You Can't Hurry Love

Was die Macht für die Herrschaft ist, ist das Gefühl für die Liebe


Hausarbeit, 2007

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Liebesstatus

Liebe als Kommunikationscode und Verhaltensmodell

Liebe durch Entgegenkommen und Verbindlichkeit

Was die Macht für die Herrschaft ist, sind Emotionen für die Liebe

Fazit

Literatur:

Anmerkungen

Einleitung

„Für die dauerhafte, verehrende, schmachtende Liebe gab es im Deutschen auch einmal ein eigenes Wort, Minne. Diese Art der Liebe schloss die Erfüllung von vornherein aus. Es scheint als sei uns das Wort mit der Vorstellung verloren gegangen“ (Bonner 1985: 103).

Die Wortkleider, Floskeln und Bedeutungen der Liebe verändern sich über die Zeit. Wir gebrauchen schon lange den Begriff Liebe, aber der Sinn des Wortes ändert sich[i]. Hinter diesem Abstraktionsschritt verbirgt sich die soziologische Idee, dass Menschen keine Affekte, Gedanken und Gefühle haben können, die gänzlich unabhängig von der Kommunikation sind.

Das Nebeneinander wechselwirkender Individuen erzeugt in jeden etwas, was doch aus ihm allein nicht zu erklären ist. Eine Gesellschaft ist schon da, wenn der Mensch hineingeboren wird. Unser Verhalten und Denken äußert sich immer in diesem vorgegebenen Kultur- und Sprachsystems, das sich zudem historisch ständig ändert. Ein Gefühlswandel geht immer viel schneller voran, als der persönliche Wandel und der gesellschaftliche Wandel langsamer als der Persönliche. Um sich zu verlieben, muss man sich nicht anstrengen. Um sie zu erhalten schon. Liebe beginnt ganz von selbst. Doch welchen Grund, gibt es für die Zuneigung zueinander? Und wieso ändert sich diese im Laufe der Zeit? Was bleibt von der Liebe als Passion? Das sind Fragen auf die es vielfältige Antworten gibt, aber keine genaue. Dagegen ist eines unverkennbar: nicht jede Liebesbeziehung dauert ewig an. Die anfängliche gegenseitige Begeisterung kann durch äußere Widerstände und Hemmnisse die Verbundenheit zweier Menschen zerstören. Wie ist das möglich? Liebe ist halt mehr als ein Gefühl. Mit ihr ist auch immer ein sozialer Aspekt verbunden. Weniger vom Interesse ist es daher, wie Liebende zueinander finden, sondern in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Was gibt ein Mensch dem Anderen?

Welchen Zweck hat die Liebesbeziehung? Beginnend soll die Liebe erst einmal in ihrer Bedeutung (im soziologischen Sinne) erfasst werden, um so zu verdeutlichen, dass Liebe zwar immer unerklärlich bleiben wird, nicht aber unbeschreiblich sein muss. Nachfolgend soll es darum gehen Liebesbeziehungen in Anlehnung an Max Weber u. a. begreiflich zu machen.

Die kommenden Erläuterungen sind zwar nur skizzenhaft, und damit alles andere als vollständig, jedoch würde eine komplette Darstellung an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Letztlich bleibt mir - noch ganz wichtig zu erwähnen: „Zu glauben: die historische Gesamtrealität lasse sich in das nachstehend entwickelte Begriffsschema »einfangen«, liegt so fern wie möglich.“ (Weber 1980:124)

Liebesstatus

Der Mensch ist für andere Menschen da. Zunächst für diejenigen, von deren Lächeln und Wohlsein das eigene Glück begründet ist, dann aber auch für die vielen Unbekannten, mit deren Schicksal uns ein Band des Mitgefühls verbindet. Der Mensch, als soziales Wesen, möchte mehr befriedigen als seine physiologischen Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Schlaf, Kleidung, Wohnung, Sex. Ebenso bedeutsam sind ihm soziale Bedürfnisse - man denke an Robinson Crusoe. Soziale Bedürfnisse umfassen u. a. den Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit und Liebe, nach Gemeinschaftserleben. Daraus resultiert die Inanspruchnahme anderer nach Zuneigung und Gebrauchtwerden. [ii]

In einer komplexen, unpersönlichen Gesellschaft ist der Wunsch nach Geborgenheit groß. Wie ehemals in unserer Kindheit, suchen wir in der Liebe nach voller, ungeteilter Aufmerksamkeit. Sehnsüchte, Begehrlichkeiten, Begierden eines Menschen, lassen sich aber nun mal nicht erraten, vielleicht erahnen, sofern man genug vom Anderen weiß - jedenfalls müssen sie kommuniziert worden sein. Doch wie ist Liebe nun erkennbar - oder ist sie das überhaupt? Allgemein gefasst kann man unter Liebe eine starke emotionale Hinwendung zu einem anderen Menschen, im weiteren Sinne zu anderen Menschen verstehen.[iii] Die Liebe in ihren verschiedenen Bedeutungsgehalten ist Gegenstand sowohl religiöser, philosophischer als auch psychologischer Betrachtungen. In der antiken griechischen sowie in der indischen Philosophie repräsentiert die Liebe das den Kosmos einigende Prinzip, so etwa bei Hesiod, Empedokles sowie im indischen Veda. Die Selbstliebe ist nach Aristoteles die zwingende Voraussetzung für die Fähigkeit, den Anderen zu lieben. Sie darf nicht verwechselt werden mit der Selbstsucht (Egoismus). Es gibt verschiedenen Grundformen der Liebe. Sie ergeben sich aus dem Verhältnis, welches die Liebenden zueinander haben. Dabei gilt es den Status indem die Liebenden zueinander stehen zu berücksichtigen und die jeweilige Hauptrichtung der Liebe, die das Verhältnis kennzeichnet zu beachten[iv].

