Risikoassessments in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Definitionen von Lernbehinderung bzw. geistiger Behinderung
2.1 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus allgemeiner medizinischer Sicht
2.2 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus der pädagogischen und sozialen Sicht
2.3 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus psychiatrischer, psychologischer Sicht
2.4 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus juristischer Sicht
2.5 Anmerkungen zu den Definitionen und Sichtweisen

3 Risiken im Kontext der Lern- bzw. geistiger Behinderung
3.1 Risiken: Eltern und Angehörige
3.2 Risiken: Soziale Institutionen und deren Fachpersonal
3.3 Risiken: Umwelt und Gesellschaft

4 Ein deutsches „Risikoassessment“
4.1 Das Assessment
4.2 Nutzen des Assessments

5 Assessment II
5.1 Schlusswort

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung des Referates, „Risiken und Risikoassessments bei der Arbeit und dem Umgang mit lernbehinderten bzw. geistig behinderten Menschen“, beschäftigt sich mit der Frage, wie Risiken in der Arbeit und im Umgang mit Lernbehinderten eingeschätzt und bewertet werden können. Hierbei wird Wert darauf gelegt, das ein breites Spektrum an Risiken, die mit dieser Thematik verbunden sind, erfasst werden. Das heißt, dass Risiken denen lernbehinderte bzw. geistig behinderte Menschen ausgesetzt sind, ebenso in Betracht gezogen werden, wie die Risiken denen die Angehörigen und die betreuenden, professionelle Fachkräfte ausgesetzt sind. Hierbei werden selbstverständlich auch die Risiken, die von den genannten Personengruppen ausgehen, nicht vernachlässigt. Selbstredend ist es nahezu unmöglich alle Risiken zu erfassen.

Ziel der expliziten Darstellung dieser Risiken ist es, die Notwendigkeit von Risikoassessments (abgeleitet aus dem engl. Riskassessment: Risikoeinschätzung) in der Sozialen Arbeit zu veranschaulichen und einen Einblick zu gewähren, wie Risikoassessments effizient betrieben werden können. Anzumerken ist, dass in dieser Arbeit keine Unterscheidung zwischen Lern- und geistiger Behinderung getroffen wird, obwohl in der Fachliteratur oftmals unterschiedliche Auffassungen darüber vertreten werden, was Lern- bzw. geistige Behinderung ausmacht.

2 Definitionen von Lernbehinderung bzw. geistiger Behinderung

In diesem Kapitel soll begreiflich gemacht werden, was unter Lernbehinderung bzw. geistiger Behinderung zu verstehen ist.

Wie schwierig es ist dies zu verdeutlichen beweißt allein die Tatsache, dass es unterschiedliche Definitionen darüber gibt, was Lern- bzw. geistige Behinderung ausmacht. Nahezu jede Fachdisziplin, die sich damit auseinandersetzt, hat ihre eigene Definition geschaffen, die auch verdeutlicht, wie sie an diese Thematik herantritt. Grundsätzlich gibt es noch keine einheitliche interdisziplinäre Auffassung darüber, was unter dieser Art von Behinderung zu verstehen ist. So lässt es sich auch erklären, dass die Grenzen wann von Lern- bzw. geistiger Behinderung gesprochen wird, bzw. was als Behinderung in dieser Hinsicht betrachtet wird, fließend sind. Während eine Fachdisziplin beispielsweise nach ihren Kriterien ein Individuum als Lern- oder geistig behindert bezeichnet, kann eine andere dasselbige als lediglich lernhilfebedürftig erachten. Oder, eine Disziplin definiert eine Person als nicht behindert aus ihrer Sichtweise, hingegen eine andere Disziplin der Person eine solchige Behinderung aufgrund eigener Kriterien attestiert. Dies zeigt wie Komplex dieses Thema ist und das sich eine einheitliche Definition kaum finden lässt, da Definitionen auch von der subjektiven Vorstellung der Individuen, die sie aufstellen, abhängig sind.

