Gesprächswörter im 19. Jahrhundert: Exemplarische Darstellung am Beispiel des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm


Seminararbeit, 2002

15 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Beschreibung der Gesprächswörter in der neueren Forschung

3. Zur Beschreibung der Unterklassen der Gesprächswörter
3.1. Die Rückmeldungspartikeln
3.2. Die Gesprächstrukturierenden Gesprächswörter
3.3. Die Abtönungspartikeln
3.4. Die Sprechhandlungspartikeln
3.5. Die Interjektionen

4. Zur Lexikographie der Gesprächswörter in der neueren Forschung

5. Zur Beschreibung der Partikeln im Deutschen Wörterbuch und den Schlussfolgerungen zur gesprochenen Sprache des 19. Jahrhunderts
5.1 Am Beispiel des Wortes Hm
5.2. Am Beispiel des Wortes Ach
5.3. Am Beispiel des Wortes Ho

6. Ergebnis der Untersuchung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Hausarbeit wird der Versuch unternommen, der gesprochenen Alltagssprache des 19. Jahrhunderts auf die Spur zu kommen. Als Forschungsansatz dazu widmet sich die Hausarbeit den Gesprächswörtern, die lange Zeit von der Wissenschaft als ein „Füllsel“ in der deutschen Sprache betrachtet wurden. Die gewissenhaften Gebrüder Grimm schenkten auch diesen kleinen Wörtern Aufmerksamkeit, als sie um 1850 mit den Arbeiten für ihr Wörterbuch begannen und beschrieben sie, so gut sie es damals vermochten.

Obwohl die neuere Forschung von anderen Grundüberlegungen ausgeht, kann man - unter Berücksichtigung dieser – versuchen Einblicke in einen Sprachzustand zu gewinnen, der seit knapp 150 Jahren nicht mehr ist. Im Rahmen des Proseminars „Historische Sprachstufen“ wird dabei besonders untersucht, wie die Gebrüder Grimm die Interjectionen lexikographisch beschrieben haben, um von dieser Beschreibung auf den Gebrauch der Wörter zu schließen. Dazu wurden exemplarisch drei Gesprächswörter ausgewählt und an ihnen wird diskutiert, in wie weit man aus einem Lexikon/Wörterbuch auf die Parole eines historischen Deutschlands schließen kann.

2. Zur Beschreibung der Gesprächswörter in der neueren Forschung

Die vielen kleinen unflektierbaren Wörter des Deutschen, die keine Präpositionen, Adverbien oder Konjunktionen sind, wurden lange Zeit von der Sprachwissenschaft vernachlässigt. Sie galten als „Flickwörter“ oder „Redefüllsel“ und wurden in keiner Grammatik und keinem Lexikon näher beschrieben.

Und dass, obwohl die deutsche Sprache – auch im Vergleich zu anderen Sprachen – viel partikelreicher ist; „so haben Zählungen ergeben, dass auf 100 deutsche Gesamtwörter 13 Partikeln, auf 100 französische Gesamtwörter 7 Partikeln entfallen, dass 100 deutsche Partikeln folglich in der Frequenz nur 65 französischen Partikeln entsprechen.“[1] Doch sind es gerade diese „Füllsel“ die der deutschen Sprache eine Fähigkeit zu kommunikativen Nuancen verleihen; die ausdrücken, wie der Sprecher zum Gesagten, sowie zum Gesprächspartner steht.

Erst seit den 1970iger Jahren begann die Forschung sich diesen Wörtern zuzuwenden und es wurden Versuche unternommen sie nach pragmatischen Kriterien zu beschreiben. Wie schon zuvor Henne 1978 versuchte 1982 auch Burkhardt zu begründen, dass die Partikeln eine eigene Wortart bilden sollten, die jedoch nicht anhand morphologischer und syntaktischer Kriterien festzumachen war. So können die Partikeln syntaktisch keine Satzglieder bilden, sondern nur als Satzgliedteile auftreten bzw. außerhalb des Satzverbandes stehen. Zudem kommt es auch in den Unterklassen zu Überscheidungen, wie z.B. beim hm, dass sowohl die Funktion eines Rückmeldungspartikeln haben kann, wie auch die eines Gesprächsausleitenden. Der Versuch der Neuordnung - anhand semantischer und pragmatischer Kriterien - von Burkhardt liegt der weiteren Darstellung zugrunde.

