Englisch als globale Verkehrssprache


Hausarbeit, 2005

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition - Was ist eine Weltsprache?

3. Warum wurde Englisch zur Weltsprache?
3.1 Makrosoziologische Betrachtung
3.1.1 Historische Ursachen
3.1.2 Kulturelle Ursachen
3.2 Mikrosoziologische Betrachtung
3.2.1 Persönlicher Nutzen
3.2.2 Der Q-Value nach deSwaan

4. Kritik an deSwaan
4.1 Institutionalisierter Spracherwerb
4.2 Investitionen des Spracherwerbs
4.3 Das Phänomen der kulturspezifischen Sympathie

5. Schlusswort

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Englische Sprache, die einst lediglich in Teilen der britischen Insel gesprochen wurde, wird heute weltweit verwendet, entweder als Mutter-, als Zweit- oder auch als Drittsprache. Sie ist - im wahrsten Sinne des Wortes - in aller Munde. Doch wie kam es zu diesem in der Geschichte einmaligen Aufstieg einer Sprache zur globalen Verkehrssprache? Schon immer gab es sogenannte linguae francae, Sprachen, die über ihren ursprünglichen Verbreitungsraum heraus als Medium zur überregionalen Kommunikation verwandt wurden, sei es das Latein in der Antike (und als Gelehrtensprache bis ins 20. Jahrhundert hinein), das Arabische in den islamisierten Gebieten im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika oder das Französische, welches zu Zeiten Napoleons in weiten Teilen Europas gesprochen wurde und bis Mitte des 20. Jahrhunderts als internationale Diplomatensprache fungierte. Doch noch nie in der Geschichte der Menschheit hat eine Sprache eine solch einzigartige Entwicklung von einer lokalen Sprache zur global verwendeten und selbst von ihren schärfsten Kritikern nicht in Frage gestellten Weltverkehrssprache durchlaufen.

In dieser Hausarbeit werde ich die Ursachen und Voraussetzungen aufzeigen, welche diese einmalige Karriere ermöglicht haben. Des Weiteren werde ich der Frage nachgehen ob, und falls ja, welche andere Gründe es neben den historischen Gegebenheiten und der persönlichen Motivation, eine Sprache zu erlernen, gibt. Diesbezüglich werde ich mich im Speziellen auf die von dem niederländischen Soziologen Abram deSwaan entworfenen Theorie zur internationalen Sprachkonstellation beziehen.

Zu Beginn dieser Arbeit werde ich definieren, was eigentlich eine Weltsprache ausmacht, um anschließend der Frage nachzugehen, warum die heute unangefochtene Weltsprache die englische und keine andere der weltweit ca. 6000 existierenden Sprachen ist. Dieses Faktum werde ich sowohl von der makro-soziologischen, also von der allgemein-historischen, wie auch von der mikro-soziologisch, also individuell-persönlichen Perspektive betrachten und erörtern.

Anschließend werde ich untersuchen, ob es neben den Theorien der aktuellen Forschung noch andere Faktoren gibt, welche die internationale Sprachkonstellation beeinflussen oder die bereits vorhandene linguale Hegemonie verstärken.

Denn dass die Entscheidung, welche Fremdsprache man erlernt, nach rein rationalen Gesichtspunkten getroffen wird, wie es deSwaan postuliert, bezweifle ich.

Neben dem ohne Zweifel bestehenden rationalen Kalkül („Welche Sprache hat die meisten Sprecher, bringt mir also den meisten Nutzen?“) beeinflussen meiner Meinung nach noch andere Faktoren, wie beispielsweise das Angebot an Schulen und Universitäten, die nötigen Investitionen zum Erlernen der Sprache sowie das Phänomen der „kulturellen Sympathie“ die Entscheidung, welche Fremdsprache ein Individuum erlernt.

Trotz des linguistischen Themas sollte jedoch nicht vergessen werden, dass es sich hierbei um eine soziologische, und nicht um eine linguistische Arbeit handelt. Ich beschreibe und untersuche die Thematik unter soziologischen Gesichtspunkten, die tiefergehende linguistische Analyse der Weltsprache Englisch, welche Variationen sich entwickelt haben, welche linguistischen Besonderheiten diese einzelnen Variationen besitzen oder welche Auswirkung die Vorherrschaft des Englischen auf die einzelnen regionalen Sprachen hat, überlasse ich den Linguisten.

2. Definition - Was ist eine Weltsprache?

Ab wann eine Sprache als Weltsprache einzustufen ist, und welche Sprache als eine solche gilt, ist nicht einfach an der Anzahl ihrer Sprecher festzumachen. Vielmehr geht es bei dieser Frage darum, welchen Status die Sprache in der internationalen Sprachkonstellation einnimmt. Einen wirklich globalen Status erreicht eine Sprache nur dann, wenn sie eine besondere Rolle annimmt, die weltweit anerkannt wird.1 Eine weitere, daraus resultierende Vorraussetzung für eine Weltsprache ist, dass sie neben den Muttersprachlern von einer großen Anzahl von Nicht- Muttersprachlern als Zweit- oder gar Drittsprache gesprochen wird. Eine Weltsprache fungiert als Bindeglied, als Medium der Kommunikation zwischen anderen, weniger verbreiteten Sprachen. Dabei ist es absolut zweitrangig, wie viele Muttersprachler diese Sprache hat. Latein wurde nicht wegen der Anzahl seiner Sprecher zur Weltsprache (der damals bekannten Welt), sondern weil seine Sprecher großen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Einfluss hatten. Die Sprachkonstellation ist immer auch ein Spiegel der politischen Verhältnisse. Je mächtiger eine Sprachgemeinschaft wird, desto wichtiger wird ihre Sprache. Mit der Expansion politischer oder wirtschaftlicher Macht vergrößert sich auch das Verbreitungsgebiet der jeweiligen Sprache. Dies war in der Antike mit dem Griechischen der Fall, ebenso mit dem Latein, welches im gesamten Einflussgebiet des Römischen Reiches als lingua franca diente. Andere Beispiele sind die Ausbreitung des Arabischen in die islamisierten Gebiete sowie das Französische, welches zu Zeiten der Eroberungen Napoleons seine größte Verbreitung hatte.