Eine nicht sexuell orientierte Liebe auf geistig-seelischer Ebene wird häufig als »platonische Liebe« bezeichnet. Damit ist die Freundesliebe gemeint. Die Freundschaft gründet auf Gleichheit. Dabei entsteht durch das Teilen von Interessen, Neigungen und Erlebnissen eine gemeinschaftliche Verbundenheit, in der beide zueinander gleich positioniert sind und sich dabei gegenseitig bestärken[v]. Die Bereitschaft, sich für Mitmenschen einzusetzen, ohne von ihm zu erwarten, dass dieser eine Gegenleistung erbringt, bezeichnet die christliche Lehre als Nächstenliebe. Derjenige der die Nächstenliebe übt, nutzt seine eigenen Mittel, um so einer anderen Person in einer Mangel- oder Notsituation zu helfen, um ihn so zu bestärken.[vi]. Die Vaterlandsliebe ist eine Form von „ sozialer Liebe “ (Siebel 1984: 192). Mit der sozialen Liebe ist ein unbestimmter Liebesbezug gemeint, wobei eine Verbundenheit zu einem Sozialgebilde gezeigt wird. Bei der Vaterlandsliebe ist der Aspekt Zugehörigkeit bzw. Mitgliedschaft entscheidend. Dabei erhält das Vaterland durch Zuspruch eine „gewisse Ergänzung“ (Siebel 1984: 193), also seine Legitimation. Der Vaterlandsliebenden erlebt Bestärkung seiner selbst durch das Bewusstsein einer Gemeinschaft anzugehören. Der sozialen Liebe lassen sich zudem noch die Familienverbundenheit, die Heimatliebe, die Liebe zur Kirche, die Verbundenheit mit einer Partei und die Menschheitsliebe zuordnen[vii]. Bei der Menschheitsliebe geht es nicht, wie man meinen könnte, darum „jeden einzelnen Menschen und damit alle Menschen zu lieben“ (Siebel 1984: 193). Vielmehr ist die Verbundenheit zu einem umfassenden Sozialsystem gemeint, aus dem keine Exklusion möglich ist. Weshalb die Liebe zur Menschheit jede andere Liebe bedingt. Dennoch kann von einer Liebe der Menschheit zum Menschen nicht gesprochen werden, weil „die Menschheit sich selbst keine legitime Herrschaftsinstanz schaffen kann, die das Handeln der Liebe auszuüben vermöchte.“ (Siebel 1984: 195). So eine Stellung könnte nur Gott einnehmen[viii]. Im Christentum liebt Gott den Menschen sich seiner erbarmend, des Christen Liebe zu Gott ist dagegen gekennzeichnet durch Ehrfurcht und Verehrung. Die Gottesliebe ist daher, meint Siebel, die eigentliche Liebe. Da sie auf Dauer, sowie Vereinigung ausgerichtet ist und über den Tod hinaus fortbesteht. Bei dieser Form der Liebe ist kein Bezug zu einer lebenden Person möglich. Der Geliebte bleibt, im doppelten Sinne, unantastbar. Dadurch, dass Gott in den monotheistischen Religionen den Inbegriff aller Vollkommenheit darstellt, würde es bei einer Vereinigung mit ihm zur eigenen Vollkommenheit kommen können. Somit empfängt die liebende Person Ergänzung und Bestärkung durch Gott[ix]. In der Psychologie ist die geschlechtliche Liebe und der hierbei im Vordergrund stehende Sexualtrieb Gegenstand des Interesses. Synonym wird auch häufig die Bezeichnung der erotischen Liebe verwendet. Bestimmend hierfür ist das gegenseitige Begehren. Dabei geht es um die Herstellung und Festigung des Liebesbundes. Entscheidend ist das gleichrangige Verhältnis der Personen zueinander. Hierbei gibt es zueinander keine höhere Stellung des Einen dem Anderen gegenüber, beide ergänzen sich gegenseitig, womit sich eine „völlige Geborgenheit des Vertrauens“ (Siebel 1984: 189) bildet, als auch eine „völlige Entspannung“ (ebd.) sowie eine „Zärtlichkeit aus innerer Hinneigung“ (ebd.) entsteht[x].

Liebe als Kommunikationscode und Verhaltensmodell

Liebe, so wurde deutlich, ist in [xi] vielerlei Hinsicht möglich und mehr als ein Gefühl. Mit ihr ist auch immer ein sozialer Aspekt verbunden. Es ist der intensive Bezug eines Menschen zu einem anderen Menschen, einer Gruppe von Menschen oder einer Idee, aus welchem eine emotionale Bindung erwächst - die Liebesbeziehung. Bei dieser Vielfalt ist es daher angebracht Einschränkungen vorzunehmen. Deshalb wird im Folgenden auf die Beziehung zwischen zwei Menschen genaueres Augenmerk geworfen: der erotischen Liebe. Denn sie ist von wesentlicher sozialer Bedeutung. Sie ist das gesellschaftliche Atom auf das z. B. jede Familie beruht. Das mag wohl daran liegen, dass dabei durch die Nähe der Bezug zu einem anderen Menschen am Stärksten ist und eine starke Abgeschlossenheit gegenüber ihrer Umwelt möglich ist. Zwei Persönlichkeiten sind, „wie nirgends sonst, in erster Linie auf eine einzelne Person ausgerichtet und können den anderen als Geliebten, in seinem Menschsein in besonderer Weise würdigen.“ (Siebel 1984: 158). Der Halt den beide aneinander finden können macht diese Beziehung so beispiellos in der Sozialwelt. Wie diese Ausdrücklichkeit der Liebesbeziehung genau zu verstehen ist, darauf soll im Folgenden genauer eingegangen werden.

Sobald Menschen dauerhaft zusammentreffen, kommen sie nicht umher sich näher kennen zu lernen. Die Personenkenntnis wird erst durch Gespräche gewonnen und in diesen verrät sich die Persönlichkeit. „Der personale Moment in sozialen Beziehungen kann nicht extensiviert, sondern nur intensiviert werden. Es werden, mit anderen Worten, soziale Beziehungen ermöglicht, in denen mehr individuelle, einzigartige Eigenschaften der Person oder schließlich prinzipiell alle Eigenschaften einer individuellen Person bedeutsam werden.“ (Luhmann 1983: 14) Solche Beziehungen lassen sich nach Niklas Luhmann als zwischenmenschlichen Interpenetration beschreiben, obgleich auch von Intimbeziehung [xii] gesprochen werden kann. Dennoch ist es, bei noch so intensiver Beziehung zueinander, unmöglich über einem Menschen allumfassend Gewissheit zu erlangen. Dem ungeachtet wird in der Liebe so doch versucht den anderen Menschen allumfassend zu verstehen[xiii]. „Und es gibt vor allem auf der kommunikativen Ebene Regeln und Codes, die festlegen, dass man in bestimmten sozialen Beziehungen prinzipiell für alles am anderen aufgeschlossen zu sein hat, kein Desinteresse bekunden darf an dem, was der andere persönlich wichtig nimmt, und seinerseits keine Fragen unbeantwortet lassen darf, auch und gerade wenn sie auf Persönliches zielen.“ (Luhmann 1983: 23)

