"Hallo Berlin, ici Paris", der 1932 von Julien Duvivier gedrehte Film um eine deutsch-französische Liebesgeschichte, ist aus heutiger Sicht mehr als nur die Komödie um die Liebe zweier Menschen. Der Film bietet vielmehr neben der sicherlich immer noch komischen und kurzweiligen Unterhaltung interessante Einblicke in die wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu Beginn der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Im der vorliegenden Arbeit wird deshalb der Film "Hallo Berlin, ici Paris" einer kulturwissenschaftlichen Analyse unterzogen. Patrick Barth analysiert, wie und warum diese Geschichte der vorliegenden Form erzählt wurde und welche Rolle Sprache und Kommunikation dabei spielen. Wirtschaftliche, politische, technische und soziale Variablen werden dabei aber nicht ausgeklammert, sondern finden besondere Berücksichtigung.
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Film und sein Regisseur
3. Der deutsch-französische Film der zwanziger und frühen dreißiger Jahre
3.1 Strategien zur Kostensenkung bei europäischen Filmen
3.1.1 Sprachversionen
3.1.2 Nachsynchronisation
3.1.3 Untertitel
3.1.2 Zweisprachige Produktionen
4. Die Handlung
5. Symmetrien in (Kommunikations-) Räumen und Personenkonstellation
6. Kommunikation in „Allô Berlin, Ici Paris“
6.1 Kommunikation als Sujet
6.2 Unterstützung durch außersprachliche Zeichensysteme
7. Die Darstellung der Massenmedien
8. Das Telefon – Mittel zur Nähe und Distanz
9. Resümee
10. Bibliographie
1.Einleitung
„Hallo Berlin, ici Paris“, der 1932 von Julien Duvivier gedrehte Film um eine deutsch-französische Liebesgeschichte, ist aus heutiger Sicht mehr als nur die Komödie um die Liebe zweier Menschen. Der Film bietet vielmehr neben der sicherlich immer noch komischen und kurzweiligen Unterhaltung interessante Einblicke in die wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu Beginn der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts. Deshalb wäre es falsch, eine rein inhaltliche Analyse des Werkes durchzuführen. Die dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts waren eine Zeit des Umbruchs: Die von schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen gebeutelte europäische Filmindustrie musste sich gegen das immer mächtig werdende Hollywood behaupten, auf technischer Seite hatte der Tonfilms Einzug in die Lichtspielhäuser gehalten, die schwierige politische Lage nach dem Ende des ersten Weltkriegs machte die Arbeit für die Filmschaffenden nicht gerade einfach.
Die „Hallo Berlin, ici Paris“ erzählte Verwechslungskomödie ist zeitlos und könnte sich so oder in ähnlicher Form an jedwedem Schauplatz zu jedweder Zeit zutragen, ohne an Komik zu verlieren. Doch über die rein inhaltliche Ebene hinaus erhält die Produktion gerade durch ihre sozio-historische Positionierung in der zeitgenössischen Gegenwart ihre besondere Vielschichtigkeit, die sich bei einer genaueren Untersuchung offenbart. Deshalb wäre eine rein formale oder inhaltliche Analyse meines Erachtens hier von geringem Nutzen, klammert sie doch die mit dem Film verbundenen Rezeptions- und Produktionsbedingungen der Entstehungszeit des Werkes aus.
Im Folgenden möchte ich deshalb den Film „Hallo Berlin, ici Paris“ einer kulturwissenschaftlichen Analyse[1] unterziehen, das heißt im speziellen, dass ich zwar analysieren möchte, wie und warum diese Geschichte der vorliegenden Form erzählt wurde und welche Rolle Sprache und Kommunikation dabei spielen. Wirtschaftliche, politische, technische und soziale Variablen sollen aber dabei nicht ausgeklammert werden, sondern besondere Berücksichtigung finden. Dass diese gesellschaftlichen Faktoren nicht durchgehend trennscharf unterschieden werden können, liegt an ihrer Reziprozität. Im betrachteten Zeitfenster beschränke ich mich weitestgehend auf den Zeitraum Mitte der zwanziger Jahre bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland[2].
