seiten ein Interesse an einem philosophisch geschulten Herrscher vorhanden zu sein. Doch trotz der auffindbaren Gemeinsamkeiten verfolgen Morus und Platon in ihren Gesellschaftskonzeptionen auch voneinander abweichende Ziele. Besonders die Form der Philosophie, die dem Herrscher zur Seite gestellt wird und die Person des Herrschers selbst werden von beiden unterschiedlich definiert. Doch gemeinsam sprechen sich beide Idealstaatsentwürfe gegen die Tyrannei aus und ziehen eine Gesellschaft vor, die ohne große Gewalteinwirkung friedlich ihren Geschäften nachgehen kann. Doch wie die Utopia und die Politeia die tatsächlichen Ausgestaltung des Wirtschaftslebens angegangen sind und welche Parallelen und Differenzen dabei feststellbar sind, versucht das folgende Kapitel zu klären.
3.1.3 Wirtschaft
Im Zentrum der Gesellschaftskonzeption Platons steht die Prämisse, dass die Spezialisierung auf eine einzige Tätigkeit wirtschaftlich erfolgreicher ist. Die favorisierte Konzentration auf die spezifischen Potentiale einzelner Gesellschaftsmitglieder weist dabei „Platon in der Tat als einen Vordenker der modernen Sozialwissenschaften aus, wenn er den Ursprung seiner Ständegesellschaft in die Arbeitsteilung verlegt“[63]. Die Arbeitsteilung befähigt die optimale Gesellschaft zu einem Höchstmaß an Leistungsfähigkeit. Denn nach Platon ist es unmöglich, dass ein Mensch mehrere Berufe (technai) ausüben kann.[64] Der obere Wächter- und Philosophenstand lebt zwar von der physischen Arbeit des unteren Standes, da es den oberen Ständen aber eben nicht um private Bereicherung geht, ist die körperliche Arbeit bei Platon von einem negativen Image weitestgehend befreit.[65]
Dass das Thema Wirtschaft – genauer: die Landwirtschaft – auch ein zentrales Thema der Utopia ist, wird bereits im ersten Buch des Werkes beschrieben. Dabei bezieht sich Hythlodeus’ Kritik auf die realen Verhältnisse im damaligen England. Bezüglich wirtschaftlicher Verhältnisse leitet Thomas Morus mit seiner Utopia einen Paradigmenwechsel ein. Bei ihm ist ein anderer Arbeitsbegriff vorherrschend, der in seiner Ausgestaltung den von Platon gründlich zu modifizieren scheint. Es geht Morus nicht mehr um eine Spezialisierung und um Arbeitsteilung, sondern mehr um Mobilisierung und Flexibilität. Die Wirtschaft Utopias ist demnach auch gekennzeichnet durch die Tatsache, dass jeder eine landwirtschaftliche und darüber hinaus auch eine handwerkliche Ausbildung erhalten muss, damit er mindestens zwei Berufe ausüben kann. Durch die Gleichbehandlung aller gibt es auch keinen Streit um Ländereien, da das zur Bewirtung notwendige Land zwischen allen Bewohnern gleichmäßig aufgeteilt ist. Die Arbeit wird grundsätzlich aufgewertet und prinzipiell egalitär – mit Ausnahme der Syphogranten – auf die Gesellschaft verteilt. Die Arbeit der Syphogranten besteht aber wiederum darin, zu überwachen, dass auch jeder arbeitet und sich niemand langweilt.[66] Trotzdem ist Morus’ Neugestaltung des Arbeitsbegriffs dabei jedoch nur unzureichend konsequent, denn da die Syphogranten ebenso wie Platons Philosophenherrscher von körperlicher Arbeit befreit sind und immerhin das „Rekrutierungspotential“[67] darstellen, aus dem die politische Elite Utopias erwächst, drängt sich die Frage nach der tatsächlichen Gleichbehandlung aller auch in einem wirtschaftlichen Sinn unweigerlich auf.