Es verbietet sich geradezu Persönliches der Kommunikation zu entziehen[xiv]. Aber lebt die Liebe nicht auch von der geheimnisvollen Undurchdringlichkeit des Anderen? Kann man jemanden noch lieben, wenn man ihn ganz durchschaut hat? Ist es Liebe, wenn der Geliebte für keine Überraschung mehr gut ist? Liebe ist nach Niklas Luhmann „ein Kommunikationscode, nach dessen Regeln man Gefühle ausdrücken, bilden, simulieren, anderen unterstellen, leugnen und sich mit all dem auf die Konsequenzen einstellen kann, die es [die Liebe] hat, wenn entsprechende Kommunikation realisiert wird.“ (ebd.). Die Liebe erscheint den Liebenden als etwas persönliches, eigenes, originelles. Liebende folgen ihren eigenen Regeln, die für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar sind. Dennoch ist, so Luhmann, bei aller Betonung der Liebe als Passion offensichtlich, „dass es um ein Verhaltensmodell geht, das gespielt werden kann, das einem vor Augen steht, bevor man sich einschifft, um Liebe zu suchen; das also als Orientierung und als Wissen um die Tragweite verfügbar ist, bevor man den Partner findet, und das auch das Fehlen eines Partners spürbar macht, ja zum Schicksal werden lässt.“ (ebd.) Bevor sich eine Person verliebt, weiß sie, wie sie erkennen kann, dass es Liebe ist und nicht z. B. Hass. Dies erkennt sie u. a. an bestimmten Anzeichen: irgendwo aus der Bauchgegend kommt dieses komische Gefühl von Glück. Pausenlos muss man grinsen und fühlt sich wie krank, das Herz rast. Komisch, schlecht geht es einem dabei eigentlich nicht – im Gegenteil. „Es ist die im Code verankerte Bedeutungssteigerung, die das Lernen des Liebens, die Interpretation der Anzeichen und Mitteilungen kleiner Zeichen zu großen Gefühlen ermöglicht; und es ist der Code, der Differenz erfahrbar werden lässt und die Nichterfüllung mitexaltiert.“ (Luhmann 1983: 24, Hervorhebung d. Autor). Würde sich ein Nichtverliebter verhalten, wie ein Verliebter, man würde ihm wahrscheinlich zum Psychiater schicken. Vom Bewusstsein her entdeckt der Liebende die geliebte Person und von sein her wird sie sich zeigen müssen. Das einzige Hindernis für die Liebe besteht denn auch schließlich nicht darin zu beginnen, sondern vielmehr darin, dass der Liebende auf Erleben des Geliebten mit Handeln antworten muss. Problematisch bleibt daher die Differenz zwischen erwartbaren und tatsächlichen Handeln[xv]. Liebe bedeutet so: den Anderen kennen zu lernen und als diesen Anderen gelten zu lassen. Vor den Augen des Liebenden soll sich die geliebte Person entfalten können. Ein Liebesbeweis „ist dann eben das, was man in den Augen des anderen ist. - Und das zu wissen! Also nicht einfach nur sich zu fügen, sondern das auch zu wollen und der sein, den der andere oder die andere erwartet, dass man es ist.“ (Luhmann 2005: 54). Niklas Luhmann führt dafür folgendes Beispiel an:

„Man tritt ins Haus ein, dreht den Hausschlüssel um, die Frau ist in der Küche. Man möchte jetzt natürlich erst einmal zum Schreibtisch gehen und sehen, was die Post gebracht hat. Aber wenn man das tut, weiß man genau, dass sie darin eine Vernachlässigung sieht. Also geht man in die Küche. Sie aber weiß, dass man deswegen in die Küche geht, weil sie andernfalls annehmen würde, sie würde vernachlässigt.“ (ebd.) [xvi].

Liebe durch Entgegenkommen und Verbindlichkeit

Ein Mensch gibt, wenn er liebt, etwas von sich selbst. Er gibt: „von seiner Freude, von seinem Interesse, von seinem Wissen, von seinem Humor, von seiner Traurigkeit - von allem, was in ihm lebendig ist.“ (Siebel 1984: 152). Dadurch wird der Andere ein Teil seiner selbst. Des Weiteren schreibt Wigand Siebel: „Die Kenntnis des anderen wird im gewöhnlichen Umgang zunächst durch die Zuneigung geweckt. Die Zuneigung (Sympathie) richtet sich auf eine einzelne Person im eigenen Erfahrungsbereich. Man fühlt sich von der Erscheinung, dem Sich-Geben des anderen und von seinen Äußerungen angezogen. Es klingen dabei Gefühle der Übereinstimmung mit dem anderen an, die unter Umständen von besonderen Neigungen oder Sensibilitäten abhängig sind. Nicht nur Figur, Gestalt, das »Sich-Geben«, Schönheit, Charakter und Intelligenz, auch Charme, persönlicher Stil und Geschmack sowie Hilfsbedürftigkeit (…) vermögen Zuneigung hervorzurufen (…) die Zuneigung ist ein Bestandteil des Auswahlprozesses (…) Liebe bedeutet stets Auswahl hier und jetzt, bedeutet Einmaligkeit des Liebesverhältnisses.“ (Siebel 1984: 155). Es müssen infolgedessen bestimmte Vorraussetzungen gegeben sein, bevor es zu einer Zuneigung kommen kann: zum Einem wird durch selektive Wahrnehmung die Aufmerksamkeit auf eine Person fokussiert (Auswahlprozesse) und zum Anderen ist die geliebte Person beständig präsent - gleich ob nun gedanklich oder wirklich - und hat mit dem Liebenden gewisse Übereinstimmungen (eigener Erfahrungsbereich). Bei der eben erwähnten Liebe ist eine gewisse Unvollkommenheit zu bemerken. Ihr ist die einseitig ausgerichtete Verbindung anzumerken. Deshalb könnten hierbei die Bezeichnungen: Hingabe, Verliebtheit oder Verliebt-Sein ebenso zutreffend sein, aber von Liebe i. e. S. kann noch nicht gesprochen werden.

Liebe bringt Menschen zueinander, um sie flugs miteinander zu verbinden. Sie bricht gesellschaftliche Konventionen, denn sie macht sprichwörtlich blind. Alter, Beruf oder Denkweisen haben eine nachrangige Bedeutung. „Die Zustimmung zum anderen ist eine Tat der Freiheit. Liebe kann nicht dem Zwang, dem Befehl folgen, sondern nur dem Zug des Herzens.“ (Siebel 1984: 156) Der Liebende sieht die Welt durch eine »rosarote Brille«. Doch es ist nicht die Welt bzw. seine Umwelt, die er anders sieht. Er beginnt seine eigene Welt anders zu sehen und mit ihr seine Umwelt[xvii]. „Liebe als die Kraft, die auf die Vereinigung mit dem Geliebten hindrängt, zielt grundsätzlich auf Gegenliebe ab, wenn sie auch ohne eine solche Antwort lange Zeit Bestand zu haben vermag. Ist die Gegenliebe gewährt, so führt die gegenseitige Hingabe zu einer Einheit der Herzen, die Liebenden »gehören« einander.