Zu Beginn möchte ich in einem ersten Abschnitt allgemeine Informationen über den Film und den Regisseur Julien Duvivier kurz zusammenfassen. Dann werde ich auf die Situation der Filmwirtschaft in der Entstehungszeit eingehen, da von großer Wichtigkeit für die Art und Weise der Produktion ist. Hierbei will ich vor allem einen Überblick über die Rahmenbedingungen der Filmproduktion geben, keine Details zum Schicksal einzelner Filmunternehmen. Anschließend soll zum besseren Verständnis und zur Vollständigkeit auf der inhaltlichen Ebene Struktur und Komposition des Erzählten skizziert werden. Einen besonderen Augenmerk will ich auch auf die Funktion und Darstellung von Medien und Kommunikation im behandelten Film richten.
2.Der Film und sein Regisseur
Die Komödie „Allô Berlin, Ici Paris“ wurde 1931/1932 unter der Regie von Julien Duvivier in Berlin von Tobis Industrie GmbH, in Paris von der Société des Films Sonores Tobis gedreht. Die Uraufführung in Berlin fand am 15.03.1932 im Ufa-Palast am Zoo statt, in Paris am 19.11.1932 im Miracles. Der Film wurde in einer einzigen Fassung hergestellt, nur Vorspann und Titel waren in Deutschland und Frankreich verschieden.
Duvivier selbst wurde 1896 in Lillie geboren. In 48 Jahren produzierte er 69 Filme, an vielen anderen Produktionen war er als Co-Regisseur beteiligt. Seine Karriere startete er am Theater, da er sich aber Texte nur schwer merken konnte, wechselte er zur Arbeit hinter den Kulissen. Er begann sich für den aufkommenden Film zu interessieren, assistierte bekannten Regisseuren im Studio und schrieb Drehbücher. Ab dem Jahr 1922 arbeitete Duvivier als eigenständiger Regisseur. Dabei zeigte er große Wandlungsfähigkeit, er drehte Komödien ebenso wie Krimis, sogar eine Dokumentation zur Geschichte des noch jungen Kinos findet sich in seiner Filmographie[3]. In den dreißiger Jahren drehte der Franzose seine größten Erfolge und gelangte zu Ruhm. 1938 ging der Duvivier zu Metro-Goldwyn-Mayer nach Hollywood, um noch im gleichen Jahr wieder enttäuscht zurückzukehren. Doch es sollte nicht der letzte Aufenthalt im Mekka der Filmwirtschaft sein: Nur zwei Jahre später waren es politische Gründe, die den Regisseur ins Exil in die Filmmetropole trieben. Nach Kriegsende kehrte Duvivier wieder in seine Heimat Frankreich zurück. Allerdings gelang es ihm dort nicht mehr, an seine alten Erfolge anzuknüpfen. Für die „Nouvelle Vague“[4],die Frankreichs Kinos erfasst hatte, gehörte sein Stil zu „Väterchens Kino“ (Koeber 1999, S. 193). Für Duvivier selbst sollte ein Film keine Aussage haben. „Seine Filme beschrieben zwar oft ungerechte Zustände, sie bewerteten diese jedoch nicht.“(Koeber 1999, S. 194).
3.Der deutsch-französische Film der zwanziger und frühen dreißiger Jahre
Die Situation der deutsch-französischen Filmindustrie in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren wird von vielen wirtschaftlichen, politischen und technischen Faktoren gekennzeichnet, die sich teilweise reziprok beeinflussen. Als Variablen sind beispielsweise die Konkurrenz mit der amerikanischen Filmindustrie, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die schwache Konjunktur, der Ausgang des ersten Weltkriegs sowie die Einführung des Tonfilms zu nennen.
Eine Zusammenarbeit zwischen den Filmindustrien Frankreichs und Deutschlands ist kein Ergebnis der Zeit der Weltwirtschaftskrise. Vor dem ersten Weltkrieg kamen die meisten der in Deutschland gezeigten Filme aus Frankreich. Auch nach dem Ende des Krieges 1918 rissen die Filmbeziehung trotz Ressentiments auf beiden Seiten nicht ab. Zwar wollte die französische Bevölkerung ebenso wie die Regierung keine deutschen Produktionen, doch unter falschen Herkunftsbezeichungen schafften es in Deutschland produzierte Streifen doch in die französischen Kinos. Nach 1924 kam es aus wirtschaftlichen Gründen wieder zu einem verstärkten Filmaustausch. Die europäische Filmindustrie versuchte so, sich gegen den immer stärker werdenden amerikanischen Filmmarkt zu behaupten. „ Die bedeutendsten Filmländer des europäischen Kontinents sind Frankreich und Deutschland; sie allein waren in der Lage, sich gegen das kapitalkräftige Filmamerika zu erhalten“ (Jason in Sturm/Wohlgemuth, S.54). Berlin entwickelte sich dabei zur Filmmetropole: Bis 1939 wurden in Babelsberg Produktionen mit französischen Stars unter französischen Regisseuren gedreht. Mit dem Tonfilm kamen ab der Mitte der zwanziger Jahre neue Probleme auf die europäische Filmindustrie zu: Der europäische Filmmarkt war nicht homogen. Das erschwerte die Filmproduktion und trieben die Kosten in die Höhe. Im Gegensatz hierzu stand der nordamerikanische Markt, der sowohl kulturell als auch sprachlich einen „Melting Pot“, einen Schmelztiegel, darstellt, in dem das englische Element eine nivelierende Funktion hat (vgl. Röscheisen 1997, S. 77f.).
