Die soziale Revolution in die Modernität in der DDR


Hausarbeit, 2005

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Modernität
2.1 Ralf Dahrendorfs Modernitätsbegriff
2.2 Die Bedeutung der Modernität für die gesellschaftliche und politische Ent- wicklung

3. Das Ergebnis der sozialen Revolution des Nationalsozialismus

4. Gleichschaltung und Redistribution: aktive Maßnahmen zur Herstellung sozialer Modernität

5. Die Gleichschaltung
5.1 Die Parteien
5.2 Das politische System
5.3 Die Gleichschaltung in der gesellschaftlichen Sphäre

6. Redistribution in der Produktionssphäre
6.1 Die Bodenreform
6.2 Die Kollektivierung der Landwirtschaft
6.3 Die Verstaatlichung von Industrie und Wirtschaft

7. Redistribution in der Verteilungssphäre
7.1 Einkommenspolitik
7.2 Bildungspolitik
7.3 Die Gleichstellung von Mann und Frau

8. Die Vollendung der sozialen Revolution in die Modernität in der DDR?

Verwendete Literatur

1. Einleitung

Die Politik der Sowjetischen Besatzungszone/DDR setzte die vom Nationalsozialismus einge- leitete soziale Revolution in die Modernität fort (Siehe: Dahrendorf 1971, S. 432-447). Diese zunächst befremdlich klingende These stellt Ralf Dahrendorf auf den letzten Seiten seiner 1965 erstmals veröffentlichten Monographie „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“ auf. Um diese These und die zentrale Bedeutung der Modernität zu verstehen, muss man sich Dahrendorfs spezifisches Verständnis des Begriffes vor Augen führen. Modernität zielt bei Dahrendorf eben nicht, wie man gemeinhin assoziieren könnte auf Technisierung, Rationali- sierung und Ökonomisierung, sondern in erster Linie ist die soziale Verfasstheit einer Gesell- schaft von Interesse. Angetrieben von dem Versuch der Beantwortung seiner Version der „deutschen Frage“, der Frage nach der Verfassung der Freiheit in Deutschland, stellt Dahren- dorf immer wieder die Notwendigkeit einer sozialen Suprastruktur der Modernität deutlich heraus.

Unter der grundsätzlichen Prämisse von Dahrendorfs Modernitätsthese soll diese Hausarbeit nun, nach einer ausführlicheren Darstellung des spezifischen Modernitätsbegriffs, anhand ausgewählter Politikfelder und spezieller Politikmaßnahmen in der SBZ/DDR im Zeitraum von 1945 bis Ende der 1960er Jahre zeigen, wie die Sozialstruktur der Gesellschaft in Rich- tung Modernität beeinflusst wurde. Abschließend soll untersucht werden, wie umfassend und nachhaltig die Maßnahmen der DDR-Führung waren, also inwiefern sich Dahrendorfs These der Vollendung der sozialen Revolution in der DDR bestätigen lässt. Nicht von Interesse bei der Betrachtung ist die Bewertung der DDR-Politik hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die politische Verfasstheit der Gesellschaft, also die Kennzeichnung von Liberalität / Illiberalität des Systems oder einzelner politischen Maßnahmen.

2. Modernität

2.1 Ralf Dahrendorfs Modernitätsbegriff

Der Begriff der Modernität (auch Moderne, Modernisierung) unterliegt in den Sozialwissen- schaften zahlreichen Definitionen und spezifischen Ausrichtungen. Im Allgemeinen kenn- zeichnet Modernität eine Entwicklung des Fortschritts, eine Entwicklung in Abhängigkeit eines „zeitlichen Rahmen und dem qualitativen Verhältnis von Alt und Neu“ (Nohlen 2001, S. 310). In der Politikwissenschaft gemeint sind i.d.R. „Vorgänge umfassenden sozialen, wirt- schaftlichen und politischen Wandels von traditionalen Gesellschaften zu hochgradig arbeits- teiligen, wirtschaftlich entwickelten, funktional differenzierten und demokratisierten Gesell- schaftssystemen“ (Schmidt 1995, S. 621).

Ralf Dahrendorf fasst als Soziologe seinen Modernitätsbegriff wesentlich enger. Als einziges Kriterium zur Beschreibung von Modernität wird die soziale Verfasstheit einer Gesellschaft herangezogen. Ein zentrales Moment seiner Monographie „Gesellschaft und Demokratie in Deutschland“ ist die Dichotomie zwischen Traditionalität und Modernität der „sozialen Sup- rastruktur“ (Dahrendorf 1971, S. 446) der Gesellschaft.