Erst in der Gegenseitigkeit kann sich die Liebe voll entfalten. (…) Wird die Liebe nicht vom anderen erwidert, so wird sie sich in der Regel zurückbilden, absterben oder gar zum Hass umschlagen.“ (ebd.) Die Liebe erfährt durch ihre Gegenseitigkeit eine Vervollständigung. Durch das Aufeinder-Eingehen erfahren beide Personen eine gegenseitige Ergänzung. So ist es schließlich die Ergänzung aus der die Gemeinsamkeit wachsen kann. Erst durch die Gemeinsamkeit mit dem Anderen, kann diese Person „wahrhaft und voll gewürdigt werden.“ (Siebel 1984: 157) Die Liebe ist dann nicht nur auf den Anderen, „sondern auch auf die Gemeinsamkeit (mit dem anderen) gerichtet.“ (ebd.) Das hat zur Folge, dass sich beide Liebenden denselben Zielen verpflichtet sehen und gemeinsam Gleiches erstreben. „Man kann folglich niemanden lieben ohne die Vereinigung, die Gemeinsamkeit mit ihm zu wollen (…) man liebt einen anderen stets im Hinblick auf die Verbundenheit in einer gemeinsamen Verpflichtung.“ (ebd.) - es ist der Wunsch nach Verständnis, das sprichwörtlich »blinde Vertrauen«, dass über das Beobachtbare hinausgeht. Dies ist möglich mittels indirekter Kommunikation. Liebe kann insofern Kommunikation unter weitgehenden Verzicht auf Kommunikation intensivieren[xviii]. „Sie kann durch explizite Kommunikation, durch Frage und Antwort, geradezu unangenehm berührt werden, weil damit zum Ausdruck kommt, dass etwas sich nicht selbst versteht.“ (Luhmann 1983: 29).

Die dauerhafte Identifikation mit einem anderen Menschen

Liebe bedeutet die Welt des Anderen sehen zu wollen - und das ist nicht gerade einfach, denn jeder sieht die Welt mit seinen eigenen Augen, heißt es. Ein anderes Sprichwort besagt dann halt auch, dass man niemanden ins Herz schauen kann. Vermutlich mag aber auch die Schwierigkeit nicht darin bestehen, wie man sieht, sondern eher daran, dass die Liebe bei einen Mann und einer Frau ganz unterschiedlich anfängt und sie von unterschiedlicher Bedeutung für beide ist[xix]. Vielleicht ließe sich daher sagen, dass die Liebe für die Frau eine Notwendigkeit ist, etwas ist ohne dem sie nicht leben möchte, also trifft sie eine bewusste Wahl und folgt deswegen ihrer Entscheidung. Als Mann hingegen lässt man sich eher von der Liebe überrumpeln. Sie ist nichts, was wir planen möchten. Das liegt wohl daran, dass sie in Wirklichkeit auch etwas schmerzhaft und ein bisschen störend sein kann, weil es in der Liebe maßgeblich um Menschlichkeit geht und um Begehren und Einsamkeit und sekundär um die eigene Begierde. Es ist also ganz gleich, ob die Liebe nun das Ziel oder Mittel zum Zweck ist, jedenfalls muss sie zwingend sein, um Bestand haben zu können.

Dabei gilt gewiss immer: sein eigenes Handeln auf das des Anderen abzustimmen. In Beziehungen geht es deshalb darum, Gemeinsamkeiten ungeachtet vom Gefühl und Sex zu haben und sich bei aufkommenden Streitigkeiten, wenn der Mann die Socken liegen lässt und die Frau behauptet, dass er es immer macht, sich nicht zu entfremden, kurz gesagt: füreinander aufmerksam zu bleiben. Diese Fähigkeit ist die Herausforderung für beide. Da der Mensch das weltoffenste Wesen ist, das es gibt, bringt ihm der Aufforderungscharakter der Umwelt ständig dazu sich mit ihr interaktiv auseinander zusetzten. „Aber Menschen werden nicht wie Tiere von Umweltreizen in einer Form angemutet, die ihrem Verhalten wenig Spielraum lässt; es liegt vielmehr in ihrer freien Entscheidung, den jeweiligen Reiz nicht als »Reiz« in einem ganz anderen Sinn zuzulassen.“(Müller-Luckmann 1987: 115). Der Mensch kann werden, was er sein möchte, und er wird es, indem er sich dazu macht. Aber das Wissen über sich selbst bezieht er in Bezug auf andere Menschen. Richard Sennet meint, dass Identität generell weniger die Frage betrifft, wer man ist, sondern vielmehr wohin man gehört.[xx] Diese Frage ist in einer Liebesbeziehung ganz deutlich geregelt - man gehört zur geliebten Person.

Diese dauerhafte Identifikation mit einem anderen Menschen, lässt sich dann nicht leicht durch andere Personen aufbrechen. Nichtsdestoweniger lässt sich nicht alles mit der geliebten Person teilen. „Das wäre ein Anspruch, der geraden Weges in die Trennung führen könnte. Jeder bleibt ein einzelner Mensch für sich, und, es muß noch einmal gesagt werden, wir müssen sehen, dass wir viele Ansprüche stellen, die den anderen zwangsläufig überfordern müssen.“ (Müller-Luckmann 1987:116).

Was die Macht für die Herrschaft ist, sind Emotionen für die Liebe

Wenn Liebe alltäglich wird - und das wird sie auf Dauer nun mal immer - entbehrt sie an Überschwung und gewinnt an Besinnung. Beide haben es gelernt sich aufeinander zu verlassen. Sofern man den Anderen liebt, liebt man ihn um seiner selbst willen. Darin liegt zugleich die Bindung seiner selbst mittels seines Versprechens der Treue. Dieses Versprechen kann als eines von möglichen „Motiven der Fügsamkeit“ (Weber 1980: 122) angesehen werden und somit Indiz sein für Herrschaftsverhältnisse in der Liebe.