3.1 Strategien zur Kostensenkung bei europäischen Filmen
Durch die Vielzahl der Staaten, Sprachen und Produktionszentren waren die Produktionskosten in Europa im Verhältnis zu den erreichten Zuschauern sehr hoch. Aus diesem Grund versuchten die europäischen Filmproduktionsfirmen bei möglichst niedrigen Produktionskosten eine möglichst hohe Zahl von Rezipienten anzusprechen. Hierbei zeigten sich besonders die kulturelle Vielfalt und die Sprachvielfalt in Europa als problematisch. Wegen der kulturellen Unterschiede in den Zielländern wurden schon Stummfilme spezifisch auf die Zielmärkte zugeschnitten[5]. Zwar spielten hier die gleichen Schauspieler in allen Versionen , doch der Verlauf der Handlung unterschied sich durch die unterschiedliche Montage zum Teil erheblich[6]. War es bei Stummfilmen noch relativ einfach die kurzen Zwischentexte in der jeweiligen Sprache einzubinden, bedurfte es beim Tonfilm höherer Anstrengungen, eine Produktion für alle Zuschauer verständlich zu machen.
3.1.1 Sprachversionen
Eine Möglichkeit, einen Stoff für verschiedene Märkte aufzubereiten bestand darin, Filme mit dem gleichen Plot am gleichen Set mit teilweise unterschiedlichen Darstellern in verschiedenen Sprachen zu drehen. Dadurch ergaben sich Synergieeffekte bei der dramaturgischen Umsetzung des Drehbuchs. Außerdem mussten für die Sprachversionen Kulisse und Requisite nur einmal bereitgestellt werden. Allerdings blieben die reinen Kosten für die Produktionszeit gleich. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist „Der Kongress tanzt“ von Eric Pommer (1931). Der Film wurde für den deutschen, den französischen und den angloamerikanischen Markt produziert. Lilian Harvey, die zweisprachig aufgewachsen war, spielte in allen drei Versionen die weibliche Hauptrolle. Ihre Partner waren Willy Fritsch in der deutschen Version und Henry Garat in der französischen und englischen Version (vgl. Sturm/Wohlgemuth, S. 172 f.). Auch „Die drei von der Tankstelle“ wurde in mehreren Fassungen produziert.
3.1.2 Nachsynchronisation
Die Nachsynchronisation war Ende der zwanziger Jahre unbeliebt, das Publikum hatte Probleme die Schauspieler den Stimmen zuzuordnen. Besonders die oftmals schlechte Lippensynchronizität wurde bemängelt. Joseph Garnarz sieht aber auch die Bevorzugung einheimischer Stars als Grund für die starke Abwehrhaltung in dieser Zeit. An erster Stelle standen nach Garnarz die inländischen Stars in der Gunst des Publikums, an zweiter Stelle amerikanische und erst danach folgten die Stars anderer europäischer Länder. Mit der steigenden Qualität der Synchronisation legte sich das Missfallen an diesen Filmen, dennoch wurden bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts Sprachversionen gedreht, obwohl synchronisierte Filme wesentlich wirtschaftlicher zu produzieren waren. (vgl. Garnarz in Sturm/Wohlgemuth, S.127 ff)
3.1.3 Untertitel
Nachteil der Untertitelung ist, dass der Leser während er dem Film folgt, die Schrift unter dem Bild lesen muss. Der Zuschauer würde dadurch ermüdet, überbeansprucht, nervös gemacht und gehetzt, befürchtet Andor Kraszna-Krausz 1931 (vgl. Garnarz in Sturm/Wohlgemuth, S. 130 f.). Zudem bleibe dem Film eine gewisse Fremdheit durch die fremde Sprache eigen, was zur damaligen Zeit besonders in Frankreich kritisch gesehen wurde.
