Um Verantwortung zu empfinden, ist ein gewisses Maß an Selbstreflektion notwendig, da die Verantwortung die Verknüpfung eines Subjekts (derjenige, der Verantwortung empfindet) gegenüber einem Objekt darstellt, demgegenüber die Verantwortung empfunden werden soll. Der Mensch weist gegenüber den anderen Wesen in der Natur besondere Eigenschaften auf, die es ihm ermöglichen, diese Verantwortung wahrzunehmen. Andererseits wird auch deutlich, daß es ihm nicht nur möglich ist, sondern daß es auch seine Pflicht ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Nur wenn er dieser Pflicht nachkommt, wird er in der Lage sein, den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Verantwortung bildet sich also doppelseitig ab: Als Last und als Lust. Worin liegt nun aber die besondere Verantwortung des Menschen? Für die vorliegende Arbeit ist zunächst die (unbewiesene) Annahme der Existenz von Willensfreiheit unerläßlich, denn nur aus der Autonomie des Menschen heraus kann auch Verantwortung erwachsen. Die Arbeit soll darüber hinaus untersuchen, welche Fähigkeiten es sind, die den Menschen zum kausalen Neuanfang ermöglichen, wie sich die Verantwortung daraus ableitet und welche Perspektiven sich daraus ergeben.
INHALT:
1 Was ist Verantwortung?
2 Die Verantwortung des Menschen im Kontext der Freiheitsantinomie
3 Die besondere Bedeutung des Menschen innerhalb der Natur
4 Das Primat des Ichs und der ethische Nutzenbegriff
5 Sprache, Bildung und Wissen – Chance und Notwendigkeit
6 Kooperation als praktische Anwendung des Kategorischen Imperativs
7 Die besondere Verantwortung des Menschen umsetzen – Praxisbeispiele
8 Die Spieltheorie als Lösung des Nutzenkonflikts
9 Fazit
10 Quellen
1 Was ist Verantwortung?
Um Verantwortung zu empfinden, ist ein gewisses Maß an Selbstreflektion notwendig, da die Verantwortung die Verknüpfung eines Subjekts (derjenige, der Verantwortung empfindet) gegenüber einem Objekt darstellt, demgegenüber die Verantwortung empfunden werden soll. Singer bezeichnet den Menschen als „...wertende, mit Intentionalität ausgestattete Wesen, die sich selbst und anderen Verantwortung zuschreiben für das, was sie tun“[1]. Bereits in den ersten Absätzen dieser Arbeit wird schnell klar, daß der Mensch gegenüber den anderen Wesen in der Natur besondere Eigenschaften aufweist, die es ihm ermöglichen, diese Verantwortung wahrzunehmen. Andererseits wird auch deutlich, daß es ihm nicht nur möglich ist, sondern daß es auch seine Pflicht ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Nur wenn er dieser Pflicht nachkommt, wird er in der Lage sein, den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Verantwortung bildet sich also doppelseitig ab: Als Last und als Lust. Worin liegt nun aber die besondere Verantwortung des Menschen?
2 Die Verantwortung des Menschen im Kontext der Freiheitsantinomie
Aus deterministischer Sicht kann es keine Willensfreiheit geben, denn die Kausalität von Naturgesetzen schließt freie Willensbildung aus. Das Gegenteil behaupten die Indeterministen. Die kompatibilistische Sicht dazu verweist lediglich auf verschiedene Kategorien, weshalb diese als Lösung nicht weiter verfolgt werden kann. Kant sah in der Freiheitsantinomie jedoch einen theoretischen Spielraum dazwischen, einen Handlungskorridor, der Willensfreiheit praktisch möglich macht, in dem die menschliche Vernunft es ermöglicht, einen kausalen Neuanfang zu setzen. Somit ist Willensfreiheit innerhalb der Freiheitsantinomie möglich.
Als kausalen Neuanfang sieht Kant den Kategorischen Imperativ, ein Gesetz, das der Mensch sich selbst und allen anderen Menschen in allgemeingültiger Weise setzen kann.
Der Mensch ist somit in der Lage, „αυτο-νομος“ zu handeln, und ist damit nicht länger ausschließlich auf Naturgesetze angewiesen. Diese Willensfreiheit beinhaltet die drei Elemente des Anders-Könnens, der Willentlichkeit und der Urheberschaft. Für die vorliegende Arbeit ist die Annahme der Existenz von Willensfreiheit unerläßlich, denn nur aus der Autonomie des Menschen heraus kann auch Verantwortung erwachsen. Die Arbeit soll darüber hinaus untersuchen, welche Fähigkeiten es sind, die den Menschen zum Kausalketten-Neuanfang ermöglichen, wie sich die Verantwortung daraus ableitet und welche Perspektiven sich daraus ergeben.
3 Die besondere Bedeutung des Menschen innerhalb der Natur
Die Behauptung, daß der Mensch eine besondere Verantwortung habe, fundiert in der herausragenden Bedeutung, die der Mensch innerhalb der Natur inne hat. Der Mensch ist im Unterschied zum Tier nicht nur ein Natur- sondern auch ein Sozialwesen. Dies begründet sich in einer Reihe von herausragenden Eigenschaften, die ihn von dem Tier unterscheidet. Schopenhauer untersuchte die Ursachen-Wirkungen-Abfolge in der Natur von der untersten Stufe an, um diesen entscheidenden Unterschied schrittweise herauszuarbeiten. Danach besteht der Unterschied darin, „Indem die Naturwesen sich höher und höher steigend, komplicirter werden, und ihre Empfänglichkeit, von der bloß mechanischen, zur chemischen, elektrischen, reizbaren, sensiblen, intellektuellen und endlich zur rationellen (vernünftigen) sich erhebt und verfeinert“[2].
So finden sich auf der untersten Stufe der Natur die leblosen, d.h. anorganischen Dinge. Veränderungen finden in dieser Welt ausschließlich durch Ursachen statt, die durch Mechanik, Physik, Chemie oder Hydrodynamik ausgelöst wurden, wie z.B. eine Temperaturveränderung[3]. Als nächsthöhere Ursache benennt Schopenhauer den Reiz. Im Unterschied zu anorganischen Dingen werden z.B. Pflanzen durch Reize beeinflusst, wobei die Wirkungen auf diese Reize viel komplexer und verschiedenartiger ausfallen können, als bei den anorganischen Ursachen[4]. Als darauf folgende Entwicklungsstufe der bewegenden Ursachen bezeichnet Schopenhauer die Motivation, d.h. die durch das Erkennen hindurchgehende Kausalität. Im Unterschied zu Pflanzen und anorganischen Dingen sind Tiere komplizierte Wesen mit mannigfaltigen Bedürfnissen, die imstande sind, ihre Mittel der Befriedigung selbst zu wählen, zu ergreifen und aufzusuchen und letztendlich vermittelst dadurch auch über ein Bewußtsein verfügen[5]. Grundlage des Motivs als Handlungsursache bei Tieren ist also nicht länger die Einwirkung der Atmosphäre, sondern „...ganz allein die Erkenntniß“[6]. Der Mensch letztlich, der auf der höchsten Stufe der Natur steht, ist zwar gleichermaßen mechanischen Ursachen, Reizen und Motivationen durch Erkenntnis unterworfen. Jedoch zeichnet den Menschen ein Bewußtsein höherer Stufe aus, das ihn von den Tieren unterscheidet. Dieses besteht darin, „...daß der Mensch nicht, wie das Thier, bloß der anschauenden Auffassung der Außenwelt fähig ist, sondern aus dieser Allgemein-Begriffe (notiones universales) zu abstrahiren vermag...“[7]. Dieses Bewußtsein höherer Stufe wird Vernunft genannt. Die Vernunft ist eine besondere Fähigkeit, die es möglich macht, „...nicht-anschauliche, abstrakte, allgemeine Vorstellungen zu haben...“[8]. Dies wiederum ermöglicht dem Menschen „...Sprache, Besonnenheit, Rückblick auf das Vergangene, Sorge für das Künftige, Absicht, Vorsatz, planmäßiges, gemeinsames Handeln Vieler, Staat, Wissenschaften, Künste u.s.f.“[9] herauszubilden, eine Fähigkeit, die Tiere nicht besitzen.