2.1 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus allgemeiner medizinischer Sicht

Was versteht die moderne Medizin unter Lernbehinderung bzw. geistiger Behinderung? Zunächst einmal muss angemerkt werden, dass die Medizin erst im 20. Jahrhundert damit begonnen hat, sich intensiv mit dieser Problematik zu beschäftigen. In der Medizin ist man bemüht Ursachen einer Funktionsstörung, wie bei Lern - bzw. geistige Behinderung, aufzudecken. D. h. Funktionsstörungen müssen genau erkannt und weitgehend analysiert werden. Wird eine Ursache erkannt, ist diese nach Möglichkeit zu heilen. Allerdings ist eine Heilung bei dieser Behinderung ausgeschlossen, da Behinderung im eigentlichen nicht als pathologisch zu betrachten ist. Hierzu ist anzumerken, das es durchaus Meinungen gibt, nach deren Vorstellungen Lernbehinderung heilbar bzw. therapierbar ist. Diese Meinungen finden ihre Begründung durch die eigene Betrachtung, Definition, was Lernbehinderung ausmacht. Betrachtet man Behinderung allerdings im klassischen Sinne, ist diese unheilbar. Das erklärt auch die vorherrschende Unsicherheit bezüglich des ärztlichen Auftrags, die wiederum erklärt, warum sich die Medizin relativ wenig mit dem Phänomen der geistigen Behinderung, abgesehen von der Ursachenforschung, auseinandergesetzt hat.[1] Zur Definition der geistigen Behinderung vgl.: 2.3 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus psychiatrischer, psychologischer Sicht.

2.2 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus der pädagogischen und sozialen Sicht

„Aus pädagogischer Sicht gilt nach den Empfehlungen der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates (1974) als geistig behindert, wer infolge einer organisch-genetischen oder anderweitigen Schädigung in seiner psychischen Gesamtentwicklung und seiner Lernfähigkeit so sehr beeinträchtigt ist, dass er voraussichtlich lebenslanger sozialer und pädagogischer Hilfen bedarf. Mit den kognitiven Beeinträchtigungen gehen solche der sprachlichen, sozialen, emotionalen und der motorischen einher. Eine „untere Grenze“ sollte weder durch Angabe von IQ-

Werten, noch durch Aussprechen einer Bildungsunfähigkeit festgelegt werden, da grundsätzlich bei allen Menschen die Möglichkeit einer Bildungsfähigkeit angenommen werden muss. “[2]

Im Lexikon Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Sozialrecht heißt es: „ Als behindert gelten Personen, die infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen oder geistigen Funktionen soweit beeinträchtig sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder ihre Teilnahme am Leben der Gesellschaft erschwert werden.“[3]

2.3 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus psychiatrischer, psychologischer Sicht

„ Die Psychologie betont die Entwicklung und Retardierung der Intelligenz. Als geistig behindert werden demnach die Menschen bezeichnet, deren IQ unter 65 (+/-5) liegt. Der Grad Imbezillität reicht von IQ 20-49. Die Debilität entspricht einem IQ von 50-69, die Idiotie einem von 0-19. Solche Aussagen vernachlässigen den multifaktoriellen Charakter der Intelligenz. Entwicklungspsychologen ordnen dann pauschal die Denkleistungen von Menschen mit geistiger Behinderung mit den kindlichen Entwicklungsstufen nach Piaget zu und sprechen deshalb auch von geistiger Retardierung.“[4] ( Jean Piaget; 1896-1980, Schweizer Psychologe, vor allem wegen seiner Pionierarbeit in der Forschung über die Entwicklung der Intelligenz bei Kindern bekannt. Seine Studien hatten großen Einfluss in den Bereichen Kinderpsychologie und Erziehung.)

2.4 Lernbehinderung bzw. geistige Behinderung aus juristischer Sicht

Im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) heißt es: "Geistig wesentlich behindert ... sind Personen, bei denen in Folge einer Schwäche ihrer geistigen Kräfte die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft in erheblichem Umfang beeinträchtigt sind."[5] Diese Definition mag juristisch ausreichend sein, ist aber extrem interpretationsabhängig und aus meiner Sicht unzugenügend. Zu viele Personen könnten nach dieser Definition als geistig behindert eingeordnet werden.

2.5 Anmerkungen zu den Definitionen und Sichtweisen

Anhand der unterschiedlichen Definitionen lässt sich erkennen, wie weit die Auffassungen was als Lern- bzw. geistige Behinderung verstanden wird von einander abweichen. Ebenso lassen sich in den Definitionen Bewertungen finden, die meiner Meinung nach nicht zutreffend oder sogar diskriminierend erscheinen.