Auch das Portugiesische ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine kleine regionale Sprache durch den Aufstieg der Nation ihrer Sprecher zu einer Kolonialmacht weltweit Verbreitung findet. Allerdings steht und fällt eine Sprache mit dem Einfluss und der Macht ihrer Sprecher. Schwindet der Einfluss einer einst mächtigen Nation, so verschwindet in der Regel auch der besondere Status ihrer Sprache.2

3. Warum wurde Englisch zur Weltsprache?

Ob eine Sprache zur Weltsprache avanciert, hat also in erster Linie mit der Macht ihrer Sprecher zu tun und nicht, wie vielfach im Falle des Englischen behaupten, mit der Struktur und Komplexität einer Sprache. Vielfach wurde (und wird) die These vertreten, das Englische habe sich so rasch und so weit verbreitet, weil es eine geringe grammatikalische Komplexität aufweise und dadurch im Vergleich zu anderen Sprachen einfach zu lernen sei.

In dieser Annahme schrieb bereits im Jahre 1848 ein unbekannter Autor in der britischen Zeitschrift The Athenaeum über die Zukunft der englischen Sprache:

„ In its easiness of grammatical construction, in its paucity of inflection, in its almost total disregard of the distinctions of gender, excepting those of nature, in the simplicity and precision of its terminations and auxiliary verbs, not less than in the majesty, vigour and copiousness of its expressions, our mother tongue seems well adopted by organization to become the language of the world. ” 3

Doch die vermeintliche Einfachheit der englischen Sprache bietet keine schlüssige Erklärung für ihren Aufstieg zur Weltsprache. Latein mit seiner Vielzahl von Fällen und Artikeln wurde dennoch zur Weltsprache. Das selbe gilt für jede andere Sprache, die im Laufe der Geschichte eine übergeordnete Rolle in der internationalen Sprachkonstellation eingenommen hat.

Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch die Tatsache, dass man sich im Englischen schon mit relativ wenig Worten bereits akzeptabel verständigen kann und auch eine starke Vereinfachung eines Satzes dessen Bedeutung nicht wesentlich verändert.

„ However, it is a feature of English at least that many of its conventions (>>rules<<) can be broken and a message still manages to do its intended work. There is apparently enough builtin redundancy for much to get lost or distorted without meaning being lost - or even endangered. Thus the same message can be sent whether the form is >>I ´ m sorry to say that I cannot come tomorrow<< (...) or the suspect >> Sorry no can come<<. ” 4

Auch wenn Englisch in seinen Grundzügen leicht zu erlernen ist: Die Einfachheit, eine Sprache zu erlernen, entscheidet keineswegs darüber, ob sie zur Weltsprache wird; entscheidend ist die Macht derjenigen, die die Sprache sprechen.

“ A language does not become a global language because of its intrinsic structural properties, or because of the size of its vocabulary, or because it has been a vehicle of a great literature in the past, or because it was once associated with a great culture or religion. These are all factors which can motivate someone to learn a language of course, but none of them alone, or in combination, can ensure a language ´ s world spread. (...) A language has traditionally become an international language for one chief reason: the power of its people - especially their political and military power. The explanation is the same throughout history. ” 5

Kurzum: Es bedarf militärischer Macht, um eine Sprache zu verbreiten und ökonomischer Macht, um diesen Zustand zu erhalten.6 Dies ist auch der Grund dafür, dass sich als Weltsprachen konzipierte Kunstsprachen wie Esperanto oder Volapük niemals durchsetzen konnten. Inwieweit diese Faktoren einzeln oder in Kombination zur heutigen globalen Vorherrschaft des Englischen beigetragen haben, werde ich in den nächsten zwei Unterkapiteln darstellen.

3.1 Makro-soziologische Betrachtung

Im Folgenden werde ich aus der makro-soziologischen Perspektive die Ursachen der weltweiten Verbreitung der Englischen Sprache betrachten. Dies beinhaltet sowohl die historischen Fakten der Kolonialisierung, als auch neuere und neuste Entwicklungen wie Internationalisierung, kulturtheoretische Überlegungen und Gegenwartsdiagnosen.

3.1.1 Historische Ursachen

The present-day world status of English is primarily the result of two factors: the expansion of British colonial power, which peaked towards the end of the nineteenth century, and the emergence of the United States as the leading economic power of the twentieth century. ” 7

Der Grundstein für die heutige Weltsprache Englisch wurde bereits vor gut 400 Jahren gelegt. Mit dem Aufstieg der Briten zur mächtigsten Seemacht und bedeutensten Handelsnation Europas wurde die Englische Sprache im Zeitalter des Kolonialismus auf alle Kontinente verbreitet. Zwar wurde erst 1607 mit Jamestown in der Chesapeake Bay die erste dauerhafte englische Siedlung in Nordamerika, lange nach den ersten spanischen Siedlungen gegründet, jedoch breitete sich der englische Einflussbereich ab diesem Zeitpunkt rapide aus. Durch verstärkte Zuwanderung wurden die englischsprachigen Siedler gegenüber den spanischsprachigen in Nordamerika immer zahlreicher und stellten bald die Mehrheit. Auch gegenüber den Sprachen der französischen und deutschen Siedler konnte sich das Englische rasch durchsetzen.

Das immer wieder gehörte Gerücht, es habe im amerikanischen Kongress eine Abstimmung über die Amtssprache der Vereinigten Staaten gegeben, bei welcher um ein Haar Deutsch zur offiziellen Amtssprache gewählt worden wäre, ist allerdings eine Legende, die sogenannte Mühlenberg- Legende.

Diese „ besagt, dass Deutsch beinahe Amtssprache der USA geworden w ä re, was nur dadurch verhindert wurde, dass [der deutschstämmige] Frederick Augustus Conrad M ü hlenberg, Sprecher des Parlamentes von Pennsylvania, der selbst deutsch- und englischsprachig war, die eine entscheidende Gegenstimme abgegeben haben soll. Dies hat so nie stattgefunden. Der Ursprung der Legende liegt m ö glicherweise darin, dass deutschsprachige Bauern aus Virginia 1794 in ihrem Parlament eine Petition eingebracht haben, einen Gesetzesband auch auf Deutsch ver ö ffentlichen zu lassen. Dieser Vorschlag wurde mit 42 zu 41 Stimmen abgelehnt. Die Legende wurde zu verschiedenen Zeiten f ü r unterschiedliche politische Zwecke instrumentalisiert. Sie ist in Deutschland und Ö sterreich auch heute noch weit verbreitet. “ 8

The northern half of the western hemisphere was first colonized by English settlers, and they succeeded in maintaining English as the predominant, well-nigh exclusive language of North America, in the end ceding only Quebec to French. Hesitant attempts to claim a position for other immigrant languages, such as German, were quickly abandoned... ” 9