Die Problematik der Willensfreiheit wird hier bereits im Ansatz deutlich, wenn man veranschaulicht, in welch einem weiten Kosmos und in welch großen Komplexität sich menschliche Entscheidungen abspielen können. Immer noch haben wir es laut Schopenhauer, der einen deterministischen Ansatz verfolgt, mit kausalen Ursachen menschlicher Handlung zu tun, wenngleich sich dieses wie folgt darstellt: „Der Mensch hingegen hat, vermöge seiner Fähigkeit nicht-anschaulicher Vorstellungen, vermittelst deren er denkt und reflektirt, einen unendlich weiteren Gesichtskreis, welcher das Abwesende, das Vergangene, das Zukünftige begreift: dadurch hat er eine sehr viel größere Sphäre der Einwirkung von Motiven und folglich auch der Wahl, als das auf die enge Gegenwart beschränkte Thier.“[10]. Selbst Schopenhauer, der kein Verfechter der Existenz der Willensfreiheit ist, muß zugeben, daß nur der Mensch durch sein abstrahierendes Denkvermögen in der Lage ist, sich die ihn beeinflussenden Motive in beliebiger Ordnung zu vergegenwärtigen und gegeneinander abzuwägen, eine Fähigkeit, die er als Denken bezeichnet[11]. Angesichts dieser erheblichen Unterschiede zwischen Mensch und den übrigen Elementen der Natur „...muß ein vernünftiges Wesen sich selbst, als Intelligenz, nicht zur Sinnen- sondern zur Verstandeswelt gehörig, ansehen“[12]. Informatiker haben versucht, einige der herausragenden menschliche Kunstfertigkeiten zu kopieren. Die Erfolge auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz sind beachtlich, so gelang es z.B. bereits 1997 dem Schachcomputer Deep Blue eine Partie gegen Garry Kasparow zu gewinnen. Jedoch gelang es noch nicht, einen Computer zu konstruieren, der eine Gutenachtgeschichte verstehen kann, oder mit dem eine sinnvolle Konversation betreiben kann – beides Fertigkeiten, die bereits ein vierjähriges Kind zustande bringt[13] Das ungelöste Problem der Nichtrekonstruierbarkeit könnte einerseits mit der sozialen Funktion der Sprache zusammenhängen und andererseits von der Tatsache, daß rationale Mechanismen allein nicht ausreichen, das menschliche Handeln zu beschreiben. Hinzu kommen emotionale Mechanismen[14].
Aber auch Alltagswissen stellt nicht-kopierbare Intelligenz dar: „Wenn ich eine volle Kaffeetasse sehe, weiß ich, daß ich sie nicht anheben kann, indem ich nur einen Finger durch den Henkel stecke“[15] Dieses Wissen hat der Mensch ohne es ausprobieren zu müssen, d.h. man versteht einfach, daß es so ist, auch wenn man noch nie so eine Tasse gesehen hat. Diese Beispiele verdeutlichen, daß, wenn man den drei Naturstufen Schopenhauers der unbelebten Natur, Pflanzenwelt und den Tieren noch eine vierte Stufe hinzuzufügen würde, welche man dann als Künstliche Intelligenz bezeichnen würde, der Mensch wiederum als fünfte Stufe an der Spitze dieser Reihe stehen würde, dessen besondere Verantwortung in seiner sozialen Funktion zu suchen ist.
1. Implikation der Willensfreiheit für die Verantwortung des Menschen
Kant konnte die Willensfreiheit nicht beweisen, er erkannte lediglich, daß er sie voraussetzen muß, wenn man von die Vernunft des Menschen beschreiben will[16]. Das liegt daran, daß der Mensch „...sich zur intellektuellen Welt zählen muß, die er doch nicht weiter kennt“[17] Ohne die Voraussetzung von Willensfreiheit kann auch nicht von einer besonderen Verantwortung des Menschen gesprochen werden. Damit verbinden sich aber verschiedene Probleme. Ein erstes Problem der Willensfreiheit ist die mangelnde Transparenz. Schopenhauer bemängelte „...daß der Mensch die Motive seines Thuns oft vor allen Anderen verbirgt, bisweilen sogar vor sich selbst...“[18], somit kann nie einwandfrei gesagt werden, daß die betreffende Handlung X der Person Y aus dem Grund Z erfolgt ist, selbst wenn dieser es behauptet, man kann es nur vermuten. Wie ist das möglich, wo doch Gehirne darauf angelegt sind, fortwährend nach den optimalen Verhaltensoptionen zu suchen[19] ? Hier zeigt sich die Kraft der von Walter beschriebenen emotionalen Mechanismen: „Für moralisch relevante Entscheidungen könnten sekundäre Gefühle in Form moralischer Gefühle eine wichtige Rolle spielen“[20].
Desweiteren können die verschiedensten Motive miteinander konfligieren, wobei die jeweils schwächeren Motive aus dem Willensbildungsprozeß ausscheiden, wie dieses Beispiel veranschaulicht. „Ich kann thun, was ich will: Ich kann, wenn ich will, Alles was ich habe den Armen geben und dadurch selbst einer werden – wenn ich will – Aber ich vermag nicht, es zu wollen, weil die entgegenstehenden Motive viel zu viel Gewalt über mich haben“[21]. Kant bezeichnet die menschliche Handlung deshalb als Willkür, die nichts anderes ist, als die unergründliche Kausalität seiner Vernunft, denn „wenn wir alle Erscheinungen seiner Willkür bis auf den Grund erforschen könnten, so würde es keine einzige menschliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewißheit vorhersagen [...] können“[22]. Diese genannten Einschränkungen der Willensfreiheit haben ihre Ursache darin, daß der Mensch, obwohl laut Kant der Verstandeswelt zugehörig, trotzdem auch ein Stück der Sinneswelt zugehörig ist. In dieser Welt werden die menschlichen Handlungen auch „...durch andere Erscheinungen, nämlich Begierden und Neigungen“[23] beeinflußt. Einflußnahmen dieser Art führen zu einem Phänomen, das als Willensschwäche bezeichnet wird, bei dem „...eine Handlung, die jemand vollzieht, gemessen an seinen eigenen Werten und Überzeugungen und seiner eigenen Einschätzung nach unvernünftig ist, weil er glaubt, daß es eine Handlungsalternative gegeben hätte, die seinen Werten und Überzeugungen besser entsprochen hätten“[24]. Willaschek findet sogar Beispiele, bei denen nicht sinnliche Begierden und Gelüste den Willen beeinflußt haben, sondern Willensschwäche auch aufgrund konfligierender Handlungsmotive entstehen kann[25]. Grundsätzlich trifft der Mensch seine Entscheidungen mittels einer Auswahl aus einer komplexen Matrix aus verschiedenen Handlungsmotiven, moralischen Vorstellungen und sinnlichen Einflüssen, die grundsätzlich gleichberechtigt sind und je nach spezifischer Situation ausgewählt und gewichtet werden. So können z.B. Tugendmotive, wie Mitgefühl oder Tapferkeit gleichberechtigt rangieren neben bösen Motiven, wie Zorn oder Geiz, und diese wiederum gleichberechtigt neben sinnlichen Einflüssen, wie Hunger oder Kälte und die spezifische Konstellation des Handlungshintergrunds bildet daraus den Ausschlag, indem es die einen Motive stärker, die anderen schwächer gewichtet. Diese Entscheidungen zwischen Handlungsalternativen und deren Bewertungsmaßstäben wird Zweckrationalität und bei Kant Autonomie genannt[26]. Mittels dieser Zweckrationalität konstruiert der Mensch subjektive Handlungsmaximen als „Produkt der zweckrationalen Integration von Handlungsmotiven und Handlungsmöglichkeiten, die der Handelnde mit Blick auf die eigene >Glückseligkeit< aufeinander abzustimmen versucht“[27].
