In den Themenkreis des Hauptseminars Nationale Klischees im Film fällt natürlich auch die theoretische und allgemeine Beschäftigung mit Nationalstereotypen und Klischees, ein Bereich, der sich vor allem in den Kulturwissenschaften der Nachkriegszeit enormer Beliebtheit erfreut und eine große Anzahl an Publikationen hervorgerufen hat.
Diese Arbeit beschäftigt sich nicht mit den philosophisch-moralischen Argumenten des Für und Wider dieser Klischees, auch nicht mit den Forschungen über ihre Theorie und den Gebrauch im literarischen, bzw. kulturwissenschaftlichen Terrain, sondern versucht sich in einer wertfreien Darstellung der Existenz und dem Wandel des Deutschlanbildes der Franzosen anhand ausgewählter Quellen. Diese sind aus Gründen meines Studienschwerpunktes aus der Literatur sowie aus dem öffentlich-politischen Leben, hier speziell aus ausgewählten Résistancezeitschriften.
Zeitlich wird sie sich nach einer allgemeinen Einführung (Kapitel 1) auf die Jahre der deutschen Okkupation Frankreichs beschränken, wobei einige Zitat aus der Vorphase zu Ergänzung hinzugezogen werden. Kapitel 3 kann als Exkurs in die Welt der Presse angesehen werden und in Kapitel 4 wird der Offizier Werner von Ebrennac als Sinnbild des französischen Deutschlandbildes, als Essenz der Entwicklung der Imaginerie vorgestellt. Als ein Beispiel für die Wideraufnahme dieser Bilder wird unter ‚5. Schlussbetrachtungen’ Eliane Auberts Le temps des cerises aus dem Jahr 1990 kurz angerissen.
Inhaltsverzeichnis
1.Vorüberlegungen
2. Das Deutschlandbild im Frankreich vor dem zweiten Weltkrieg
2.1. in der Literatur
2.1.1. Das fragwürdig positive Bild der Madame de Stäel
2.1.2. Der Negativ-Stereotyp des ‚Allemagne éternelle’
2.1.3. Der janusköpfige Deutsche, bzw. die Zwei-Deutschland-Theorie
3. Verschiedene Nuancen des Deutschlandbildes in der Résistance
3.1. Schwerpunkte der Berichterstattung einzelner Widerstandsorgane (1940-1944)
3.1.1. Die kommunistisch orientierten Gruppen
3.1.2. Die trotzkistischen und sozialistischen Gruppen
3.1.3. National und republikanisch organisierten Gruppen
3.2. Der literarische Widerstand
4. Einordnung von Vercors Deutschlandbild
5. Schlussbetrachtung
6. Bibliographie
6.1. Primärquellen
6.1.1. Literarische Werke
6.1.2 Zeitschriften der Résistance
6.2. Sekundärquellen
6.3. Texte aus dem Internet
1.Vorüberlegungen
In den Themenkreis des Hauptseminars Nationale Klischees im Film fällt natürlich auch die theoretische und allgemeine Beschäftigung mit Nationalstereotypen und Klischees, ein Bereich, der sich vor allem in den Kulturwissenschaften der Nachkriegszeit enormer Beliebtheit erfreut und eine große Anzahl an Publikationen hervorgerufen hat. Diese Arbeit beschäftigt sich nicht mit den philosophisch-moralischen Argumenten des Für und Wider dieser Klischees, auch nicht mit den Forschungen über ihre Theorie und den Gebrauch im literarischen, bzw. kulturwissenschaftlichen Terrain, sondern versucht sich in einer wertfreien Darstellung der Existenz und dem Wandel des Deutschlanbildes der Franzosen anhand ausgewählter Quellen. Diese sind aus Gründen meines Studienschwerpunktes aus der Literatur sowie aus dem öffentlich-politischen Leben, hier speziell aus ausgewählten Résistancezeitschriften. Zeitlich wird sie sich nach einer allgemeinen Einführung (Kapitel 1) auf die Jahre der deutschen Okkupation Frankreichs beschränken, wobei einige Zitat aus der Vorphase zu Ergänzung hinzugezogen werden. Kapitel 3 kann als Exkurs in die Welt der Presse angesehen werden und in Kapitel 4 wird der Offizier Werner von Ebrennac als Sinnbild des französischen Deutschlandbilds, als Essenz der Entwicklung der Imaginerie vorgestellt. Als ein Beispiel für die Wideraufnahme dieser Bilder wird unter ‚5. Schlussbetrachtungen’ Eliane Auberts Le temps des cerises aus dem Jahr 1990 kurz angerissen.
2. Das Deutschlandbild im Frankreich vor dem zweiten Weltkrieg
Vor der Entstehung des deutschen Reiches empfanden die Franzosen die unübersichtliche, weil arg zersplitterte Staatenvielfalt in ihrer Nachbarschaft als recht unbedeutend. Davon abgesehen gab es bis 1870 keine spezifisch deutsch-französischen Streitigkeiten oder Konflikte, die Franzosen waren eher damit beschäftigt, sich über und gegen die Engländer zu positionieren. Dazu kommt, dass man in der gesamten Zeit vor der Französischen Revolution nicht im politikwissenschaftlichen Sinne von Nationen sprechen kann, an denen sich vor allem in der Nachkriegsforschung die Begriffe des Selbst- und Fremdbildes festmachen lassen. Sie – die Revolution von 1789, die Auflösung der ständisch-feudalen Gesellschaftssysteme und die industriellen Erneuerungen sind erst die Geburtshelfer eines Nationalismus, der sich über das Bild des Anderen definiert. Erst durch die napoleonischen Kriege, der mit diesen einhergehenden Entstehung der deutschen Nationalbewegung und dem Sieg der Preußen gegen das französische Heer im Jahre 1871, wurde dieser Fokus erweitert. Hierbei ist es interessant, dass sich das Selbstbewusstsein der Deutschen für ihre Nation nur durch die Abgrenzung gegenüber der französischen Fremdherrschaft in der intellektuellen Elite entwickelte, dass Nationalismus also auf jeden Fall antifranzösisch war. Plötzlich standen sich die beiden Nachbarn als Gegner gegenüber, die beide auf einen blühenden Nationalismus schworen und genau dadurch ihre Gegensätzlichkeit hervorzuheben versuchten. Die Kriege, die nun geführt wurden, waren die der Völker gegeneinander und nicht mehr nur die einzelner Herrscher. Man sprach von der ‚Erbfeindschaft’ und vertiefte dadurch bewusst die Verschiedenheit beider Nationen. Die Kontinuität im Deutschlandbild der Franzosen ist wohl das angeborene Überlegenheitsgefühl ihrer Kultur über andere, welches seit Jahrhunderten existiert und welches in der Literatur als der Gegensatz von Latinität und Germanität[1], oder auch als die West-Ost-Gegensätzlichkeit[2] beschrieben wird: Unter dem Aspekt, dass das Fremdbild immer stark abhängig vom Selbstbild ist, diente das Bild vom grobschlächtigen Deutschen «als Folie […], vor deren Hintergrund sich das Bild, das man sich in Frankreich von sich selbst macht, vorteilhaft abhebt»[3].
2.1. …in der Literatur
«Das Thema Deutschland besitzt eine gewisse Zugkraft, die Verleger zur Hoffnung auf einen kommerziellen Erfolg solcher Bücher berechtigt», heißt es in der Studie einer Freiburger Forschungsgruppe um Joseph Jurt[4]. Das gilt sowohl noch heute in etwas abgeschwächterem Maße als auch in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg und kann durch die zahlreichen Publikationen zum Thema Deutschland bewiesen werden. Dabei stehen die Themenkomplexe Nationalsozialismus, Holocaust und Zweiter Weltkrieg bis in die Gegenwart im Vordergrund des Interesses und werden allzu häufig mit stereotypen Klischees untermauert oder es werden in den Texten deutschsprachige Halbsätze oder Parolen verwendet, die diesen einseitigen Klischees als Verstärker dienen, wie z.B. das militärische ‚Jawohl’ oder die nationalistische Zeile ‚Deutschland über alles’.
Im Folgenden können natürlich nicht alle Zeugnisse genannt und besprochen werden, es soll aber versucht werden, anhand von herausragenden Werken die Tendenz der in diesen Quellen skizzierten Denkrichtungen über Deutschland darzustellen; alles im Hinblick auf die spätere Einordnung des Deutschlandbildes in der Résistance, bzw. explizit im Hinblick auf die Anklänge der tradierten Bilder in Vercors Le silence de la mer.
2.1.1. Das fragwürdig positive Bild der Madame de Stäel
Im Jahre 1807 begann Mme de Staël ihr meistgelesenes und langfristig wirksamstes Buch De l'Allemagne, für das sie im Winter 1807/08 extra nach Wien fuhr um dort weitere Informationen und Anregungen zu sammeln. Unter anderem floss in diese Arbeit der Briefwechsel mit dem in Deutschland lebenden Gelehrten Charles de Villers prägend mit ein. Das Buch wurde 1810 fertig gestellt, jedoch sofort nach seinem Druck von der napoleonischen Zensur verboten und das Manuskript konfisziert und eingestampft. Dank ihres persönlichen Freundes August Wilhelm Schlegel konnte sie es im Londoner Exil 1813 drucken lassen, da er einen Satz Korrekturfahnen gerettet hatte, und schon ein Jahr später erschien die deutsche Übersetzung Über Deutschland. In engem Zusammenhang mit der Entstehung dieses Werkes sind vermutlich drei Faktoren wichtig und deshalb erwähnenswert. Erstens: ihre im April 1800 publizierte bedeutende Abhandlung De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales [5] in der sie als eine der ersten die Theorie formulierte, dass literarische Werke geprägt sind durch das konkrete Umfeld, innerhalb dessen sie entstehen, also vor allem die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse, allerdings auch die klimatischen und geographischen sowie sonstigen äußeren Bedingungen. Man kann De la littérature als Aufruf an die französischen Literaten bezeichnen, «sich nicht mehr nur an der heidnischen mediterranen Kultur der Antike [inspirieren zu lassen], sondern auch an der christlich-germanisch geprägten Kultur des mittelalterlichen Mittel- und Nordeuropas» [6]. Sie selbst begann deshalb, in konsequenter Einsicht, Deutsch zu lernen und sich mit der deutschen Kultur zu befassen. Zweitens: ihre politische Einstellung zur Situation ihres Heimatlandes. Ursprünglich Befürworterin der Revolution, allerdings in gemäßigter Form, sah sie im Erstarken des autoritären Systems unter Napoleon einen Verfall der freiheitlichen Werte und vertrat die Meinung, Frankreichs Dekadenz benötige eine Verjüngung durch das heranwachsende Deutschland. Und schließlich drittens: Als ihr 1802 wegen Aktionen gegen Napoleon jeder Aufenthalt in Paris untersagt wurde, unternahm sie eine halbjährige Reise durch Deutschland, bei der sie in Weimar das ‚Dreigestirn der deutschen Aufklärung’ Christoph M. Wieland, Friedrich Schiller und Johann W. Goethe traf und in Berlin den Literaturkritiker und –historiker August Wilhelm Schlegel kennen lernte[7] und sich unter anderem mit Johann G. Fichte, Friedrich W. J. Schelling, Adam H. Müller, Friedrich v. Gentz und Wilhelm v. Humboldt unterhielt. De l'Allemagne avancierte zur bedeutendste Kulturgeschichte der Goethe-Zeit und sollte den Franzosen ein stark idealisiertes Deutschland zeigen als Kontrast und auch als Vorbild für ihr militaristisches und zentralistisches, von Napoleon diktatorisch regiertes und mundtot gemachtes eigenes Land jener Jahre. Das Bild eines regionalistisch-vielfältigen, musik-, philosophie- und literaturbegeisterten, gefühls- und phantasiebetonten, mittelalterlich-pittoresken (allerdings auch etwas rückständigen und harmlosen) Deutschlands, das Mme de Staël entwarf, sollte nach 1815 jahrzehntelang die Sicht der französischen Eliten prägen und gleichzeitig verschleierte es dabei, dass Erstarken ja sogar Überholen des Nachbarlandes im demographischen, wirtschaftlichen und militärischen Sektor. Außer einer Fülle scharfsinniger Beobachtungen, die die Verfasserin während ihrer beiden ausgedehnten Deutschlandreisen machen konnte, entfaltet sie hier das durch die Norm der französischen Salonkultur gefilterte Resultat ihrer politischen Einstellung. Auch wenn, wie Aulbach in seiner Dissertation schreibt, «ihre Originalität bei der ‚Erfindung’ dieses Bildes […] weit geringer eingeschätzt werden [muss], als es die verbreitete Formulierung des ‚Deutschland der Madame de Sta ë l’ glauben machen will »[8]. Da sie an vielen Stellen auf bereits Gesagtes und Geschriebenes zurückgreift, kann man ihr Werk als einen Grundtext der deutsch-französischen Beziehungen bezeichnen, der gelobt und bewundert, aber auch geschmäht und kritisiert wurde, «die Ausprägung der Romantik in Frankreich [beförderte] und den Eintritt der deutschen Literatur ins europäische Bewusstsein [markierte]» [9]. Letztendlich entspricht es wohl mehr einem Wunschbild, indem vor allem die deutsche Literatur eine extreme Aufwertung erfährt und man erkennt gut ihre Vorliebe der Idee des rousseauistischen Naturkultes, da sie immer wieder das natürliche, unmittelbare und unverfälschte Deutschland betonte. Auf der anderen Seite sah sie einen Zusammenhang zur unwirtlichen, kalten und rauen Natur und glaubte darin den Grund für den Mangel an Feinheit in den Sitten und in der Konversation zu erkennen und gleichzeitig den Wunsch nach Kompensation dieses freudlosen Alltags durch die Literatur und Kunst:
« Il n’est point de pays qui ait plus besoin que l’Allemagne de s’occuper de littérature; car la socièté y offrant peu de charmes, et les individus n’ayant pas pour la plupart cette grâce et cette vivacité que donne la nature dans le pays chauds, il en résulte que les Allemands ne sont aimables que quand ils sont supérieurs, et qu’il leur faut du génie pour avoir beaucoup d’esprit.»[10]
Wie wir feststellen können übt sie damit im selben Atemzug Kritik am eigenen Land indem sie behauptet:
«Un Français sait encore parler, lors même qu’il n’a point d’idées. Un Allemand en a toujours dans la tête un peu plus qu’il n’en sauroit exprimer.»[11]
Dieser Antagonismus des Auto- und Heteroimage, der sich vereinfacht als das einerseits klassisch-materialistische Frankreich und das andererseits romantisch-idealistische Deutschland herauskristallisieren lässt, wird weiterhin unterstützt durch eine Negativierung der eigentlich positiven Eigenschaften ihres Vaterlandes. Die Geselligkeit der ‚im warmen Frankreich Lebenden’ schlägt um in Oberflächlichkeit und Gefallsucht. In der Kultur der Deutschen sieht de Staël eindeutig etwas, was den Franzosen fehlt, nämlich die Jugend, Dynamik und Offenheit, die sie mit der Reformation begründet und von der sie hofft, dass sie Frankreich ‚anstecken’ möge. «Das [hier in Kapitel 2 schon erwähnte] Paradigma ‚Latinität’ wird gegen das der ‚Germanität’ ausgespielt», bemerkt auch Aulbach in seiner Studie.[12] Sieht man also davon ab, dass de Staël nur von den kulturellen Aspekten Deutschlands spricht, also alles politische und wirtschaftliche völlig vernachlässigt, stieg Deutschland durch ihr Werk zu einem positiven Konkurrenten zumindest in der kulturell höher gestellten Gesellschaft Frankreichs auf. Neben de Staël und Victor Hugo sind ebenfalls der Dichter und Faustübersetzer Gérard de Nerval, und der Historiker Michelet und Renan als Bürgen für ein positives Deutschlandbild zu erwähnen. Diese Wahrnehmung änderte sich allerdings schlagartig durch den siegreichen Angriff der Preußen im Jahre 1870/71.
2.1.2. Der Negativ-Stereotyp des ‚Allemagne éternelle’
Natürlich gab es schon vor 1870 negative Stereotypen – Darstellungen über Deutschland, die sich dann wieder großer Beliebtheit erfreuten; zu erwähnen sind hier vor allem das Bild des schon zur römischen Zeit von Tacitus entworfenen Germanen. Ursprünglich hatte dieser Schriftsteller und Politiker mit seinem Werk Germania, welches um 98 n. Chr. entstand, einen ähnlichen Anspruch wie de Staël: er beschrieb die Sitten und Gebräuche der Germanen um eben jene sittliche Lebensweise gegenüber der Verkommenheit der Römer hervorzuheben (vor allem ihr sittenstrenges Familienleben, ihr treuer und aufrichtiger Charakter, ihre Tapferkeit im Krieg und ihr Freiheitswille). Er wies aber auch auf die Schwächen hin, wie ihre Trägheit im Frieden, ihren Hang zu Würfelspiel und ihr übermäßiger Bierkonsum. Genau diese wurden nun in Frankreich unter dem Synonym der ‘Barbarei der Teutonen’ herausgestellt und betont.[13] Auch Voltaire reaktivierte schon 1759 in seinem Candide diese alten negativen Stereotypen, übersetzte durch seine ironische Namensgebung das Klischee der grobschlächtigen deutschen Sprache und machte sich in seinen Hauptfiguren über die stupide Naivität und die abstrakte Gelehrsamkeit der Deutschen, aber auch gleichzeitig über seine germanophilen französischen Zeitgenossen lustig. Wie wir weiter oben schon gesehen haben konzentrierten sich die positiven Färbungen des Deutschlandbildes auf den kulturellen Bereich, der nun kaum noch Erwähnung findet und an dessen Stelle verstärkt entweder metaphorische Allgemeinaussagen treten oder man beschränkte sich, als Alternative dazu, auf die expantorischen Tendenzen sowohl im wirtschaftlichen wie militärischen Sektor. Für ersteres stehen Metaphern wie die der stereotypen Bilder eines maskulinen Deutschlands – der Soldat, der Preuße – auf der einen, und eine junge, unschuldige Frau Frankreich – Marianne –, die von deutschen Angreifern vergewaltigt wird, auf der anderen Seite. Diese Verstärkung der Polarität durch geschlechtliche Gegensätze war relativ variabel, so tauchte zum Beispiel in der dritten Republik ein sehr verbreitetes Schulbuch auf – Le Tour de France par deux enfants[14] – in dem zwei Kinder ihren Vater und einen Teil ihres Vaterlandes (das Elsass) verloren hatten. Hier ist Frankreich nun nicht mehr unschuldige Jungfrau, sondern Mutter und Witwe. Das allgemeine Empfinden der Franzosen nach 1870 war das der Demütigung der eigenen Nation und der damit verbundene Wunsch sich an den Demütigern, den Preußen zu rächen. Beispiel hierfür ist der, direkt neben der neugezogenen deutsch-französischen Grenze in Lothringen geborene Schriftsteller Barrès, der sehr früh zum Nationalisten wurde und Rache an Deutschland forderte. Neben seiner teils autobiographischen Trilogie von 1897/1901 Le Roman de l'énergie nationale, die die Geschichte einiger junger Lothringer beschreibt, die zunächst nach Paris gehen, dort ‚entwurzelt’ werden (der erste Teil heißt Les déracinés), heimkehren und für die Rückeroberung des von den Deutschen annektierten Elsass-Lothringen kämpfen wurde er vor allem mit einer weiteren Romantrilogie berühmt: Les bastions de l'Est (1913). Die ersten Bände, Au service de l'Allemagne und Colette Baudoche, sind Geschichten voller nationalistisch-antideutscher Ressentiments, der dritte, La Colline inspirée, handelt von der national inspirierten Auflehnung dreier lothringischer Priester gegen die ultramontane römische Amtskirche. 1914 wird Barrès zum Chef der antideutschen, antisemitischen und antiparlamentarischen Ligue des patriotes und betätigt sich im anschließenden Weltkrieg publizistisch an vorderster Front mit einem antideutschen militaristischen Zeitungsartikel pro Tag[15]. Auch er verwendet in seinem Roman Colette Baudoche das Bild einer jungen Frau von Metz, die das besiegte Frankreich symbolisiert; sie weigert sich, einen durchaus sympathischen jungen Deutschen zu heiraten, denn das bedeutete, die Autorität des Siegers anzuerkennen. Nach 1918 empfiehlt er allerdings doch zu einer Heirat, da die Französin, nun Siegerin, den Deutschen zivilisieren muss. Eine weitere beliebte Form der Darstellung von negativen Stereotypen war, neben dieser sexuellen Metaphorik, die Karikatur: so wurde der preußische Soldat oft als Uhrendieb und damit als barbarischer Plünderer dargestellt, der auch zentrale Utensilien des häuslichen Lebens nicht verschonte. Wie man bei Resdorf und Stoll nachlesen kann wurde damit signalisiert, dass der Feind sich in Acht nehmen soll, da Rache droht.[16] Drei weitere Elemente, die in den Karikaturen über die Deutschen nicht fehlen durften, waren natürlich Stiefel, Schnurrbart und Pickelhaube, Zeichen der Brutalität und übertriebenen Männlichkeit - « trois symboles de sur-mâle à la virilité insolente.» [17]
Fasst man die einzelnen Strömungen zusammen, kann man als dominante Tendenz eine Germanophobie ausmachen, die vor allem in der Bewegung des erstarkenden Nationalismus um die Jahrhundertwende unter dem Namen Action française ihren Ausdruck fand. Diese Gruppierung um Charles Maurras sah die europäische Geschichte bestimmt durch den Konflikt zwischen den beiden Nationen.
« Deutschland wurde von ihr als barbarische Nation dargestellt, die gegenüber der von Frankreich verkörperten griechisch-römischen Zivilisation verschlossen blieb, um sich mittels eines eigenen Kulturbegriffs abzusondern, eine Nation, die aufgrund ihrer späten Einigung dem Kult der Gewalt huldige. » [18]
Im Gegensatz zu den im nächsten Kapitel beschriebenen, der politischen Realität wohl am nächsten kommenden Wahrnehmungen, sahen sie den preußischen Militarismus nicht als einen Irrweg der Deutschen an, sondern als deren eigentliches Wesen, welches sich nun Bahn brach und vor allem im ersten Weltkrieg seinen Höhepunkt erreichte. Dasselbe gilt für die Hasspropaganda auf beiden Seiten während dieser Zeit. André Suarès, der 1915 in der Zeitschrift N.R.F über den ‚Oberstereotyp’ Boche einen Aufsatz veröffentlichte, schrieb: «Ein Mensch darf keinen deutschen Freund haben». Diese unmenschliche Darstellung des Barbaren, des wurst- und sauerkrautfressenden, betrunkenen, brutalen Kriegers fasst man am besten unter der von Berschin und Leiner gegebenen Erklärung zum Begriff Boche zusammen:
«Boche! – das ist ein Geräusch, das ein allzu fettleibiger Mann hervorbringen könnte, wenn er mit beiden Klumpfüßen zugleich in Blut und Schmutz hineinspringt… Boches, das sind heute die gelehrten, diplomierten Barbaren, die eroberungssüchtigen Professoren und blutdürstigen Doktoren. Boches, das sind Soldaten und Offiziere, die Frauen, Kinder und Greise umbringen; die, aus Trunkenheit, viehischer Begierde, Sadismus und Schmutztrieb verstümmeln, foltern, verbrennen, ausplündern, besudeln, vergewaltigen, bestehlen, einbrechen. Die boches sind zu Lande, zu Wasser und in der Luft die Urheber der scheußlichsten Verbrechen.»[19]
2.1.3. Der janusköpfige Deutsche, bzw. die Zwei-Deutschland-Theorie
Fasst man die in Kapitel 2.1.1. und 2.1.2. skizzierten Positionen zusammen, so erhält man das überall in der Fachliteratur große Erwähnung findende Bild der Deux Allemagnes,[20] auf den sich sowohl zeitgenössische Schriftsteller und Historiker beriefen, weil es ihnen erlaubte, gleichzeitig die Bewunderung für die intellektuellen Leistungen der Deutschen und ihre Aversion gegenüber dem neuen, preußisch dominierten Reich zu äußern. Allerdings trägt dieses Deux Allemagnes wiederum mehrere Aspekte in sich, nicht nur die eben erwähnte Unterscheidung in einen musischen und einen militärischen Sektor, sondern auch den bei Mme de Staël zu findenden geographischen und bei Quinet formulierten historischen Dualismus. Wir erwähnten weiter oben, in der verkürzten Darstellung über De l’Allemagne, noch nicht die binäre Struktur des de staëlschen Deutschlandbildes: Sie unterschied gemäß einer etwas eigenartigen Klimatheorie zwischen dem katholischen traditionalistischen Süden, der in ‚einem Zustand eintönigen Wohlbefindens’ lebe, und Aktivitäten wie Handeln und Denken schwieriger macht, und dem protestantischen Norden, indem die gesamte Kultur ein höheres Niveau erreicht und aufklärerische, freiheitliche Gedanken fruchtbareren Boden fänden. Erschreckend ist, das dieser Dualismus Jahrzehnte lang die Deutschlandvorstellung der Mehrheit der Franzosen prägen sollte. Grund dafür war wohl der Wunsch, vor allem bei den meisten Intellektuellen, ihre Bewunderung für die deutsche Kultur nicht aufgeben zu wollen. So äußerte sich schon 1871 Renan in seinem Buch La réforme intellectuelle et morale de la France « Preußen wird vergehen, Deutschland wird bleiben. » [21] - und betrachtete damit Deutschland nach wie vor als liberale und friedliche Nation. Auf das Thema Deutschland ging er 1882 noch einmal ein in seinem berühmten Vortrag an der Sorbonne «Qu'est-ce qu'une nation?[22] » Ausgelöst durch die Frage nach der Berechtigung der Annexion von Elsaß-Lothringen, stellte er dem deutschen Nationsbegriff mit seiner Berufung auf Sprache und Abstammung mit der Metapher «l'existence de la nation est un plébiscite de tous les jours»[23] seine eigene Definition der Nation als demokratische Willensgemeinschaft gegenüber. Auch der Philosoph Elme-Marie Caro veröffentlichte 1871 einen Aufsatz, der schon im Titel - Das Recht und die Gewalt. Kant und Herr von Bismarck - klar zwischen einem « idealistischen und verträumten Deutschland » und einem « auf der Weltbühne bis zur Übersteigerung praktischen, maßlos militaristischen und beutegierigen Deutschland » unterschied[24]. Hier wandelt sich der Dualismus, von de Staëls geographischen in einen historischen Charakter.
