Nationalsozialistische Filmpropaganda am Beispiel der militärischen Heldenfigur in Rolf Hansens „Die große Liebe“ (D 1942)


Seminararbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2.Der Film im Nationalsozialismus
2.1.Zielsetzungen und Strukturelle Rahmenbedingungen
2.2. Rezeptionssituation
2.3.Der „Heimatfrontfilm“
2.4. Der „unpolitische Film“

3. Rolf Hansens „Die große Liebe“
3.1. Filmographische Rahmendaten
3.2.Inhalt des Films

4.Allgemeine Betrachtung: „Die große Liebe“ als Propagandafilm
4.1.Alltagsdarstellung
4.2. Die Frauenrolle

5. Der militärische Held
5.1. Der Fliegermythos
5.2.Paul Wendlandt: Fliegerheld in „Die große Liebe“
a) Darstellung und Charakterisierung
b) Wirkung
5.3.Fazit. Paul Wendlandt – Ein Ausnahmeheld?

6. Gestern, Heute, Morgen: Neue militärische „Helden“

7.Abbildungen

8.Literaturliste

1. Einleitung

Die Filme aus der Zeit des Nationalsozialismus in den Griff zu bekommen, stellt auch nach über 60 Jahren ein moralisches und ästhetisches Problem dar: Nicht jeder Film aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 lässt sich ohne weiteres in das lose geschnürte Korsett der Filmpropaganda zwängen – zumindest verlangt ein Teil der Filme, auch außerhalb dieses Entstehungskontextes gelesen und gewürdigt zu werden. Dies zeigt sich beispielsweise an der auch heutzutage noch diskutierten ästhetischen Sprache der Bilder Leni Riefenstahls[1] oder der anhaltenden Popularität der Heinz-Rühmann-Filme, welche ob ihres Unterhaltungswertes zum festen Kanon des deutschen Fernsehprogramms gehören.

Der 1941-42 entstandene Film „Die große Liebe“ macht es einem hier etwas leichter: Dass es sich um einen durch und durch propagandistischen Film handelt, lässt sich nicht nur anhand seines Status als „Staatsauftragsfilm“ oder des Reichsfilmzensurprädikates „staatspolitisch wertvoll“ verifizieren[2] – die Absichten des Films sind gewissermaßen intuitiv evident, bedient er sich doch in selbstverständlicher Manier der Werte und Chiffren des Dritten Reiches.

Welche Mittel der Film im Einzelnen nutzt und welchen Effekt er sich davon erhofft: dies soll Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung der Hauptfigur, dem militärischen „Helden“, welcher zwar selbst einer festen Größe im nationalsozialistischen Wertesystem entspricht, aber bemerkenswerterweise auch eine Wandlung durchläuft – zu einem Helden, für den sich nicht nur der Ritt in die Schlacht, sondern auch der Weg nach Hause lohnt. Welche Bedürfnisse befriedigt ein solcher „volkstümlich wertvoller“ Held und unterscheidet sich diese Figur tatsächlich von den bis dahin tradierten Heroen? Diese Fragen stehen am Ende der Arbeit, die überdies die Vorstellungen von „Fliegerhelden“ nach dem Zweiten Weltkrieg prüft.

2. Der Film im Nationalsozialismus

2.1. Zielsetzungen und strukturelle Rahmenbedingungen

Hartnäckig hält sich auch heute noch das Image der großen Zeit des deutschen Films in den 30er und frühen 40er Jahren.[3] Da wären einerseits die schon angedeutete anhaltende Beliebtheit ausgewählter Filme oder ihrer Stars, andererseits lässt sich auch statistisch zeigen, dass das Kino eine überaus wichtige Rolle im Unterhaltungsbetrieb des Nationalsozialismus spielte: So erreicht das Spitzenjahr 1943 einen Wert von unglaublichen 1,116 Milliarden Kinobesuchen[4], während die Besuchszahlen einzelner Filme selbst modernen Blockbusterstreifen in deutschen Kinos das Wasser reichen können; gerade „Die große Liebe“ wurde unter diesem Aspekt als erfolgreichster deutscher Film überhaupt angegeben.[5]

Was zunächst als eine einzige Erfolgsgeschichte anmutet, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ergebnis einer besonderen Politik, welcher zum einen das mediale Erreichen der breiten Masse wichtig war, welche aber auch (z.T. unfreiwillig) dafür sorgte, dass es kaum andere Unterhaltungsmöglichkeiten außer dem Kino gab. Die Zielsetzung der Reichspropaganda war laut Joseph Goebbels eine „eigene filmische Kunst“, welche „mit ihren Wurzeln in das nationalsozialistische Erdreich eingedrungen“ sein sollte, ohne dabei „auch nur im entferntesten zu dulden, daß jene Ideen, die in Deutschland [...] ausgerottet werden, [...] im Film wieder ihren Einzug halten.“[6]