3. Zur Beschreibung der Unterklassen der Gesprächswörter

3.1. Die Rückmeldungspartikeln

Diese Partikeln sind ausschließlich hörerseitige Reaktionen, die in einem Gespräch eine Kontaktfunktion innehaben. Diese Kontaktfunktion kann mehrere Ebenen haben, die von einem Signal des Verstehens/Nichtverstehens bis zur Zustimmung bzw. Ablehnung des Hörers zum Gesagten alles enthalten kann. Eine weitere Ebene kann auch die Rückfrage zum Gesagten sein. Es ist schwer die Rückmeldungspartikeln als Träger einer einzelnen Funktion zu beschränken, da diese sich aus dem Kontext erschließt.

Beispiele für Rückmeldungspartikeln sind:

hm, ja, genau, richtig, ja?, bitte?, was?, hm?

3.2. Gesprächstrukturierende Gesprächswörter

Die Gesprächstrukturierenden wurden von Henne 1978 wie folgt definiert; „[…] jene lexikalisch relevanten Gliederungssignale[…]mit denen Sprecher ihre Gesprächsschritte gliedern und zugleich Kontakt, Aufmerksamkeit und Zustimmung erheischen.“[2] Dabei vergaß Henne die Polyfunktionalität solcher Zeichen zu berücksichtigen, da auch sie immer nur aus dem Kontext des Gesprächs heraus in ihrer semantischen Funktion bestimmbar sind. So erfüllen die Gesprächstrukturierenden nicht immer alle diese Funktionen. Burkhardt gliedert ihre Beschreibung hierarchisch, beginnend mit der bloßen Kontaktfunktion, über die Gesprächsabschnitt aus- und einleitende Funktion, zu der Referenz des vorangegangenen Gesagten bis zur Bitte des Sprechers um die weitere Aufmerksamkeit des Hörers. Des Weiteren bietet diese Art der Gesprächswörter dem Hörer auch die turn Übernahme an.

Beispiele sind; ja, also, so als gesprächseinleitende Wörter; ne, ja, gell als intern, gliedernde Worte und ne?, ja?, hm?, gell? als gesprächsausleitende Partikeln.

3.3. Die Abtönungspartikeln

Diese Unterklasse der Gesprächswörter ist die am schwierigsten zu Beschreibende, da die Grenzen zu den illokutionsvollziehenden Partikeln verschwimmen. Die Abtönungspartikeln haben die Funktion den Dialog als Ganzes zu steuern, „indem sie auf Vorannahmen des Sprechers und des Hörers hinweisen und […]die Einstellung des Sprechers zum Gesagten kund geben“[3].Zudem können sie auch dazu dienen die Präsupposition der/des Sprechenden/Hörenden abzuklopfen. Sie sind deshalb nur semantisch-pragmatisch zu bestimmen, weil sich selten auf nur einen Satz, sondern die auf die gesamten Sprechakte beziehen.

Beispiele für Abtönungspartikeln sind ja, denn, eigentlich, halt, na ja, tja, na.

3.4. Die Sprechhandlungspartikeln

Als Sprechhandlungspartikeln sind solche zu verstehen, die befehlen, drohen oder erlauben; kurzum vollziehen sie die Illokution bzw. transformieren sie. Der Unterschied zu der vorher beschreiben Unterklasse ist also, dass sie die Illokution nicht abtönen. Sie gelten auch als Satzwörter; können Grüße oder Verneinungen sein, die im Gespräch satzwertig zu betrachten sind. Allerdings können sie auch in den Satz integriert sein, wobei sie in diesem Fall oftmals eine illokutionstransformierende Funktion innehaben.

Beispiele für die Sprechhandlungspartikeln sind ja, [ja:], wehe, hallo, na, ruhig, gefälligst, schön.

3.5. Die Interjektionen

Interjektion sind Ausrufe, die lautlich nachahmen, was sprachlich umständlich beschrieben werden müsste oder nur unzulänglich ausgedrückt werden kann. Sie sollen beim Hörer ein Verständnis für die Gefühlslage des Sprechers wecken und werden in zwei Klassen unterschieden, den Empfindungswörtern und den Schallnachahmenden. Es gibt, des Weiteren, eine Reihe von Substantiven die, losgelöst von ihrer eigentlichen Bedeutung, exklamatorisch benutzt werden (Donnerwetter, Junge Junge), die in ihrer Funktion also nicht flektiert werden können und somit die einer Interjektion erfüllen.