4 Das Primat des Ichs und der ethische Nutzenbegriff
Die Zusammensetzung des menschlichen Willens aus der komplexen Willensstruktur wird als Charakter bezeichnet[28] Dieser ist so individuell, wie der Fingerabdruck des Menschen. Er variiert hinsichtlich der Haupteigenschaften, deren graduelle Variierung, Kombination und Modifikation. Er ist weiterhin empirisch, d.h. er ist erfahrungsbasiert.[29]. Ferner ist ein Charakter erworben und konstant[30]. So unterschiedlich die Charakterausprägungen der Menschen sind, so läßt sich eine Gemeinsamkeit feststellen: Der Mensch ist grundsätzlich Ich-bezogen, also egoistisch. Spinoza stellte fest, „...daß die Menschen alles um eines Zweckes willen tun, nämlich um des Nutzens willen, den sie begehren“[31]. Worin sie keinen Nutzen sehen, interessiert sie nicht. Schon Aristoteles bemerkte: „Kein Spartaner wird sich überlegen, wie etwa die Skythen ihren Staat am besten einrichten könnten“[32]. Kant mußte zugeben, daß er von der Gesinnung aus reiner Pflicht, also ohne Ich-Bezogenheit zu handeln, keine sicheren Beispiele anführen konnte, sondern daß stattdessen alles „mehr oder weniger verfeinerten Selbstliebe zugeschrieben“[33] werden müsse. Diese physische Selbstliebe bezeichnet Kant wiederum als „Anlage für die Tierheit im Menschen“[34], denn die physische Selbstliebe ist der Teil des Menschen, der jenseits der Vernunft steht. Sie hat eine dreifache Auswirkung: Erstens, den Selbsterhalt, zweitens den Fortpflanzungstrieb und drittens den Trieb zur Gesellschaft[35]. Sie wird mitunter auch als geheime Triebfeder menschlicher Handlungen bezeichnet, besonders dann, um die Existenz von Willensfreiheit in Frage zu stellen. Selbst bei Angabe von moralischen Gründen konnte Kant nicht ausschließen, daß diesem ein geheimer Antrieb der Selbstliebe zugrundelag und die vermeintlich edlen Beweggründe fälschlich angemaßt worden. Diesen geheimen Antrieb bezeichnet Metzinger als Belohnungssystem in unserem Gehirn und somit als „Motor, den Mutter Natur uns eingebaut hat“[36]. Mit diesem Argument der Unlauterbarkeit könnte man selbst berühmten Altruisten, wie z.B. Franz von Assisi oder Mutter Theresa Selbstliebe vorwerfen, da diese mit ihren Handlungen eine Stärkung des persönlichen Selbstwertgefühls, soziales Ansehen und eine große Anhängerschaft zum Lohne erhalten haben. Somit ist der Mensch radikal, also von Grund an, böse, da er das Gute nur dann berücksichtigen kann, wenn es seinen eigenen Zwecken nicht widerspricht. Selbst Altruisten, wie Franz von Assisi und Mutter Theresa waren womöglich radikal böse, „weil man das Richtige aus dem falschen Grund tut“[37]. Die meisten Menschen sind jedoch auch keine unlauteren Altruisten, da unmoralische Handlungen aller Art, von der kleinen Notlüge bis zur Verschaffung eigener Vorteile zu Lasten anderer eher die Regel als die Ausnahme sind. Kant findet dafür eine einleuchtende Begründung: „Es ist niemand, selbst der ärgste Bösewicht, wenn er nur sonst Vernunft zu brauchen gewohnt ist, der nicht, wenn man ihm Beispiele der Redlichkeit in Absichten, der Standhaftigkeit in Befolgung guter Maximen, der Teilnehmung und des allgemeinen Wohlwollens vorlegt, der nicht wünsche, daß er auch so gesinnt sein möchte. Er kann es aber nur wegen seiner Neigungen und Antriebe nicht wohl zu Stande bringen“[38]. Der Mensch ist also „vernunftbegabt, aber deshalb noch lange nicht immer vernünftig“[39]. Eine Entwicklung von der Vernunftbegabung hin zur reinen Vernunft und damit zur moralischen Handlung ist nur dann möglich, wenn man dem Motiv, moralisch zu handeln, statt einem relativen, einen absoluten Stellenwert einräumt[40]. Dafür verwendet Kant den Begriff des kategorischen Imperativs als moralische Handlungsmaxime, die der Mensch nicht nur für sich selbst, sondern für alle Menschen gleichermaßen schafft. Der erste Schritt zur Ausprägung des Charakters ist nun die Zurechenbarkeit einer Handlung mit dem Charakter einer Person[41]. Wie ist nun aber die Anwendung des kategorischen Imperativs möglich, wenn der Ich-Bezug, die Selbstreflektiertheit in seiner leiblich-seelischen Ganzheit den Menschen überhaupt erst über die Tierwelt erhebt? Kant begründet die Selbstunterwerfung unter Gesetze damit, daß der Mensch einen Wert in seiner Person erkennt. Demnach handelt der Mensch nach Aspekten, die seiner Person einen zusätzlichen Wert verschaffen[42]. Sowohl die Tatsache der Werterkennung als auch die Art der Wertigkeiten gibt es in der Tierwelt nicht, weshalb nicht das Warum des von Spinoza postulierten Nutzenstrebens interessant ist, sondern die Art des Nutzens. Aristoteles bezeichnete z.B: Ehre und Auszeichnung als einen Lohn[43] Auch Ansehen, Dankbarkeit, Würde, Ehre etc könnten in diese Kategorie fallen. Diese ethischen Nutzenbegriffe basieren auf Empfindungen, die der Mensch nicht aus der Natur, sondern aus sich selbst, aus der intelligiblen Welt wahrnimmt. Glück z.B. ist eine solche Empfindung, zu deren Wahrnehmung ein Tier nicht imstande ist, ein Tier empfindet allenfalls Behaglichkeit. Psychologen unterscheiden dabei in kurz- und langfristiges Glück. Lottogewinne, Gehaltserhöhungen oder ein neues Auto verschaffen lediglich kurzfristigen Glücksgewinn. Die Fähigkeit des Menschen zum vorausschauenden Denken vermag ihm darüber hinaus auch ein länger anhaltendes Glücksgefühl zu vermitteln. Diener fand heraus, daß soziale Werte, wie Nächstenliebe, Dankbarkeit und Bindungsfähigkeit Glücksgefühle vermitteln können, die bis zu drei Monaten anhalten können[44]. Beispiele dafür wären der Krankenbesuch, die Unterstützung eines Arbeitskollegen oder der Dankesbrief an die Großmutter. Deshalb handelt die Mehrheit der Altruisten im Kantischen Sinne unlauter. Aristoteles brachte es sogar fertig, soziale und materielle Werte ökonomisch gegenzurechnen, indem er dem Bescheidenen, der anderen mehr zuteilt, als sich selbst, im Gegenzug „...ein Mehr an einem anderen Gute, etwa an Ansehen oder am schlechthin Edlen“[45] gewinnen sieht. Im Unterschied zur bereits genannten physischen Selbtsliebe wird diese menschliche Anlage von Kant als vergleichende Selbstliebe bezeichnet, die also darin besteht, „...sich in der Meinung anderer einen Wert zu verschaffen“[46].