Sogar der gebräuchliche Begriff „geistig behindert“ erscheint mir eigentlich falsch bzw. unangemessen, da die Personen, die so bezeichnet werden, nicht wirklich in ihrem Geist behindert sind. Es handelt sich vielmehr um Menschen, die wegen einer prä-, peri- oder postnatalen Schädigung primär in ihrer kognitiven Entwicklung beeinträchtigt sind, wodurch sie in modernen Industriegesellschaften in ihrer Entfaltung behindert werden und definitiv benachteiligt sind.

Außerordentlich extrem erscheint mir die psychologisch, psychiatrische Definition, die via Intelligenztests eine Zuordnung gemessen am Intelligenzquotienten unternimmt. Das Klientel wird dann verortet in Imbezilität, Debilität und Idiotie ( wahlweise auch Schwachsinn). Allein diese Begriffe für den intellektuellen Zustand eines Menschen erscheinen diskriminierend und beschämend. Davon abgesehen sind Intelligenztests unabhängig vom Verfahren sehr zweifelhaft und kritikwürdig, da sie viele Faktoren, die Bestandteil von Intelligenz sind, nicht oder nur schwer bemessen können. Als Beispiele sind hier Kreativität, soziale Kompetenz oder auch Musikalität zu nennen. Zudem wird die Intelligenz an der Norm des gesunden Durschnittsbürgers bemessen, wie auch immer dieser geartet sein mag.

Neuerdings zeigt es sich, dass eine Notwendigkeit besteht andere, besser beschreibende Begriffe einzuführen, die diesen Arten von Behinderungen gerechter werden. Waren in den letzten Jahrzehnten Begriffe wie Oligophrenie ( auf erblichen Ursachen od. in frühen Kindesjahren erworbener Schwachsinn), Idiotie und ähnliche gebräuchlich, wurden diese später durch Begriffe wie geistige Behinderung, Lernbehinderung und neuerdings „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ substituiert. Im englisch sprachigen Raum lassen sich ähnlich Entwicklungen feststellen. Aus mental defiency, mental retardation wurden learning disabilities oder learning difficulties und Begriffe wie people with special needs bzw. challenges wurden eingeführt. Diese Veränderung ist auch ein Indikator dafür, dass ein Umdenken auf allen Ebenen die mit der Problematik vertraut sind, stattgefunden hat. Positive Tendenzen im Bezug auf den Umgang mit Behinderten, neue pädagogische Konzepte, Unterstützung zur Lebensbewältigung usw. , lassen sich erkennen. Die Bereitschaft neue Wege zu bestreiten erscheint groß. Umso wichtiger scheint es sich mit neuen Praktiken vertraut zu machen.

[...]


[1] Vgl. Heinrich Greving u. Dieter Gröschke (Hrsg.): Geitige Behinderung – Reflexionen zu einem Phantom. Ein interdisziplinärer Diskurs um einen Problembegriff, Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt 200, S. 32

[2] Vgl. http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/inst05/Ring-Dateien/ZimpelText.htm vom 31.12.02

[3] Vgl. Paul K. Kaller (Hrsg.): Lexikon Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Sozialrecht, Wiebelsheim: Quelle und Meyer 2001, S. 54

[4] Vgl. http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/inst05/Ring-Dateien/ZimpelText.htm vom 31.12.02

[5] Bundessozialhilfegesetz

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Risikoassessments in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen
Hochschule
Universität Kassel  (Fachbereich Sozialwesen)
Veranstaltung
Risiken und Risikoassessments in der Sozialen Arbeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V11113
ISBN (eBook)
9783638173667
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vorstellung von Risikoassessments im Bezug zu geistigen Behinderten anhand von Beispielen. Darstellung der Behindertenproblematik mit ihren impliziten Risikofaktoren: Umwelt, Familie, Gesellschaft, Technik usw. 180 KB
Schlagworte
Risikoassessments, geistig Behinderte, Risikomanagement
Arbeit zitieren
Sascha Kerst (Autor:in), 2003, Risikoassessments in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11113

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