Australien - Von einer Gefangenenkolonie zur industriellen Weltmacht


Essay, 2007

14 Seiten

Dr. med. Dieter Tischendorf (Autor:in)


Leseprobe


Von einer Gefangenenkolonie zur industriellen Weltmacht

Für viele Jahre, nämlich seit der First Fleet 1788 bis 1886, war Australia für Großbritannien lediglich ein „Wegschließbereich“ für unerwünschte Bürger. 164 Tausend Sträflinge wurden in dieser Zeit nach Down under geschickt. Daran änderte auch die schnelle Erkenntnis des ersten Gouverneurs Arthur Phillip, dass nur die Aufnahme einer landwirtschaftlichen Produktion Eng- pässe in der Lebensmittelbereitstellung lösen können, nicht viel. Die wenigen Siedler, die frei- willig in dem südlichen Land ein neues Leben beginnen wollten, hatten mit unsagbaren Schwie- rigkeiten zu kämpfen. 1793 wurde ganz offiziell für die Neuansiedlung in Australien geworben. Zu dieser Zeit entschloss sich auch Hauptmann Mc Arthur Farmer zu werden. Noch mit Förde- rung von Phillip führte er das Merinoschaf in Australien ein. Eine kluge und voraussehende Maßnahmen, denn bereits 1803 liefert Australien erstmals eigene Erzeugnisse (Wolle) ins Mut- terland. Das war der kleine Beginn einer eigenen Wirtschaft, der vom Gouverneur Macquarie ab 1809 vehement weiter gefördert wurde. Trotzdem gab es für Australien die gleichen unerträgli- chen Zwangszölle und wirtschaftlichen Beschränkungen, die schon in Nordamerika einer der mit Anlässe für die Befreiungskriege waren. Und sowohl den freien Siedlern, als auch den sich niedergelassenen entlassenen Sträflingen blieb nicht viel vom Ergebnis der harten Arbeit.

Die Jahre 1813 bis 1886 sind geprägt von der Erforschung des Kontinents und der ernüchtern- den Erkenntnis, dass es sich um ein Land mit 70% Wüste handelt. Die wichtigsten der Forscher habe ich im „Und immer weiter zur Sonne“ ab Seite 490 schon gewürdigt. Diese Männer waren keine Abenteurer oder Glücksritter schlechthin. Sie erfüllten die unbedingt erforderliche Funk- tion der Erkundung des Kontinents. Wo befindet sich landwirtschaftlich nutzbares Land? Wo könnten abbaubare Bodenschätze sein? Welche Möglichkeiten bietet die Landschaft für die Erreichbarkeit des Landesinneren? Wie sollten Transportwege gebaut werden? Wichtige Fra- gen, deren Beantwortung die Besiedlung ermöglichte und somit letztlich sogar zur Selbststän- digkeit der Strafkolonie und zur Bildung auch anderer Territorien neben New South Wales führ- te. Diese kolonialen Verwaltungen imitierten aber das „große Vorbild" Großbritannien. Mit dem Erfolg, dass Großbritannien einer eigenen Verfassung zustimmte. Und mit dem Misserfolg, dass man den damals 400 Tausend Einwohnern von Australien die Zahlungsunfähigkeit der neuen Verwaltung erklären mußte.

Wie so oft in der Geschichte von Down under half auch diesmal das Schicksal. 1851 verbreitet sich die Kunde von leicht abbaubaren Gold weltweit. Und ein Ansturm sondergleichen erreicht Australien. Innerhalb von 9 Jahren verdreifachte sich die Einwohnerzahl auf 1,2 Millionen. Plötzlich wurden auch die Verwaltungen durch die Lizenzgebühren für Goldgräber wieder wohlhabend. Und alle, Handwerker, Händler, Gewerbetreibende, Gastwirte profitierten von Goldgier der Glücksritter. Da viele der Goldsucher erfolglos blieben und verzweifelt nach ei- nem Broterwerb suchten, gab es plötzlich auch keinen Arbeitskräftemangel mehr beim Straßen- bau oder aber bei Lohnarbeitern zum Beispiel im Kohleabbau. Seit 1841 kannte man zum Bei- spiel die reichen Kohlevorkommen in den Blue Mountains. Doch erst 1878 begann der Abbau. Und Kohle ist heute noch ein Posten von 30% im australischen Rohstoffexport.

Die verschiedenen Länder des Kontinents versuchten in bürokratischer Überheblichkeit alle einen eigenen Profilierungsweg. Mit der Folge, dass es in Australien bald mehrere unterschied- liche Postwesen, ein von Territorium zu Territorium völlig unterschiedliches Steuersystem, ja sogar drei Eisenbahnnetze mit verschieden breiten Schienen gab.