5 Sprache, Bildung und Wissen – Chance und Notwendigkeit
Tomasello führt die Fähigkeit des Spracherwerbs auf das ausgeprägtere Sozialverhalten des Menschen zurück, denn nur dadurch ist es ihm möglich, Wissen über Generationsgrenzen hinweg zu vermitteln, während die Tiere bei der Aufzucht ihrer Jungtiere praktisch immer wieder bei Null anfangen müssen. Das Erbgut des Menschen ist zu 98,7% mit dem Schimpansen, dem nächsten Verwandten aus dem Tierreich identisch. Erst vor sechs Millionen Jahren, einer evolutionsgeschichtlich kurzen Zeitspanne trennte sich die Entwicklung des Homo Sapiens Sapiens von der des Schimpansen. Dennoch ist der Unterschied dieser beiden Spezies beträchtlich. Am Yerkes Primatenzentrum in Atlanta gelang Horner der Nachweis eines wesentlichen Unterschiedes anhand eines Lernexperimentes mit Schimpansen und Menschenkindern. Während Affen ihre Imitiationskünste nur dann einsetzen, wenn es für sie Sinn macht, neigten die menschlichen Kinder stets dazu „überzuimitieren“.
Was auf den ersten Blick wie ein stupider Nachteil gegenüber den Primaten aussah, erklärte Horner mit der Notwendigkeit, daß man Sprache nur erlernen könne, wenn man eine besonders ausgeprägte Neigung zur Imitation besäße[47]. Diese Eigenschaft resultiert aus dem Sozialverhalten des Menschen. Heidegger veranschaulicht am Beispiel von Platons Höhlengleichnis, wie wichtig und unverzichtbar die Bildung für den Menschen einerseits ist, und daß andererseits nur der Mensch Dank der Plastizität seines Gehirns auch in der Lage ist, sich Wissen in solch komplexen Maße anzueignen: „Die echte Bildung ergreift und verwandelt dem entgegen die Seele selbst und im Ganzen, indem sie den Menschen zuvor an seinen Wesensort versetzt und auf diesen eingewöhnt“[48]. Auch die höchste Form der Bildung – die Philosophie als Denken über das Sein des Seienden als ein Aufblicken zu den Ideen ist nur durch das Sozialverhalten erklärbar. Das Menschsein vollzieht Heidegger Im Bereich des festgemachten Grundgefüges des Seienden: „Das geschieht als Prägung der sittlichen Haltung, als Erlösung der unsterblichen Seele, als Entfaltung der schöpferischen Kräfte, als Ausbildung der Vernunft, als Pflege der Persönlichkeit, als Weckung des Gemeinsinns, als Züchtigung des Leibes oder als geeignete Verkoppelung einiger oder all dieser Humanismen“[49].
6 Kooperation als praktische Anwendung des Kategorischen Imperativs
Bereits einleitend wurde festgestellt, daß sich der Mensch dadurch von der übrigen Natur unterscheidet, daß er zusätzlich zum Natur- auch ein Sozialwesen ist. Kant bezeichnet den Trieb zur Gesellschaft als einen Grundbestandteil der physischen Selbstliebe des Menschen[50]. Singer stellt fest, daß mentale Akte, wie Mitleid, schlechtes Gewissen oder die Verurteilung einer unfairen Handlung intrapsychische Vorgänge sind, die ihre Relevanz erst in Bezug auf andere erfahren[51]. Hobbes hatte schon darauf hingewiesen, daß die Menschen am Zusammenleben kein Vergnügen empfinden, sondern im Gegenteil großen Verdruß, wenn es keine Macht gibt, die dazu in der Lage ist, sie alle einzuschüchtern[52]. Doch wie kann das sein, wo doch die Menschen eine tiefe Sehnsucht nach stabilen und freundlichen sozialen Umgebungen haben[53] ? Hobbes sieht zunächst in der optimalen Erhaltung des Daseins den Hauptzweck menschlichen Handelns. Doch im Streben nach Selbsterhalt konfligieren die menschlichen Interessen zwangsläufig mit denen anderer Menschen, was im Falle der Abwesenheit staatlicher Macht unweigerlich zu Krieg und Gewalt führt, was Hobbes zu seiner bekannten Aussage „Homo homini lupus“ brachte. Bereits Aristoteles hatte erkannt: „Denn wie der Mensch in seiner Vollendung das edelste aller Lebewesen ist, so wiederum losgerissen von Gesetz und Recht das schlimmste von allen“[54] „Hobbes macht im wesentlichen drei menschliche Eigenschaften für Konfliktursachen verantwortlich: Konkurrenz, Mißtrauen und Ruhmsucht[55]. Ferner benennt er Parteilichkeit, Hochmut und Rachsucht als natürliche Leidenschaften, die Menschen im Falle der Abwesenheit von staatlicher Macht befallen können. Diesen natürlichen Eigenschaften stehen die natürlichen Gesetze, wie Gerechtigkeit, Billigkeit, Bescheidenheit und Dankbarkeit diametral gegenüber. Diese können ohne staatliche Macht nicht verwirklicht werden[56]. Nur die Aufgabe der individuellen Willensfreiheit und freiwillige Unterordnung in ein Staatssystem, in dem er als Untertan einen Souverän autorisiert, in seinem Namen zu handeln, ermöglicht es ihm, seine eigene Existenz zu sichern. Kant bezeichnet diese Situation als ein Sollen, das eine Art von Notwendigkeit und Verknüpfung von Gründen ausdrückt, die in der ganzen Natur sonst nicht vorkommt[57]. Das Sollen charakterisiert menschliche Fähigkeit und Notwendigkeit gleichermaßen, „sich mit völliger Spontaneität eine eigene Ordnung nach Ideen“[58] zu schaffen. Der Mensch unterwirft sich also seinen eigenen, selbstgeschaffenen Gesetzen, was Kant als die Gesetzgebung des Willens bezeichnet, womit sich auch der vermeintliche Gegensatz von Willensfreiheit und Aufgabe dieser zugunsten einer höheren Ordnung erklärt. Die Freiheit und die Gesetzgebung des eigenen Willens bezeichnet Kant daher als Wechselbegriffe[59]
Wie kommt es dann aber, daß gänzlich vernunftlose Lebewesen, wie Bienen und Ameisen ohne Probleme in einem Staat zusammenleben können, weshalb sie Aristoteles auch „politische Lebewesen“ nennt? Hobbes begründet dieses Phänomen eben damit, daß diese Lebewesen nicht über Vernunft verfügen, eine vermeintlich paradoxe Begründung, die Kant damit erklärt, daß Handlungen in Bezug auf die Vernunft grundsätzlich anderen Regeln und Ordnung folgen, als die Naturordnung ist[60]. Ameisen und Bienen fehlen also nicht nur Eigenschaften wie Wettkampf um Ehre und Würde, sie können auch nicht zwischen Eigen- und Gemeinwohl unterscheiden, sie können sich nicht für klüger halten als ihre Artgenossen, ihnen fehlt die Wortkunst, und somit die Möglichkeit, Wünsche und Emotionen zu äußern und sie können keine Beleidigungen oder Verletzungen empfinden. Nur das Fehlen all dieser Eigenschaften ermöglicht es den Ameisen und Bienen, in Staaten zusammenzuleben.[61]. Deshalb gelangte Hobbes zu der Aussage: „Die Übereinstimmung dieser Lebewesen ist natürlich, die der Menschen beruht nur auf Vertrag, der künstlich ist“[62]. Diese These Hobbes‘ steht im krassen Gegensatz zu der Auffassung von Aristoteles, „...daß der Staat zu den naturgemäßen Gebilden gehört und daß der Mensch von Natur ein politisches Lebewesen ist“[63]. Aristoteles verortet das Sozialwesen also in der Natur, Hobbes hingegen in der Vernunft. Diese unterschiedlichen Auffassungen kommen auch dadurch zustande, daß Aristoteles den Mensch lediglich als Teil eines Ganzen sieht, wobei das Ganze für ihn der Staat ist, so wie das bei Bienen und Ameisen der Fall ist, während Hobbes viel stärker den Menschen als Individuum sieht, der sich lediglich in einen Staat als eine Art Notgemeinschaft begeben muß, weil er außerhalb der Gemeinschaft keine Überlebensmöglichkeit findet. Hierin stimmen aber beide wieder überein, denn wenn sich das Individuum nicht auf die Gesetze und Werte der Gemeinschaft einläßt, „...so ist er freilich kein Teil des Staates, aber eben damit entweder ein Tier oder aber ein Gott“[64].