Beispiele für Empfindungswörter sind aua!, hoppla!, Mensch!, igitt und beispielhaft für die schallnachahmenden Interjektionen sind zisch!, peng!, bums!, klatsch!.

4. Zur Lexikographie der Gesprächswörter in der neueren Forschung

Der Versuch die Gesprächswörter in einem Lexikon/Wörterbuch zu beschreiben, muss vorher gut durchdacht werden, um den polyfunktionalen Teilbedeutungen eines Wortes gerecht zu werden. So sollten die oben beschriebenen Teilbedeutungen berücksichtigt werden und auch als solche im Wörterbuch verzeichnet sein. Ebenso sollte zwischen der Sprecher- und der Hörerseitigen Funktion des Wortes unterschieden werden, und auch die syntaktische Stellung im Satz bzw. im Sprechakt muss berücksichtigt werden; so ob die Worte als satzwertige gelten oder nur satzintegriert auftreten können. Es ist für die Gesprächswörter nur ein Lemma anzusetzen, da sie zwar phonetisch unterschiedlich realisiert werden – was mitunter zu einer ebenso unterschiedlichen Bedeutung beiträgt – aber schriftsprachlich konventionalisiert sind. So kann ein Hm mit einer abfallenden Intonation die Bestätigung des Hörers zum Gesagten sein, während es mit einer ansteigenden Intonation eher als Frage zu bewerten ist. Die Intonation kann vielleicht zu Zwecken der genaueren Darstellung im Wörterbuch mit aufgenommen werden, sollte aber eher als lexikographisches Hilfsmittel begriffen werden.

„Der […] Polyfunktionalität, selbst innerhalb der oben bestimmten Funktionsklassen, dieser Zeichen könnte eine hierarchische Abstufung gerecht werden“[4], die aber zuvor mit empirischen Untersuchungen der Parole gesichert werden sollte. Diese Abstufung ist aber wahrscheinlich zu umfassend und würde den Rahmen eines normalen Lexikons sprengen und ist somit eher bei einem Solchen anzusetzen, dass vornehmlich die Gesprächswörter beschreibt.

5. Zur Beschreibung der Partikeln im Deutschen Wörterbuch und den Schlussfolgerungen zur gesprochenen Sprache des 19. Jahrhunderts

5.1. Am Beispiel des Wortes Hm

Im grimmschen Wörterbuch wird das Gesprächswort hm mit dem Lemma hem gleichgesetzt und als erste Funktion hat es die „eines sich räuspernden“[5] Lautes inne, der längere Erzählungen einleitet, also als ein gesprächseinleitender Partikel gelten könnte.

Die zweite ist diese, „eines überlegenden, bedenklichen, zweifelnden“[6], die nach der grimmschen Grammatik von 1890 der interjectio dubitantis, dort auch als solche angeführt[7], entspricht und gemäß den literarischen Nachweisen als ein sprecherseitiger Partikel zu werten ist.

Die dritte Type ist die „eines verwunderten“[8] hm`s, dass, anhand des gegebenen Textbeispiels, auch die Funktion eines gesprächseinleitenden Partikels erfüllt.

Grimm begreift das hm ausschließlich als ein sprecherseitiges Signal und erwähnt in keiner Form, dessen heutige Hauptverwendung als hörerseitiger Rückmeldungspartikel. Es wird nicht sicher deutlich, ob die Grimms diese Funktion des hm nicht erkannt hatten, sie nicht zu beschreiben vermochten oder schlicht unterschlagen haben. Es ist somit schwer auf die Funktion des hm in der gesprochenen Sprache des 19. Jahrhunderts zu schließen. Wahrscheinlich hatte es auch damals eine ähnliche Bedeutung, wie heute; nämlich die, dem Sprecher als Hörer Aufmerksamkeit und Verständnis zu signalisieren, sowie ihn dazu aufzufordern fortzufahren. Leider kann diese Schlussfolgerung aus dem Wörterbuch der Geb. Grimm nicht deutlich hervorgehen, da sie es in dieser Funktion nicht beschrieben haben.

Es soll an dieser Stelle, aber auch deutlich auf das Vorgehen der Grimms bei der Belegung ihrer Wörter hingewiesen werden, denn die Belege die im Wörterbuch geliefert werden, sind überwiegend aus der Literatur und nicht aus der tatsächlichen Parole der damaligen Zeit.