Um 1640 waren weite Teile der Karibik in britischer Hand und 1651 wurde Gambia die erste britische Kolonie auf afrikanischem Boden. 1765 richteten die Briten das erste Strafgefangenenlager in Port Jackson ein und besiedelten in den darauffolgenden Jahrzehnten den gesamten australischen Kontinent. 1792 folgte die Besiedelung Neuseelands. Weitere strategisch wichtige und sprachlich folgenreiche Eroberungen waren 1796 die Kolonialisierung von Ceylon und 1797 die von Trinidad. 1897 wurde Hongkong unter britische Verwaltung gestellt.10 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das British Empire am Höhepunkt seiner Macht angelangt. Mit militärischer und ökonomischer Macht hatte es die Englische Sprache auf alle fünf Kontinente exportiert. Im Gegensatz zum Spanischen, Französischen oder Portugiesischen, das auch in den Kolonien der jeweiligen Länder gesprochen wurden, war das Englische jedoch rund um den Globus vertreten. Es war eine Sprache über der die Sonne niemals unterging. 11 Viele der ehemaligen Kolonien behielten auch nach ihrer Unabhängigkeit das Englische als offizielle Amtssprache oder zumindest als Zweitsprache bei.

It was an expansion which continued with the nineteenth-century colonial developments in Africa and the South Pacific, and which took a significant further step when it was adopted in the mid twentieth century as an official or semi-official language by many newly independent states. ” 12

Nachdem das British Empire seine weltweite Vormachtstellung verloren hatte, traten die Vereinigten Staaten in politisch-militärischer und ökonomischer Hinsicht an seine Stelle. Der britische Imperialismus hatte für die weltweite Verbreitung der Englischen Sprache gesorgt, die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten seit Beginn des 20. Jahrhunderts gewährleistete deren Erhalt und weitere Verbreitung.

Ab 1945 wurde Englisch zur dominierenden Sprache des nicht unter sowjetischem Einfluss stehenden Europas, während es in den kommunistischen Ländern Ost- und Südosteuropas verpönt war und Russisch zur staatlich verordneten ersten Fremdsprache wurde.

„ Zu allen Zeiten hat die Sprachenverteilung in der Welt die Machtverteilung in der Welt widergespiegelt. Die meistverbreiteten Sprachen - Englisch, Mandarin, Spanisch, Franz ö sisch, Arabisch, Russisch - sind oder waren die Sprachen imperialer Staaten, die aktiv den Gebrauch ihrer Sprache durch andere V ö lker f ö rderten. Verschiebungen in der Machtverteilung bewirken Verschiebungen im Gebrauch der Sprachen. ” 13

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989/90 änderte sich neben der politischen Machtverhältnisse auch die Sprachkonstellation in den ehemaligen Sowjetrepubliken und den sowjetischen Satellitenstaaten Osteuropas. Englisch zu lernen, war nicht nur möglich, sondern auch notwendig geworden.

“ Since the early 1990s, the Russian language has been rapidly coming apart. The Central and East European satellite states have regained their full autonomy and quickly did away with Russian as the first foreign language, turning instead to English and German. ” 14

Heute ist Englisch in 42 Ländern der Erde offizielle und in circa 20 weiteren semi-offizielle Amtssprache15, wird in mehr als 100 Ländern als Fremdsprache gelehrt und ist somit die am weitesten verbreitetste Fremdsprache der Welt. Im Jahre 1996 beispielsweise ersetzte Englisch in der ehemals französischen Kolonie Algerien Französisch als erste in der Schule unterrichtete Fremdsprache.16

Über die Anzahl der Sprecher des Englischen gibt es stark variierende Angaben. Die Zahl der Muttersprachler wird von den verschiedenen Quellen mit 320 bis 375 Millionen angegeben.17

Other sources say that there are as many as 1.6 billion English speakers in the world. Naturally, numbers given in this matter are not reliable. ” 18

Hinzu kommt eine unbekannte Zahl von Menschen, die Englisch als Zweit- oder Drittsprache verwenden, da es unmöglich ist, genau zu definieren, ab welcher Qualifikation eine Person als des Englischen mächtig eingestuft wird. Die Bevölkerung der Länder, in denen Englisch offizielle Zweitsprache ist, wird auf ungefähr 250 Millionen geschätzt. Doch diese Zahl beinhaltet nur diejenigen Sprecher, die Englisch durch den besonderen Status, welches es in ihrem Land inne hat, fließend oder nahezu fließend sprechen. Gleichzeitig bedeutet der Status als offizielle zweite Amtssprache nicht automatisch, dass alle Bewohner des Landes dieser Sprache mächtig sind.

Von der Statistik generell unberücksichtigt bleiben die Unmengen von Menschen, die lediglich Grundkenntnisse des Englischen besitzen, es aber durchaus zur interlingualen Kommunikation verwenden. Zählt man auch Sprecher mit geringen Englischkenntnissen hinzu, so kommt man auf eine deutlich höhere Zahl an Sprechern, denn „ die Zahl derer, die entweder aktive oder passive englische Sprachkenntnisse besitzen, wird auf 1 bis 1,5 Milliarden gesch ä tzt. Damit w ä re das Englische (noch vor dem Chinesischen) die sprecherreichste Sprache der Welt und zugleich die verbreitetste. ” 19

3.1.2. Kulturelle und ökonomische Ursachen

Neben den historischen Ursachen der Kolonialisierung gibt es zahlreiche kulturelle und ökonomische Ursachen, die zur Verbreitung des Englischen beigetragen haben. Diese sind beispielsweise die schon angesprochene Vorherrschaft der Engländer als Seemacht. Auch wenn die Seefahrt seit dem Untergang des Great Empire nicht mehr diesen besonderen Stellenwert einnimmt, so hat diese Tatsache dennoch zu Folge, dass die internationale Seefahrtssprache nach wie vor Englisch ist. Mit dem Aufkommen des Flugverkehrs wurde Englisch ebenfalls zur internationalen Sprache des Luftverkehrs. Auch in der globalen Kommunikation, im Briefverkehr wie im Internet ist Englisch die Standardsprache. Rund 80 % der heute im Internet vorhandenen Texte sind in Englischer Sprache verfasst.20

„ Als Folge sprunghaft angestiegenen grenz ü berschreitenden Verkehrs (besonders des Flugverkehrs) und der Entwicklung moderner Kommunikationstechniken ( ü ber Telegraphie, Radio und Fernsehen zu E-Mail und Internet) wurde das Vorhandensein einer Weltsprache viel bedeutsamer als fr ü her - und da das Franz ö sische offensichtlich ausgedient hatte, bot sich das weitverbreitete (und in den Grundz ü gen schriftlicher Strukturen leicht erlernbare) Englisch an. ” 21

Doch nicht nur in der aufgrund der stark gestiegenen Mobilität immer wichtiger gewordenen Transportbranche, auch in der industriellen Güterproduktion, speziell in der Elektroindustrie, spielt das Englische, bedingt durch die ökonomische Stärke der USA eine besondere Rolle. Jede Stereoanlage oder Videorecorder, ganz gleich, in welchem Land produziert, ist mit auf englisch beschrifteten Schaltern und Knöpfen ausgestattet. Die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten im wirtschaftlichen Bereich verstärkte die bereits vorhandene weltweite Dominanz der Englischen Sprache.