« Die Zeit, da die Lieder erklangen, gehöre der Vergangenheit an, der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts, während jetzt allein die Kruppkanonen den Ton angäben. Doch auch bei Caro fanden sich Spuren des räumlichen Dualismus. Es sei nicht unmöglich, noch einige Überreste des alten Idylls bei den rechtschaffenen Leuten Süddeutschlands in irgendeinem Winkel Schwabens oder Bayerns zu finden.»[25]
Einen weiteren Unterschied im Deutschlandbild Caros ist der, dass er die Janusköpfigkeit nicht mehr wie Mme de Staël oder Quinet durch die Klima- oder Rassentheorie legitimiert; für ihn koexistieren die großen Qualitäten der Deutschen – der organisatorisch-technisch-wissenschaftlichen Bereich – mit dem Kult der Gewalt und des unerbittlichen Befehls. Man kann allgemein feststellen, dass die Bewunderung für die deutsche Wissenschaft und die Achtung vor der Realisierung von Außergewöhnlichem (zum Beispiel dem Bau des Olympiastadions in Berlin) bei den Franzosen bestehen blieb. Vor allem bei den französischen Intellektuellen entstand ein wahrer Deutschland-Komplex, der durch die nationale Rivalität geschürt wurde und den Claude Digeon die « deutsche Krise des französischen Denkens »[26] nannte.
Wenn wir weiter oben André Suarès zitiert haben, der sich im Ersten Weltkrieg voller Hass über die Boches geäußert hatte, müssen wir ihm hier einräumen, dass er sich in seinem Essai Vues sur l’Europe hellsichtiger zeigte und sehr wohl eine Unterscheidung zwischen den Boches und den Nazis vornahm. Ein auf jeden Fall erwähnenswerter Vertreter für eine Aussöhnung mit Deutschland war der Musikliebhaber Romain Rolland, der schon 1903 mit seinem 10-bändigen „roman fleuve“Jean-Christophe (gedruckt 1904-12) versuchte, die positiven deutschen Fähigkeiten stärker herauszustellen. Fiktiver Titelheld ist der deutsche Komponist Johann-Christoph Krafft, der als junger Mann nach Frankreich gelangt, sich dort mit Hilfe eines französischen Freundes assimiliert und so in seiner Musik quasi die ihm angeborene ‚deutsche Energie’ mit ‚französischen Geist’ verbinden und veredeln kann. Großen Erfolg erzielte dieses Werk vor allem nach 1918 (auch auf deutscher Seite) bei denjenigen, die das Gerede von der deutsch-französischen Erbfeindschaft satt hatten und auf Verständigung zwischen beiden Völkern setzten. Auch im Ersten Weltkrieg engagierte Rolland sich mit seiner kriegskritischen und unparteiischen Artikelserie Au-dessus de la mêlée, sowohl in Frankreich, obwohl man ihn dort wegen angeblich unpatriotischer Haltung schmähte als auch in Deutschland. Zwischen den Kriegen initiierte er mit Henri Barbusse die Gruppe Clarté, eine Friedensbewegung linker Intellektueller und die gleichnamige Zeitschrift; er war einer der Mitbegründer die Zeitschrift Europe, die sich für eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland einsetzte und auch sein Roman Clérambault, histoire d’une conscience libre pendant la guerre (1920) ist Ausdruck seines transnationalen Pazifismus.[27]
3. Verschiedene Nuancen des Deutschlandbildes in der Résistance
All diese nun beschriebenen Positionen fanden auch in der Presse von 1939 bis 1945, um die es in diesem Kapitel ausschließlich gehen soll, ihre jeweiligen Organe, die sie publizierten und unterstützten. Es gab Zeitungen, die die Meinung des Widerstands vertraten, weitgehend unparteiisch waren, von Franzosen in der Gunst Deutschlands oder von Deutschen geschriebene, ins Französische übersetzte Journale. Die kommunistischen Zeitschriften wurden zwar am 26. August 1939, also kurz vor der Kriegserklärung, verboten, doch gab es auch noch nach dieser Zensur verbotene Zeitschriften wie zum Beispiel L'Humanité. Die Zensur, die Propaganda und die publizierten Informationen wurden von Jean Giraudoux, L. O Frossard und Jean Prouvost umgangen. Ab 1941 wurde das Papier für Zeitungen reduziert, so dass sie nur noch aus zwei Blättern bestanden. Außerdem verkleinerte man das Format und erhöhte den Preis. Es existierten auch Zeitungen des Widerstands, von denen es mehr als 1000 verschiedene gab, die sich gegen die Regierung und ihre Anordnungen stellten und ab dem 26 Oktober 1939 als verstecktes Journal des Widerstands wieder auftauchten.
3.1. Schwerpunkte der Berichterstattung einzelner Widerstandsorgane (1940-1944)
Die nun folgende Darstellung des Deutschlandbildes in der französischen Résistance ist, auch aufgrund der in dieser Arbeit gesetzten Schwerpunkte auf den literarischen Bereich, entsprechend kurz gehalten, da sie eher dem realpolitischen Umfeld entspringt als der ‚reinen’ Literatur. Sie dient lediglich der Ergänzung und Bereicherung des gesellschaftlichen Bildes. Des Weiteren bezieht sie sich zum größten Teil auf die Dissertations-Arbeit von Klaus Schüle[28], der die ideologischen Standorte, Motive und Strategien des Widerstands an Hand der verschiedenen Schwerpunkte in der Berichterstattung jener Zeit untersucht und die, ebenfalls von Schüle herangezogenen, wichtigsten Zeitschriften L’Humanité, L’Avant-Garde, La Vérité, L’Aurore, Résistance, Défense de la France, Combat, Libération, Les Lettres Françaises u.a. Dabei wird vor allem versucht, das Spektrum anhand der beiden Extrempole zu beleuchten und dieses dem in Kapitel 2 erklärten diametralen Bild zuzuordnen. Sehr vereinfacht gesagt lautet die These: je weiter linkspolitisch sich die jeweilige Gruppe befindet, desto positiver ist ihr Deutschlandbild und umgedreht, je weiter rechts, bzw. je nationalistischer die jeweiligen Zeitschriften sind, desto negativer und gleichzeitig stereotypbelasteter ist es. Natürlich gibt es auch die Mitte, die hier als selbstverständlich vorausgesetzt wird, deswegen keine explizite Erwähnung findet und vor allem im Umfeld der Combat und der Libération zu finden ist: auf sie trifft, ebenfalls vereinfacht formuliert, die Zwei-Deutschland-Theorie zu. Eine Sonderrolle spielt, wie wir sehen werden, der kommunistische Widerstand, deswegen wird ihm, neben den anderen linken Gruppen, ein Extra - Kapitel gewidmet. Wenn der ‚linken’ Gruppe außerdem mehr Platz eingeräumt wird, dann nicht wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit in der realpolitischen Situation der Résistancebewegung, sondern im Hinblick auf die Spezialisierung dieser Arbeit, des Einordnens des Deutschlandbilds in Le Silence de la mer in Kapitel 4.
3.1.1. Die kommunistisch orientierten Gruppen
Wie wir wissen ist die Bekämpfung des Kapitalismus das wichtigste Interesse dieser Gruppe, die schon in der Zeit vor der deutschen Besatzung und vor dem Krieg in Frankreich unter der Regierung Daladiers zahlreichen Repressionen ausgesetzt waren. Unter diesem Aspekt richtet sich ihr Hauptaugenmerk natürlich auf die Kritik am eigenen System und ihr Bild auf Deutschland ist dementsprechend ambivalent: sie unterschieden immer zwischen zwei Aspekten: der Verurteilung der Großkapitalisten, die sie bei den Engländern genauso fanden wie bei den Nationalsozialisten, sowie der Verbrüderung mit den unterdrückten Soldaten und ‚travailleurs allemandes’. Aufgrund des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts verhielten sie sich vor allem in den ersten Jahren rücksichtsvoll zurückhaltend, aber in keiner Weise kollaborativ.
So schrieb z. B. die L’Humanité: « l’Allemagne, que les impérialistes anglo-français voulaient utiliser comme troupe de choc contre le pays des Soviets...[29] ».