Um dieser Idee der Gleichschaltung filmischer Kunst zu folgen, mussten Strukturen geschaffen werden, welche es dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) ermöglichten, sowohl in die allgemeinen Tendenzen der Filmbranche, als auch gezielt in einzelne Projekte eingreifen zu können. Die 1933 geschaffene Reichsfilmkammer unterstand indirekt dem RMVP und organisierte die Zunft der Filmschaffenden durch Mitgliedschaftspflicht. Der Ausschluss aus der Filmkammer bot so die Möglichkeit gezielter Berufsverbote, von denen ab 1933 etwa 5000 ausgesprochen wurden.[7] Mit dem Reichslichtspielgesetz von 1934 wurden die Möglichkeiten des gezielten Eingriffs durch das RMVP erweitert. Filmverbote konnten nun ausgesprochen werden, sobald ein Film „das nationalsozialistische ... oder künstlerische Empfinden zu verletzen“ drohte.[8]

Den Gegenpol zu Zensur und Verbot bildete ein System von Prädikaten und Filmpreisen, durch welche Filme Steuervorteile erhalten konnten und Produktionsfirmen zur Schaffung geeigneter Filme angeregt werden sollten. Besonders erwünschte Projekte wurden als „Staatsauftragsfilm“ in direktem Auftrag des RMVP gedreht, was auch auf „Die große Liebe“ zutrifft. Im Laufe der Zeit sind die Möglichkeiten der Zensur und des Verbots noch erweitert worden, im Zuge der effektiven Gleichschaltung sah sich das Ministerium allerdings nach den ersten Jahren nur noch selten veranlasst, tatsächlich Filme aus dem Verkehr zu ziehen.[9] Eine wichtige Rolle spielt hier die de-facto-Verstaatlichung der Filmindustrie, zunächst über den noch heute gern genutzten Umweg einer Aktienerwerbenden Holdinggesellschaft, später durch die Umorganisierung der Branche unter dem Dach der UFA-Film GmbH[10], welche zwar die formelle wirtschaftliche Unabhängigkeit ihrer Töchter und sogar eine sanfte Konkurrenzsituation wahrte, letztendlich aber die Überwachung aller Phasen der Filmproduktion realisierte.[11]

2.2. Rezeptionssituation

Ähnlich dem Mythos des großen Films der 1940er hält sich die weit verbreitete Ansicht, das Kino sei vor allem ein Medium für den „kleinen Mann“, also die Schicht des Proletariats, gewesen. Dieses Vorurteil ist der Entstehung des Kinos im Budenzauber der Jahrmärkte des späten 19. Jahrhunderts geschuldet. Bernd Kleinhans zeigt jedoch, das gerade jene Schicht im nationalsozialistischen Kino zunächst unterrepräsentiert war, wohingegen Angehörige der kleinbürgerlichen Mittelschicht das Kino als Unterhaltungsmöglichkeit durchaus wahrnahmen.[12] Genaue Zahlen gibt es vor allem den Kinobesuch der Jugendlichen betreffend, welcher von den Nazis begrüßt und gefördert wurde. So gab es durch das Reichslichtspielgesetz von 1934 erstmals Filme ohne Altersbeschränkung; allen Altersschichten wurde es grundsätzlich ermöglicht, ins Kino zu gehen. Die Jugend dankte mit hohen Besuchszahlen, so dass rund zwei Drittel aller Jugendlichen potenziell durch die Reichsfilmpropanganda ansprechbar waren.[13]

Mit Beginn des Krieges änderten sich die Bedürfnisse der Bevölkerung und damit auch das Kinoverhalten. So stieg durch die Belastungen und Entbehrungen einerseits das Bedürfnis nach Entspannung und Ablenkung; andererseits erhoffte man sich durch einen Blick auf die „Wochenschau“ auch aktuelle Informationen aus dem Kriegsgeschehen und damit über den Verbleib der eigenen Brüder, Söhne und Ehemänner. Aus einem Bericht des SS- Sicherheitsdienstes geht hervor, dass das Kino nun auch für Gruppen attraktiv wurde, die vorher nicht ins Kino gegangen waren: „Auf dem Gebiet des Films teilt München mit, daß es eine auffallende Erscheinung sei, wie die Bauern, di]e man früher nie in den Lichtspieltheatern sah, in die Stadt kämen, nur um die Wochenschau zu sehen.“[14] Aus offensichtlichen Gründen stieg der Anteil der Frauen und Älteren am Publikum erheblich.