Hierin wird zum ersten Mal, im Verlauf der Hausarbeit, das Defizit deutlich das zwischen Wörterbüchern bzw. Lexika zur deutschen Sprache und der vorhandenen Alltagssprache herrscht. Sobald die angeführten Belege aus der Literatur kommen und schriftsprachlich sind, werden sie der kommunikativen Situation eines gesprochenen Dialoges nicht mehr gerecht.

Als Fazit wäre somit festzuhalten, dass das Gesprächswort hm in der Alltagssprache des 19. Jahrhunderts, in heute ähnlicher Form, benutzt wurde; nämlich, um

1.) ein Gespräch einzuleiten – als Beispiel A: „Hm, das war damals so.“,
2.) um einen zeitlichen Aufschub in einem Gespräch zu erreichen – als Beispiel: A: „Sollen wir denn noch länger warten?“, B: „Wenn du meinst, hm, ich bin nicht sicher.“ – und um
3.) als Sprecher seine Einstellung zum Kontext auszudrücken – als Beispiel A: „Hm, das überrascht mich jetzt.“ -.

Wie weiter oben schon erwähnt, geht die Rückmeldungsfunktion des Gesprächswortes aus dem Lemma nicht hervor, was aber nicht bedeuten muss, dass es diese Funktion im 19.Jahrhundert nicht innehatte.

5.2. Am Beispiel des Wortes Ach

Für das Ach setzen die Geb. Grimm zwei Lemma an. Das erste will es als ein Gesprächswort des „ausrufes des schmerzes, zuweilen der freude und gemischter empfindungen“[9] begreifen; das zweite Lemma als eine substantivische gesetzte Interjektion, die in gleichen Zusammenhängen auftritt. Ach wird als eine interjectio dolentis in der Grammatik der Jacob Grimms beschrieben.[10]

Oft wird es mit o und weh verbunden, wenn der Sprecher seine unglückliche Lage auszudrücken versucht.

Es kann auch mit einem Genitiv verbunden werden – „ach des durstes“– um gleich im Anschluss an das Gesprächswort den Grund für das Leiden zu präsentieren, was aber im Grimm nur schriftsprachlich belegt wurde. Auf die Verwendung von Ach lässt sich daraus zurück folgern, dass es gefolgt von einem Genitiv nur schriftsprachliche Verwendung findet bzw. in der Parole ein Versuch ist sich gewählt auszudrücken darstellt und somit nicht die alltägliche Verwendung war.

Eine weitere Möglichkeit der Verwendung ist Ach gefolgt von einer „conjunction und andere(en) Wörter(n)“[11] und wieder scheint es als sollte der Grund für das Klagen gleich dem Klagelaut zu folgen. Auch diese Verwendung ist wahrscheinlich, als eine größtenteils Schriftsprachliche anzusehen.

Im zweiten Lemma, in der substantivischen Form ist es, als würde es ausschließlich in der Literatur benutzt, da auch hier wieder alle Belege literarischer Natur sind.

Bei dem Gesprächswort Ach ist es fast unmöglich aus der Beschreibung Grimms auf dessen alltägliche Verwendung zu schließen. Einzig der einleitende Satz (siehe Fußnote 9) gibt ein wenig Aufschluss darüber. So wurde es, der heutigen Verwendung sehr ähnlich, benutzt, um

1.) auszudrücken, wenn etwas dem Sprecher Grund zum Leid gibt. Dieses Leid muss aber sicher nicht immer körperlicher Natur sein; es kann auch auf einen Misserfolg bei einem Vorhaben hindeuten, oder aber auf die Überraschung des Sprechers oder sogar auf Freude. – als Beispiel, A: „ Ach! Warum muss es denn ausgerechnet heute regnen?“; A: „Ach! Du hast mir aber einen Schrecken eingejagt.“; A: „Ach! Was für eine Überraschung“-. In dieser Erststellung erfüllte es die Funktion eines gesprächseinleitenden Partikels.

2.) als Interjektion, im burkhardtschen Sinne als Empfindungswort, auszudrücken, was der Sprecher sonst umständlich beschreiben müsste. In dieser Verwendung ist das Ach, meiner Meinung nach, in der deutschen Sprache konventionalisiert und wurde auch im 19. Jahrhundert ähnlich benutzt.