Herrschaft ist vordergründig die Klassifikation in Herrscher und Beherrschte. Dies weißt auf eine hierarchische Ordnung von Oben und Unten hin. Das Liebe keine hierarchische Ordnung ist, müsste deutlich geworden sein. Wieso sie sich dennoch als Herrschaftsbeziehung beschreiben lässt? Dies soll im Folgenden versucht werden zu verdeutlichen. Die Idee, die dahinter steckt, ist, dass Menschen unablässig um Herrschaft kämpfen - nicht nur in der Politik und in der Wirtschaft, sondern auch in der Liebe. „Liebe ist mehr und zugleich auch weniger als Haben- und Besitzenwollen“ (Siebel 1984: 167). Während Politiker oder Manager um Naturressourcen, Geld oder Einfluss ranken, ringen Liebende um Anerkennung, Zuwendung, sowie Sicherheit und Geborgenheit. Herrschaft bedeutet eingeschränkte Macht. Sie ist legitimiert und daher dauerhafter als bloße Macht. Max Weber definiert Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (Weber 1980: 28) Diese „hochabstrakte Begriffsbestimmung“, von Macht durch Max Weber „erlaubt es, sehr verschiedene Erscheinungen darunter zu verstehen“ (Schelsky 1975: 19)[xxi]. „Der Begriff »Macht« ist soziologisch amorph. Alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegeben Situation durchzusetzen.“ (Weber 1980: 28). Macht besagt nicht mehr, als dass Menschen unter dem Einfluss der Überlegenheit anderer zum Handeln gezwungen werden. Macht ist willkürlich und damit nicht nur unvorhersehbar, sondern auch konfliktreich - ebenso verhält es sich mit Emotionen. Weber bestimmt daher die Ausübung der Macht „als individuelles Handeln, das zwar innerhalb einer sozialen Beziehung, jedoch nicht notwendigerweise innerhalb gesellschaftlicher Ordnungen stattfindet.“ (Neuenhaus 1998: 77). Deshalb hat Weber den Begriff Macht auf Herrschaft verengt.

Erkennt man Liebe als gesellschaftliche Ordnung, worum es darum geht Gefühle zu festigen, lässt sie sich zweifelsfrei mit Max Webers Herrschaftsbegriff beschreiben. Deshalb ließe sich sagen: was die Macht für die Herrschaft ist, sind Emotionen für die Liebe. „Unter »Herrschaft« soll (…) der Tatbestand verstanden werden: dass ein bekundeter Wille (» Befehl «) des oder der »Herrschenden« das Handeln anderer (des oder der »Beherrschten«) beeinflussen will und tatsächlich in der Art beeinflusst, dass dies Handeln, in einem sozial relevanten Grade, so abläuft, als ob die Beherrschten den Inhalt des Befehls, um seiner selbst willen, zur Maxime ihres Handeln gemacht hätten (» Gehorsam «).“ (Weber 1980: 544, Hervorh. d. Autor).

Die veraltete Wortwahl verengt allzu sehr die dahinter stehende Bedeutung. Wichtig zu erkennen ist, dass es sich bei Herrschaft um eine Wechselbeziehung handelt oder wie Helmut Schelsky es formuliert: „ist »Herrschaft« (…) von vornherein ein Gegenseitigkeitsverhältnis, an dessen Herstellung und Bestand beide Seiten ein Interesse haben, das daher ein Kooperationsvorgang bezeichnet.“ (Schelsky 1975: 24). Die Kooperation ist einem gemeinsamen Ziel geschuldet: „die Herstellung einer dauerhaften »legitimen Ordnung« friedlichen Zusammenlebens“ (ebd.) Im Falle von Verstößen und Konflikten gegen die legitim erklärte Ordnung wird vornehmlich dem Herrschenden das Privileg zugestanden Sanktionen (sei es nun latent oder manifest) zur Wiederherstellung dieser anzuwenden (in einer Beziehung ist es dann der kurzfristige Intimentzug oder Streit) unter der Garantie auf Sicherheit für den Beherrschten bei Einhaltung der Ordnung. Beide erhalten daneben einen gegenseitigen Nutzen: Autorität die eine und Schutz die andere Seite. Für beide ergeben sich in der Liebesbeziehung dabei gegenseitig Pflichten und Rechte i. w. S. Für die Intimbeziehung bedeutet das: dass einem von beiden vornehmlich Anerkennung, Zuwendung zuteil wird und der Andere vorwiegend Sicherheit und Geborgenheit erhält.

„Die Vereinigung zieht den Unterlegenen zum Überlegenen hinauf. Ja, man kann sagen, dass in normalen Liebesbeziehungen beide aneinander wachsen. Diese innere Angleichung der Liebenden aneinander ist jedoch nicht eine Tatsache der Öffentlichkeit, die Rückwirkungen im sichtbaren sozialen Leben haben müsste. Vielmehr bleiben vielfach Standes- und Rangunterschiede bestehen bei Angleichung der Liebenden aneinander.“ (Siebel 1984: 184).

So kommt es denn schon mal vor, dass zu Hause die Frau den Ton angibt und der Mann seine Dominanz woanders suchen muss. Zugegeben ist dieses ein Szenario, das nicht mehr so häufig vorkommt, und die Rollen können heutzutage auch schon mal umgekehrt verteilt sein, aber eins bleibt immer dasselbe: einer von beiden ist die treibende Kraft in der Beziehung. Wer bestimmt, was als Nächstes passiert?

Wer lenkt bei Konflikten eher ein? Einer von beiden übernimmt die Initiative. Passiert dies nicht, passiert halt nichts. Für eine längerfristige Aufrechterhaltung eines Herrschafts-, Liebesverhältnisses ist dennoch nicht entscheidend, dass „ein bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen, also: Interesse (äußerem oder inneren) am Gehorchen“ (Weber 1980: 122) besteht, sondern der Legitimitätsglaube.