Der hohe Stellenwert der Wochenschau war es auch, der zur Entwicklung eines dreigliedrigen Gesamtkonzeptes für die Vorführungen (mit Wochenschau, Kulturfilm und Spielfilm) sorgte, durch welches man der langen Umlaufzeit der Filme entgegenkommen wollte. Das Medium Spielfilm erwies sich für aktuelle politische Propaganda als ungeeignet, da es – abgesehen von der Produktionszeit an sich – durch hohe Materialkosten und geringe Kopienanzahl mitunter mehrere Monate dauern konnte, bis ein Film in jedem Kino des Reiches gesehen wurde.[15] Den Part der aktuellen Propaganda musste also die Wochenschau übernehmen, welche durch ihre relative Kürze (und den geringeren Bedarf an Filmmaterial und damit höhere Kopienanzahl) schnell auch in die Zweit- und Nachaufführungskinos der Provinz gelangte. Nach der Wochenschau lief ein „Kulturfilm“, ein „Sach- oder Reportagefilm von meist weniger als einer halben Stunde.“[16] Während die Wochenschau aktuelle politische Propaganda lieferte, war die ideologische Belehrung im Stil einer Dokumentation Gegenstand des Kulturfilms. Dazu Kleinhans:

„Es sind Filme wie 'Alpenkorps im Angriff', 'Deutsche Panzer', 'Arbeitsmaiden helfen' [...].Filme über den 'Ameisenstaat' und 'Bienenstaat' werden zum biologischen Beleg für die Richtigkeit des 'Führerstaates', im Film 'Jäger als Heger' wird die Notwendigkeit der Zuchtwahl und der Ausmerzung des Schwachen und Kranken begründet, [...] 'Kinder aus aller Welt' wird zu einer Belehrung über Rassenunterschiede.“[17]

Im Paket mit dem eigentlichen Spielfilm konnte so Propaganda auf aktueller, kriegsbezogener, belehrend-dokumentarischer sowie auf unterhaltsamer Ebene vermittelt werden. Während das Vorprogramm „fachlich“ Ernstes zeigte, konnte der Spielfilm die Botschaften als leichte Kost einwirken lassen. Die Elemente gingen also Hand in Hand und legitimierten sich gegenseitig. Noch einmal Kleinhans: „Wenn die Wochenschau Hitler als Führer präsentierte und anschließend in einem der Preußenfilme Friedrich der Große gezeigt wurde, dann zog der Zuschauer schon zwangsläufig Parallelen und konnte Hitler als legitimen Nachfolger sehen. Wenn in der Wochenschau draufgängerische Stukapiloten gezeigt wurden und anschließend Heinz Rühmann als „Quax der Bruchpilot“ [...] heiter der Maschine entsteigt, konnte der Zuschauer beruhigt sein, daß die Fliegerei doch nicht so gefährlich ist.“[18]

Der Spielfilm wurde subjektiv als der Übergang in die politikfreie Zone empfunden, da es hier eben nicht von Hakenkreuzfahnen oder anderen, offensichtlichen Symbolen nationalsozialistischer Gegenwart wimmelte. Im Folgenden soll erläutert werden, dass gerade die seichte Art des Films es war, die ihn für eine besondere Form der latenten Propaganda prädestinierte.

[...]


[1] Vgl. KÜHNEL, Jürgen: Einführung in die Filmanalyse. Teil 1: Die Zeichen des Films. Siegen: Universitätsverlag 2004 (=Medienwissenschaften 4), S. 68

[2] Eigentlich „staatspolitisch und künstlerisch wertvoll“ sowie „volkstümlich wertvoll“, s. Kap. 2.1.

[3] Vgl. LOWRY, Stephen: Pathos und Politik. Ideologie in Spielfilmen des Nationalsozialismus. Tübingen: Niemeyer 1991 (= Medien in Forschung + Unterricht A 31), S. 4

[4] lt. Knierim 1965 (nach Lowry, S. 4)

[5] lt. Regel 1978 (nach Lowry, S. 118) erreichte der Film 27 Mio. Zuschauer

[6] Nach einer Rede von Joseph Goebbels vom 28.3.1933 nach Albrecht 1969, S.439f, zit. nach Lowry, S. 5

[7] Vgl. Lowry S. 9

[8] §7 LG nach Albrecht 1969, S. 24, zit. nach Lowry, S. 10

[9] Vgl. Lowry S. 11

[10] Dieser Name speist sich aus der bereits seit 1917 bestehenden Produktionsfirma Universum Film AG

[11] Vgl. Lowry, S. 11-13

[12] Vgl. KLEINHANS, Bernd: Ein Volk, ein Reich, ein Kino. Lichtspiel in der braunen Provinz. Köln: PappyRossa Verlag 2003, S. 82f

[13] Kleinhans, S. 84

[14] Zit. nach Kleinhans, S. 87

[15] Vgl. Kleinhans, S. 92-95

[16] Kleinhans S. 95

[17] Kleinhans S. 96

[18] Kleinhans, S. 99

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Nationalsozialistische Filmpropaganda am Beispiel der militärischen Heldenfigur in Rolf Hansens „Die große Liebe“ (D 1942)
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Nationalsozialistsches Kino und Geschlecht
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V110736
ISBN (eBook)
9783640088973
ISBN (Buch)
9783640677795
Dateigröße
619 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalsozialistische, Filmpropaganda, Beispiel, Heldenfigur, Rolf, Hansens, Liebe“, Nationalsozialistsches, Kino, Geschlecht
Arbeit zitieren
Ludwig Andert (Autor:in), 2006, Nationalsozialistische Filmpropaganda am Beispiel der militärischen Heldenfigur in Rolf Hansens „Die große Liebe“ (D 1942), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110736

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