Aristoteles und Hobbes stimmen darin überein, daß das Leben des Menschen in einer Gemeinschaft eine naturgemäße Notwendigkeit ist, weil die Menschen als Einzelne nicht in der Lage sind, ihr Überleben zu sichern. Andererseits ist es aber eine herausragende Eigenschaften des Menschen, über Vernunft zu verfügen, die es ihm ermöglicht, Gemeinschaftsformen mittels Verträgen künstlich herzustellen. Denn er ist im Gegensatz zu den Tieren in der Lage, zwischen Gutem und Schlechtem, sowie zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden[65]. Die Überlegenheit des Menschen gegenüber den Tieren gründet sich somit auch in der sozialen Lebensweise des Menschen, eine erstaunliche Erkenntnis, wenn man bedenkt, daß Aristoteles und Hobbes den Menschen unisono als zu Konflikten und Aggressionen neigendes Lebewesen charakterisiert haben, also als von Grund auf unsozial. Dies läßt sich damit erklären, daß sich die soziale Fähigkeit vermutlich evolutionär aus einer Situation des harten Konkurrenzkampfes entwickelt haben muß.
Durch soziales Verhalten, Sprache und Wissensaustausch erwarb der Mensch ein Werkzeug, das ihn für immer über alle Tiere erhob: Die Fähigkeit zur Kooperation[66]. „Der Mensch ist kooperativer als alle anderen Arten, weil sein Überleben davon abhängt“[67]. Die Kooperation stellt die Verbindung zweier herausragender menschlicher Fähigkeiten dar: Die Fähigkeit der sozialen Interaktion und die Fähigkeit des Lernens. In der Kooperation liegt daher vermutlich der Schlüssel zur Beantwortung der Frage, worin die besondere Verantwortung des Menschen liegt. “Kooperation ist ein Interaktionsphänomen, das dadurch definiert ist, daß sich zwei oder mehr Akteure einander wechselseitig bei der Erreichung ihres Ziels helfen. Es handelt sich hierbei daher um eine kollektive Wahl von Handlungsstrategien, die zwar allen Beteiligten Vorteile bringen, aber nicht selbstverständlich ist, da sie aktive wechselseitige Anpassungsleistungen von den Kooperationspartnern verlangt, die mit Kosten verbunden sind. Durch erfolgreiche Kooperation stellen sich die beteiligten Parteien jedoch im Endeffekt besser, als wenn sie an der maximalen Durchsetzung ihrer gegensätzlichen Eigeninteressen und an unkooperativen Verhalten festgehalten hätten. Kooperation erfolgt in Situationen, in denen beide Akteure sowohl gemeinsame als auch gegensätzliche Interessen haben. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfordert dann, daß sie durch wechselseitige Anpassung ihre gegensätzlichen Interessen überbrücken, um die gemeinsam zu verwirklichen.”[68]. Diese Art von strategischem Verhalten stellt eine außerordentlich starke Überlegenheit gegenüber den Tieren dar, denn sie ist eine praktische Anwendung des kategorischen Imperativs: Kooperation entsteht aus Vorleistungen, die ich in der Erwartung erbringe, daß sie sich irgendwann für mich auszahlt. Damit erhebe ich die Kooperationsleistung zum allgemeingültigen Gesetz. Ein Grund des Kooperationserfolges liegt darin, daß die Kooperation einen Imagewert generiert: „Jeder Akt der Hilfe steigert somit das soziale Ansehen und damit die Bereitschaft des nächsten Partners zur Kooperation“[69]. Dieser Imagewert ist aber wiederum ein Wert, der für Tiere wertlos ist, da sie außerstande sind, in einem Imagezuwachs einen Nutzen zu empfinden. Dies vermag nur der Mensch, und zwar vermittelst dadurch, daß er Selbstliebe empfindet, also Werten, wie Ruhm und Eitelkeit zugänglich ist. Das radikal Böse des Menschen wird dadurch zur wichtigen Schlüsseleigenschaft des Menschen.
Die vorliegenden Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß Vernunft, zusammen mit genetisch veranlagtem Sozialverhalten zu solch außerordentlichen Leistungen, wie die Kooperation fähig sind. Aus deterministischer Sicht ließe sich einwenden, daß Kooperation eine Strategie ist, die auch ohne Vernunft funktioniert und deren Erfolg zumindest in der Spieltheorie mathematisch nachgewiesen werden konnte. So konnte bereits Axelrod 1981 in einem Computerexperiment nachweisen, daß die kooperative „Tit for Tat-Strategie“ des Mathematikers Rappoport bei iterierten Gefangenendilemmata erfolgreicher war und eine höhere Fitness bewies, als nichtkooperative Strategien[70].
Wie kommt es dann aber, daß trotz dieser natürlichen Fitness dieser Strategie, diese nicht immer zur Anwendung kommt?
7 Die besondere Verantwortung des Menschen umsetzen – Praxisbeispiele
Die Erkenntnis, daß der Mensch dazu neigt, sich gegenseitig Schaden zuzufügen, jedoch sich nur dann selbst erhalten kann, wenn er Rücksicht auf andere nimmt, sollte ihn angesichts seiner außerordentlichen Lernfähigkeit dazu befähigen, den Kategorischen Imperativ bewußter und zielgerichteter einzusetzen. Dies ist jedoch sehr oft nicht der Fall. Gründe dafür könnten z.B. unvollständige Information oder asymetrische Machtverteilungen sein. Auch besteht die Problematik in der inneren Spaltung, die einem dann befällt, wenn man sich in andere hineinversetzen muß[71]. In jedem Fall zeigt es, daß die natürliche Sozialisierung des Menschen vor größeren Einheiten kapituliert. Ist der Lern- und Erkenntnisprozeß noch nicht am Ende?
Auf internationaler Ebene treten zahlreiche Konflikte auf, die mit Mitteln gelöst werden müssen, die der Mensch aus der Evolution gelernt haben sollte. Um z.B. internationale Wirtschaftsbeziehungen kooperativ, und damit zum größtmöglichen Nutzen Aller ausführen zu können, ist daher das Bilden von Regimen notwendig. Ein Regime ist eine internationale Institution, die eine Arena für internationale Kooperationen zur Verfügung stellt, „damit die Akteure (Staaten) durch den Prozess der Kooperation zur Kooperation als Ergebnis gelangen“[72]. Rittberger definiert Internationale Regime als „Normen- und Regelwerke, auf die sich Staaten verständigt haben und mit deren Hilfe sie ihr Vorgehen in bestimmten Handlungsbereichen oder Problemfeldern dauerhaft und verläßlich aufeinander abstimmen.“[73]. Konkret läßt sich die Regimefunktion als Instrument kooperativer Koordination anhand der Haushaltsverschuldung der EU-Staaten darstellen. Hier hat jeder Staat ein starkes Eigeninteresse, sich selbst hoch zu verschulden, gleichzeitig aber vom starken Euro zu profitieren, den er aber mit Nichteinhaltung der Maastrichter Konvergenzkriterien wiederum gefährdet. Weitaus schwieriger stellt sich die Situation beim Regime der internationalen Klimakonferenzen dar. Denn hier mangelt es an Sanktionen, und die sind ein wichtiger Kernbestandteil einer Regimefunktion. Das natürliche Interesse eines jeden Landes ist ein hoher CO2-Ausstoß. Das gemeinsame Interesse ist jedoch dessen Reduzierung. Da Einzelinteresse und Gemeininteresse auch hier divergieren, stellen die Klimakonferenzen einen Vermittlungsversuch dar. Auf der Vertragsstaatenkonferenz von 1997 in Kyoto konnte man sich nur auf ein Reduktionsziel von 5,2% als kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, obwohl Wissenschaftler bis zu 80% gefordert hatten.[74] Konkrete Reduktionsverpflichtungen wurden nicht festgeschrieben, wie auch schon bei der Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 kein solches Ergebnis zustandegekommen war. Umso überraschender war für alle Teilnehmer des Umweltgipfels, daß ausgerechnet der jahrelange Blockierer USA eine Lösung durch Handel mit Emissionszertifikaten vorgeschlagen hatte. Also gibt es doch die Lernfähigkeit?