Jede Form von Herrschaft - und jede Form von Liebe - versucht, da weder materielle, affektuelle, noch wertrationale Motive ihr eine Chance zum Fortbestehen geben[xxii], bei den Beherrschten infolge dessen „den Glauben an ihre »Legitimität« zu erwecken und zu pflegen. Je nach der Art der beanspruchten Legitimität aber ist auch der Typus des Gehorchens, des zu dessen Garantie bestimmten Verwaltungsstabes und der Charakter der Ausübung der Herrschaft grundverschieden. Damit aber auch ihre Wirkung. Mithin ist es zweckmäßig, die Arten der Herrschaft je nach dem ihnen typischen Legalitätsanspruch zu unterscheiden.“ (ebd.) Jener Legitimitätsglaube ist „nicht mehr dem Zweifel unterworfen“ (Schelsky 1975: 22) und wo der Zweifel fehlt, bleibt bloß der Glaube. In unserem Fallbeispiel soll sich der Legitimitätsglaube als ein Glaube an die unzerstörbare Glückseeligkeit mit einer anderen Person[xxiii] vorgestellt werden. Es kommt nicht mehr nur darauf an die eigene Passion auszuleben, sie muss auch erhalten bleiben. Diese Möglichkeit auf Beständigkeit ist der Legitimitätsglaube. Der Legitimitätsglaube erwirkt eine Glaubwürdigkeit an eine andauernde Ordnung - gleich welcher Art und welcher Dauer - und schafft Erwartungssicherheit, also Stabilität. Wie das geht? Möglich wird dies durch eine frei entwickelte Verbundenheit in einer gegebenen Ordnung. Jeder Versuch den anderen zu »durchschauen« führt ins Bodenlose. Ein solches Einheitsverlangen irrealisiert den Anderen und macht ihn einem gleich, wenn auch nur in dessen Erleben. Dies führt zu einem Hin und Her von Vertrauen und Mistrauen, aufrichtig und unaufrichtig, wahr und falsch, deshalb lässt sich nur Lieben um der Liebe willen.[xxiv] Die Verträglichkeit in der Intimität beruht dann eben auf Unschärfe und „auf einen nicht ständigen Nachbohren. Man will nicht wirklich wissen, was der andere über einen denkt. Aber es kommt natürlich darauf an, dass das im Alltag funktioniert.

Das gilt in Bezug auf Alltags-Ehen zum Beispiel, die sich von diesem Problem der Beobachtung des Beobachtens entlastet haben und Regeln dafür haben müssen, wie man die Kinder erzieht, wann man Gäste einlädt, welches Fernsehprogramm gut ist (…) Und in funktionierenden Ehen verdecken sie die Unmöglichkeit, wirklich zu wissen, was der andere ist oder was der andere denkt.“ (Luhmann 2005: 55). Eine Lebensgeschichte, in der ein Individuum für andere wichtig ist, verlangt demzufolge nach einer Institution, die ein Leben lang währt.

Diese Institutionen aber, wie etwa die Ehe, verlieren durch gesellschaftliche Umstrukturie­rungen an Bedeutung - aber dies ist eine andere Frage, die an dieser Stelle nicht geklärt werden soll.

Fazit

Wie ersichtlich wird, können wir „die Bedeutung von Liebe nicht durch einfaches Draufdeuten lernen, wie wir als Kleinkinder wohl die Bedeutung von Tisch gelernt haben (…) Liebe ist keine verschwommene Sache, der wir lediglich feste Konturen geben müssen, sondern wir definieren sie. Wir abstrahieren sie aus einer unendlichen Summe von Verhaltensweisen, die wir erlebt haben.“ (Bonner 1985: 93) Damit wird Liebe für Liebende zwar immer auch etwas individuelles sein, aber lieben mag eben auch erlernt sein. Für den Liebenden heißt es alsbald: geliebt oder nicht geliebt werden, das ist die ihm immer quälende und entscheidende Frage. Hat der Verliebte also, wie auch Hamlet, ein Gespenst gesehen, oder ist es die Erscheinung echt? Welches Kriterium hat man, um seine eigene Beobachtung zu prüfen? Doch wieder nur seine eigenen Beobachtungen. Und schon tut sich ein Abgrund von unendlichen Reflexionen auf. Deshalb ließe sich dann auch sagen: das Gefühle alles andere als natürlich sind, sondern fast immer eingeredet. Und was man sich einreden kann, kann man sich eben auch ausreden. Gefühle sind halt nicht planbar. Sie erscheinen und verschwinden ohne Ankündigung. So gesehen ist Liebe nicht mehr, als nur eine kulturelle Projektion, die weitgehend inkongruent ist mit den Möglichkeiten ihrer Verwirklichung. Das mag mit ein Grund dafür sein, das eben Gefühle für eine Beziehung nicht ausreichen. Sozialität benötigt halt Verbindlichkeit. Luhmann erläutert dann Liebe auch deshalb als Liebescode, als Problem- und Verständnisorientierung: In Beziehungen gehe es darum, Probleme zu erkennen und zu lösen, mit Enttäuschungen fertig zu werden und damit eine dauerhafte Verständigung zu erreichen[xxv].

Physiologische Bedürfnisse sind substantiell und als solche leichter zu befriedigen als ideelle Bedürfnisse. „Natürlich ist Sex nicht Liebe und Liebe nicht Sex“, meinte Madonna so treffend, „aber treffen sie zusammen ist es ein Himmelreich.“ Liebe ist nun mal nicht fassbar, man muss an sie glauben. Wann weiß man denn schon, wann man liebt? Doch meistens hinterher. Liebe bleibt gerade deshalb merkwürdig und rätselhaft, weil sie sich jeder präzisen Beobachtung entzieht und somit ihre Intimsphäre wahrt. Sie kann nicht Sprache werden, weil die Sprache immer zu spät kommt. Sie darf nicht Form werden, denn dann wird sie langweilig.

Aber ganz egal, was sich auch alles über die Liebe schreiben lässt; das Schöne (als auch Schreckliche) an der Liebe zwischen zwei Menschen ist: sie ist nicht zu erklären - trotzdem jeder Mensch nach Niklas Luhmann eine Vorstellung von ihr hat[xxvi], weil sie weder mit Worten zu fassen, noch an gesellschaftlichen Bedingungen gekettet ist.

In diesem Essay habe ich es dennoch versucht.

Doch um ehrlich zu sein - ist mir das nicht annähernd gelungen, weil die gewonnen Einsichten schlicht sind. Aber so ist das nun einmal - Liebe ist in Wirklichkeit banal - außer für die, die sie erleben. Jeder liebt für sich allein. Liebe ist zu persönlich, als dass man anderen Menschen erklären könnte, wieso man liebt oder auch was Liebe ist - bestenfalls der Person, die man liebt. Wissenschaftlich über Liebe zu schreiben ist also eine abstruse Idee, weil sie im Wissenschaftssystem nicht kommuniziert werden kann (außer semantisch, wie es Luhmann gemacht hat), denn Liebe folgt keiner Logik. Liebe ist der Wahnsinn. Ein Wahnsinn, wie es auch das Leben ist.

Literatur:

Bonner, Maria (1985): Bedeutet Liebe Macht? in: Frauenforum (Hrsg.): Liebe und Macht - Dokumentation der 3. Ringvorlesung der Arbeitsgruppe Frauenforum, interdisziplinäre Arbeitsgruppe an der Universität des Saarlandes in Zusammenarbeit mit dem AStA-Frauenreferat.