Bei dem Wort Ach ist es extrem schwierig über den Grimm einen Bezug zur gesprochenen Alltagssprache von damals herzustellen, da auch hier die Belege einzig literarischer Natur sind.

5.3. Am Beispiel des Wortes Ho

Für das Lemma Ho finden sich im Wörterbuch der Geb. Grimm fünf Einträge. Der erste Typ ist der Zuruf an Tiere, „wenn man es zum kommen ermuntern will“[12].

In der zweiten Funktion ist es der Anruf an den bzw. des Menschen und hat nach der Form der Belege die Aufgabe einen ersten Kontakt herzustellen. „in Tirol antwortet das kind auf den ruf der mutter mit Ho, der schiffer ruft Ho beim Landen“[13]. Es ist auch als bloßer Ausruf des Gemüts zu werten, wie das Beispiel des Schiffers verdeutlicht.

Die dritte Type ist die einer Beteuerung oder Versicherung des Sprechers zu einer Tat. In dieser Form trägt Ho eine gesprächseinleitende Funktion für die dann mögliche nachfolgende Beteuerung.

An vierter Stelle trägt das Ho die Bedeutung „einer interjection des einwurfes und zweifels, meist mit höhnischer nebenbedeutung“[14]. Es ist nach einigen Belegen als Rückmeldungspartikel zu werten, der sowohl auf Worte, wie auch auf Taten folgen kann. Die Rückmeldung kann auf eine Bemerkung des Sprechers hin, die turn-Übernahme anzeigen, nämlich in Form einer Intervention des Hörers auf etwas zuvor Gesagtes, was dem Hörer missfallen hat.

Beim letzen Eintrag heißt es lapidar „eine redensart […] die (sich) an […] die antwortende und betheuernde kraft der interjection anlehn(t)“[15], was unterstreicht, dass Ho als bloßer Ausruf, wie im zweiten Eintrag aufgezeigt, benutzt werden kann.

Die Dichte der Beschreibung dieses Gesprächswortes macht es einfacher auf seine Anwendung in der Alltagssprache des 19. Jahrhunderts zu schließen. Zwar sind immer noch einige Belege literarischer Natur, aber Grimm gibt beim ersten und zweiten Unterpunkt des Lemmas genaue Gesprächssituationen wieder. Daraus folgt, dass ho sicher benutzt wurde um,

1.) Tiere anzutreiben, die ein Gespann ziehen;
2.) Kontakt zwischen Sprecher und Hörer herzustellen, was auf die Funktion eines gesprächseinleitenden Partikels schließen lässt;
3.) als emotive Interjektion keine genaue Funktion erfüllen, sondern als Gefühlsäußerung, möglicherweise des scharfen Einwurfs, zu werten ist.

Da die beteuernde Interjektion, des dritten Unterpunkts, nur mit literarischen Textstellen von Lessing und ältern Schreibern belegt ist, also die Belege zur Verwendung des Wortes schon bei Grimm über 100 Jahre alt sind, ist ungewiss, ob sie auch noch im 19. Jahrhundert diese beteuernde Kraft hatte.

6. Ergebnis der Untersuchung

Nach dem ich anschaulich drei Gesprächswörter im deutschen Wörterbuch untersucht habe, kam ich zu folgenden Ergebnissen.

1.) Es ist fast unmöglich aus einem Wörterbuch der Zeit auf die Parole dieser zu schließen, da die einzelnen Wörter zwar als solche sehr umfangreich beschrieben werden, allerdings, in diesem speziellen Fall der Gesprächswörter, ist es nicht nur notwendig die Bedeutung des Wortes zu kennen, sondern auch dessen Einbettung in die syntaktischen Gefüge der Alltagssprache. Man kann also anhand der Beschreibungen der Wörter zu Vermutungen über ihren Gebrauch in der Alltagsprache kommen, aber niemals hundertprozentige Sicherheit erlangen. Damit bewegt man sich in einer wissenschaftlichen Grauzone, die Vermutung sowohl zulässt, als auch zunichte macht.

2.) Ein weiteres Hindernis sind die Art der Belege mit denen die Geb. Grimm in ihrem Wörterbuch arbeiten. Sie versuchen bei diesen, möglichst schriftlich zu belegen, wann das Wort zum ersten Mal in der deutschen Sprache aufgetaucht ist. Da die Parole schneller als die Schriftsprache Veränderungen durch z.B. Modeeinflüsse unterworfen ist und die Belege im Grimm zum Teil aus dem vorherigen Jahrhundert sind, birgt der Versuch aus dem Lexikon auf die Parole des 19. Jahrhunderts weitere Risiken in sich.