Die beiden Beispiele veranschaulichen die Schwierigkeit der Kooperation, wenn das Gewicht der Zukunft zu schwach ausgeprägt ist, somit der von Sigmund bezeichnete Imagewert wertlos erscheint. Sofort läßt das Interesse an einer gemeinsamen Lösung nach. Axelrod und Rappoport hatten die Fitness der Kooperationsstrategie nur bei iterierten Spielen nachweisen können. Hier nun läge die einmalige Chance der Menschen, Ihre Überlegenheit durch den kategorischen Imperativ zu beweisen, indem sie eine Handlung vollbringen würden, die zum Wohle aller führen würde, und zwar ohne, daß sich die Gruppe der Handelnden einen besonders großen Eigennutz davon versprechen würde. Dies ist nur möglich, wenn er sich als Teil eines organischen Systems versteht, das nach dem gleichen Prinzip funktioniert, wie er selbst als Person.
8 Die Spieltheorie als Lösung des Nutzenkonflikts
Die Praxisbeispiele haben aufgezeigt, daß der kategorische Imperativ als autonome Gesetzgebung des Menschen die Grundlage dafür darstellt, menschliche Handlungen dahingehend zu bewerten, wann sie für ihn selbst und wann sie für die Allgemeinheit einen Nutzen bringen. Daß persönlicher und Allgemeinnutzen dabei nicht deckungsgleich sind oder sich sogar gegenseitig ausschließen können, stellt sich schon bei Kant als Problem dar. Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, dieses Problem des Nutzenkonflikts zu lösen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Eigennutzen strikt dem Allgemeinnutzen unterzuordnen, wie es Rumi Dschelaleddin vorschägt: „Nimm einen, der nicht Buch führt, der nicht Sorge trägt, reicher zu sein, noch das Verlieren fürchtet, der nicht einmal an der eigenen Person das geringste Interesse hat: Er ist frei“[75]. Dies erscheint mir jedoch als stark idealisierte Vorstellung. Einen anderen Ansatz verfolgt Smith, der keinen wirklichen Nutzenkonflikt sieht, sondern in der Verfolgung des Eigeninteresses stets auch das Allgemeininteresse gewahrt sieht: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen“[76]. Praxisbeispiele zeigen, daß aber auch dies eine idealisierte Vorstellung ist, denn allzu oft geht das Eigeninteresse zu Lasten Anderer und erstaunlicherweise sogar zu Lasten des eigenen Interesses, wie es z.B. im Gefangenendilemma dargestellt werden kann:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit Wahl der dominanten Strategie „Gestehen“ treffen beide Gefangenen aus Angst vor der Entscheidung des Anderen nur die zweitbeste Entscheidung und nehmen 8 Haftjahre in Kauf, wo sie doch bei der Strategie „Schweigen“ nur 1 Haftjahr bekommen hätten – dann jedoch mit dem Risiko des schlechtesten Ergebnisses von 20 Haftjahren bei entsprechender Entscheidung des Anderen. Die Wahl der zweitbesten Lösung ist also eine vernünftige Lösung und somit dominant. Dies wird als Nash-Gleichgewicht bezeichnet. Stellt das Modell des Gefangenendilemmas jedoch ein wahrheitsgetreues Abbild der Wirklichkeit dar? Nur bedingt und in eher seltenen Ausnahmefällen, denn die Entscheidungen der Spieler X und Y in diesem Modell sind Einmalentscheidungen. Zu den besonderen Fähigkeiten des Menschen gehört aber ein Verständnis dafür, daß seine Handlung in einen Zeitkontext eingeordnet werden kann, d.h. er vergleicht seine Handlung mit Ereignissen der Vergangenheit und versucht seine nächste Handlung nach Auswertung der Folgen seiner letzten zu verbessern, um seinen Nutzen daraus zu maximieren. Als Weiterentwicklung stellen also iterierte Gefangenendilemmata eine weitaus realistischere Modellannahme dar, in der z.B. Spieler X nicht nur die Entscheidung des Spielers Y, sondern auch die zukünftigen Entscheidungen des Spielers Yt1, Yt2 bis Ytn in seine Strategie mit einzubeziehen hat. Aus diesen Überlegungen heraus entwickelte sich die bereits beschriebene dominante tit for tat Strategie. Der Erfolg dieser kooperativen Strategie liegt in der Lernfähigkeit des Menschen und setzt ein entsprechendes Gewicht der Zukunft voraus, d.h. ohne in der Gestaltungsmöglichkeit der Zukunft einen Wert zu erkennen, wäre diese Strategie gar nicht möglich. Mittels dieser beiden Annahmen ist eine Lösung des Nash-Gelichgewichts möglich: D.h. die dominante Strategie wäre dann tatsächlich das beidseitige Schweigen und damit die für beide Spieler optimalste Lösung. Das Schweigen des Spielers stellt aufgrund der Risikobehattung einen Vertrauensvorschuß dar und generiert für ihn einen Imagewert., von dem er in den Folgespielen profitiert. Die Spieltheorie stellt somit die Weichen für den Übergang vom kurzfristigen Denken zum langfristigen, vorausschauenden Denken. Zur allgemeinen Bedeutung der Spieltheorie für die Philosophie stellt Güth fest: „Trotz der mathematischen Tradition der Spieltheorie ist das Grundproblem der Spieltheorie, nämlich die Frage, welches Verhalten in strategischen Spielen individuell rational ist, eigentlich philosophischer Natur“[77]. Allerdings beantwortet auch die Spieltheorie nicht vollständig die Frage des Nutzenkonflikts und dies Phänomens der Kooperation, da Kooperation oft als Strategie unterstellt wird, anstatt es zu analysieren. Die Iteration des Gefangenendilemmas allein kann den Nutzen von Kooperation zwar mathematisch darstellen, ihn aber nicht rechtfertigen[78]. Die Praxis zeigt zudem, daß Kooperation bei weitem nicht überall stattfindet – zum Schaden des Individuums und der Gemeinschaft. Dies bringt uns wieder zurück zur Freiheitsantinomie von Kant, der die scheinbare Unvereinbarkeit von Willensfreiheit und Determinismus auf die mangelnde Beachtung der Unterscheidung zwischen Dingen an sich (noumena) und Erscheinungen (phänoumena) zurückführt: Der spieltheoretisch nachweisbare Kooperationsnutzen ist das Ergebnis eines deterministischen Prozesses, wenn man den handelnden Akteur darin als Erscheinung betrachtet. Als Ding an sich ist der Mensch jedoch frei: Er ist in der Lage, in seiner autonomen Willensbildung Instrumente, wie die Spieltheorie zu seinem Nutzen einzusetzen. Ob er sie einsetzt – oder nicht, bleibt eben seine freie Entscheidung.