[68] Andere Differenzen zu Platon betreffen das Gemeineigentum. Denn war in der Politeia lediglich die herrschende Kaste durch Eigentumslosigkeit gekennzeichnet, betreibt Morus den „kommunistischen Ansatz“ Platons noch energischer, indem er das Gemeineigentum „in der Sphäre der Produktion und Distribution basiert und gesamtgesellschaftlich ausdehnt“[69]. Es existierte bei Platon zwar auch eine Gütergemeinschaft, aber eben nur für die zwei oberen Stände, dem Wächter- und Philosophenstand. Anders Morus, der die gesamte Gesellschaft gleichermaßen mit einbezieht. Dies betrifft ebenso den Bereich der Sklaverei. Folgt man Saage, bestätige sogar die Sklavenarbeit Morus’ Egalitarismus. Denn Sklavenarbeit selbst ist bei Morus zunächst differenziert zu betrachten: „Der Sklavenstatus in Morus’ Utopia ist die strafrechtliche Konsequenz eines Kapitalverbrechens, aber keine ökonomische Notwendigkeit, wie dies in der Antike der Fall war“[70] Das Wirtschaftssystem Utopias ist weitestgehend autark, weil sämtliche lebensnotwenigen Güter im Überfluss vorhanden sind.[71] Außerdem ist auf Utopia nicht nur das Privateigentum abgeschafft, sondern auch explizit Geld als Zahlungsmittel existiert nicht, denn „wo es noch Privatbesitz gibt, wo alle Menschen alle Werte am Maßstab des Geldes messen, da wird es kaum jemals möglich sein, eine gerechte und glückliche Politik zu treiben.“[72] Geld nützt den Utopiern privat nichts. Nur nach außen – im Handel mit anderen Ländern – kommt man den Wünschen der Handelspartner mit einem Zahlungsmittel entgegen.[73] Da die Insel reich an Goldvorkommen ist, findet dieses „inflationäre“ Edelmetall bei den Einwohnern Utopias kaum Beachtung, es wird sogar bei der Fertigung von noch so banalen Dingen benutzt. Diamanten und Schmuck werden ebenfalls als Kinderspielzeug eingesetzt. Dieses Verhalten wiederum macht für Waschkuhn „ eine klare Parallele zu Platon [...] hinsichtlich der kategorischen Ablehnung hedonistischer Lebensweisen“[74] aus. Doch könnte diese „klare Parallele“ laut Rhim schnell verblassen, denkt man daran, dass der von weniger Reglementierung betroffene dritte Stand der Handwerker, Bauern und Kaufleute zumindest Gefahr laufen könnte hedonistischen Verführungen zu erliegen.[75] Denn der dritte Stand Platons, die Handwerker und Bauern, besitzen durchaus Tauschmittel[76] Den privaten Besitz von Geldmitteln wollte Platon somit – im Gegensatz zu Morus – nicht grundsätzlich beseitigen.[77] Und da ein hedonistisches Prinzip als „Richtschnur“ des besten Staates völlig ungeeignet ist, ist auch Platons Wächterstand dazu angehalten, auch ausgehend von der Annahme knapper Ressourcen, auf Luxus zu verzichten.[78] Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass bezüglich zentraler Aspekte, wie der Rolle der Wirtschaft, des Gemeineigentums und der Abschaffung von Geldmitteln sowohl Parallelen als auch Abweichungen zwischen Politeia und Utopia bestehen. Beide Werke verbindet der Fokus auf die (Land-)wirtschaft und die Bereitschaft, diese als einen essentiellen Bestandteil der Gesellschaft zu akzeptieren. Platon vereint – betrachtet man alle drei Stände – Privatbesitz mit der Gütergemeinschaft, während sich Thomas Morus klar für die zweite Variante entscheidet und Platons Ansatz für alle verbindlich macht. Auch den Arbeitsbegriff dehnt Morus auf alle aus. Auf Utopia existiert kein Müßiggang und sämtliche Arbeitsressourcen werden mobilisiert.[79] In Bezug auf das Wirtschaftssystem ist somit eine klare Entwicklungsdifferenz in Morus’ Utopia erkennbar.[80] Die Ablehnung der Gesellschaftsmitglieder gegenüber einem Leben voll Luxus kennzeichnet jedoch ebenso die Utopia.