Eine erste leichte Verschärfung erlebte der kommunistische Widerstand gegen Ende 1940, obwohl es noch zu keinem offenen Angriff gegen die Okkupationsmacht kam, sondern vielmehr Vichy die Zielscheibe war. So forderte die Humanité vom September ein „französisches Frankreich“ um die Versklavungspläne der Männer von Vichy zum Scheitern zu bringen.[30] Mit dem Beginn des deutschrussischen Krieges, also mit dem Bruch des Bündnisses vonseiten der Nazis, rief die PC zum aktiven Abwehrkampf gegen Deutschland auf und verschärfte ihr Vokabular: Hitler ist nun «Chef de gangster», wird als neuer Attila bezeichnet, oder «l’anormal de Berchtesgarden»[31]. Der Ton wird wie gesagt aggressiver und überraschenderweise sind die vormals explizit genannten Feinde, die ‚Kapitalisten’, wie die Gaullisten und die Angelsachsen nunmehr Verbündete in der antifaschistischen Einheitsfront. Diesen ideologischen Wandel, der die Aufgabe der bisherigen kommunistischen Strategie bedeutet, erklären die Widerstandsorgane mit einer Kräfteverlagerung im internationalen System: vorher gab es drei Kräfte: die «faschistischen Imperialisten», die Länder des liberalen Kapitalismus und die URSS; jetzt gibt es nur noch zwei Blö name="_ftnref32" title="">[32]. Trotzdem behielten sie ihren allgemein antikapitalistischen Tenor bei, konzentrierten ihn allerdings auf die Deutschlandkritik; so wurde beispielsweise der Ostfeldzug als reines Profitinteresse der Nazis verdammt. Trotz aller Wut, die man aus den Artikeln jener Tage zu Recht entnehmen kann, liegt dem allem ein nuanciertes Deutschlandbild zu Grunde, wird Deutschland (bis auf wenige Ausnahmen wie «Hinaus mit den Deutschen»,oder «Nieder mit den deutschen Unterdrückern») nie als Ganzes angegriffen, stets werden die eigentlichen Schuldigen genannt: «die blutdürstende Faschistenclique»[33] und es wird klargestellt, dass die URSS keinesfalls gegen die ausgebeuteten deutschen Arbeiter und Bauern kämpfe, sondern gegen die «fascistes hitlériens qui oppriment le peuple allemand»[34]. Allerdings spricht man auch von einer Mitverantwortung des Volkes:
«Certes, le peuple allemand n’a pas voulu cela, mais il porte quand-même une lourde responsabilité d’avoir laissé trop longtemps s’accomplir ces crimes.»[35]
Gegen Ende der Besatzungszeit schwinden die ideologischen Auseinandersetzungen immer mehr und weichen einer nationalistischen Kampfstimmung, die unreflektiert zur Gegengewalt aufruft; die anfängliche freundlich gesinnte Haltung gegenüber den deutschen Offizieren, die sozusagen nichts dafür können, was ihnen befohlen wird und mit denen man reden kann und sollte, wendet sich zum Ruf nach Reinigung und Rache und zu einem undifferenzierten Deutschlandbild, welches die abschließenden Zitate wohl sehr gut belegen:
«Voir dans le soldat allemand un ‚homme’ tant qu’il n’a pas donné des gages de son opposition contre le chiens nazis[...] sont des fautes dangereuses pour lAvenir de notre patrie !»[36]
«Le moment est venu pour faire payer à l’ennemi barbare toutes nos souffrances, tous ses crimes.»[37]
3.1.2. Die trotzkistischen und sozialistischen Gruppen
Im nun folgenden ersten Abschnitt dieses Kapitels soll explizit auf die trotzkistische Sicht des Weltkrieges und der deutschen Besatzer eingegangen werden, da sie sich von der der anderen sozialistischen Gruppen abhebt; dazu sei zuerst zum allgemeinen Verständnis geklärt: Für die Trotzkisten erklärt sich sowohl der Stalinismus als auch der Faschismus aus einer Verzögerung von ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen, sie beziehen ihre Ideen auf die Theorie Lenins und entwickelten klare Gegenposition zum in der URSS gelebten Kommunismus.[38] Einzige Gemeinsamkeit ist ihr Hauptziel, die Bekämpfung des Kapitalismus, aber im Gegensatz zu den Kommunisten machen sie sehr deutlich, dass es vor allem um den deutschen Faschismus als ersten Feind geht:
«Ni Churchill ni Hitler, mais la révolution ouvrière socialistesest la seule voie du salut […] notre tache No. 1 est, la lutte contre l’oppression hitlérienne.»[39]
Ihr sehr ambivalentes Deutschlandverständnis, welches sie konstant beibehielten, lässt sich in folgenderweise beschreiben: auf der einen Seite unerbitterliche Opposition gegen die faschistische Führung in Deutschland auf der anderen Seite Verständnis mit den oppositionellen Kräften und den geknebelten Massen in Deutschland die sich durch Slogans wie «Nous sommes des amis du peuple allemand. C’est pourquoi nous cobattons l’Hitlérisme»[40] äußern. Für sie ist die Ursache des Krieges nicht bei den Deutschen zu suchen, sondern er ist vielmehr das Ergebnis der Rivalitäten nationaler Bourgeoisien; also ist eine Lösung nicht durch den Sieg der Alliierten zu erreichen, sondern durch die «éducation révolutionnaire de lutteurs éprouvés.»[41] Selbst gegen Ende der Besatzungszeit geht es ihnen nicht wie vielen anderen oppositionellen Gruppen um eine Demütigung Deutschlands, oder um die völlige Zerstörung des Landes, sondern um eine Vernichtung der Bourgeoisie und die konkrete Strategie gegenüber der Besatzungsmacht lautet: «fratérnisation des prolétaires des pays occupés avec les travailleurs allemands sous l’uniforme»[42]. Diesen Fraternisierungskampagnen widmen sie ihre völlige Aufmerksamkeit, vor allem was die Berichte französischer Arbeiter aus Deutschland oder Kontakte mit deutschen Offizieren in Frankreich angeht und stehen so dem deutschen Volk äußerst positiv gegenüber, wenden sich gegen die alliierte Kapitulationsforderung und sind entschieden gegen die ‚Tuez-les-boches-Kampagnen’ der anderen Widerstandsgruppen- nur Streik und passiver Widerstand sind die richtigen Mittel. Trotz dieser idealistischen Ansprüche erkennen sie realitätsnah die Schwierigkeiten ihres Verbrüderungsanspruchs ohne dabei mit Vorurteilen und Klischees zu arbeiten:
«N’oublie jamais que l’ouvrier allemand vit depuis 9 ans dans la peur de la Gestapo, il la voit partout...» und die Erinnerung: «que l’expérince de trois révolutions manquées...»[43] oder sie betonen das Manipulative: «Longtemps travaillée par une habile propagande, le prolétariat allemand n’a pas réagi au moment de la guerre. Il a cru réellement que les juifs avaient poussé les gourvernements anglais et français contre l’Allemagne innocente, que Hitler avait tout fait pour éviter cette guerre.»[44]. Schlußendlich aber vergeßen sie nicht: «Souviens-toi que l’Allemangne est le pays de Marx, d’Engels, de Karl Liebknecht et de Rosa Luxemburg, le pays de la révolution de novembre 1918 et 1923...»[45]
In der Literatur wird immer wieder von der Schwierigkeit der Zuordnung der Sozialisten in der Résistance gesprochen, die die Darstellung eines einheitlichen Deutschlandbilds unmöglich machen; auf die genauen Gründe (die Rolle der SFIO vor und im Krieg) kann hier nicht eingegangen werden, in sofern halten wir nur fest, dass die ideologischen Unsicherheiten der Partei zu einer inkohärenten Programmatik geführt haben und das sich, durch ihr spätes Einmischen viele Anhänger in anderen Widerstandsorganisationen (vor allem in den literarischen) wieder finden lassen.[46] Zwei Faktoren sehen sie als verantwortlich für die Entstehung des Faschismus in Deutschland: 1. ein psychologischer – die Angst vor dem Sozialismus, 2. ein ökonomischer – der kapitalistische Expansionswille. Die Symbiose der beiden wird « sous l’autorité d’un chef de bande»[47] umgesetzt, ihr Lösungsvorschlag: die soziale Transformation, Umerziehung der Gesellschaft. Prägnant für ihr Deutschlandbild, dass wir vor allem aus ihrer Zeitschrift Le Populaire ablesen ist ihre Nachkriegsvorstellung, die häufig besprochen wird: Deutschland darf nicht als Alleinschuldiger dastehen. « il faudra veiller á ce que le prolétariat allemand, première victime du national sozialisme, n’ait pas à supporter trop lourdement les conséquences des crimes»[48] die nämlich in Zusammenarbeit mit den anderen kapitalistischen Staaten organisiert worden sind. Genau so achten sie sehr auf die Unterscheidung zwischen nazisme und germanisme, zwischen le peuple allemand et ses maîtres und warnen vor einem Rachefrieden á la Versailles. Sie sind für das Umerziehen des deutschen Volkes « sans toucher à l’unité allemande dont éxistence ne peut être niée, établier un régime fédéral qui empêche la prédominance de la Prusse» [49]. Damit fanden sie sich mit Ausnahme ihrer trotzkistischen Freunde fast alleine wieder, da die Alliierten sich gegen jede barbarie germanique schützen wollten.[50] Dieses erstaunlich von hass- und Rachegefühlen freie Deutschlandbild entbehrt allerdings nicht gewisser Widersprüche: Ihr Bedürfnis an Sicherungsmaßnahmen gegenüber den Deutschen ist deutlicher höher als jenes der bisher besprochenen Gruppen und auch ihr Misstrauen in die Erneuerungskräfte des Landes. Gleichzeitig machen sie nur graduelle unterschiede zwischen Hitler und Pétain und sehen den direkten Zusammenhang zwischen der Kollaboration und der ökonomischen Ausbeutung ihrer Landsleute und listen akribisch die Kosten auf. Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass sie im Gegensatz zu den Kommunisten keine Akzentverschiebung von der Faschismusbekämpfung hin zum Nationalen vollzogen und dass sie immer klar unterschieden zwischen ‚den Deutschen’ und ‚den Nazis’, bzw. zwischen unterdrückten Massen und Bourgeoisie, im Gegensatz zu den Trotzkisten veranlasste sie dass aber sehr selten zu Solidarisierungsbekundungen oder Aktionen.
