Die erzählerischen Charakteristika von Bertolt Brechts 'Der verwundete Sokrates'


Hausarbeit, 2006

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Geschichten zur Geschichte

3 Der verwundete Sokrates
3.1 Erfundene Geschichte
3.2 Lehrreiches für das Volk
3.2.1 Krieg und Klassenkampf
3.2.2 Wahre Tapferkeit

4 Schluss

5 Bibliographie

„Ich habe einige Erzählungen geschrieben,

in denen ich, nicht ohne Heiterkeit, auf weises Verhalten hinwies.“1

Bertolt Brecht

1 Einleitung

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“2, hieß der Grundsatz des griechischen Philosophen Sokrates. Auf diesem basierte sein gesamtes Lehren. Durch geschicktes Nachfragen versuchte er die scheinbare Wahrheit des anderen zu hinterfragen und damit seinen Gegenüber selbst zur Einsicht zu bringen, diese zu korrigieren. Für diese diplomatische Kunst wird er heute noch bewundert.3

Anscheinend auch von Bertolt Brecht, der dem Griechen einen Platz in einer seiner Kalendergeschichten verschaffte. Und getreu Sokrates’ Motto verfährt Brecht ähnlich, indem er dem Leser hilft, selbst die Wahrheit zu entdecken. Es ist kein Zufall, dass er gerade den griechischen Philosophen als Hauptfigur wählte. Brecht schrieb die Geschichte 1939.

Der Zweite Weltkrieg war spürbar nahe. Das merkte auch der Augsburger Brecht. Somit war Sokrates, der schon seit über 2300 Jahren tot war, aktueller denn je. Vielleicht hoffte er, die Menschen, wie damals Sokrates, zum Nachdenken zu bewegen, doch leider erschien ‚Der verwundete Sokrates’ erst nach dem Krieg. Zu spät für Millionen von Menschen.

Trotzdem soll nun versucht werden, die erzähltechnischen Finessen, die Brecht verwandte, herauszufiltern und ihre Bedeutung und Wirkung auf den Leser zu ermitteln. In diese Analyse soll eine Betrachtung der Gattung ‚Kalendergeschichte’ mit einfließen, um zu klären, warum Brecht gerade diese für die Geschichte wählte.

2 Geschichten zur Geschichte

Jan Knopf beschrieb die Kalendergeschichten einmal als „Geschichten zur Geschichte“4, in denen es „zu einem unmittelbaren Einbeziehen von geschichtlicher Erfahrung“5 kommt, welche den Leser dazu herausfordert, sich ein Urteil zu bilden.6 Knopf schreibt weiterhin, dass Erfahrungen der Vergangenheit von den nachwachsenden Generationen aufgenommen werden, um Lehren daraus zu ziehen, damit Selbiges nicht noch einmal passiert. Und gerade die Fehler, die seit 1933 in Deutschland passierten, sind auf eine besonders schlimme Weise belehrend.7 Allerdings war es Brecht, um seines eigenen Lebens willen, natürlich nicht möglich, das NS- Regime direkt in seiner Geschichte zu durchleuchten. Dafür nahm er die Geschichte des Sokrates, der in einen Krieg zieht, den er nicht versteht, und somit deutliche Parallelen zum aktuellen Geschehen der damaligen Zeit hatte.

Die Geschichte soll also belehren. Das ist typisch für den volksnahen Kalender, der aufgrund des Platzmangels bei den Geschichten auf allzu weit Ausschweifendes, Kompliziertes und Abstraktes verzichtet, da dies nur einen höheren Grad an Bildung erfordern würde.8 Weiterhin bietet sich der Kalender, als „das Medium [,das] ‚Zeit zählt’ und ‚ordnet’“9, an für Historisches. Und als ständig benutztes Utensil im Haushalt ist er für die „Aufnahme von praktischen Hinweisen geradezu prädestiniert.“10

Diese „volkstümliche“11 Gattung war demnach ideal für Brecht, um den Durchschnittsleser zu erreichen und ihn zum Nachdenken zu zwingen, was auch dringend nötig war, wenn man folgender Ausschnitt aus einem Brief Brechts an Slatan Dudow liest: „Das ist das Volk, das dieses Regime in einen der größten und schwierigsten Kriege aller Zeiten hineintreiben will.“12

Dieser allgemein belehrende Charakter der Sokrates-Geschichte führte dann wohl auch dazu, dass sie später als Einzelausgabe für Kinder veröffentlicht wurde13, da sie nicht abstrakte Lehrsätze predigt, sondern Geschichte erlebbar macht.14

[...]


1 Jan Knopf: Brecht-Handbuch. Lyrik, Prosa, Schriften. Eine Ästhetik der Widersprüche. Stuttgart: Metzler 1986. S. 294-295.

2 Gebhard Kurz: Stvdivm Latinvm. Latein für Universitätskurse. Teil 1. Texte, Übungen, Vokabeln. 3. Auflage. Bamberg: Buchner 2005. S. 129.

3 Vgl. Otfried Höffe: Kleine Geschichte der Philosophie. München: Beck 2005 (=beck’sche reihe). S. 36.

4 Jan Knopf: Die deutsche Kalendergeschichte. FaM: suhrkamp 1983. S. 17.

5 Ebd. S. 269.

6 Vgl. Ebd.

7 Vgl. Ebd. S. 270.

8 Vgl. Ebd. S. 19.

9 Ebd. S. 22.

10 Ebd. S. 24.

11 Ebd.

12 Bertolt Brecht. Briefe. Hrsg. von Günter Glaeser. FaM: suhrkamp 1981. S. 362.

13 Vgl. Frank D. Wagner: Der verwundete Sokrates. In: Brecht-Handbuch. Bd. 3: Prosa, Filme, Drehbücher. Hrsg. von Jan Knopf. Stuttgart: Metzler 2002. S. 313.

14 Vgl. J. Knopf: Die deutsche Kalendergeschichte. S. 270.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die erzählerischen Charakteristika von Bertolt Brechts 'Der verwundete Sokrates'
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Veranstaltung
Bertolt Brecht
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V110433
ISBN (eBook)
9783640086030
ISBN (Buch)
9783640115785
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Alle angestrichenen Rechtschreib-, Grammatik- und Ausdrucksfehler wurden korrigiert.
Schlagworte
Bertolt Brecht, Sokrates, Xanthippe, Erzählmerkmale, Mein Bruder war ein Flieger, Kalendergeschichten, Antikes Griechenland, Krieg, Ruhm, Tapferkeit, Erzähltechnik
Arbeit zitieren
Karsten Tischer (Autor:in), 2006, Die erzählerischen Charakteristika von Bertolt Brechts 'Der verwundete Sokrates', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110433

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