3.2 Der Einzelne und das Ganze
Die ideale „kommunistische“ Gesellschaft bei Thomas Morus hat bei näherer Betrachtung mit dem zwar vom Privateigentum befreiten, aber im Prinzip rein kontemplativ ausgerichteten Wächterstand Platons wenig gemein. Bei Morus kommt das Gemeineigentum allen zugute und bildet damit eine wichtige Voraussetzung des Gemeinlebens. Bei Platon besteht eine „kommunistische Idee“ somit zumindest nur partiell.[81] Bezüglich der Stellung des Einzelnen zum Ganzen aber, rücken beide Gesellschaftskonzepte wieder näher zusammen. Denn weil auch bei Morus die „Überformung“ sämtlicher Eigenarten des Einzelnen und das Aufgehen des Individuums zu Gunsten einer kollektiven Vernunft stattfindet, ist diesbezüglich eine Differenz zu Platon kaum feststellbar: In der Politeia sah Platon die Identität aller über dem Individualismus Einzelner. Die Emanzipation des Individuums, das frei seinen sozialen Interessen nachgehen und sich entfalten kann, lehnte er kategorisch ab.[82] Dieser Antiindividualismus wäre es Saage zufolge, der „Platons ‚besten’ Staat für die etatistische Tradition des utopischen Denkens seit dem 16. Jahrhundert so attraktiv machte“[83]. Denn wenn sich nämlich das gesellschaftliche Umfeld hin zu einer individualisierten bürgerlichen Gesellschaft entwickelt, in der es hautsächlich um die skrupellosen Bereicherung der sozioökonomisch höher gestellten Schichten geht, dann „war die Konsequenz, die die frühneuzeitlichen Utopisten aus ihm zogen, identisch mit der Platons: Sonderinteressen durften in ihren Entwürfen keinen legitimen Ort haben“[84] Ihr antiindividualistische Kennzeichnung erhalten also sowohl die Politeia als auch die Utopia angesichts der oben beschriebenen und als extrem ungerecht wahrgenommenen Zustände ihrer Zeit. Die ernüchternde Konsequenz der vergleichenden Analyse bezüglich des idealen Gesellschaftssystems Platons und Morus’ ist, dass auch in Morus’ Konzept der Einzelne generalisiert wird und Teil einer „übersozialisierten Maschinerie [ist], so dass das Vergnügen der Leser in der Beobachtung ihres Funktionierens besteht, nicht aber darin, sich an den unverwechselbaren Individuen zu erfreuen, die dort leben“[85].
3.3 Zusammenfassung
Die vorliegende Hausarbeit untersuchte spezifische Bereiche der idealen Gesellschaften zweier in großem zeitlichen Abstand voneinander geschriebenen Werke. Auch wenn die Arbeit bei weitem nicht sämtliche, die optimale Gesellschaft betreffende, Aspekte in einem vergleichenden Kontext analysieren konnte, so zeigte sie dennoch an ausgewählten Bereichen auf, dass Morus zwar teilweise auf Platons Gedanken aufbaut, die Utopia aber dennoch jederzeit anhand distinktiver Merkmale klar identifizierbar bleibt. Die Politeia von Platon und die Utopia von Thomas Morus sind sich z. B. bezüglich der Betonung der Wirtschaft als gesellschaftliche Grundlage und der Ablehnung von unnötigem Luxus und Dekadenz sehr ähnlich. Prinzipiell eint ein hohes Erziehungsideal, eine Abneigung gegenüber zu vieler Gesetze und das Interesse an einen philosophisch geschulten Herrscher die neuzeitliche mit der antiken Idealstaatskonstruktion. Doch nur teilweise entspricht Morus’ ideale Gesellschaft der Platons, wenn es um die innergesellschaftliche Organisation geht. Hier steht Platons Ständegesellschaft der egalitären Gesellschaft Morus’ klar gegenüber. Besonders die Person des Herrschers selbst wird auf der einen Seite durch einen schweren, Jahrzehnte dauernden, Erziehungsweg und durch Auswahl bestimmt – so bei Platon – und auf der anderen Seite demokratisch gewählt.[86] Auch betrifft die Egalität auch andere relevante Aspekte wie z. B. die Abschaffung des Privateigentums. Somit stellt sich der Verfasser der Hausarbeit auf die Seite Krishan Kumars, dessen These war, „dass sich die ‚Utopia’ des Thomas Morus nicht in eine lineare Genese der Gesellschaftskonzeptionen einordnen lässt“[87] und mehr als die Summe der Komponenten darstellt, die sie ermöglicht haben.