3.1.3. National und republikanisch organisierten Gruppen
Da sich das Einordnen von rein republikanischen Gruppen als äußert schwierig erweist, da sie weder einen eindeutigen politischen Standpunkt noch eine klare Programmatik entworfen haben[51], sich aber argumentativ auf denselben Wegen wie nationale Organe (z.B. Vérité, Résistance, Défense de la France) befanden, werden sie hier zusammen dargestellt. Ihr erstes Ziel ist, wie die Devise der Vérité – Français nous sommes, Français nous resterons – zeigt, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Frankreichs, der politischen, kulturellen und ökonomischen Autonomie und zwar durch einen Kampf «par tous les moyens contre le boche»[52]. Dabei werden alle Mittel und Argumentationen ihres nationalstaatlichen Denkens, welches dem 19.Jahrhundert entspringt (vgl. hierzu unsere Ausführungen in Kapitel 2) mit eingebracht und sind dementsprechend als antideutsch zu bezeichnen und voller nationaler Klischees: der Gegensatz der lateinischen und germanischen Welt, die Ratio der Franzosen versus dem deutschen Irrationalismus und die Disqualifizierung der Deutschen als Barbaren usw. Hier lassen sich die Erkenntnisse der Stereotypenforschung über das Selbstbild, welches sich immer auch über die Anti-Haltung gegenüber dem Anderen definiert, klar belegen. Dabei verfallen sie meistens in vage allgemeine Prinzipien und positionieren ihr Selbstverständnis als Widerstandskämpfer, der «ne résiste plus à des chefs, à un régime, à un idéologie, mais á un peuple»[53], gegenüber der deutschen Unselbständigkeit und Unterwerfungsmentalität. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Gruppen ist der Krieg für sie kein Zusammenstoß materieller Interessen, sondern wie die Résistance repräsentativ für alle anderen schreibt « une guerre spirituelle, une guerre de religion»[54]. So sind die Berichte dieser Gruppen hauptsächlich Auseinandersetzungen der ideologischen Standpunkte und ihre rein emotionalen Appelle, denen jegliche Organisationsanweisungen fehlen, steigern sich vor allem gegen Ende der Besatzungszeit zu pauschalen, hasserfüllten Forderungen wie «une seule attitude est possible: tuer», und ähneln durch ihre Zerstörungsterminologie oft an die Sprache derer, die sie bekämpfen wollen. Paradebeispiel für ihr Deutschlandverständnis ist eine Sondernummer der Défense de la France von 1942, die ausschließlich Deutschland gewidmet ist und neben einer ausführlichen Darstellung der NS-Ideologie in ‚der Abhandlung über den deutschen Volkscharakter’ den kompletten Katalog der negativen Stereotypen enthält, die auf der Argumentation der Erbfeindschaft aufgebaut sind: der barbarisch-kriegerische, geistlose, mystisch-fanatische Deutsche, nur um ein paar Adjektive zu nennen. Man bezieht sich auf Jacques Rivière und stellt fest:
«…l’Allemand manque totalement de force morale[….]un Allemand ne tient pas devant un Français[]il est moutonnier...incroyable menteur.[...][l’âme allemande]est constamment á l’état de puberté[...]l’Allemand n’a pas de nature [...] Le mystère de l’âme allemande c’est le mystère du néant,» etc. [55]
3.2. Der literarische Widerstand
« Pierre Seghers, Jean Paulhan, Fran çois Mauriac, Aragon, Éluard, Sartre, Camus und Vercors, um nur einige Namen zu nenne, haben sich der französischen Widerstandsbewegung angeschlossen; ja, viele haben gesagt, die ‚geistige Elite’ Frankreichs habe sich geschlossen im Widerstand befunden. Ganz so eindeutig ist die Situation sicher nicht; wie sonst sind der Hass und die erbitterten Angriffe der Literaten gegen die ‚Kollaborateure’ Montherlant, Giono, Céline, Brasillach, auch stellenweise gegen Anouilh und Giraudoux zu erklären?».[56]
Dieses Zitat deutet an, was eigentlich evident sein sollte: natürlich kann man nicht ‚die’ Gruppe der Schriftsteller ein und derselben politischen Denkrichtung zuordnen, ebenso wenig kann man, wie wir oben bei den Widerstandsorganen gesehen haben, allen aktiven und passiven Feinden Vichys einem politischen Flügel egal welcher Couleur unterstellen. Andererseits ergibt sich aus der Gegnerschaft gegenüber Pétain und seinen Mannen meistens auch eine politisch-ideologische Opposition, also ein eher dem linken Spektrum zugeordnetes Weltbild. Wir sahen aber auch, dass es sehr nationalistische Gruppierungen gab, die trotzdem oder deswegen nicht mit den Deutschen kollaborieren wollten. Wahr ist aber auch, dass sich vermutlich aufgrund ihrer humanistischen höheren Bildung viele Intellektuelle gegen Fremdherrschaft und totalitäres System wendeten und Stellung bezogen und man kann es durch die große Anzahl dramatischer, lyrischer und epischer Werke sogar beweisen. Während die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in den dreißiger Jahren weniger in fiktionalen Werken stattfand[57], sondern hauptsächlich im sachlichen Genre der Essais, nahmen erstere unter der Besatzung wieder zu, was sich logischerweise durch die Zensur erklären lässt. Versucht man nun Aussagen über das Deutschlandbild der Schriftsteller der Résistance zu machen stößt man immer wieder auf Arbeiten von dem Zeitgenossen Konrad Bieber, dessen Ziel es war «[de] montrer que, dans l’ensemble, les écrivains français de 1939-45 se sont abstenue de cris de haine» [58] . Diesem Anspruch werden aber nicht alle Positionen gerecht und dadurch entsteht leider eine etwas einseitige Sicht, nämlich die auf die eher unpolitischen Positionen, wie z.B. die von Vercors. Des Weiteren lässt er die Analyse der Presse völlig außer Acht, da sie «une tâche tout autre que la littérature»[59] sind. Diese Ansicht teilen wir nicht, denn Schriftsteller sind, zumal zu dieser Zeit, auf jeden Fall auch politische Menschen und deswegen fließen ihre Einstellungen sowohl in ihr literarisches Schaffen wie in ihre theoretischen und sachlichen Artikel mit ein. Die beiden bedeutenden literarischen Zeitschriften des Widerstands, Lettres Françaises und La Pensée Française zum Beispiel sind kommunistisch orientiert. Allerdings kann man auch nicht soweit gehen, sie mit den anderen kommunistischen Organen gleichzusetzen, dafür war ihre Zusammensetzung zu heterogen, was im übrigen das Charakteristikum aller literarischen Organe der Résistance betrifft im Unterschied zu den rein politischen. Man kann ein allgemeines Ziel der literarischen Gruppen darin erkennen, den nationalsozialistischen Dominationsanspruch auf allen Gebieten zu bekämpfen und an vorderster Front natürlich Deutschlands Bestreben zur geistigen Versklavung Frankreichs zu verhindern, indem man die kulturelle Kraft des Vaterlandes unterstrich[60]. Da diese wesentlich weniger stark als vom nationalen Widerstand proklamiert wurde unterlag sie nicht derselben Selbstüberschätzung und führte wesentlich seltener zu antideutschen Ausfällen. Thematische Schwerpunkte der Deutschlandbetrachtung in den Zeitschriften der Literaten sind vor allem die nationalsozialistische Intellektuellenfeindlichkeit und die Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache, Literatur und Kultur. Hier versucht man die deutsche Literatur vor den Nazis zu verteidigen und einzelne Schriftsteller vor allem in den verfälschten Anthologien zu rehabilitieren:
«Goethe, Schiller, Novalis, sans compter ce pauvre cher grand Rilke ont été mis là pour servir d’escorte à ce bataillon de SA port-lyre[61].»
Ebenso wendeten sie sich explizit gegen die inhaltlichen Verfälschungen und zitierten immer wieder aus den Werken der ‚Verheimlichten’ wie Marx, Freud, Heinrich Mann, Ernst Glaeser, Erich Kästner, Erich-Maria Remarque, Alffred Kerr und Tucholsky, Brecht und Ringelnatz. Man kann sagen, „dass ihre Deutschlandkenntnis viel zu groß war, als dass […]ein unreflektiertes Deutschlandbild hätte entstehen können; das literarische und politische Erbe des Germanisten und Gründers der Lettre Francaises, Jacques Decour, blieb gegenwärtig.“[62]
Wir stellen also fest, dass die Reaktionen der Schriftsteller des literarischen Widerstandes während des Zweiten Weltkrieges sich von der Hasspropaganda um 1914-18 unterscheiden. Wohl äußern manche in ihren Werken Zorn, der völlig berechtigt ist, aber nicht reinen unreflektierten Hass. Die meisten Autoren der Résistance differenzierten bewusst zwischen Deutschland und dem Nationalsozialismus, wie zum Beispiel Georges Bernanos, der im Nationalsozialismus nicht so sehr eine nationale, als vielmehr eine ideologische Dimension sah: die Mystik der Rasse und des allmächtigen Staates. Auch Albert Camus sprach 1939 nicht von einem 'Krieg gegen Deutschland', sondern von einem 'Krieg gegen Hitler' und erwähnt explizit in dem Vorwort der italienischen Ausgabe seiner Lettres à un ami allemand aus dem Jahre 43/44, dass er gegen eine allgemeine summarische Zuschreibung ist und nur zwei Haltungen einander gegenüber stellen möchte, nicht zwei Nationen, auch wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt eben jene Nationen die zwei feindlichen Haltungen verkörperten.
4. Einordnung von Vercors Deutschlandbild
« L’autre aspect de la thèse de Vercors est de démontrer que même ’le meilleur de tous les Allemands possible’ n’est capable, en fin de compte, que de l’ombre d’une révolte contre l’injustice. Dans ‘Le silence de la mer’ nous apparaît un allemand bon, noble, généreux et profondément cultivé. Il n’est jamais dit que ce soit là l’Allemand par excellence. On peut bien conclure, cependant, qu’il n’est pas le seule à concevoir un amour aussi exalté pour la France et la culture françaises. La conclusion du récit s’applique, par contre, à tous les Allemands de bonne volonté : même s’ils sont doués d’une sensibilité, d’une humanité égales à celles de Werner, il ne sont point capables de tirer les conclusions de leur conceptions et de se révolter ouvertement contre la tyrannie. »[63]
Wir haben bisher festgestellt, dass sich das Deutschlandbild der Franzosen auf einer Achse einordnen lässt, auf deren extrem negativen Seite das Bild des Allemagne éternelle steht, welches stellvertretend für die Furcht vor dem enormen Expansionswillen der Deutschen gekennzeichnet ist und diesen als Konstante der Existenz dieses Volkes begreift und auf der gegenüberliegenden Seite das Bild der deux Allemagne, welches sich vor allem mit dem kulturellen Reichtum und der geistigen Jugend (vor allem in der Philosophie) als liebenswertes Faktum der Nachbarn auseinandersetzt. Wir haben auch festgestellt, dass die Einordnung der einzelnen Meinungen oft mit der politischen Couleur der Autoren, Journalisten oder allgemeiner Zeitzeugen in Zusammenhang stehen und das Deutschlandbild prägen. Nun soll stellvertretend für die eher linksorientierte Résistance und gleichzeitig größter Erfolgstext der Untergrundliteratur die Novelle von Vercors Le Silence de la mer in das Spektrum der Deutschlandbilder eingefügt werden. Dazu ist es von Bedeutung einen kurzen Blick auf seine Biographie und politisch Einstellung zu werfen: Nach dem Ersten Weltkrieg machte die Aufdeckung der Kriegsgreuel Jean Bruller, so sein eigentlicher Name, zum überzeugten Pazifisten. Obwohl er ein Diplom als Elektroingenieur absolvierte, beschäftigte er sich viel mit künstlerischen und literarischen Produktionen, vor allem mit dem Erstellen von Karikaturen. Die Besetzung der Ruhr 1923 bestärkte ihn in seiner pazifistischen Einstellung und im Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland hoffte er vor allem auf die Verständigungspolitik des Sozialisten, Friedensnobelpreisträger und Chefarchitekten der Locarno-Verträge, Aristide Briand. Vercors pflegte eine enge Freundschaft mit dem, während der NS-Besatzung in die USA emigrierten, Schriftsteller Jules Romains. 1935 wurde er Mitarbeiter der antifaschistischen Wochenzeitschrift Vendredi, sympathisierte in dieser Zeit ebenfalls mit der französischen Volksfront, schätzte deren Möglichkeiten Einfluss auf die wachsenden nationalen und internationalen Spannungen im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs nehmen zu können allerdings als gering ein. Als er 1938 durch Deutschland zu einem Kongress des PEN-Clubs nach Prag reist, entstehen in ihm starke Sorgen um die künftigen politischen Entwicklungen der Nachbarn und lassen ihn, zusammen mit seiner Bestürzung über das Münchner Abkommen (1939) von seiner pazifistischen Überzeugung Abstand nehmen. Während er die ersten Kriegsjahre noch zurückgezogen als Tischler in einem Dorf arbeitete und ursprünglich literarische Veröffentlichungen während der deutschen Okkupation ablehnte, gründete er 1942, unter dem Pseudonym des Rückzugsorts der Résistancekämpfer Vercors, zusammen mit Pierre de Lescure illegal den Résistance-Verlag Éditions de Minuit, der zu einem wichtigen Sprachrohr der unterdrückten französischen Schriftsteller wurde. Anstoß für Le silence de la mer mag wohl die Lektüre von Ernst Jüngers Jardins et routes [64] gewesen sein. Die darin zum Ausdruck kommende Liebe zu Frankreich und der überraschende geistige Liberalismus des Autors verwirrten Vercors so sehr, dass ihm die Gefahr bewusst wurde, das französische Volk könne durch derart sympathische Wehrmachtsangehörige geblendet werden. Diese Thematik setzt er in der Novelle um: der idealistische, frankophile deutsche Offizier Werner von Ebrennac wird ohne deren Willen bei zwei Franzosen (Onkel und Nichte) einquartiert und versucht rührend den Kontakt zu ihnen herzustellen, um sie für eine deutsch-französische Zusammenarbeit auf der Grundlage des kulturellen Erbes der beiden Völker zu gewinnen. Die Antwort der beiden ist ein hartnäckiges Schweigen, das der deutsche Offizier respektiert, im Unterschied zur Haltung der Franzosen, die die Besatzungstruppen mit offenen Armen empfangen. Die Auseinandersetzung mit einem alten Freund, Offizier wie er, aber überzeugter Nationalsozialist, macht ihm klar, dass unter dem Deckmantel der Kollaboration Frankreich geprellt werden soll. Nicht nur die Macht des Nachbarlandes, vor allem seine Seele solle gebrochen werden. Enttäuscht wendet sich der Vertreter des kultivierten Deutschland ab, nicht um Widerstand zu leisten, sondern um sich als Freiwilliger an die Ostfront zu melden. Diese kurze Inhaltsangabe und die Absichten des Autors lassen vermuten, dass es sich hier nicht nur um eine rein positive Darstellung des Deutschen handelt, sich das Werk zwar im Unterschied zu den völlig irrealen Feindbilddarstellungen der Vorkriegsjahre abhebt, aber keinesfalls frei von Stereotypen und Klischees, bzw. unterschwelligen Warnungen an die Landsleute ist. So reichte denn auch die Kritik von ‚zu deutschlandfreundlich’(Ilya Ehrenbourg denunzierte die Geschichte zuerst «comme la provocation subtile d’un collaborateur») bis hin zu den Stimmen aus dem Ausland denen das Deutschlandbild zu einfach erschien.