Wichtigstes Kennzeichen sozialer Modernität ist nach Dahrendorf die „traditionsfreie Gleich- heit der Ausgangstellung aller Menschen“ (ebd., S. 416). Zur Quantifizierung dieser Größe unterscheidet er zwischen erwerbbaren und zugeschriebenen Positionen in der Gesellschaft. Erwerbbar sind solche, in die man durch persönliche Leistung gelangen kann. Zugeschrieben sind solche, die einem „ohne sein Zutun zugefallen sind“ (ebd., S. 107). Entscheidend für den Grad der Modernität ist nun, in welchem Maße die „Sozialpersönlichkeit der Menschen durch zugeschriebene Positionen gebildet und das Verhalten der Menschen durch den unausweichli- chen Erwartungshorizont zugeschriebener Position geprägt wird“ (ebd., S. 108). Je weniger also die zugeschriebenen Positionen die Rolle des Individuums in der Gesellschaft bestim- men, je mehr die eigenen Leistungen dazu beitragen in jede gewünschte Position zu gelangen, desto moderner ist auch die soziale Struktur der Gesellschaft.

Die in der deutschen Gesellschaft einflussreichsten zugeschriebenen Positionen nach Dahren- dorf sind Geschlecht, Familie, Religion, Region und Schichtzugehörigkeit, die Bindung an sie Kennzeichen von Traditionalität. Moderne Gesellschaften müssen die Bindung der Menschen an diese Positionen auflösen (Vgl. ebd., S. 416ff). Geschlecht, Glaube und geographische wie soziale Herkunft haben in ihnen keinen Einfluss auf die Chancen und Möglichkeiten der per- sönlichen Entfaltung des Individuums. In diesem Sinne ist zum Beispiel die ausschließliche Selbstrekrutierung einer einzelnen sozialen Schicht ausgeschlossen. In ihrer Vollendung han- delt es sich um die Verwirklichung einer klassenlosen Gesellschaft: „Der Staatsbürger [als mögliche Rolle des Individuums einer liberal-modernen Gesellschaft] ist der Feind der Klas- sen, weil er keine Menschen zweiter Klasse neben sich duldet“ (ebd., S. 86). Allenfalls eine Schichtung der Gesellschaft ist möglich, solange diese durchlässig ist, also Möglichkeiten des Auf- und Abstiegs des Individuums innerhalb der Schichthierarchie immer bestehen.

2.2 DieBedeutung der Modernität für die gesellschaftliche und politische Entwicklung

Doch verwirklicht die Modernität nicht automatisch die Möglichkeit zur freien Entfaltung des Individuums in der Gesellschaft. Dahrendorf bezeichnet die Suprastruktur der Modernität als schwankend zwischen liberaler und totalitärer Verfasstheit. Die oben genannten Kriterien sind sowohl in Diktaturen als auch in Demokratien verwirklichbar. Die Durchsetzung der Moderne kann gewaltsam gelingen mittels „Polizei und Armee“ (Dahrendorf 1971, S. 122) oder aber durch „politisches Handeln“ (ebd., S. 124). In beiden Fällen jedoch ist sie oftmals eine Ent- wicklung „gegen die ausdrücklichen Wünsche der [...] Betroffenen“ (ebd., S. 124), die ihr Lebensglück in der durch die traditionalen Bindungen gegebenen Zugehörigkeit und Sicher- heit sehen. Dennoch ist die Modernität unabdingbare Sozialstruktur für Dahrendorfs zentralen Untersuchungsgegenstand, der Verfassung der Freiheit. Erst mit ihr lassen sich die beiden Dimensionen des Individualrechts verwirklichen: Die Gewährung gleicher Rechte für alle, sowie die reale Chance von diesen Rechten Gebrauch zu machen.

Das Individuum in einer modernen Gesellschaft schließt „neben den Privilegien, in denen soziale Ränge sich verfestigt haben, auch jene traditionalen Verhaftungen aus[...], die zur Freiheit geborene Menschen in das Gehäuse der Hörigkeit bannen.“ (ebd., S. 124). Nur in der Modernität wird das „prekäre Glück traditionaler Bindung durch das verlässlichere rationaler Entscheidung“ ersetzt, nur so kann der Gefahr einer drohenden „Versäulung“ (Vgl. ebd., S. 126) der Gesellschaft begegnet werden. Die elementare Bedeutung der Modernität für die Entwicklung von Gesellschaften, unabhängig von ihrer tatsächlichen Ausprägung in liberaler oder totalitärer Hinsicht, wird hierbei deutlich. Darum soll im Folgenden näher betrachtet werden, auf welchen Wegen und wie umfassend die von den Nationalsozialisten begonnene soziale Revolution in die Modernität in den Anfangsjahren der DDR fortgesetzt wurde.

3. Das Ergebnis der vom Nationalsozialismus begonnenen sozialen Revolution

Eine Verfassung der Freiheit setzt nach Dahrendorf eine Gesellschaft mit moderner Sozial- struktur voraus. Dass eine solche sich in der Weimarer Republik trotz demokratischen Sys- tems nicht durchsetzen konnte, ist unter anderem mit dieser nicht erfüllten Vorraussetzung begründet. Die im Deutschland dieser Zeit starke Regional- und Schichtbindung, eine „Struk- tur gewordene[...] Unmündigkeit seiner Menschen“ (Dahrendorf 1971, S. 418), sowie die Zergliederung der Macht in „partielle[...] Institutionen“ und „autonome[...] Nebenzentren“] (ebd., S. 417) kennzeichnen eine äußerst traditional geprägte Gesellschaft. Aber ebenso be- hinderte diese Sozialstruktur die Etablierung des totalen Machtanspruches der Nationalsozia- listen. Der Wunsch nach Ausschaltung potentieller „Quelle[n] des Widerstandes“ (ebd., S. 418), also aller Institutionen und Machtzentren die sich der Möglichkeit permanenter Kontrol- le entziehen, war somit die Triebfeder der von den Nationalsozialisten begonnenen und un- bewusst vollzogenen sozialen Revolution in die Modernität.