4 Schluss
Somit tritt die Utopia des Thomas Morus nicht selbstverständlich die Nachfolge der Politeia an, von einem kühn formulierten „Politeia reloaded“ kann nach der Analyse nur noch schwer die Rede sein. Die Utopia ist und bleibt ein eigenständiges Werk, das zwar durchaus Vorläufer hatte, aber mit zusätzlichen Komponenten ausgestattet, zu Recht als die erste Utopie der Neuzeit bezeichnet wird. Differenzen und Parallelen lassen sich darüber hinaus auch in vielen anderen Bereich auffinden, die vorliegende Arbeit nicht analysieren konnte. Dazu gehören z.B. die Aspekte Krieg und Militär, Religion, Wissenschaft und Technik etc. Diese müssten gesondert untersucht werden. Der ganzheitliche Ansatz der Utopien – dies gilt sowohl für die Utopia als auch für die Politeia – kann aber dennoch ambivalent betrachtet werden. Zum einen wäre da die, fast als zwangsläufig erscheinende, Überformung aller Individualität – die Totalitarität. Zum anderen aber auch, und dies wurde bei der Analyse weniger berücksichtigt, die scheinbar fehlende Dynamik von Idealstaatsentwürfen. Die meisten Utopien sind Arbeits- und Bildungsutopien und sind meist statisch. Doch sie bündeln menschliche Sehnsüchte einer jeden Epoche. Die Sehnsüchte können dann durchaus verschiedenartig sein, obwohl das vorgestellt Konzept „an sich“ statisch bleibt. Wir erkennen somit Entwicklungen und eine gewisse Kontingenz zwischen verschiedenen Entwürfen vielleicht erst bei einem direkten Abgleich mit Utopien anderer Epochen. Wichtig ist, dass die Utopien zur „conditio humana“ gehören und laut Oscar Wilde, auf keiner soziopolitischen Landkarte fehlen dürfen.[88]
Literaturverzeichnis
Canto-Sperber, Monique / Brisson, Luc, 2005: Zur sozialen Gliederung der Polis, In: Otfried Höffe (Hrsg.), Klassiker Auslegen. Bd. 7: Platon. Politeia, Berlin 2005, 95-118
Gnüg, Hiltrud, 1999: Utopie und utopischer Roman, Stuttgart
Hartmann, Ralf, 1996: Politopia. Ein Vergleich der Staatsutopie des Thomas Morus mit Platons ‘Politeia’, Marburg 1996, S. 32-49
Höffe, Otfried, 2005: Einführung in Platons Politeia, In: Otfried Höffe (Hrsg.), Klassiker Auslegen. Bd. 7: Platon. Politeia, Berlin 2005, 3-27
Hülser, Karlheinz, 2005: Platon für Anfänger. Der Staat, München
Horkheimer, Max, 1986: Die Utopie, In: Arnhelm Neusüss (Hrsg.), Utopie. Begriff und Phänomen des Utopischen, Frankfurt am Main 1986
Kumar, Krishan, 1991: Utopianism, Buckingham-Minneapolis
Kraut, Richard, Plato, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2004 Edition), Edward N. Zalta (ed.), URL = <http://plato.stanford.edu/entries/plato/> (07.03.2006)
Morus, Thomas, 1992 Utopia, Frankfurt am Main und Leipzig 1992
Morus, Thomas, 1996 Utopia, In: Klaus J. Heinisch (Hrsg.), Der utopische Staat, Reinbek b. Hamburg 1996, S. 7-110
Münkler, Herfried, 1993: Die politischen Ideen des Humanismus, In: Iring Fetscher, Herfried Münkler (Hrsg.), Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 2, München 1993
Platon, 1990: Politeia / Der Staat, In: Gunther Eigler (Hrsg.), Werke in acht Bänden, Bd. 4, 2. Aufl. Darmstadt 1990
Rhim, Sung-Chul, 2005: Die Struktur des idealen Staates in Platons Politeia. Die Grundgedanken des platonischen Idealstaates angesichts antiker und moderner Kritik, Würzburg
Saage, Richard, 1989: Vertragsdenken und Utopie. Studien zur politischen Theorie und zur Sozialphilosophie der frühen Neuzeit, Frankfurt am Main
Saage, Richard, 1991: Politische Utopien. In: Dieter Nohlen und Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.): Lexikon der Politik. Bd. 1: Politische Theorien, München 1995, 478-483
Saage, Richard, 1997: Utopieforschung. Eine Bilanz,, Darmstadt
Saage, Richard, 2000a: Die moderne Utopie und ihr Verhältnis zur Antike, Stuttgart-Leipzig
Saage, Richard, 2000b: Politische Utopien der Neuzeit, Darmstadt
Whitehead, Alfred N., 1929: Process And Reality. An Essay In Cosmology, New York
Waschkuhn, Arno, 2003: Politische Utopien. Ein politiktheoretischer Überblick von der Antike bis heute, München
[...]