„ For the world-wide mail and maritime traffic, global communication was already established at the beginning of the last century. (...) In all these activities with their concomitant communicational needs, North America has been leading in tone and language since 1950. There is no denying this fact. Whoever wants to dispute this role, like Japan in electronics and its car industry or Europe in the aviation industry, must even do this in English. ” 22

Darüber hinaus nahmen die internationalen Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen und Kino) in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg einen zunehmend höheren Stellenwert ein. All diese Medien waren, bedingt durch die Dominanz der USA im politischen wie ökonomischen Bereich, meist englischsprachig. International erfolgreiche Musikinterpreten sangen fast ausschließlich auf Englisch. Musikstiele wie Blues, Rock´n´Roll, Rock und Soul, später auch Punk und Hip-Hop brachten Musik mit englischsprachigen Texten in so gut wie alle Teile der Erde. Hollywood begann Unmengen an Filmen zu produzieren, die in alle Welt exportiert wurden. Heute erscheint in so gut wie jedem Land der Erde mindestens eine englischsprachige Zeitungen und es existieren englischsprachige Fernsehsender.

Ein weiterer Grund für die verstärkte Ausbreitung des Englischen war die nach 1945 verstärkte internationale Verflechtung, nicht nur durch die beschriebene Intensivierung von Transport und Kommunikation, sondern auch durch neu geschaffene internationale Institutionen, wie UNO, UNICEF, UNESCO, WHO oder des IWF und der Weltbank. Diese internationalen Verflechtungen machten eine gemeinsame Sprache erforderlicher denn je.

„ The prospect that a lingua franca might be needed for the whole world is something which has emerged strongly only in the twentieth century, and since 1950 in particular. (...) The pressure to adopt a single lingua franca, to facilitate communication in such contexts, is considerable, the alternative being expensive and impracticable multi-way translation facilities. ” 23

Als ein scheinbar kleiner, aber nicht unbedeutender Faktor ist der in den letzten paar Jahrzehnten stark angestiegene Tourismus zu nennen. Auch in diesem Bereich dient Englisch als globale Verkehrssprache. Wo immer man im Ausland auf andere Touristen trifft, und man sich deren Nationalität nicht sicher ist, kommuniziert man auf Englisch. Und für die Bewohner der Urlaubsländer sind Grundkenntnisse des Englischen, welches vorher keine Bedeutung für sie hatte, zum entscheidenden Vorteil geworden. Nicht zuletzt wegen dieser “Zusatzqualifikation” entscheiden sich viele Menschen in aller Welt dazu, Englisch zu lernen. Mit diesen persönlichen Beweggründen die Englische Sprache zu erlernen werden sich die nächsten Kapitel ausführlich beschäftigen.

3.2 Mikro-soziologische Betrachtung

3.2.1 Persönlicher Nutzen

Die Motivation, aus der Menschen die Englische Sprache lernen, kann sehr unterschiedlich sein. An erster Stelle ist jedoch der persönliche Nutzen zu nennen, den ein Individuum aus dem Beherrschen der Englische Sprache zieht: die stark gesteigerte Möglichkeit, mit Menschen aus anderen Teilen der Welt zu kommunizieren. Sei es die Verständigung mit ausländischen Besuchern oder, in der umgekehrten Verteilung, die Verständigung als Tourist in einem fremdsprachigen Land: nahezu überall auf der Welt kann man sich mit Hilfe des Englischen kommunizieren, wenn keiner der beiden Gesprächspartner die Muttersprache des anderen spricht.

Dies ist sowohl für den Individual- wie auch für den Pauschaltouristen von Interesse, denn die Chance, dass im Urlaubsland die eigene Sprache gesprochen wird ist - speziell bei “kleinen” Sprachen mit wenig Sprechern - sehr gering.24 Im Alltag ist jedoch eher der passive Sprachgebrauch von Nutzen: man kann viele Filme im Original sehen (nicht, dass man dies nicht auch ohne Englischkenntnisse könnte, aber mit ihnen versteht man sie auch) und man begreift, um was es in den Texten der Lieder geht, die man tagtäglich im Radio hört. Auch beruflich ist es von Vorteil, Englisch zu beherrschen. Durch die in den letzten Jahrzehnten stark gestiegenen internationalen Verflechtungen sind Kenntnisse des Englischen wichtiger den je. In einigen Branchen, die besonders starke internationale Kontakte haben, werden Englischkenntnisse mittlerweile sogar als selbstverständlich vorausgesetzt und stellen keine besondere Zusatzqualifikation mehr dar.

3.2.2 Der Q-Value nach deSwaan

Der niederländische Soziologe Abram deSwaan hat sich eingehend mit dem Thema Sprachkonstellationen befasst und für die Überlegungen über den persönlichen Nutzen, den man aus dem Beherrschen einer Sprache zieht, ein theoretische Grundlage geschaffen. In seinem Buch Words of the World analysiert er die globale Sprachkonstellation und versucht Dominanz und Attraktivität von “großen” Sprachen (was auf globaler Ebene insbesondere Englisch ist) mittels seiner These vom Q-Value zu erklären. Dabei geht deSwaan von einem rein rationalem und utilitaristischem Kalkül der Individuen aus. Vor die Wahl gestellt, welche Fremdsprache man lernen soll, entscheide man sich für diejenige Sprache, welche den meisten Nutzen für einen bietet.