Zahlreiche Politikmaßnahmen zum „Aufbau des [...] totalitären Führerstaates im Zeichen des permanenten Ausnahmezustandes“ (Ruck 1993, S. 35) hatten neben ihrer offensichtlich beab- sichtigten Wirkung der Festigung des Hitlerregimes eine erhebliche Veränderung der Sozial- struktur zur Folge. Ein Großteil der unter dem Begriff „Gleichschaltung“ zusammengefassten Maßnahmen sind geeignet traditionale Bindungen der Menschen untereinander neu zu defi- nieren oder gar aufzulösen. Die „’Gleichschaltung’ der Länder im Frühjahr 1933“ (Ruck 1993, S. 35) beispielsweise, einhergehend mit der ständigen Beschwörung des Mythos des gesamten deutschen Volkes als Schicksalsgemeinschaft war der Anfangspunkt des allmähli- chen Zurückgehens regionaler Identifikation, die in den Kriegsjahren von Regimeseite gefor- derte und auch vollzogene Mobilität weiter Bevölkerungskreise, sowie die gegen Kriegsende folgende Flucht von Millionen Deutschen sein vorläufiger Höhepunkt.

Weitere Maßnahmen der „zügige[n] Demontage der traditionellen Institutionen“ (Ruck 1993, S. 46) aus der Weimarer Zeit waren die Zerschlagung der Parteien, die Auflösung, bzw. Ein- gliederung vormals autonomer gesellschaftlicher Institutionen in die neuen NS- Organisationen, die zunehmende Kontrolle von Erziehung, Bildung, Wissenschaft und ande- rer staatsferner Institutionen durch den Staat, sowie die rücksichtslose Verfolgung politischer Gegner. Die rasche Besetzung politischer und gesellschaftlicher Leitungspositionen mit An- hängern der NSDAP, v.a. auch auf kommunaler Ebene (Vgl. Ruck 1993, S. 50), sowie das Zurückdrängen und die später vehemente Verfolgung der zu Weimarer Zeiten einflussreichen Schicht des Adels, sowie Teilen des Großbürgertums im Zusammenhang mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 (Vgl. Dahrendorf 1971, S. 428) waren Ereignisse, die durch den konse- quenten Austausch gesellschaftlicher Eliten die traditionale Sozialstruktur aufzulösen began- nen. Die soziale Rolle des Individuums wandelte sich lt. Dahrendorf im Nationalsozialismus vom „Untertanen“ der traditional geprägten Gesellschaft hin zum „Volksgenossen“ (Dahren- dorf 1971, S. 421), „autoritären Regierungen nach dem Muster der deutschen Tradition [war somit] die soziale Grundlage“ (ebd., S. 431) entzogen.

Dennoch blieb die soziale Revolution in die Modernität unvollendet. Von Anfang an gewann Hitler große Teile der gesellschaftlich relevanten Kräfte (v.a. Industrie, Armee, Berufsbeam- tentum und Kirche) nur mit dem Versprechen der Wahrung ihrer „Binnenautonomie“ (Lepsi- us 1993, S. 89) als Partner. Auch wenn in den ersten Jahren der Nazidiktatur massiv von Staatsseite in betreffende Institutionen eingegriffen wurde, war die „Gleichschaltung nicht durchgängige Realität“ (Dahrendorf 1971, S. 425), blieben in „Ecken der Tradition, Quellen des Widerstandes und der Gegenrevolution“ (ebd., S. 431) soziale Schichtstrukturen und regi- onale Bindung teilweise erhalten.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die soziale Revolution in die Modernität in der DDR
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Systemwechsel im 20. Jahrhundert
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
16
Katalognummer
V110705
ISBN (eBook)
9783640088676
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Politik der Sowjetischen Besatzungszone/DDR setzte die vom Nationalsozialismus einge-leitete soziale Revolution in die Modernität fort (Siehe: Dahrendorf 1971, S. 432-447). Diese zunächst befremdlich klingende These stellt Ralf Dahrendorf auf den letzten Seiten seiner 1965 erstmals veröffentlichten Monographie 'Gesellschaft und Demokratie in Deutschland' auf. Um diese These und die zentrale Bedeutung der Modernität zu verstehen, muss man sich Dahrendorfs spezifisches Verständnis des Begriffes vor Augen führen. Modernität zielt bei Dahrendorf eben nicht, wie man gemeinhin assoziieren könnt
Schlagworte
Revolution, Modernität, Systemwechsel, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Gregor Wiedemann (Autor:in), 2005, Die soziale Revolution in die Modernität in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110705

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