[1] Auszug aus Friedrich Schillers Gedicht „Der Antritt des neuen Jahrhunderts“ (1801)
[2] Waschkuhn 2003, im Vorwort
[3] Waschkuhn 2003, im Vorwort
[4] Thomas Morus stellt die latinisierte Form von Thomas More dar. Auch um Irritation zu vermeiden, bevorzugt der Verfasser vorliegender Arbeit die Bezeichnung Thomas „Morus“.
[5] Kumar 1991, S. 3: „Utopia breaks through that boundary. It attemps to lift the veil both for its own time and, conceivably, for all time. Utopia describes a state of impossible perfection which nevertheless is in some genuine sense not beyond the reach of humanity. It is here if not now.“
[6] In der deutsche Übersetzung: „Der Staat“; im lateinischen: „res publica“
[7] Saage 1997, S. 2
[8] Waschkunh 2003, im Vorwort
[9] Waschkuhn 2003, S. 44
[10] Der Titel in deutscher Übersetzung: „Von der besten Staatsverfassung und von der neuen Insel Utopie“.
[11] Waschkuhn 2003, S. 44
[12] Waschkuhn 2003, S. 44
[13] Münkler 1993, S. 595
[14] Morus 1996, S. 49
[15] Amaurotum hat mit der Hauptstadt London einiges gemeinsam. Berechnungen nach hat auch das damalige England 53 Städte gezählt, siehe weiter dazu Morus 1992, S. 220 (im Kommentar).
[16] Waschkuhn 2003, S. 17: „Große Teile der Jugend Athens, darunter Platon, waren von den neuen Ideen begeistert. Die herrschenden Tyrannen hingegen sahen in Sokrates einen Verführer der Jugend und ließen ihn durch Gift hinrichten, wobei Sokrates aus Gründen der Staatsräson den Schierlingsbecher ohne Widerspruch einnahm. Er versagte sich auch die leicht mögliche Flucht, weil er gegenüber den Gesetzen nicht vertragsbrüchig werden wollte, deren Schutz er bis dahin freiwillig genossen habe.“
[17] Hülser 2005, S. 12
[18] Kraut 2004
[19] Zu Platons Erfahrungen am Hofe Dionysios I. berichtet bekanntlich der sogenannte 7. Brief
[20] Hülser 2005, S. 11
[21] Höffe 2005, S. 4
[22] Die Form der dialogischen Dauerreflexion übernahm Platon von seinem Lehrer Sokrates, der als Bürger Athens ein Philosoph der Straße und des Alltagslebens war und im kommunikativen Umgang mit anderen Menschen die einzige Möglichkeit sah, “Wissen“ zu erlangen, das zur „Seelenbesserung“ führe. Vergleiche dazu Waschkuhn 2003, S. 16
[23] Kraut 2004, Kap. 4: Nicht nur für Platon war es üblich, den bewunderten, großen Lehrmeister Sokrates in philosophischen Dialoge zu Wort kommen zu lassen. Aristophanes, Xenophon u.a. verfuhren oft gleichermaßen.