“ Since no one can learn an unlimited number of languages, choices must be made. If efforts are equal, people will choose to learn the language that they expect will benefit them more than another language. ” 25

Den meisten Nutzen zu bieten bedeutet, den größten Kommunikationswert haben, also von möglichst vielen Menschen gesprochen und verstanden zu werden. Das bedeutet, dass eine Sprache, die von sehr vielen Menschen gesprochen wird, als Fremdsprache attraktiver ist als eine kleine, nur von wenigen Sprechern verwendete Sprache.

Da die linguistische Vorherrschaft des Englischen als globale Verkehrssprache allgemein anerkannt ist, entwickelt sich ein sogenannter “external network effect” bei dem sich Ursache und Wirkung gegenseitig verstärken. Das Englische als eine Sprache mit vielen Sprechern wird für Nicht- Muttersprachler attraktiv zu lernen, dadurch erhöht sich die Anzahl der Sprecher, was wiederum andere Nicht-Muttersprachler dazu bringt, eher Englisch als eine andere Fremdsprache zu lernen.

“ When these expectations reinforce one another, they result in a stampede towards the language which is expected to win, and will in fact win because of those very expectations. ” 26

Und da das ohnehin schon einflussreiche und weitverbreitete Englisch die Sprache ist, von der erwartet wird im Wettstreit um die sprecherreichste Sprache zu gewinnen, führt der „external network effect“ zu einem verstärkten Erlernen des Englischen von Nicht-Muttersprachlern.

“ The hypercentral position of English at the hub of the world language system is not just self-perpetuating, it is self-expanding. People who want to learn a foreign language expect that others will opt for English, and that is why they themselves choose to learn it. ” 27

Den Zusammenhang zwischen der Anzahl an Sprechern und dem Kommunikationswert einer Sprache drückt deSwaan mit dem von ihm entworfenen Q-Value aus. Der Q-Value berücksichtigt nicht nur die Anzahl der Muttersprachler einer Sprache, er bezieht auch diejenigen, die die Sprache als Fremdsprache beherrschen mit ein. Dabei geht er strikt mathematisch vor und stellt eine Formel zur Berechnung des Kommunikationswertes auf. Diese setzt sich zusammen aus der Vorherrschaft einer Sprache und deren Zentralität. Der Q- Value einer Sprache ist demnach das Produkt ihrer Vorherrschaft und ihrer Zentralität. Die Vorherrschaft einer Sprache ergibt sich aus dem Quotienten der Anzahl ihrer Muttersprachler und der Gesamtzahl der Sprecher innerhalb der Konstellation. Die Zentralität bezeichnet den Quotienten aus der Anzahl der mehrsprachigen Individuen, die ebenfalls diese Sprache beherrschen und der Gesamtzahl aller mehrsprachigen Sprecher.28

Damit bietet der Q-Value ein einfaches Werkzeug, den Kommunikationswert einer Sprache zu berechnen und Englisch hat - erwartungsgemäß - im Vergleich zu anderen Sprachen den höchsten Wert. Dadurch, dass eben nicht nur Muttersprachler, sondern auch Nicht- Muttersprachler in der Berechnung berücksichtigt werden, übertrumpft es sogar das Chinesische.

“ The Q-value serves a rough-and-ready measure for the communication value of a language in a given constellation. Even this simple indicator cannot be calculated for some constellations, for lack of the necessary statistics on language skills. A more complicated construct would have to be based on pure guesses or remain without factual underpinnings. An even simpler measure, for example the straight figure for the number of speakers of a language, ignoring multilingual skills, would do no justice to the dynamics of the constellation. ” 29

DeSwaan geht also - sicherlich nicht zu Unrecht - davon aus, dass die Wahl, welche Fremdsprache jemand erlernt, bewusst oder unbewusst durch das Vergleichen der verschiedenen Kommunikationswerte der zur Auswahl stehenden Sprachen beeinflusst wird. Doch kann man die subjektive Entscheidung eine bestimmte Sprache zu erlernen mit deren Kommunikationswert alleine ausreichend erklären? Was ist mit anderen intrinsischen und extrinsischen Motivationen des Spracherwerbs? Dieser Fragestellung werde ich in Kapitel 4 nachgehen, indem ich Schwachpunkte deSwaans Theorie aufzeige und ergänzende Faktoren vorstelle.

4. Kritik an deSwaan

Wie bereits erwähnt hat deSwaan ohne Zweifel Recht, wenn er den Kommunikationswert zum wichtigsten Aspekt bei der Wahl der zu lernenden Fremdsprache erklärt. Dennoch meine ich, dass es eine Reihe weiterer Aspekte gibt, die für den Fremdsprachenerwerb von Bedeutung sind und die sowohl in den Arbeiten von Abram deSwaan, wie auch bei anderen Forschern auf dem Gebiet des Spracherwerbs und der globalen Sprachkonstellation, meiner Meinung nach nicht ausreichend berücksichtigt werden.

4.1 Institutionalisierter Spracherwerb

Die meisten Menschen, die eine Fremdsprache erlernen, tun dies nicht autodidaktisch, sondern im Zuge von Schul- und Weiterbildung. Daher ist die Wahl, welche Fremdsprache erlernt wird, nicht völlig frei, sondern an institutionalisierte Strukturen gebunden. In jedem Land werden, abhängig von seiner jeweiligen kulturellen und politischen Ausrichtung, bestimmte Sprachen angeboten und andere nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass in Westeuropa mit seiner starken Verbundenheit zu den USA, in den Schulen größtenteils Englisch als erste Fremdsprache angeboten wird. In Ländern des ehemaligen Ostblocks hingegen wurde und wird bis zum heutigem Tage dem Russischen eine besondere Stellung eingeräumt; dementsprechend ist das Lehrangebot dort traditionell auf das Russische ausgelegt, auch wenn, wie wir in Kapitel 3.1.1 gesehen haben, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Englische dem Russischen den Status als wichtigste Fremdsprache streitig macht. In anderen Regionen der Welt sind, je nach Einflussbereich von Großmächten oder ehemaliger Kolonialisierung, andere Sprachen von Bedeutung und sind integraler Bestandteil der jeweiligen Lehrpläne. Natürlich wird die besondere Rolle des Englischen als de facto Weltverkehrssprache weltweit anerkannt und nicht in Frage gestellt, Einzug in die nationalen Lehrpläne hat es aber längst noch nicht überall gehalten.

Oftmals entscheidet also nicht der freie Wille eines Individuums darüber, welche Fremdsprache erlernt wird, sondern schlicht und einfach das jeweilige Angebot der Schulen und Universitäten eines Landes. Hinzu kommt, dass in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen lediglich ein kleiner Anteil der Schüler einen höheren Bildungsabschluss erreicht, nur wenige Menschen überhaupt eine oder gar mehrere Fremdsprachen erlernt.