9 Fazit
Die Einzigartigkeit des Menschen liegt in seinem Sozialverhalten und seinen Fähigkeiten der Selbstreflektion seiner selbst als leiblich-seelische-Ganzheit, zur Wahrnehmung von Empfindungen, wie z.B. Stolz, Dankbarkeit und Image als soziale Werte und seinem vorausschauenden Denken. Diese Fähigkeiten sind nicht bei allen gleich ausgeprägt und lassen nicht mit Bestimmtheit vorhersehbare Ereignisse eintreffen. Die Ausführungen haben aber gezeigt, zu welchen Leistungen der Mensch fähig sein kann – ja sein muß, denn von der richtigen Anwendung dieser Fertigkeiten hängt nicht zuletzt sein Überleben ab, denn wie z.B. Hobbes gezeigt hat, können sie auch zum Nachteil des Menschen angewendet werden. Der soziale Aspekt hat nicht nur im Laufe der Evolution den Menschen in diese herausragende Bedeutung gebracht, er zwingt sie auch, diese konsequent zu seinem Nutzen anzuwenden, oder anders gesagt: Er soll sie anwenden, weil er es will. Doch wie Kant es in seinem kategorischen Imperativ ausdrückt, ist das Sollen eigentlich ein Wollen – unter dem Blickwinkel der reinen Vernunft[79]. Darin liegt die besondere Verantwortung des Menschen. Metzinger formuliert es wie folgt: „Entweder finden wir einen Weg, mit all den neuen Handlungsmöglichkeiten auf eine intelligente und verantwortliche Art und Weise umzugehen, oder wir werden einer Reihe von historisch bislang unbekannten Risiken begegnen[80]. Dies ist der normative Ansatz. Aus praktischer Sicht stellt Kant fest: „Was der Mensch im moralischen Sinne ist, oder werden soll, gut oder böse, dazu muß er sich selbst machen, oder gemacht haben. Beides muß eine Wirkung seiner freien Willkür sein, denn sonst könnte es ihm nicht zugerechnet werden“[81]. Die Verantwortung des Menschen liegt innerhalb der Willensfreiheit und sie ist das Ergebnis eines Arbeitsprozesses.
10 Quellen
Literatur:
Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, Hamburg, 2000
Aristoteles: Politik, Reinbek 1994
Fust, Dirk: Klimabank und Umweltbörse, Hamburg, 2000
Güth, Werner: Spieltheorie und ökonomische (Bei) Spiele, Berlin, Heidelberg, 1999
Heidegger, Martin: Platons Lehre von der Wahrheit, Bern, 1974
Hesse, Helmut: Oder – ist er doch frei?, Frankfurt, 2006
Hobbes, Thomas: Leviathan, Frankfurt am Main 1991
Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Hamburg, 2003
Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998
Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Hamburg, 1990
Rorty, Amelie: Gesellschaftliche Quellen des akratischen Konflikts, in: Spitzley, Th.: Willensschwäche, Paderborn, 2005
Schopenhauer, Arthur: Preisschrift über die Freiheit des Willens, Hamburg, 1978
Singer, Wolf: Verschaltungen legen uns fest. Wir sollten aufhören von Freiheit zu sprechen. In: Geyer. C. (Hrsg.) Hirnforschung und Willensfreiheit. Zur Deutung der neuesten Experimente, Frankfurt am Main, 2004
Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen, München, 1983
Spinoza, Baruch de: Ethik. In geometrischer Weise behandelt, Leipzig, 1978
Walter, H:: Neurophilosophie der Willensfreiheit, Paderborn, 1999
Willaschek, Marcus, Praktische Vernunft. Handlungstheorie und Moralbegriff bei Kant, Stuttgart, 1992
Zeitungen und Zeitschriften:
Bläsing, Bettina: Der Begriff von der künstlichen Intelligenz wandelt sich, S. 15, Die Welt v. 26.06.2006
Kunz, Martin et al.: Blüh im Glanze dieses Glücks, S. 45f., Focus Nr. 25, v. 19.06.2006
Metzinger, Thomas: Der Preis der Selbsterkenntnis, S. 42ff, Gehirn & Geist, Nr. 7-8/2006
Sanides, Silvia: Mensch, du Affe!, S. 91, Focus Nr. 23 v. 03.06.2006
Sanides, Silvia: Wir kommen von Mars und Venus, S. 89f., Focus Nr. 23 v. 03.06.2006
Sigmund, Karl: Kooperation und Konfrontation in der Natur, Berliner Morgenpost, 25.08.1998
Internet:
Panke, Diana: Regimeentstehung und Regimefunktionen, Vorlesungsskript, Universität Heidelberg, SoSe 2004
Rittberger, Volker: Einführung in die internationalen Beziehungen, Vorlesungsskript, Universität Tübingen, SoSe 2003
[...]
[1] Singer, Wolf: Verschaltungen legen uns fest, in Geyer (Hrsg): Hirnforschung, Frankfurt, 2004, S. 36
[2] Schopenhauer, Arthur: Preisschrift über die Freiheit des Willens, Hamburg 1978, S. 80
[3] vgl. ders, ebda S. 65
[4] vgl. ders., ebda. S. 65f.
[5] vgl. ders, ebda, S. 66f.
[6] ders, ebda., S. 67
[7] ders, ebda, S. 68
[8] ders, ebda, S. 69
[9] ders, ebda, S. 69
[10] ders., ebda, S. 69
[11] vgl. ders, ebda, S. 70
[12] Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 88
[13] vgl. Minsky, Marvin, zitiert in: Bläsing, B.: Der Begr. d. Künstl. Intelligenz..., Die Welt, 26.06.2006
[14] vgl. Walter, H.: Neurophilosophie der Willensfreiheit, Paderborn, 1999, S. 361
[15] Sloman, Aaron, zitiert in: Bläsing, B.: Der Begr. d. Künstl. Intelligenz..., Die Welt, 26.06.2006
[16] vgl. Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 84
[17] ders, ebda, S. 87
[18] vgl. Schopenhauer, Arthur: Preisschrift über die Freiheit des Willens, Hamburg 1978, S. 75
[19] vgl. Singer, Wolf: Verschaltungen legen uns fest, Frankfurt am Main, 2004, S. 56
[20] Walter, H: Neurophilosophie der Willensfreiheit, Paderborn, 1999, S. 361
[21] Schopenhauer, Arthur: Preisschrift über die Freiheit des Willens, Hamburg 1978, S. 78
[22] Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Hamburg, 1990, S. 535
[23] Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 89
[24] Willaschek, Marcus, Prakt. Vernft., Handlungstheor. u. Moralbegr.bei Kant, Stuttgart, 1992, S. 239
[25] vgl. desr., ebda, S. 240
[26] vgl. ders, ebda, S. 246 und S. 278
[27] vgl., ders, ebda, S. 280
[28] vgl. Schopenhauer, Arthur: Preisschrift über die Freiheit des Willens, Hamburg 1978, S. 83
[29] vgl. ders, ebda., S. 83
[30] vgl. ders, ebda, S. 85
[31] Spinoza, Baruch de: Ethik. In geometrischer Weise behandelt, Leipzig, 1975, S. 71
[32] Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, München, 2000, S. 156
[33] Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 33
[34] Kant, Immanuel, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Hamburg, 2003, S. 31
[35] vgl. ders., ebda, S. 31
[36] Metzinger, Thomas: Der Preis der Selbsterkenntnis, in: Gehirn & Geist Nr. 7-8/2006
[37] Willaschek, Marcus, Prakt. Vernft., Handlungstheor. u. Moralbegr.bei Kant, Stuttgart, 1992, S. 155
[38] vgl. Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 91
[39] Willaschek, Marcus, Prakt. Vernft., Handlungstheor. u. Moralbegr.bei Kant, Stuttgart, 1992, S. 150
[40] vgl. ders, ebda, S. 153
[41] vgl. ders, ebda, S. 276
[42] vgl. Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 85
[43] vgl. Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, München, 2000, S. 218
[44] vgl. Diener, Edward, zitiert in: Kunz et al: Blüh im Glanze dieses Glücks, Focus Nr. 25, 19.06.2006
[45] Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, München, 2000, S. 225
[46] Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Hamburg, 2003, S. 32
[47] vgl. Horner, Victoria, in: Sanides, Silvia: Mensch, Du Affe! Focus Nr. 23/06 vom 03.06.2006, S. 89f.
[48] Heidegger, Martin: Platons Lehre von der Wahrheit, Bern, 1974, S. 24
[49] ders., ebda. S. 49f.