« Même après guerre, deux producteurs de la télévision de Hambourg se décident à diffuser l’adaptation de la nouvelle en peignant Werner comme un militaire grossier et haïssable. Vercors se souvient dans ‚A dire vrai’ de leur étonnement ‘quand je leur expliquai que si l’officier n’était pas le meilleur des Allemands possibles, la nouvelle perdrait sa signification’.» [65]
Vercors ging es in der Novelle also darum, aufzuzeigen, dass auch der sympathische Deutsche dem totalitären Nationalsozialismus gegenüber eine Haltung des Gehorsams einnahm. Als sich die Stimmen vermehrten, die ihm ein zu loyales Verhältnis zum Feind vorwarfen, und Vercors zeigten, dass man seinen Offizier falsch verstanden hatte, ergänzte er in der Wiederauflage von 1951 (man beachte, dass der Krieg hier schon vorbei war) die letzten Reflexionen, die der Onkel anstellt, als er erfährt, dass sich Ebrennac enttäuscht an die Ostfront versetzten lässt « par un geste totalement suicidaire» [66]:
«Ainsi, il se soumet. Voilà tout ce qu’ils savent faire. Ils se soumettent tous. Même cet homme-là». [67]
Der Übergang vom Singular zum Plural stellt einen Rückfall Vercors vom exponierten Individuum in das Kollektiv der Stereotypen dar[68]. In seinen Diskursen über die Deutschen besteht er weiter auf diesen Sinn des Epilogs und verdammt damit das Verhalten von Ebrennac:
«On n’a pas su reconnaître qu’il se termine sur la mise au tombeau d’un ultime espoir, d’un espoir désespéré qui vient d’être assassiné de la main même du meilleur des Allemands possibles, puisque ce meilleur des Allemands possibles, loin de céder à la révolte, trouve le chemin de son devoir dans la soumission à ses maîtres, dans la mort pour ses maîtres, dont il a pourtant mesuré la forfaiture»[69].
Im Folgenden sollen nun alle im Text enthaltenen und in der Tradition des französischen Deutschlandbild verankerten stereotypischen Bilder aufgelistet werden. Dabei geht es uns nicht darum, den Text als solches zu diskreditieren, da seine den Deutschen freundliche gestellte Gesinnung durch den Sympathieträger Werner von Ebrennac auf jeden Fall klar ersichtlich ist. Abgesehen davon verdient die Erzählung im Hinblick auf die Résistancebewegung im Allgemeinen und auf die literarische Auseinandersetzung höchste Achtung. Aufgezeigt werden soll nur, dass selbst so freiheitlich denkende Menschen wie Vercors eben auch nur Kinder ihrer Zeit sind und sich Bilder und Stereotypen bewusst oder unbewusst zu Nutzen machen. Dazu sei noch zu bemerken, dass Vercors seinem Werk einen hohen Realitätsgrad zu Grunde legt (das Haus ist dem seiner Familie fast exakt nachempfunden, einige Sätze, die Ebrennac in Paris von den Nazis erfährt, hat Vercors genauso gehört usw.[70] ), was die Frage bewusst offen lässt, ob es sich tatsächlich ‚nur’ um Bilder handelt oder ob sie von vielen Deutschen jener Zeit wirklich verkörpert wurden.
Einleitend beginnt die Geschichte direkt mit einer typischen Beschreibung des Aussehens der Deutschen, die das Adjektiv blonde enthält und die zwei Arten, wie der Deutsche daherkommen kann:
«D’Abord deux troufions, tous deux très blonds, l’un dégingandé et maigre, l’autre carré, aux mains de carrier» [SM, 25]
Zum Argotbegriff troufion, der in der deutschen Übersetzung ganz wertneutral als Landser übersetzt wurde ist anzumerken, dass Vercors in seinen Werken alle gängigen Bezeichnungen, außer les Allemands im Dialog seiner französischen Figuren verwendet, troufion nur vereinzelt auftaucht, und somit eine Wertneutralität schafft, die wie wir sahen nicht bei allen Zeitgenossen vorzufinden ist. Vercors versucht der Alltagssprache gerecht zu werden und man merkt immer, dass es nicht der Ich – oder auktoriale Erzähler ist, der sie so benennt, «sondern der jeweils mit diesen konfrontierte fiktive Franzose.»[71] Er umgeht so geschickt dem total klischeehaften Begriff boche und zeigt einmal mehr, dass er Kritik nicht über einzelne Schlagwörter ausdrücken will. Nichtsdestotrotz verfällt er bei der Beschreibung der deutschen Soldaten wieder ins klischeehafte zurück. Beim Erscheinen von Ebrennac allerdings wird die Beschreibung der eher unsympathischen Typen differenzierter, da er als eher sympathisches Individuum eingehender beschrieben wird. Physische Stereotypen existieren aber auch hier: schmale eindrucksvolle Hüften und Schultern, helle Augen, weich-blondes zurückgekämmtes Haar, mächtiges Profil - «der Entwurf eines typischen Germanen»[72]:
«Ses hanches et ses épaules étroites étaient impressionnantes. Le visage était beau. Viril [...] Les cheveux étaient blonds et souples[...]» [SM, 29].
Die von Mme de Staël geprägten klimatischen und symbolischen Unterschiede werden hier von Ebrennac selber evoziert, wenn er von den Wintern in seiner Heimat berichtet, die im Gegensatz zu den milden in Frankreich sehr hart sind, auch die dichten Wälder und Tannen stehen im Gegensatz zu den zarten Pflanzen Frankreichs:
«L’Hiver en France est une douce saison. Chez moi c’est bien dur. Très. Les arbres sont des sapins, des forêts serées, la neige est lourde là-dessus [...]Chez moi on pense à un taureau, trapu et puissant, qui a besoin de sa force pour vivre. Ici c’est l’esprit, la pensée subtile et poétique.» [SM, 35]
Die raue Naturhaftigkeit Deutschlands wird kurze Zeit später in einer eher nebensächlichen Verhaltensbeschreibung des Offiziers wieder aufgegriffen: «De temps en temps il s’y frottait lentement l’occipital, d’un mouvement naturel de cerf.» [SM, 36]. Des Weiteren arbeitet Vercors auch mit dem Stereotyp des Deutschen als Musiker: Ebrennac ist nämlich im wahren Leben kein grobschlächtiger Soldat, sondern sensibler Pianist und Komponist (erstmals erwähnt auf Seite 37). So liegt es denn auch Nahe die Unterscheidung zwischen Frankreich, dem Land der Dichter und Denker und Deutschland, dem Land der Musiker und Komponisten aufzumachen und diese namentlich zu erwähnen (Seite 41-42). Als er schließlich beim spielen eines Stückes von Bach ‚erwischt’ wird, kann er diese Situation nutzen um auf eine weiter Eigenschaft der Deutschen zu verweisen, indem er seine Musik als ‚abseits des Menschen’, göttlich, unerforschliche Natur vergleicht:
«Bach... il ne pouvait être qu’Allemand. Notre terre a ce caractère: ce caractère inhumaine. Je veux dire pas à la mesure de l’homme...»[SM, 46].
Ein viertes Bild, welches in abgewandelter Form immer wieder im Text Verwendung findet, ist das sexualisierte und gegengeschlechtliche Bild des femininen Frankreichs und des maskulinen Deutschlands. Ebrennac liebte Frankreich schon während seiner Kindheit von weitem, wie eine ferne Prinzessin [SM, 36] und von seinem republikanisch eingestellten Vater, dem Vercors seine Liebe zu Briand überträgt, erzählt er, dass dieser hoffte Briand würde die beiden Länder vereinen «comme mari et femme» [SM, 37].Voller Hoffnung spricht er davon, dass dieser Krieg der letzte ist, und dass sie sich nicht mehr schlagen, sondern heiraten werden [SM, 42][73]. Erweitert wird dieses Bild durch die Geschichte La Belle et la bête [SM, 43], die vom Offizier explizit gewollt als Parabel für die Situation in der sie sich befinden stehen soll: Frankreich, die Schöne, die Schweigsame, die ohnmächtig von dem Biest gefangen gehalten wird und sich gleichzeitig stolz unnahbar und hart zeigt, aber mit der Zeit verstehen soll, dass das Tier, welches ihr unmanierlich, roh und plump erscheint auch ein Herz und eine Seele hat und schlussendlich nach etwas höherem strebt. Sie muss nur wollen und das Biest verwandelt sich. Das alles erinnert stark an dass schon in der Vorkriegszeit existierende Bild des armen frierenden deutschen Soldaten, der in Frankreichs warmen Gärten seine Heilung zu finden erhofft und genau dass greift unser Offizier auch konkret auf, wenn er wenig später gesteht:
«Maintenant j’ai besoin de la France. Mais je demande beaucoup: je demande qu’elle m’accueille [...] Sa richesse, sa haute richesse, on ne peut pas conquérir. il faut la boire à son sein, il faut qu’elle vous offre son sein dans un mouvement et un sentiment maternels...» [SM, 47].
Hier wird das Bild plötzlich sehr persönlich und bezieht sich nicht mehr nur auf den maskulinen Part Deutschlands, sondern speziell auf Werner von Ebrennac. Diese Erweiterung gibt in den Interpretationen den Weg frei auch von einer persönlichen Liebesgeschichte zu sprechen, die sich ohne Worte und sehr vage zwischen ihm und der Nichte abspielt – das ist aber nicht unser Thema; nur soviel, da es sich hier wieder um eine klassische Stereotypenzeichnung handelt: das Biest Deutschland wird ebenfalls konkret symbolisiert, hier aber losgelöst vom Geschlechterbild, in der Figur der deutschen Freundin Ebrennacs. Abgesehen davon, dass in diesem Exkurs dem deutschen Wald wieder hohe Brisanz zukommt, und er im Film noch deutlicher als in der Erzählung heraus sticht (es handelt sich um eine der wenigen Szenen, die außerhalb der Stube stattfinden), ist diese merkwürdig anmutende Anekdote durch ihre banale Brutalität fast als deutschfeindlich zu beurteilen. Allein die herausgehobene Schreibart betont die Brutalität:
«Oh! regardez, je vais le punir: je lui – arrache – les pattes – l’une – après – l’autre» [SM, 52]
Der Erzähler Ebrennac bemerkt die Zweideutigkeit nicht direkt, da für ihn diese Szene zuerst nur eine Erklärung sein sollte warum er nicht verheiratet ist, erst nach dem nachdenklichen Betrachten seiner Handflächen fällt ihm der ‚typisch-deutsche’ Charakter auf:
«Ainsi sont chez nous les hommes politiques. C’est pourquoi je n’ai jamais voulu m’unir à eux [...]Mais je sais aussi qu’ila arracheraient aux moustiques les pattes l’une après l’autre. D’est cela qui arrive aus Allemands toujours quand ils sont très seuls: cela remonte toujours.» [SM, 53]
Wie man nun bemerkt, erweitert sich hier der Horizont von der kleinen persönlichen Ebene wieder auf eine geopolitische: nicht nur Ebrennac kann in Frankreich Heilung erfahren, sondern alle einsamen Deutschen. Frankreich wird sie lehren wahrhaft große, reine Menschen zu werden. Dieses Selbstbild Frankreichs ähnelt stark der Selbstüberschätzung, die vor allem bei den nationalistisch eingestellten Résistancekämpfern zu finden ist und steht einem Deutschlandbild der Mme de Staël diametral gegenüber, die ja auf Heilung der französischen Dekadenz durch die unvoreingenommene jugendliche Kultur Deutschlands hoffte. Außerdem lässt Ebrennacs letzter Satz erkennen, dass diese deutsche Malaise unheilbar zu sein scheint, unveränderbar, sobald sich der Deutsche wieder allein fühlt – das Dilemma des Allemagne éternelle. Nach seiner Rückkehr aus Paris, nachdem der vorher so naive Offizier desillusioniert von der brutalen Mordlust seiner Landsleute ist hat er sich die Ängste der Franzosen in der Résistance zu Eigen gemacht:
«Nous sommes pas des fous ni des nias: nous avons l’occasion de détruire la France, elle le sera [...] Nous la pourrirons par nos sourires et nos ménagements. Nous en ferons une chienne rampante» [SM, 70]. Bzw. ein paar Seiten weiter: «Ils éteindront la flamme tout à fait[...] l’Europe ne sera plus éclairée par cett lumière» [SM, 72]
Dieses Deutschlandbild kulminiert in seiner negativsten Ausformung, in der der Deutsche und seine zwei ‚Hauptmerkmale’ mit dem Satan gleichgestellt wird:
«Avec méthode et perséverance! Je connais ces diables archarnés» [SM, 75].