3.) Trotz der unter 1.) und 2.) genannten Schwierigkeiten, konnte ich anhand des Wortes Ho auf dessen Verwendung schließen. Ich maße mir nicht an, sie in allen Funktionen dargelegt zu haben, die es damals innehaben konnte; aber die Hauptverwendung, die des Rufes an Tiere und die Kontaktfunktion, ist von mir dargestellt worden. Aus dieser ergibt sich eine diachrone Bedeutungsverschiebung, betrachtet man Ho aus heutiger Sicht. So spreche ich dem Wort die Kontaktfunktion von damals nicht vollständig ab, meine aber dass sie in heutiger Form nicht gültig ist. Jeder wird auf einen solchen Anruf reagieren, aber er wirkt veraltet und wird wohl überwiegend bei der Arbeit mit Tieren benutzt.

Das führt zu dem endgültigen Schluss, dass es, trotz der erwähnten Probleme, manchmal möglich ist einen historischen Sprachgebrauch aus einem Wörterbuch zu erschließen.

Literaturverzeichnis:

Burkhardt, Armin: Gesprächswörter; S.138 – 171

in Konzepte zur Lexikographie, Hrsg. Mentrup, W; Tübingen, 1982

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik von J. Grimm, Hildesheim, 1967

als reprographischer Nachdruck der Ausgabe Gütersloh, 1890

Grimm, Jacob und Wilhelm:

Das deutsche Wörterbuch, Leipzig 1877

als bearbeitete Ausgabe von M. Heine, München, 1984

Helbig, Gerhardt: Lexikon deutscher Partikeln, Leipzig, 1988

Henne, Helmut: Gesprächswörter. Für eine Erweiterung der Wortarten; S.42 - 47

in Interdisziplinäres deutsches Wörterbuch in der Diskussion.

Hrsg. H. Henne/ W. Mentrup/ D. Möhn/ H. Weinrich Düsseldorf 1978

[...]


[1] Lexikon Deutscher Partikeln, Helbig : S. 11

[2] Henne , Gesprächswörter : S.45

[3] Burkhardt, Gesprächswörter : S.154

[4] Burkhardt, Gesprächswörter : S.160

[5] Grimm, Wörterbuch Bd.10 : Sp.1586

[6] Grimm, Wörterbuch Bd. 10 : Sp.1586

[7] vgl. dazu Grimm, Grammatik Bd. 3 : S.296

[8] Grimm, Wörterbuch Bd.10 : Sp.1586

[9] Grimm, Wörterbuch Bd.1 : Sp. 161 f.

[10] vgl. dazu Grimm, Grammatik Bd.3 : S.284

[11] Grimm, Wörterbuch Bd.1 : Sp. 161 f.

[12] Grimm, Wörterbuch, Bd.10 :Sp.1586

[13] Grimm, Wörterbuch, Bd.10 :Sp.1586

[14] Grimm, Wörterbuch, Bd.10 :Sp.1587

[15] Grimm, Wörterbuch, Bd.10 :Sp.1587

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Gesprächswörter im 19. Jahrhundert: Exemplarische Darstellung am Beispiel des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Veranstaltung
PS: Historische Sprachstufen
Note
3
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V110397
ISBN (eBook)
9783640085705
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit bietet einen Einblick in das Feld der Lexikographie. Allerdings arbeitet der Autor mit Gesprächswörtern, die er in die formalen Klassen der Interjektionen einteilt. Zuvor wurden diese Klassen definiert. Die Frage eines diachronen Bedeutungswandels wird aufgegriffen und mit von exemplarischen Beispielen anhand des DWB diskutiert.
Schlagworte
Gesprächswörter, Jahrhundert, Exemplarische, Darstellung, Beispiel, Deutschen, Wörterbuchs, Jacob, Wilhelm, Grimm, Historische, Sprachstufen
Arbeit zitieren
Jan Dahlke (Autor:in), 2002, Gesprächswörter im 19. Jahrhundert: Exemplarische Darstellung am Beispiel des Deutschen Wörterbuchs von Jacob und Wilhelm Grimm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110397

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