[24] Hülser 2005, S. 18
[25]: Hinzuweisen ist hierbei auch auf die Analogie der Ständegesellschaft mit den Seelenteilen der menschlichen Psyche. Vergleiche dazu: Waschkuhn 2003, S. 24.
[26] Waschkuhn 2003, S. 19
[27] Saage 1989, S. 12
[28] Saage 1989, S. 12
[29] Saage 1989, S. 12
[30] Horkheimer 1986, S. 178
[31] Horkheimer 1986, S. 178
[32] Saage 1989, S. 13
[33] Saage 1989, S. 14
[34] Saage 1989, S. 12
[35] Saage 1989, S. 16
[36] Whitehead 1929, S. 63: „The safest general characterization of the European philosophical tradition is that it consists of a series of footnotes to Plato“.
[37] Saage 1989, S. 9
[38] Morus 1996, S. 79
[39] Morus 1996, S. 53: In der neuen Sprache der Utopier werden „Syphogrant“, „Tranibor“ und „Barzanes“ durch die Bezeichnung „Phylarch“, „Protophylarch“ und „Ademus“ erzetzt.
[40] Morus 1996, S. 85
[41] Rhim, S. 78-83
[42] Canto-Sperber / Brisson 2005, S. 109-110
[43] Rhim, S. 98
[44] Waschkuhn 2003, S. 55
[45] Morus 1996, S. 80
[46] Platon, III 412c-413d
[47] Saage 1989, S. 33
[48] Morus 1996, S. 58
[49] Platon, V 461e
[50] Saage 2000, S. 12
[51] Saage 2000, S. 12
[52] Waschkuhn 2003, S. 25
[53] Morus 1996, S. 82
[54] Waschkuhn 2003, S. 25
[55] Siehe dazu näher Kapitel 3.2 in dieser Arbeit
[56] Morus 1996, S. 42
[57] Waschkuhn 2003, S. 32; „Hierfür steht das berühmte Höhlengleichnis im siebten Buch der ‚Politeia’ (514a-519b); es ist eine komplexe Parabel in Bezug auf Bildung und Unbildung, ein Erkenntnis- und Erziehungsparadigma.“
[58] Rhim 2005, S. 78
[59] Morus 1996, S. 42 und S. 47
[60] Hartmann 1996, S. 37
[61] Morus 1996, S. 65-66
[62] Morus 1996, S. 42 und S. 49
[63] Saage 1997, S. 46
[64] Platon, II 374a
[65] Saage 2000, S. 14
[66] Morus 1996, S. 54
[67] Siehe Kap. 3.1
[68] Saage 2000, S. 24
[69] Waschkuhn 2003, S. 54 und Saage 1989, S.22-23
[70] Saage 2000, S. 24
[71] Morus 1996, S. 64-65
[72] Morus 1996, S. 53
[73] Saage 1989, S. 25
[74] Waschkuhn 2003, S. 55
[75] Rhim 2005, S. 82
[76] Platon, II 371b
[77] Platon, IX 591d
[78] Saage 2000, S. 13
[79] Saage 1989, S. 25
[80] Platon, II 374b: Anzumerken bleibt dennoch, dass Egalität oder Gleichbehandlung Aller nicht unbedingt bedeuten muss, dass alle dasselbe tun, oder bei Bedarf tun könnten. Für die Bauern ist es eben die Pflicht, die Felder zu bestellen und mit der Landwirtschaft die Grundlage des idealen Staates zu bilden. Aber genauso tun Platons Philosophen und Wächter eben nur ihre Pflicht – zum Wohle des Gemeinwesens. Hier könnte eine weiter Diskussion anknüpfen, ob es nicht Gleichheit ist, wenn ein jeder seiner Pflicht nachkommt.
[81] Saage 1997, S. 58
[82] Saage 1989, S. 18
[83] Saage 1997, S.47
[84] Saage 1997, S.47
[85] Waschkuhn 2003, S. 55
[86] Hartmann 1996, S. 59
[87] Saage 1997, S. 57
[88] Waschkuhn 2003, im Vorwort
- Arbeit zitieren
- Karsten Linde (Autor:in), 2006, Politeia Reloaded? - Zur Intensität des platonischen Einflusses auf zentrale gesellschaftliche Aspekte der Utopia des Thomas Morus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110061