Fasst man diese Eindrücke zusammen so ergibt sich trotz allem Positiven, Hoffnungsvollen, weil auf der zwischenmenschlichen Ebene Verstehendem, welches die Geschichte umgibt eine recht negative Zukunftsvision: die Vermählung von Deutschland und Frankreich, von der Ebrennac träumt, ist unter den gegebenen Umständen reine Illusion. Vercors möchte den Franzosen, und vor allem den von den Deutschen umworbenen Intellektuellen, zeigen, dass auch dem freundlichen Besatzer Widerstand entgegengebracht werden muss, da dieser im besten Fall nur Betrogener oder Opfer des Systems ist – vor allem die letzten Gedanken Ebrennacs stehen hierfür Zeugnis: er unterwirf sich dem «Grand bataille du temporal contre le Sprirituel» [SM, 77] und geht in die Hölle – «Ainsi il se soumet» [ebd.].
5. Schlussbetrachtung
Vercors hat mit der Figur des Offiziers Werner von Ebrennac quasi den Prototyp einer der Sichtweisen auf Deutschland geschaffen, der nicht nur in der Literatur häufig zu finden ist. Das liegt, im Bezug auf die nach ihm Schreibenden, unter anderem daran, dass sein Text, die erste Publikation des Verlages Les Editions de Minuit überhaupt, als Paradetext der Résistance und ihrer Ideale gilt. Abgesehen davon ist er sehr stark durch die Werte des französischen Selbstkonzepts geprägt, was ihn vermutlich umso beliebter machte. Am Auffälligsten wird die Adaption bei Eliane Auberts Le temps des cerises (1990) die im Jahre 1870 spielt: die Preußen haben das Heer bei Sedan geschlagen, und wollen Paris belagern; die humanitäre, verständnisvolle, harmoniesuchende, individualistische, Künstlerin Adrienne nimmt die fiesen, brutalen, drakonischen, barbarischen, kalten, ja bestialischen Preußen bei sich auf (man erkennt das Märchen vom einsamen hungrigen deutschen Wolf, der sich nach dem Garten Frankreichs sehnt). Leutnant Erbert de Korff ist sein Name für alle anderen Charakteristiken kann man auch Werner von Ebrennac einsetzten: als Figur der Zweideutschland-Theorie, Zwischenfigur, Doppelnatur; dargestellt durch seinen Stand als Aristokrat (oder bei Werner höhere Bürgerschicht), Soldat und Künstler, sein ‚sich Einsetzen’ für ihre Wünsche (bzw. bei Werner die seiner Mitbewohner), seine Vertrautheit mit der französischen Kultur ( er liebt wie Werner vor allem die französischen Schriftsteller; hier erwähnt: Balzac, Flaubert, Hugo, George Sand) und sein kompromissloses Anerkennen der kulturellen Vormachtstellung Frankreichs. Beide sind Anwälte der Franzosen und beherrschen perfekt ihre Sprache. Und beide sind von dem, von Natur aus ihrem Volk innewohnenden, Leiden überzeugt und hoffen eine Gesundung durch den Kontakt, die freundliche Umarmung Frankreichs. Bei dem einen (de Korff) wird die heimliche Liebe der beiden durch die Brutalität und Grausamkeit seiner Landsleute überschattet; de Korff erkennt in dieser Neigung, die vor der absichtlichen Vernichtung der Kulturgüter nicht halt macht, die zivilisatorischen Defizite seines Volkes. Bei Ebrennac wird in seinem Schlussdialog deutlich, dass er sie für sehr durchdacht für kaltblütig, aber intelligent hält – er, der Künstler ist der Naive – und genau das macht sie noch viel gefährlicher[74]. Vercors übernimmt hier sogar die stereotypische Gegenpropaganda des Feindes, also der Nazis, in dem er sie zu Ebrennac sagen lässt:
«Vous voyez bien! Vous voyez combien vous l’aimez! Voilà le grand Péril! Mias nous guérions l’Europe de cette peste! Nous la purgerons de ce poison!» [SM, 71]
Am Ende scheitern beide (Ebrennac und Korff) in ihren Visionen «Deutschland durch Akkulturation am französischen Vorbild zu einer eigenen, in der Musik präfigurierten Blüte bringen zu können»[75]. Überraschenderweise ist dieser Ansatz wie Morita-Clément, Aulbach, Jurt, diese Arbeit usw. zeigen, also die fundamentale kulturelle Unterlegenheit der Deutschen immer wieder tendenziell überall, unabhängig von politischer und gesellschaftlicher Einstellung zu finden. Allerdings gilt auch:
«Le nazi, c’est la face inhumaine dans l’homme, et la dualité allemande n’est que symbole de la dualité de l’Homme. Le nazi n’est pas allemand.» [76]
Trotzdem gibt es jemanden, oder einen Ort an dem diese negative Seite des Seins aufgehoben werden kann, durch die Erziehung zur Humanität kann sie überwunden werden und die Lehrer der Humanität sitzen in Frankreich dem « Symbole de la liberté »[77].
6. Bibliographie
6.1. Primärquellen
6.1.1. Literarische Werke
Aubert, Eliane (1990): Le temps des cerises. L’Harmattan: Paris, 2000.
Mme de Staël, Anne Louise Germaine (1815): De l’Allemagne. Bd.I+II. Hachette: Paris. 1958.
- ebd. (1800): De la littérature considérée dans ses rapports avec les institutions sociales. Nouveau Édition Critique. InfoMédia Communication: Paris, 1998.
Rolland, Romain (1904-12): Jean Christophe. Tome 1-10. Librairie Générale Française (LGF): Paris, 1961.
Vercors (1941): Le silence de la mer et autres récits. Éditions Albin Michel: Paris, 1951.[Im Text zitiert als: SM, +Seitenzahl].
- ebd. (1948): Dicours aux Allemands. In: Plus ou moins homme. Éditions Albin Michel : Paris, 1950. S. 227 – 254.
6.1.2 Zeitschriften der Résistance
Cahiers du Bolchévisme
Clarté
Combat
Défense de la France
La Politique Communiste
L’Avant-gard e
La Vérité
La Vie Ouvrière
Le Cahier
Les Lettre Françaises
Le Populaire
L’Humanité
Libération
L'Université libre
Quatrième Internationale
Résistance
6.2. Sekundärquellen
Aulbach, Michael (1998): Das Deutschlandbild in der französischen Literatur und Publizistik von 1970 bis 1994. Wissenschaftliche Schriftenreihe Romanistik, Band 2. Verlag Dr. Köster: Berlin. (zugl.: Dissertation, Humboldt-Universität, 1997).
Bassewitz, Susanne von (1990): Stereotypen und Massenmedien. Zum Deutschlandbild in französischen Tageszeitungen. Dt. Univ.-Verl.: Wiesbaden. (zugl.: Dissertation, Universität Münster, 1987).
Berschin, Helmut (1992): Deutschland im Spiegel der französischen Literatur. C.H. Beck: München.
Bieber, Konrad (1953): L’Allemagne vu par les écrivains patriotes français de 1941-1944. In: American Assoc. of Teachers of French (Hrsg.), The French Review 3. S.201ff.
Bieber, Konrad (1954): L’Allemagne vu par les écrivains de la Résistance française. Droz: Genf.
Brunos (1979): Ein politisches und moralisches Lehrbuch der III. Republik:
Le Tour de la France par deux enfants (1877). In: Französisch heute 1 (1979), S.1-10.
Cheval, René (1972): Cent ans d'affectivité franco-allemande ou l'ère des stéréotypes. In: Revue d'Allemagne 4. S.603 – 614.
Calin, Françoise (2004): Un vertige d’hésitations: Le Silence de la mer de Vercors. In :(ebd.), Les marques de l’histoire (1939-1944) dans le roman fran ç ais. Lettres modernes minard: Paris-Caen. S.105-132.
Christadler, Marieluise (Hrsg.) (1981): Deutschland - Frankreich. Alte Klischees - Neue Bilder. Verlag der sozialwissenschaftlichen Kooperative: Duisburg.
Digeon, Claude (1959): La crise allemande de la pensée française (1870-1914). Presses Universitaires de France: Paris.
Escherich, Bernhard (2003): Herausforderung Deutschland. Zum Deutschlandbild französischer Historiker 1945-1989. Studien zur Zeitgeschichte, Band 29. Verlag Dr. Kovač: Hamburg. (zugl.: Dissertation, Universität Bonn, 2001).
Fink, Gonthier-Louis (1994): Les deux Allemagnes dans le miroir des lettres françaises. In : Recherches Germaniques. Bd. 24. S.3-43.
Gautier, Philippe (2002): Le racisme anti-allemand. Collection Politiquement incorrect. Édition Déterna: Paris.
Geiger, Wolfgang (1999): L’image de la France dans l’Allemagne nazie.1933-1945. Presses Universitaires de Rennes: Rennes.
Heddrich, Gesine (1997): Deutschland und Frankreich als Hetero- und Auto-Image während der Zeit der Occupation im Zweiten Weltkrieg am Beispiel der Schriftsteller Vercors (Jean Bruller) und Robert Brasilach. Peter Lang: Europäischer Verlag der Wissenschaft, Bd.219: Frankfurt a.M., Berlin, Paris u.a.
Jurt, Joseph (2003): Frankreich. In: Klaus Stierstorfer (Hrsg.), Deutschlandbilder im Spiegel anderer Nationen. Rowohlts Enzyklopädie: Reinbek bei Hamburg. S.75-95.
Jurt, Joseph (1995): Deutsch-französische Fremd- und Selbstbilder in der Literatur und Publizistik der Gegenwart. In: Lothar Albertin, Hans Manfred Bock, Marieluise Christadler, Henrik Uterwedde (Hrsg.) Frankreich-Jahrbuch. Leske + Budrich: Opladen. S. 57 f.
Koch-Hillebrecht, Manfred (1977): Das Deutschenbild. Gegenwart, Geschichte Psychologie. Beck-Verlag: München.
Leiner, Wolfgang (1989): Das Deutschlandbild in der französischen Literatur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt.
Morita-Clément, Marie-Agnès (1985): L’image de l’Allemagne dans le roman français de 1945 à nos jours. Presses Universitaires: Nagoya.
Pleyer, Peter (1968): Nationale und soziale Stereotypen im gegenwärtigen deutschen Spielfilm. Eine aussageanalytische Leitstudie des Instituts für Publizistik Münster. Arbeiten aus dem Institut für Publizistik der Universität Münster, Band 5. Verlag Regensberg: Münster/Westf.
Reshof, Ohriel (1984): Guerre, mythe et caricature. Presses de la Fondation Nationale des Sciences Politiques. Paris. S.74 -79.
Schüle, Klaus (1974): Politische Determinanten und Schwerpunkte im Deutschlandbild der französischen Résistance. Eine Untersuchung ihres Deutschlandverständnisses und ihrer Einstellung Zum Nationalsozialismus an Hand der Widerstandspresse. AG der Kleinverleger: München. (zugl.: Inaugural-Dissertation, Universität München).
Stierstorfer, Klaus (Hrsg.)(2003): Einleitung. In: (ebd.), Deutschlandbilder im Spiegel anderer Nationen. Rowohlts Enzyklopädie: Reinbek bei Hamburg. S.7-18.
Stoll, André (1985) (Hrsg.): Die Rückkehr der Barbaren. Europäer und ‘Wilde’ in der Karikatur Honoré Daumiers. Hans Christians: Hamburg. S.422-423.
Taubert, Friedrich (1991): Französische Linke und Hitlerdeutschland. Deutschlandbilder und Strategieentwürfe (1933-1939). Contacts: Série 2, Gallo-Germanica, Volume 6. Editions Peter Lang SA: Berne.
Wolf, Heinz E.(1978): Zur Problematik der Vorurteilsforschung. In: René König (Hrsg.): Handbuch der empirischen Sozialforschung.Bd.12.Enke: Stuttgart. S.102-191.