4.2 Investitionen in den Spracherwerb

Bei der Definition des Q-Values macht deSwaan eine kleine, aber bedeutende Einschränkung zur Freiheit der Fremdsprachenwahl, indem er in einem Nebensatz sagt, die Freiheit sei nur dann gegeben, wenn der Aufwand, eine Sprache zu lernen der gleich sei.30 Dies ist aber in der Realität bei Weitem nicht der Fall. Fremdsprachen sind, abhängig von der Muttersprache eines Sprechers, für diesen höchst unterschiedlich schwer zu erlernen. Beginnend bei den Zeichen des verwendeten Alphabets, macht es einen großen Unterschied, ob die Fremdsprache, die es zu erlernen gilt, die Schriftzeichen der Muttersprache verwendet, oder ob diese als Grundvoraussetzung zum Spracherwerb erst erlernt werden müssen. So wird es einem Europäer, der mit den lateinischen Buchstaben vertraut ist, ungleich leichter fallen, eine andere europäische Sprache zu erlernen, als beispielsweise Russisch, Arabisch, Sanskrit oder Chinesisch. Noch deutlicher wird diese Diskrepanz an Investitionen in den Spracherwerb bei verwandten Sprachen: Für einen Sprecher einer romanischen Sprache beispielsweise ist es ungleich leichter, eine andere romanische Sprache als eine germanische Sprache zu erlernen.31

Abgesehen von der Vertrautheit der Schriftzeichen und dem Verwandtschaftsgrad zweier Sprachen ist bei der Wahl der zu erlernenden Fremdsprache der finanzielle Aufwand von Belang. Auch hierauf geht deSwaan nur sehr kurz und meiner Meinung nach unzureichend ein, wenn er sagt, die Kosten für den Spracherwerb beliefen sich lediglich auf Zeit, Aufmerksamkeit, Gedächtniskapazitäten und eventuell zu bezahlende Kursgebühren.32 Denn für den Spracherwerb am finanziell aufwändigsten sind Bücher, Lernmaterialien und, wenn man eine Sprache wirklich beherrschen möchte, Aufenthalte in Ländern, in denen die gelernte Sprache gesprochen wird. Diese eventuell nötigen Auslandsaufenthalte und die damit verbundenen Kosten werden von deSwaan nicht berücksichtigt. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass sich ein Mensch für eine ihm geographisch nahegelegene Sprache entscheidet, zumal deren Kommunikationswert, unabhängig von ihrer globalen Verbreitung, für ihn am höchsten ist und er eher die Möglichkeit hat, diese Sprache aktiv zu nutzen und seine Kenntnisse darin auszubauen.

Auf die Kosten für Unterrichtsmaterialien geht deSwaan kurz und in seiner gewohnt rationalen, nahezu mathematischen Art und Weise ein, indem er eine Vermutung ökonomischer Grundprinzipien bei den Spracherwerbskosten äußert:

“ Of course, in so far as languages are learned in courses and from books, which may be supplied with decreasing marginal costs to growing audiences, the spread of languages indirectly generates economies of scale. (...) The more speakers there are, the more readers, and therefore the more authors that supply all the more texts. ” 33

Diese These kann jedoch nicht bestätigt werden. Ein Blick auf das Angebot von deutschen Anbietern von Lernmaterialien zeigt, dass die Kosten für Lernmaterialien für unterschiedliche Sprachen zwar durchaus variieren, Materialien für Englisch sind jedoch nicht am günstigsten, sondern befinden sich auf einer Preisstufe mit Französisch, Italienisch und Spanisch.34 Die “economy-of-scale-Hypothese” trifft nur insofern bedingt zu, als dass Lernmaterialien für “kleine” Sprachen, wie Tschechisch oder Dänisch, die von sehr wenigen Menschen als Fremdsprache gelernt werden und deswegen in kleinerer Auflage erscheinen, etwas teurer sind als die für “größere” Sprachen.

Dass aber, wie deSwaan behauptet, Materialien zum Erlernen des Englischen aufgrund dessen weltweiter Verbreitung und der besonders großen Anzahl an Sprechern und der daraus resultierenden höheren Auflage am preisgünstigsten seien, wird von der Tatsache widerlegt, dass sich Materialien zum Lernen von Italienisch mit seinen weltweit nur 70 Millionen Sprechern in der selben Preisklasse befinden. DeSwaans Hypothese der „economy of scale“ lässt sich also - zumindest für den deutschen Raum - nicht bestätigen.

4.3 Das Phänomen der kulturspezifische Sympathie

Zusätzlich zu allen beschriebenen makro- und mikro-soziologischen Ursachen der Verbreitung des Englischen sowie Überlegungen zum Kommunikationswert von Sprachen und den Investitionskosten für den Spracherwerb bin ich der Ansicht, dass neben diesen Faktoren auch so etwas wie “kulturspezifische Sympathie” die Wahl der Fremdsprache beeinflusst. Diese ist zwar eng mit dem Konzept des Kommunikationswertes verknüpft, geht jedoch über diesen hinaus. Wenn ein Individuum eine Vorliebe für ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region hat, wirkt sich dies auch auf die Wahl der Fremdsprache aus.

Sprache ist immer auch Ausdruck von Kultur. Menschen in aller Welt, die dem “american way of life” als erstrebenswert ansehen und US-amerikanische Lebensweisen begeistert nachahmen, sei es im kulturellen, musikalischen oder sportlichen Bereich, werden sich eher dafür entscheiden Englisch zu lernen, als Personen, die dem “american way of life” kritisch gegenüberstehen, da sie ihn für eine Gefährdung ihrer jeweiligen nationalen kulturellen Identität sehen.

Als extremes, aber passendes Beispiel ist die Video-Botschaft zu nennen, welche Ussama bin Laden Anfang November 2004, kurz vor den Wahlen in den USA, verbreitete:

Obwohl bin Laden fließend Englisch spricht und obwohl er sich in dem Video direkt an das amerikanische Volk wendet, spricht er arabisch.35 Nach der Theorie von deSwaan müsste er auf Englisch sprechen, da es einen höheren Q-Value besitzt, seine Botschaft also mehr Menschen erreichen könnte. Aus kultureller Sympathie, beziehungsweise Antipathie heraus, verwendet er statt dessen Arabisch und nicht die Sprache des Feindes, wobei er sich wohl bewusst ist, dass seine Nachricht erst übersetzt werden muss, um seine Adressaten zu erreichen.