Kruse, Detlef (2005): Luhmann-Lexikon. Stuttgart: Lucius & Lucius.

Luhmann, Niklas (1983): Liebe als Passion - zur Codierung von Intimität. Frankfurt/Main: Suhrkamp Verlag.

Luhmann, Niklas (2005): Vorsicht vor zu raschen Verstehen - Niklas Luhmann im Fernsehgespräch mit Alexander Kluge, in: Hagen, Wolfgang (Hrsg.): Warum haben sie keinen Fernseher, Herr Luhmann? - Letzte Gespräche mit Niklas Luhmann. Berlin: Kulturverlag Kadmos.

May, Hermann (2003): Die menschlichen Bedürfnisse, in: May, Hermann (Hrsg.): Handbuch zur ökonomischen Bildung. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.

Müller-Luckmann, Elisabeth (1987): Die große Kränkung - Wenn Liebe ins Leere fällt. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Neuenhaus, Petra (1998): Max Weber: Amorphe Macht und Herrschaftsgehäuse, in: Imbusch, Peter (Hrsg.): Macht und Herrschaft - Sozialwissenschaftliche Konzeptionen und Theorien. Opladen: Leske + Budrich.

Safranski, Rüdiger (2004): Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus. München: Carl Hanser Verlag.

Schelsky, Helmut (1975): Die Arbeit tun die anderen - Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Sennett, Richard (2005): Die Kultur des Neuen Kapitalismus. Ulm: Berlin Verlag.

Siebel, Wiegand (1984): Liebe und Herrschaft: zur Soziologie der Familie. Berlin: Dunker und Humblot.

Weber, Max (1976): Wirtschaft und Gesellschaft, hrsg. von Johannes

Winckelmann. Tübingen: J. C. B. Mohr.

Anmerkungen

[...]


[i] vgl. Luhmann 1983: 57ff.

[ii] vgl. May 2003: 5f

[iii] Natürlich lassen sich auch Tiere lieben, manch einer liebt sein Auto und das deutet schon an, wie weit die Vorstellung von Liebe immer auch eigene bzw. konstruierte Vorstellungen sind. Dennoch haben viele Menschen identische Vorstellungen von Liebe. Wieso das so ist, soll hier nicht versucht werden zu klären, sondern wird erst einmal als eine Tatsache hingenommen.

[iv] „Hier ist daran zu denken, wer von anderen Bestärkung oder Ergänzung erhält. »Bestärkung« meint dabei, dass Hilfe zum Wachstum in den eigenen Grenzen und Möglichkeiten, meint, dass Hilfe zur Selbstwerdung gewährt wird. »Ergänzung« dagegen zeigt an, dass außerhalb der Grenzen des eigenen Seins und der eigenen Möglichkeiten dem Geliebten etwas hinzugegeben wird, was ihm fehlt. Normalerweise besteht die Antwort auf die Bestärkung und Ergänzung im Dank, der insofern wesentlich in die Liebesbeziehung einzurechnen ist.“ (Siebel 1984: 186).

[v] vgl. Siebel 1984: 187

[vi] vgl. Siebel 1984: 190f.

[vii] vgl. Siebel 1984: 192f.

[viii] vgl. Siebel 1984: 193f.

[ix] vgl. Siebel 1984: 195f.

[x] vgl. Siebel 1984: 187f.

[xi] Code, eine binäre Leitdifferenz (→Binarisierung) oder eine bistabile Form (→Bistabilität) zur Erzeugung von binären Differenzen oder Unterscheidungen. C.s sind immer zweiwertig, haben einen positiven und einen negativen Wert. Sprachlich genauer wäre von Dual Wert und Gegenwert zu sprechen und zu betonen, dass grundsätzlich eine der beiden Seiten zum Ausgangspunkt anschließender unterscheidender Operationen werden könnte. Der jeweilige Gegenwert, der immer mitgemeint ist, wenn die Entscheidung für Wert, für Präferenzseite des C.s gefallen ist, verweist auf die latent bleibende, nur unter Inanspruchnahme von Zeit zu ergreifenden Möglichkeit einer anderen Entscheidung (→Crossing). Der positive Wert vermittelt →Anschlussfähigkeit, der negative (Wert, d. Autor) Kontingenzreflexion(→Kontingenz) . Der positive Wert kann nur anschlussfähig sein, wenn der negative Wert positiv ausgeschlossen wird. Begriffduale wie Bevorzugung (Akzeptanz) und Ablehnung (Rejektion) oder positiver und negativer Wert oder Destinations- und Reflexionswert sind völlig wertungs- und moralfrei gemeint, sagen logisch nichts über Vorziehendes, Richtiges oder Gutes aus. C.s sind →Paradoxien, die sich selbst entparadoxieren können: bei binärer Codierung von Kommunikationen, im Falle sozialer Systeme, wird die Einheit einer Kommunikation durch die Einheit der Differenz einer Kommunikation ersetzt: z. B. die Einheit von Liebe ist Liebe durch die Einheit der Differenz von geliebt /nicht geliebt werden (→Kommunikationsmedien, symbolisch generalisiert). Die Entscheidung für die eine statt die andere Seite, z.B. für geliebt statt nicht geliebt werden, verdeckt die vorgängige Frage, welche Unterscheidung von geliebt/nicht geliebt werden zugrunde liegt, ob sie selbst liebenswert ist oder nicht. Das entspricht der Wiedereinführung des zuvor ausgeschlossenen Dritten Liebens ist Liebe. Ohne diese Entparodoxierung ist Systembildung, insbesondere die Ausdifferenzierung funktionaler Teilsysteme (→Differenzierung, funktionale), nicht möglich. Der Entscheidungsspielraum eines Systems, hier als Beispiel des Interaktionssystems, wird durch den C., hier: geliebt/nicht geliebt werden, limitiert; doch das Limitierte ist dann seinerseits grundsätzlich unlimitiert, da entscheidbar (→Komplexität, Reduktion und Steigerung). Deshalb ermöglichen C.s einen bestimmten unbestimmten Operationsraum. Deshalb sind C.s Leitdifferenzen zur Erzeugung von Differenzen. Der Leitwert eines C.s, z.B. Liebe, kann jedoch nicht zugleich Kriterium der Selektion von richtigen Operationen sein. Programmierung (→Programme) formt C.s zu Medien um. Auch die Programmierung von Systemen, z.B. Liebe im Interaktionssystem durch Massenmedien (Bücher, Film u.a.) des sozialen Systems, ist Wiedereinführung eines ausgeschlossenen Dritten. Codierung ist dann besonders wirkungsvoll, wenn der Wechsel zwischen den beiden C.werten, das kreuzen der Grenze zwischen ihnen, quasi-technisch geschehen kann, ohne das dies z.B. sozial oder psychisch besonders konditioniert wäre: Technisierung des C.s. Dies betrifft insbesondere die symbolische generalisierten Kommunikationsmedien. Durch binäre Codierung wird ein →Beobachter (System) in die Lage versetzt, sich selbst vermittels eines C.s zu beobachten (→ Selbst-/Fremdbeobachtung oder →Beobachtung zweiter Ordnung). Das erkennen des Problems binärer Codierung (ihr „Dass“, ihr „Wir“ ihr „Warum“) ist eine Reflexionsleistung, erfordert einen Beobachter dritter Ordnung (→Reflexionstheorie). (vgl. Krause 2005: 132f, 166f, 188f; Luhmann 1983: 21ff.).