[50] vgl. Kant, Immanuel: Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Hamburg, 2003, S. 31
[51] vgl. Singer, Wolf: Verschaltungen legen uns fest, Frankfurt, 2004, S. 55
[52] vgl. Hobbes, Thomas: Leviathan, Frankfurt am Main 1991, S. 95
[53] vgl. Metzinger, Thomas: Der Preis der Selbsterkenntnis, in: Gehirn & Geist Nr. 7-8/2006
[54] Aristoteles, Politik, Reinbek 1994, S. 48
[55] vgl. Hobbes, Thomas: Leviathan, Frankfurt am Main 1991, S. 95
[56] vgl. ders., ebda, S. 131
[57] vgl. Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Hamburg, 1990, S. 534
[58] vgl. ders, ebda, S. 534
[59] Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main, 1998, S. 86
[60] vgl. Kant, Immanuel, Kritik der reinen Vernunft, Hamburg, 1990, S. 536
[61] vgl. Hobbes, Thomas: Leviathan, Frankfurt am Main 1991, S. 133
[62] ders, ebda, S. 134
[63] Aristoteles, Politik, Reinbek 1994, S. 46f.
[64] ders, ebda, S. 48
[65] vgl. ders., ebda, S. 47
[66] vgl. Tomasello, Michael, in: Sanides, S.: Mensch, Du Affe! Focus Nr. 23/06 vom 03.06.2006, S. 89f.
[67] de Waal, Frans, in: Sanides: Wir kommen von Mars und Venus! Focus 23/06 vom 03.06.2006, S. 91
[68] vgl. Rittberger, Volker: Einfg. in die internationalen Beziehungen, Skript, 2003, Uni Tübingen
[69] Sigmund, Karl: Kooperation und Konfrontation in der Natur, Berliner Morgenpost, 25.08.1998
[70] vgl. Sigmund, Karl: Kooperation u. Konfrontation i. der Natur, Berliner Morgenpost, 25.08.1998
[71] vgl. Rorty, Amelie: Gesellsch. Quellen des akratischen Konfl., in Spitzley: Willenssschwäche, S. 205
[72] Panke, Diana: Regimeentstehung und Regimefunktion, Script, Uni Heidelberg, 2004, S.2
[73] Rittberger, Volker: Einfg. in die internationalen Beziehungen, Skript, 2003, Uni Tübingen
[74] vgl. Fust, Dirk: Klimabank und Umweltbörse, Hamburg, 2000, S. 72 f
[75] Rumi Dschelaleddin, zitiert in: Hesse, Helmut: Oder – ist er doch frei?, Frankfurt 2006, S. 216
[76] Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen, München, 1983, S. 17
[77] Güth, Werner: Spieltheorie und ökonomische (Bei) Spiele, Berlin, Heidelberg, 1999, S: 2
[78] vgl. ders, ebda, S. 248
[79] vgl. Kant, Immanuel: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Frankfurt am Main 1998, S. 84
[80] Metzinger, Thomas: Der Preis der Selbsterkenntnis, in: Gehirn & Geist Nr. 7-8/2006
Häufig gestellte Fragen
Was ist die zentrale Fragestellung des Textes?
Der Text untersucht die besondere Verantwortung des Menschen im Kontext seiner Stellung innerhalb der Natur und Gesellschaft. Es geht darum, welche Fähigkeiten den Menschen zu Handlungen befähigen, die über bloße Instinkte hinausgehen, und wie sich daraus eine ethische Verantwortung ableitet.
Was sind die Hauptthemen des Textes?
Die Hauptthemen umfassen:
- Verantwortung und Selbstreflektion
- Die Freiheitsantinomie und Willensfreiheit
- Die besondere Bedeutung des Menschen in der Natur (im Unterschied zu Tieren)
- Das Primat des Ichs und der ethische Nutzenbegriff
- Die Bedeutung von Sprache, Bildung und Wissen für menschliche Entwicklung
- Kooperation als praktische Anwendung des Kategorischen Imperativs
- Spieltheorie als Lösungsansatz für Nutzenkonflikte
Wie definiert der Text Verantwortung?
Verantwortung wird als Verknüpfung eines Subjekts (der Verantwortliche) mit einem Objekt (dem Gegenüber, dem gegenüber Verantwortung empfunden wird) beschrieben. Es setzt ein gewisses Maß an Selbstreflektion voraus.
Was ist die Freiheitsantinomie und wie wird sie im Text behandelt?
Die Freiheitsantinomie beschreibt den Konflikt zwischen Determinismus (die Vorstellung, dass alle Ereignisse durch vorhergehende Ursachen bestimmt sind) und Indeterminismus (die Vorstellung von Willensfreiheit). Der Text argumentiert, dass es innerhalb dieser Antinomie einen Spielraum gibt, der Willensfreiheit ermöglicht, insbesondere durch die menschliche Vernunft, die einen kausalen Neuanfang setzen kann.
Welche Rolle spielt der Kategorische Imperativ in der Argumentation des Textes?
Der Kategorische Imperativ, ein Gesetz, das sich der Mensch selbst und allen anderen Menschen in allgemeingültiger Weise setzen kann, wird als ein kausaler Neuanfang und Ausdruck der Willensfreiheit angesehen. Er dient als Grundlage für ethisches Handeln und die Ableitung von Verantwortung.
Was unterscheidet den Menschen von Tieren laut dem Text?
Der Mensch unterscheidet sich von Tieren durch seine Vernunft, die Fähigkeit zur Abstraktion, Sprache, Besonnenheit, Rückblick auf die Vergangenheit, Sorge für die Zukunft, planmäßiges Handeln und die Fähigkeit, Allgemeinbegriffe zu bilden. Diese Fähigkeiten ermöglichen es dem Menschen, Wissen über Generationen hinweg zu vermitteln und komplexe soziale Strukturen zu entwickeln.
Was ist das Primat des Ichs und wie beeinflusst es ethisches Handeln?
Das Primat des Ichs beschreibt die egoistische Natur des Menschen, sein Streben nach eigenem Nutzen. Der Text untersucht, wie dieses egoistische Streben mit ethischem Handeln vereinbar ist, insbesondere durch die Anerkennung sozialer Werte wie Ehre, Ansehen und Dankbarkeit als ethische Nutzenbegriffe.
Wie wird Kooperation im Text betrachtet?
Kooperation wird als eine praktische Anwendung des Kategorischen Imperativs und eine Schlüsselfähigkeit des Menschen betrachtet. Sie ermöglicht es, durch Vorleistungen in der Erwartung zukünftiger Vorteile eine Win-Win-Situation zu schaffen und das Gemeinwohl zu fördern.
Welche Rolle spielt die Spieltheorie bei der Lösung von Nutzenkonflikten?
Die Spieltheorie wird als ein Modell betrachtet, das das Spannungsverhältnis zwischen Eigeninteresse und Gemeinwohl darstellen kann. Die Iteration des Gefangenendilemmas zeigt, wie durch langfristiges Denken und Kooperation bessere Ergebnisse erzielt werden können als durch kurzfristiges, egoistisches Verhalten. Die Freiheitsantinomie wird am Ende des Textes durch die Verbindung eines deterministisch argumentierenden Ergebnisses (der Spieltheorie) und der Entscheidungsfreiheit der Menschen verbunden. Die Spieltheorie kann zwar den Kooperationsnutzen mathematisch beweisen, ihn aber nicht rechtfertigen.
Was ist die besondere Verantwortung des Menschen laut Fazit des Textes?
Die besondere Verantwortung des Menschen liegt in der bewussten und zielgerichteten Anwendung seiner Vernunft, seines Sozialverhaltens, seiner Fähigkeit zur Selbstreflektion und seines vorausschauenden Denkens, um das eigene Überleben und das Wohl der Gemeinschaft zu sichern. Es geht darum, die erlernten Fähigkeiten zum Wohle aller einzusetzen, wobei das Sollen eigentlich ein Wollen unter dem Blickwinkel der reinen Vernunft ist.
- Arbeit zitieren
- Matthias Wühle (Autor:in), 2007, Die besondere Verantwortung des Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110648