Anschauliche Beispiele für den Einfluss von kultureller Sympathie auf die Wahl der Fremdsprache liefert der Tourismus. Der begeisterte Griechenlandurlauber, der jedes Jahr auf die griechischen Inseln fährt, wird logischerweise eher Griechisch als Spanisch lernen. Ebenso wird eine Person, die ein spezielles Faible für den asiatischen Raum hat, eher eine asiatische als beispielsweise eine slawische Sprache lernen.

Dies hat natürlich auch mit dem Kommunikationswert einer Sprache zu tun, da man sich durch das Erlernen der Sprache eine bessere Kommunikation mit den Muttersprachlern erhofft und ermöglicht. Es bedeutet allerdings nicht, dass man sich zwangsläufig für die Sprache mit dem global gesehen höchsten Kommunikationswert - also Englisch - entscheidet. Das Phänomen der kulturellen Sympathie hat auch dazu geführt, dass es im Deutschland der Nachkriegszeit als chic und modern galt, Englisch zu imitieren, wie man an zahlreichen Schlagern der 40er und 50er Jahre sieht.36

Die Bedeutung der kulturellen Sympathie findet in der Theorie von deSwaan keinerlei Eingang, er erwähnt lediglich in einem Satz, dass die Sprachen der großen Mächte immer etwas von ihrem Ruhm auf ihre Sprecher abwerfen.37

5. Schlusswort

Der Aufstieg des Englischen zur Weltsprache resultiert aus einer Vielzahl verschiedener Faktoren, die in dieser Arbeit vorgestellt wurden. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass kein einzelner dieser Faktoren das Englische zur Weltverkehrssprache gemacht hat, sondern alle in Wechselwirkung miteinander dem Englischen zu seiner heutigen Position verholfen haben.

“ No single one of these developments could have established the language as a world leader, but together they have put it in a position of preeminence, and together they maintain it. ” 38

Festzuhalten bleibt auch, dass der Aufstieg des Englischen nicht geplant, sondern ein Jahrhunderte dauernder, durch historischen Entwicklungen geprägter Prozess war und Englisch als Weltsprache heute „ mit dem Gewicht des Faktischen un ü bersehbar vorhanden ist.39 Die Englische Sprache, beziehungsweise ihre Sprecher, hatten einfach oftmals das „Glück“ zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein, wenn es darum ging in richtungsweisenden Entwicklungen - sei es in der Seefahrt, der Kolonialisierung oder dem weltweiten Handel - führend zu sein. Den Status einer Weltsprache hat das Englische heute unangefochten inne; es ist aus unserer globalisierten Welt nicht mehr wegzudenken. Auch wenn sich vielerorts Vorbehalte regen oder sich gar Widerstand gegen die linguistische Dominanz des Englischen bildet, wird Englisch jedoch niemals die etablierten nationalen Sprachen verdrängen oder ersetzen.

Denn der „ vom Englischen dominierte Globalisierungsproze ß , der scheinbar die Existenz aller anderen Sprachen in Frage stellt, ist (...) eigentlich ein Proze ß der Globalisierung bestimmter spezialisierter Sprachfunktionen, w ä hrend andere Sprachfunktion (z.B. die Rolle als Heimsprache, als Unterrichtssprache, als Medium allt ä glicher Sozialkontakte) davon kaum oder gar nicht ber ü hrt werden. ” 40

Die Bedenken der Kritiker der Dominanz des Englischen, die eben nicht an diese angebliche Kulturneutralität des Englischen glauben, sind angesichts der teilweise rabiaten Anglisierung der Nationalsprachen verständlich, dennoch sollte man sich stets vor Augen halten, dass wir mit einer von rund einem Viertel der Menschheit gesprochenen Sprache dem alten Traum vom Ende des babylonischen Sprachgewirrs ein Stückchen näher gekommen sind und es durch das Englische möglich ist, mit einer Vielzahl von Menschen rund um den Globus zu kommunizieren. Dies war noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar.

“ Within little more than a generation, we have moved from a situation where a world language was a theoretical possibility to one where it is an evident reality. ” 41

Das Englische wird seine linguistische Vorherrschaft aller Voraussicht nach in den nächsten Jahrzehnten weiter ausbauen können, da seine Sprecher (insbesondere die USA und Großbritannien) sowohl militärisch wie auch ökonomisch weltweit führende Nationen sind. Dadurch wird es für den Einzelnen weiterhin attraktiv und von Vorteil sein, Englisch zu erlernen und zu sprechen, selbst wenn er die kulturelle, ökonomische und politische Vorherrschaft der englischsprachigen Länder ablehnt.42

Ob Englisch als Weltsprache jemals von einer anderen Sprache abgelöst wird, bleibt abzuwarten. Da aber in der Geschichte jede Großmacht und damit auch ihre Sprache in der Bedeutungslosigkeit versank, ist es nicht eine Frage ob, sondern nur eine Frage wann das Englische von der Sprache einer neuen Supermacht abgelöst wird. Wann immer dies sein wird und welche Sprache dann zur Weltsprache avancieren wird, bis dahin findet internationale Kommunikation auf Englisch statt.

Selbst die stärksten Gegner des Englischen scheinen diese Tatsache einzusehen:

Als vor einigen Jahren in Indien eine Demonstration für Hindi und gegen Englisch stattfand, waren die meisten Spruchbänder und Schilder in Hindi verfasst, aber ein gewiefter Demonstrant trug ein herausragendes Schild, welches es seiner Gruppe ermöglichte, ihr Anliegen weltweit mehr Menschen näher zu bringen, als es anders jemals möglich gewesen wäre.