[xii] „So viel von Intimität, Intimbeziehungen und Ähnlichem gesprochen wird: Es gibt keinen theoretisch hinreichenden Begriff dafür. Am ehesten wird man das, was gemeint ist, als hohe zwischenmenschliche Interpenetration auffassen können. Das heißt: Personen senken im Verhältnis zueinander die Relevanzschwelle mit der Folge, dass das, was für den einen relevant ist, fast immer auch für den anderen relevant ist. Entsprechend werden kommunikative Beziehungen verdichtet. Achtet man auf die Typik der Selektionsübernahme (…), dann lässt sich Intimität dadurch charakterisieren, dass schon das (selektive) Erleben und nicht nur das Handeln des einen Partners für den anderen handlungsrelevant wird. Topoi der französischen Klassik hierfür waren: Es gibt keine Bagatellen in der Liebe; Betonung der Pflichterfüllung ist mit Liebe unvereinbar; man muss nicht nur alles tun, was verlangt wird, man muss zuvorkommen. Der deutsche Idealismus hätte gesagt: sich das Weltverhältnis des anderen zu eigen machen, das heißt: mitgenießen. Auch der hohe Grad an Verbalisierung der Liebesverhältnisse belegt diese These. Liebende können unermüdlich miteinander reden, weil alles Erlebte mitteilenswert ist und kommunikative Resonanz findet.“ (Luhmann 1983: 200).

[xiii] vgl. Luhmann 1983: 14, 200ff.

[xiv] vgl. Luhmann 1983: 14f

[xv] vgl. Luhmann 1983: 21f

[xvi] Als Leser (Beobachter) ist man natürlich verwundert - zumindest ich - wie so eine Selbstverständlichkeit als ein Liebesbeweis angesehen werden kann. Aber gerade dieses Beispiel zeigt dann eben auch, das es keine Selbstverständlichkeit in der Liebe gibt. Das eigene Handeln ist bezüglich auf die geliebte Person gerichtet und als Außenstehender lässt sich dann nicht beurteilen, wie eine Person einer anderen Person seine Liebe zeigt. Es ist sogar so, dass „je befremdlicher ein Liebesgeschehen nach außen wirkt und je deutlicher es sich vom Normalverhalten absetzt, desto sicherer können die Verliebten sich wechselseitig gleiche Motive unterstellen.“ (Luhmann 1983: 185). Im Hause Luhmann war dann eben der Gang in die Küche ein Liebesbeweis - ob er sie dann auch geküsst hat, bleibt der eigenen Phantasie überlassen.

[xvii] vgl. Luhmann 1983: 17f., 24ff.

[xviii] vgl. Luhmann 1983: 28f

[xix] vgl. Luhmann 1983: 185, Fußnote 6

[xx] vgl. Sennet 2005: 59

[xxi] Helmut Schelsky führt hierfür eine Reihe von Beispielen an: so unter anderem den Flugzeugentführer, der mit vorgehaltener Pistole die Piloten zur Kursänderung zwingt ebenso wie der Staat, der durch Verkehrsstreifen der Polizei ein beachten der Verkehrsregeln erzwingt; jeder Arzt, der seinen Patienten Verhaltensvorschriften zur Gesundung gibt, übt ebenfalls Macht aus wie die umworbene Frau, die ihren Anbeter zu Anstrengungen, ihre Gunst zu erlangen, veranlasst (vgl. Schelsky 1975: 19).

[xxii] vgl. Weber 1980: 122

[xxiii] „Diese Vision ist spirituell, kommt aber ohne ein jenseits aus. Das Göttliche ist, seit der Schöpfung, vollkommen immanent. Es ereignet sich im Spiel der Liebe, das Erkennen und Handeln umfasst und worin jene Offenheit der Wesen füreinander realisiert wird, wodurch das Ganze als die große Kette der Wesen vom Bewusstsein erlebt werden kann. Wer an die Macht der Liebe glaubt, braucht keinen überirdischen Gott, mehr noch: die liebende Anziehung der Geister ist stark genug, um einen Gott hervorzubringen zu können (V, 353). Das ist der Gott, der in der Macht der Vereinigung sich manifestiert. Man braucht also keinen transzendenten Gott, vor allem keinen Gott, mit dem man Wechselgeschäfte tätigt, nach dem Muster: ich bin fromm und tugendhaft, um dereinst im Himmel dafür belohnt zu werden. Die Liebe und die aus ihr entspringende Tugend ist Lohn in sich selbst. Das Leben kann jetzt gelingen, man brauch nicht auf jenseitige Belohnung zu warten. Es gelingt mit Liebe. Und darum droht die Verdammnis nicht von Seiten eines jenseitigen Gerichtes, sondern der Lieblose erleidet seine Strafe schon jetzt. Verschlossen und verstockt hütet er sein armes kleines Ich wie sein Besitz und wird dessen Gefangener. Er hockt im Gefängnis seines Egoismus.“ (Safranski 2004: 224f.)

[xxiv] vgl. Luhmann 1983: 222

[xxv] vgl. Luhmann 1983: 197 ff.

[xxvi] vgl. Luhmann 1983: 23

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
You Can't Hurry Love
Untertitel
Was die Macht für die Herrschaft ist, ist das Gefühl für die Liebe
Hochschule
Universität Bielefeld
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V111115
ISBN (eBook)
9783640092123
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hurry, Love
Arbeit zitieren
Gavino Podeyn (Autor:in), 2007, You Can't Hurry Love , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111115

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