Es waren nicht zuletzt diese Hemmschuhe für die Entwicklung des Handels, der Industrie und der Besiedlung, die dem fünfmaligen Premierminister von NSW Henry Parkes unermüdlich für die Gründung einer Föderation auf jeder Ebene des politischen und wirtschaftlichen Lebens, gegen Rivalitäten der Kolonien, gegen falschen regionalen Patriotismus, kämpfen ließ. Und dann war es vollbracht.

Am 1. Januar 1901 erklärt Gouverneur Lord Hopetoun bei einer feierlichen Zeremonie im Syd- ney Centennial Park Australien zum "Federal Commonwealth of Australia". Die Gründung des "Australischen Bundes" aus den britischen Kolonien New South Wales, Victoria, Queensland, Western Australia, South Australia und Tasmanien ist perfekt. Die an den Vorbildern USA und Großbritannien orientierte Verfassung ist für die damalige Zeit außergewöhnlich liberal, enthält u.a. das seit 1892 schon in SA festgeschriebene Wahlrecht für Frauen. Die Aborigines blieben rechtlos. In den 128 Paragraphen werden die Ureinwohner nur zwei Mal erwähnt.

Offizielles Staatsoberhaupt der parlamentarischen Monarchie (Zwei-Kammer-Parlament) ist natürlich weiterhin die britische Königin Victoria. Die britische Krone wird durch einen von ihr ernannten Generalgouverneur vertreten.

Melbourne wird vorübergehende Hauptstadt, die dann allmählich von Canberra abgelöst wird. 3,7 Mio. Einwohner wählen das erste Parlament. Erster Premierminister wird Edmund Barton.

Die sechs Bundesstaaten mit eigenen Regierungen und Gouverneuren bekommen innenpoliti- sche Unabhängigkeit.

Aber so richtige Bedeutung hatten nur Schaf- und Rinderzucht, Mais –und Weizenanbau, Wein- herstellung und natürlich die Zuckerrohrplantagen in Queensland. Ein zunehmender Industrie- zweig wurde der Fischfang und verarbeitende Industrie. Allerdings behaftet mit einer hohen Liquidationsrate. Doch bestimmte populäre Maßnahmen der neuen Regierung, wie 1908 die Einführung der gesetzlichen Altersversorgung, die Mindestlohnregelung und der Acht Stunden Arbeitstag als Ergebnis der Auseinandersetzungen mit den 68 Tausend Mitgliedern der 198 Gewerkschaften, ließen schon Anfang des 20. Jahrhunderts international aufhorchen.

Trotz des scheinbaren Missverhältnisses des großen Landes und der geringen Einwohnerzahl von 4 Millionen wurden zwischen 1900 und 1914 große Fortschritte in der Entwicklung der landwirtschaftlichen und der Produktionskapazitäten Australiens gemacht. Und auch sowie bei der Schaffung von Regierungsinstitutionen und sozialen Einrichtungen.

Dann kam der 1. Weltkrieg! Fast 400.000 der knapp drei Millionen männlichen Einwohner meldeten sich freiwillig zum Kriegseinsatz. 60.000 kamen nicht zurück. Zehntausende wurden verwundet, viele von ihnen schwer. Aus den Kriegsjahren sind einige bedeutende Traditionen der Australier hervorgegangen. Keine gilt im australischen Ethos als so herausragend und wird so hoch geschätzt wie die Tradition des "Anzac" (Australisches und neuseeländischen Armee- corps), die 1915 in Gallipoli in der Türkei entstand, als die Anzac Truppen, bedingt durch eine unfähige britische Generalität, von den Türken aufgerieben wurden. Daran erinnert jeden 25. April der Anzac Day, heute ein nationaler Gedenktag für die australischen Opfer aller Kriege, in denen Australier gekämpft haben. Und viele Australier meinen, das nicht der 2. Januar 1901 der Gründungstag der Nation sei, sondern der 25. April 1915!

Zwischen 1815 und 1930 haben 52 Millionen Europäer ihre Heimat verlassen. Aber nur 3,5 Millionen Menschen versuchten einen Neustart in Australien. Das war nach dem 1. Weltkrieg durch die desolate Lage der Wirtschaft auch erschwert. Unsicherheit der Arbeitsplätze, die Exis- tenzangst führten zum Beispiel 1917 in Sydney zu einem Generalstreik, an dem sich 97 Tausend Eisenbahn- und Tram Angestellter beteiligten.

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Details

Titel
Australien - Von einer Gefangenenkolonie zur industriellen Weltmacht
Autor
Jahr
2007
Seiten
14
Katalognummer
V111071
ISBN (eBook)
9783640091737
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Australien, Gefangenenkolonie, Weltmacht
Arbeit zitieren
Dr. med. Dieter Tischendorf (Autor:in), 2007, Australien - Von einer Gefangenenkolonie zur industriellen Weltmacht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111071

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