Auf seinem Schild stand: “Death to English”.43

Literaturverzeichnis

Crystal, David: English as a global language, Cambridge University Press, Cambridge, 1998

Crystal, David: The Cambridge Encyclopedia of the English language, Cambridge University Press, Cambridge, 1995

deSwaan, Abram: Words of the world - The global language system, Polity Press, Cambridge. 2001

Deutscher Bundestag (Hrsg.): Schlussbericht der Enquete-Kommission - Globalisierung der Weltwirtschaft, Leske & Budrich, Opladen, 2002

Gölach, Manfred: Weltsprache Englisch, Druckerei Handpresse, Weilerswirst, 2002

Haarmann, Harald: Kleines Lexikon der Sprachen - Von Albanisch bis Zulu, Verlag C.H. Beck, München, 2001

Hüllen, Werner: Weltsprache Englisch - Wege und Umwege, Erwartungen und Bedenken Universität Duisburg-Essen, Essen, 2003

Huntington, Samuel P.: Kampf der Kulturen, Europa Verlag, München/Wien, 1998

Kohli, Martin und Novak, Mojca (Hrsg.): Will Europe Work? Integration, employment and the social order, Routledge, London/New York, 2001

McArthur, Tom:

The Oxford Guide to World English, Oxford University Press, Oxford, 2002

Melchers, Gunner und Shaw, Phillip:

World Englishes: an introduction, Arnold, London, 2003

Wills, Wolfram (Hrsg.):

Weltgesellschaft, Weltverkehrssprache, Weltkultur - Globalisierung versus Fragmentierung, Stauffenburg Verlag, Tübingen, 2000

Internetquellen

www.wikipedia.de www.ethnologue.de

in: Wolfram Wills (Hrsg.), (2000), Seite 17

[...]


1 vgl.: Crystal (1998), Seite 3

2 Eine Ausnahme bildet dabei Latein, welches bis ins 20. Jahrhundert hinein als Gelehrtensprache und dadurch durchaus auch als internationale Verkehrssprache diente. Allerdings ist es fraglich, ob man bei einer toten Sprache, die ausschließlich in akademischen Zirkeln verwendet wird, noch von einer Weltsprache reden kann.

3 Zitiert in: Crystal (1998), Seite 8

4 McArthur (2002), Seite 417

5 Crystal (1998), Seite 9

6 In manchen Fällen, wie dem Latein und dem Arabischen, als Sprachen der Bibel, bzw. des Korans, kommen religiöse Gründe hinzu, sie sind aber im Falle der Verbreitung der englischen Sprache nicht von Bedeutung.

7 Crystal (1998) Seite 59

8 siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BChlenberg-Legende

9 deSwaan (2001), Seite 15

10 alle Jahresangaben aus: Hüllen (2003)

11 vgl.: Crystal (1998), Seite 10

12 ebenda, Seite 29

13 Huntigton: (1998), Seite 86

14 deSwaan (2001), Seite 13

15 vgl.: Crystal (1995), Seite 359f

16 vgl.: Crystal (1998), Seite 5

17 Die Fachseite ethnologue (www.ethnologue.com) gibt 320 Millionen, Haarmann (2001) 337 Millionen, Hüllen (2003) 340 bis 350 Millionen, Gölach (2002) 370 Millionen und Melchers & Shaw (2003) 375 Millionen Muttersprachler des Englischen an.

18 Hüllen (2003), Seite 7

19 Haarmann (2001), Seite 110

20 Deutscher Bundestag (Hrsg.), (2002), Seite 263

21 Gölach (2002), Seite 96

22 Hüllen (2003), Seite 8f

23 Crystal (1998), Seite 12 (Vorhebungen im Original)

24 Das es dennoch Touristen gibt, die in zutiefst arroganter Art und Weise davon ausgehen, dass ihre Muttersprache überall verstanden wird und ungeniert von ihr Gebrauch machen wissen wir nicht erst seit “Man spricht deutsh.“ (sic!) vgl.: Hanns Christian Müller (Regie): Man spricht deutsh, 1987

25 deSwaan (2001), Seite 27

26 deSwaan, Abram: The language constellation of the European Union, in: Martin Kohli und Mojca Novak (Hrsg.), (2001), Seite 174

27 deSwaan, (2001), Seite 187

28 vgl.: Kohli und Novak (2001), Seite 174 und deSwaan (2001), Seite 36

29 deSwaan (2001), Seite 39

30 vgl.: deSwaan (2001), Seite 27

31 So kann beispielsweise ein Spanier, ohne jemals Italienisch gelernt zu haben, das Italienische zwar nicht sprechen, aber zumindest Geschriebenes teilweise verstehen. Genauso, wenn vielleicht auch nicht im selben Maße, verhält es sich mit verwandten germanischen Sprachen wie Dänisch, Holländisch und Deutsch.

32 vgl.: deSwaan (2001), Seite 27

33 ebenda, Seite 29

34 Siehe: www.langenscheidt.de/cgi-bin/vlb.pl?qstr=Praktische%20Sprachlehrg%E4nge Bei Pons (siehe: www.pons.de ) sind die Preise für Wörterbücher sind für die Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Türkisch, Russisch, Polnisch und Latein identisch. Auch bei Assimil (siehe: www.assimil.de )variieren die Kosten für Lernmaterialien für die verschieden Sprachen leicht, die für Englisch sind jedoch ebenfalls nicht preisgünstiger als die für andere Sprachen. Zu dem selben Ergebnis kommt man auch nach Recherchen bei Reise Know-How. (siehe: www.kauderwelsch.com/buecher/sprachindex.html )

35 Eine englische Übersetzung des Videos findet sich auf http://english.aljazeera.net/NR/exeres/79C6AF22-98FB-4A1C-B21F-2BC36E87F61F.htm

36 Exemplarisch hierfür seien Interpreten wie Peter Kraus („Sugar Baby“), Cliff Richard („Rote Lippen soll man küssen“) oder auch die Band Truck Stop erwähnt, die Musikstil und Jargon des amerikanischen Country ins Deutsche übertragen haben.

37 Vgl.: deSwaan (2001), Seite 29

38 Crystal (1998), Seite 78

39 Hüllen (2000), Seite 27

40 ebenda, Seite 8

41 Crystal (1998), Seite 28

42 Auch für irakische Widerstandskämpfer ist es von großem Vorteil, die Sprache der Besatzer zu beherrschen. Ein von der Gruppe „Islamic Jihad Army“ am 10. Dezember 2004 veröffentlichtes Kommunikee ist sogar auf einem erstaunlich hohem Niveau verfasst und wird nahezu akzentfrei verlesen. (siehe: www.informationclearinghouse.info/article7468.htm)

43 vgl.: David Crystal: The future of Englishes

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Englisch als globale Verkehrssprache
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Globalisierung von Kultur
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V110379
ISBN (eBook)
9783640085521
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit beleuchtet den Aufstieg des Englischen von einem lokalen Dialekt hin zur unangefochtenen Weltsprache.
Schlagworte
Englisch, Verkehrssprache, Globalisierung, Kultur
Arbeit zitieren
Asmus Ohrt (Autor:in), 2005, Englisch als globale Verkehrssprache, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110379

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