Wieviorka, Olivier (1996): France: A fragile consensus. In: Wolfgang Benz u.a. (Hrsg.), Anpassung, Kollaboration, Widerstand. Kollektive Reaktionen auf die Okkupation. Metropol Verlag: Berlin. S.117-130.
6.3. Texte aus dem Internet
Jurt, Joseph : Le couple franco-allemand. Naissance et histoire d’une métaphore. Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Originalbeitrag erschienen in: Karl-Heinz Götze (Hrsg.)(2001): France-Allemagne; passions croisées. Aix-en-Provence. S.51-60.
Link: www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/493/pdf/coupleFrAll.pdf
Pinkernell, Gert (2003-2006): Namen, Titel und Daten der französischen Literatur. Ein chronologisches Repertorium wichtiger Autoren und Werke. Teil II: 1800 bis ca. 1960. Vorlesungsskripte und Begleitmaterialien an der Universität Wuppertal: http://www.pinkernell.de/romanistikstudium/Internet2.htm.
Eine Seite die sich nur mit Vercors (Jean Brullers) Leben und Werk beschäftigt: http://perso.orange.fr/vercorsecrivain/index.html
Renans Vortrag an der Sorbonne «Qu'est-ce qu'une nation im Volltext: http://ourworld.compuserve.com/homepages/bib_lisieux/nation01.htm.
Verlag Traugott Bautz: Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon. Hauptlink: http://www.bautz.de/bbkl.
[...]
[1] Unter dem Begriff der Latinität verbinden sich die geographische und historische Elemente zum Selbstbild der Franzosen: auf der einen Seite das warme, lebenslustige, freie Volk und auf der anderen Seite das Verehren einer ruhmreichen Tradition und die „Vorstellung einer Vollendung, eines historischen Gewachsenseins, das sich im Selbstbewusstsein einer gereiften Nation äußert“. Siehe hierzu Aulbach (1998), S.51 u.a. Der Begriff der Germanität wird also als Gegenposition negativiert.
[2] Dieser Begriff ist zentral in der Stereotypenforschung und wird auf ganz Europa angewendet: es wurde festgestellt, dass die einzelnen Staaten gegenüber ihren östlichen Nachbarn die negative Stereotypisierung des Barbarenbilds der Antike benutzen. Während der Westen den Ruf hat raffiniert, modern und modisch zu sein, hausen die Menschen im Osten eher verwildert in Einöden oder Wäldern. Vgl. hierzu: Bassewitz (1990), S.9f.; Wolf (1978), S.129; Koch-Hillebrecht (1977), S.245f.
[3] Leiner (1989), S.42.
[4] Jurt (1995): S.57f.
[5] In der zweiten Auflage vom Nov. 1802 änderte sie das Ende des ursprünglichen Titels in avec l'état moral et politique des nations. Siehe hierzu: Pinkernell (2003). S.5.
[6] ebd. S.6.
[7] ihr zukünftiger Mentor, Reisebegleiter und Hauslehrer ihrer Kinder.
[8] s. Aulbach (1998): S.60f.
[9] s. Pinkernell (2005): S.7.
[10] Mme de Staël (1958): Bd.I, S.87.
[11] Mme de Staël (1958): Bd.I, S.153.
[12] s. Aulbach (1998): S.63., der in diesem Zusammenhang de Staël zitiert: « Les nations germaniques ont presque toujours résisté au joug des Romains. » (Bd.I, S.17).
[13] vgl. hierzu die Artikel in Wikipedia über Tacitus und die Germania, sowie Jurt (2003): S.75.
[14] Quelle: Bruno (1979)
[15] siehe hierzu die Zusammenfasssung von Pinkernell (2005): S.59.
[16] vgl. Resdorf (1984) und Stoll (1985): In einer Karikatur von Cham, die am 10. Januar 1871 in der Zeitung Le Charivari erschien, erläuterte der Zeichner in der Legende den Sinn seines Bildes eines deutschen Soldaten als Uhrendieb: „Sie können noch lange Uhren stehlen, sie werden es nicht verhindern können, dass die Stunde der Rache schlägt.” In einer Karikatur, die in derselben Zeitung publiziert wurde, stellte Daumier Kaiser Wilhelm I. als Nachfolger Karls des Großen dar, der statt eines Zepter seinen Knochen in der Hand, statt der Weltkugel eine Uhr hält und zu Füßen, gleichsam als Thronfundament, eine Unzahl von Uhren. Der neue Kaiser als Herrscher der Uhrendiebe!
[17] Das stellte der französische Germanist René Cheval, der nach dem 2.Weltkrieg an der Universität Tübingen für die ‚Entnazifizierung’ zuständig war schon 1972 fest: Cheval (1972): S. 606.
[18] Jurt (2003): S.81.
[19] Ebenfalls als Zitat in Berschin (1992): S.6, sowie in Aulbach (1998): S. 66; vgl. Leiner (1989): S.188, zur Erklärung von boche als Ableitung von carboche (Dickschädel).
[20] Siehe als Beispiel den Text von Fink (1994), der Les deux Allemagnes schon im Titel trägt.
[21] Ebenfalls in Deutsch zitiert bei Wolfgang Leiner, S.139.
[22] Die komplette Rede ist im Internet zu finden unter: http://ourworld.compuserve.com/homepages/bib_ lisieux/nation01.htm.
[23] Unter dem Renan-Artikel im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon im Internet zu finden unter: http://www.bautz.de/bbkl/r/renan_e.shtml
[24] Ebd. Leiner, S.139.
[25] Jurt (2003) zitiert in seinem Text Gonthier-Louis Fink (1994): S.78f.
[26] Digeon (1959): La crise allemande de la pensée française (1870-1914).
[27] siehe zu Romain: Pinkernell (2005) S.61-63. http://de.wikipedia.org/wiki/Romain_Rolland.
[28] Schüle (1974), vor allem Kapitel 2: Einzelanalyse der Widerstandsorgane 1940 – 44. S.21-99.
[29] L’Humanité, 20. April 1941; vgl. dazu auch: L’Humanité, 28. August 1940, Nr.73 und Cahiers du Bolchévisme, 3. Trimester 1940, S.18.
[30] L’Humanité, 10. Sept. 1940, Nr.75.
[31] Vgl. Schüle (1974): S.28.
[32] La Politique Communiste, Dezember 1941, S.3-4; zu dieser Blocktheorie vergleiche auch die Sondernummer der L’Avant-garde, Januar 1942.
[33] La Vie Ouvrière, 28. Juni 1941, Nr.42, hier auf Deutsch zitiert nach Schüle (1974): S.30.
[34] L’Avant-Garde, 22. Juni 1941, Nr.53.
[35] La Politique Communiste, Dezember 1941, S.6.
[36] L’Université libre, Juni 1942, Nr,60.
[37] L’Avant-garde, 15.Juni 1944.
[38] Trotzki selbst lebte, nachdem er von seinem einstigen Kollegen Stalin verstoßen wurde, selbst in Frankreich, wo er in den ersten Jahren von Daladier gern gesehen, mit Verschlechterung der Lage seiner Regierung aber letztendlich fallen gelassen wurde. Für weitere Informationen können die lesenswerten Artikel in Wikipedia zum Trotzkismus und zu Leo Trotzki empfohlen werden: http://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Trotzki.
[39] La Vérité, 1.Februar 1941, Nr. 9.
[40] La Vérité, 15.Oktober 1940, Nr.4.
[41] Aus der Sondernummer der Vérité, September 1941, Nr.21.
[42] Quatrième Internationale, Februar/März 1944, Nr.4/5, S.10.
[43] Sondernummer der Vérité vom Oktober 1942.
[44] La Vérité, 5. Dezember 1941, Nr.26.
[45] Ebenfalls in der Sondernummer der Vérité von 1942.
[46] Vgl hierzu: Schüle (1974): S.47.
[47] Le Populaire (Nord), 15. September 1943, Nr.24.
[48] Ebd.
[49] Le Populair e (Sud), Juni 1943, Nr.13.
[50] Le Populaire (Nord), 15. Juli 1943, Nr.23.
[51] Wie sprechen hier vor allem von den Organen wie L’Aurore oder Bir-Hake ï m. Letzteres ging nach dem Krieg sogar eher sozialistische Wege.
[52] L’Aurore, Dezember 1943, Nr.1.
[53] Le Cahiers, Juni 1942, 1.Heft, S.30.
[54] Résistance, 4.Februar 1943, Nr.7, vgl auch Défense de la France, 5.mai 1943, Nr.32.
[55] Sondernummer über Deutschland der Défense de la France, 20.März 1942, Nr.12.
[56] Schüle (1974): S.93.
[57] Ein Beispiel für fiktionale, rein literarische Auseinandersetzung in der Vorkriegszeit ist Malraux’ Novelle Le temps du mépris aus dem Jahre 1935, die die Gestalt eines Kommunistenführers in Nazihaft beschreibt.
[58] Bieber, Konrad (1954): L’Allemagne vu par les écrivains de la Résistance française. S.11. und S.159.
[59] Ebd.S.157.
[60] Lyrisches Beispiel hierfür sind u.a. Aragons Bemühen die französischen Traditionen der Reimform wiederzubeleben.
[61] Les Lettre Françaises, Februar 1944, Nr.15.
[62] Schüle (1974), S.99.
[63] Bieber (1954), S.128.
[64] Ab 1939 war Jünger Hauptmann in der Wehrmacht und zunächst am Westwall gegenüber der Maginot-Linie im Einsatz. Später ließ er sich in den Stab des Militärbefehlshabers von Frankreich in Paris versetzen, wo er unter anderem für die Briefzensur zuständig war. Eines der wichtigsten Zeitdokumente aus deutscher, aber auch anti-nationalsozialistischer Sicht sind die Sechs Tagebücher Jüngers, die von 1939-1948 entstanden und in der Sammlung Strahlungen erschienen (Gärten und Straßen, Das erste Pariser Tagebuch, Kaukasische Aufzeichnungen, Das zweite Pariser Tagebuch, Kirchhorster Blätter, Jahre der Okkupation - späterer Titel: Die Hütte im Weinberg). Seine literarischen Vorbilder waren die Franzosen, speziell die Moralisten, wie Stendhal, Flaubert und Gautier und die Symbolisten der Dekadenz. Kein deutscher Autor hat der Stadt Paris so gehuldigt wie Ernst Jünger; dafür und für seine Liebe zur französischen Sprache haben die Franzosen ihn zum größten deutschen Autor des zwanzigsten Jahrhunderts gemacht. Selbst ihr Staatspräsident François Mitterrand besuchte Jünger gleich zweimal (1985 und 1993) und begann einen Geburtstagsgruß zum Hundertsten mit den Worten: "Dies ist ein freier Mensch."
[65] Vgl. Die Rezeptionsgeschichte La fortune de la nouvelle auf der sehr neuen, sich teilweise noch im Aufbau befindenden, aber sehr ausführlichen französischen Internetpräsentation über Vercors und sein Werk unter dem Link: http://perso.orange.fr/vercorsecrivain/silencemer.html#VII.
[66] Ebd. Siehe hierzu auch die Ausführungen von Calin (2004): S.127f «Vercors l’ajoute-t-il pour calmer l’irritation de ceux qui trouvent son officier allemand trop séduisant? Ne révèle-t-elle pas soutout l’angoissante hésitation de l’auteur? Son hésitations face aux Allemands?»
[67] Vercors (1951), S.77.
[68] Vgl. Aulbach (1998), S.152.
[69] Zitiert nach der Vercors-Seite. Ebd.: http://perso.orange.fr/vercorsecrivain/silencemer.html#II
[70] Das alles ist nachzulesen u.a. auf der Internet-Seite (s.o.)und in seinen weiteren Texten, bzw. Artikeln zu Le silence de la mer, die hier leider nicht alle behandelt werden können.
[71] Heddrich (1997), S.128.
[72] Ebd. S.130.
[73] «Mais c’est la dernière! Nous ne battrons plus: nous nous marierons!»
[74] Vergleiche zum Beispiel die beiden ersten Zitate auf Seite 25.
[75] Aulbach (1998), S.152.
[76] Morita-Clément (1985), S.92
[77] Während Deutschland symbole de l’oppression bleibt. Ebd., S.78.
- Arbeit zitieren
- Saskia Schneider (Autor:in), 2006, Über die Entwicklung des Deutschlandbildes in Frankreich aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110610