3.1.2 Zweisprachige Produktionen
Eine andere, noch günstigere Möglichkeit als der Dreh von Sprachversionen oder Synchronisation eines Films war die Produktion von mehrsprachigen Filmen, wie in „Allô Berlin? Ici Paris!“. Hier spielt die Handlung in einer mehrsprachigen Umgebung, die Darsteller sprechen vorwiegend ihre Muttersprache. Der Film musste also nur einmal gedreht werden, um auf verschiedenen Filmmärkten abgesetzt werden zu können. Allerdings beschränkte sich dies auf die Gebiete, in denen die im Film gesprochenen Sprachen heimisch waren oder verstanden wurden. Auch war die Zahl der halbwegs logischen Themen durch die Verwendung mehrerer Sprachen eingeschränkt. Ein weiteres Problem war die Akzeptanz der zweiten Sprache beim Publikum. Im Jahre 1930 ergab eine Umfrage unter den Berufsverbänden der Kinobesitzer in mehreren europäischen Ländern, „dass fremdsprachige Filme beim Publikum generell auf Ablehnung stoßen“ (Garnarz in Sturm/Wohlgemuth, S. 130).
[...]
[1] Kulturwissenschaften oder Cultural Studies sind ein keine eigenständige Forschungsrichtung, sondern eine interdisziplinäre Herangehensweise. Es gibt verschiedene Definitionen der kulturwissenschaftlichen Arbeitsweise, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Allen gemein ist jedoch der radikale Kontextualismus. Lawrence Gossberg stellt hierzu fest, dass „kein kulturelles Produkt und keine kulturelle Praxis außerhalb des kontextuellen Zusammenhangs fassbar sind, in dem diese stehen“ (Grossberg in Hepp, S.17).
[2] Vor diesem Zeitraum war die Situation der Filmschaffenden von vielen Ressentiments geprägt. Caligarismus (nach dem Film „Das Kabinett des Dr. Caligari von 1920) dient als Schimpfbezeichung für die „films de boche“(vgl. Kasten in Sturm/Wohlgemuth, S. 48) Der Warenexport zwischen Deutschland und Frankreich war auch im Filmverkehr streng reglementiert, erst in den frühen zwanziger Jahren lockern sich aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen die Importbeschränkungen. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten veränderte sich das wirtschaftliche Gefüge bei den großen Produzenten, dadurch ergab sich ebenfalls eine andere Situation für die Filmindustrie als in den späten zwanziger Jahren (vgl. Korte/Faulstich S.11 ff).
[3] vgl. Koeber 1999, S. 192 f.
[4] Als „Nouvelle Vague“ wird eine Stilbewegung bezeichnet, die in Frankreich erstmals in den späten 50er Jahren auftauchte. Dabei wandten sich junge Regisseure gegen eine „zunehmende Verbiederung der Filme und die formale wie inhaltliche Vorhersehbarkeit“ in der zeitgenössischen Filmproduktion. Kennzeichnend für die „Nouvelle Vague“ ist ein Aufbrechen der klassischen Erzählstrukturen. Außerdem charakterisieren die Filme eine Tendenz zu neuartigen, vorher nicht dagewesenen Schnitttechniken und surrealistische Bilder. Als Vertreter der „Nouvelle Vague“ gelten unter anderem Claude Chabrol, Louis Malle und Jean-Luc Godard (vgl. http://www.prisma-online.de/ksta/wort.html?wid=_nouvelle_vague vom 28.09.2002).
[5] Eine auf kulturelle Präferenzen zugeschnittene Filmproduktion verliert immer mehr an Bedeutung. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts ist ein „Angleichungsprozeß der Kulturen in Europa zu beobachten, dessen Medium der amerikanische Film ist“(vgl. Garnarz in Sturm/Wohlgemuth,. 136 f.)
[6] Die unterschiedliche Montage ergab sich aber weniger aus kulturellen, wie aus technischen Gründen. Da es bis 1928 nicht möglich war brauchbare Kopien von Negativen herzustellen, filmte man die gleiche Szene mit mehreren Kameras aus verschiedenen Winkeln. Die anschließende Modifikation für den gewünschten Zielmarkt war also ohne große Mehrarbeit möglich (ebd.).
- Arbeit zitieren
- M.A. Patrick Barth (Autor:in), 2002, Hallo Berlin, Ici Paris - Die Darstellung der Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11118
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