Diese Arbeit behandelt die Stellung der Frau in der deutschen Gesellschaft zur Zeit Wilhelms.
Die Rolle der Stine sowie der Mathilde Möhring, beides Frauen aus Fontanes lyrischer Hand, werden hierzu in die Gesellschaft der damaligen Zeit positioniert und analysiert.
Die deutsche Literatur wurde in all ihren Epochen sehr häufig dazu benutzt, Kritik an der bestehenden Gesellschaft zu äußern. Diese Kritik führte hauptsächlich die Missstände der unteren Bürgerschichten, aber auch die Stellung der Frau auf und wies damit zugleich auf ein stetes Ungleichgewicht in der Gesellschaft hin.
Fontane und sein Einfluss auf den bürgerlichen Realismus
Theodor Fontane als einer der wichtigsten Autoren deutscher Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts prägte nachhaltig das Bild des wilhelminischen Bürgertums seiner Zeit. Er verstand es, nicht nur die Ungerechtigkeiten gegenüber dem Kleinbürgertum offen darzulegen, sondern auch jene kleinlichen Charaktereigenschaften zu denunzieren. Auf den ersten Eindruck übt er in seinen bürgerlichen Romanen eine Gesellschaftskritik aus. Doch lässt sich bei genauerer Betrachtung seines Werkes auch eine Doppeldeutigkeit feststellen. Viele seiner Gesellschaftsromane handeln von Frauen und deren Schicksalen im wilhelminischen Reich. Allein die Titel seiner Werke, die häufig weibliche Namen tragen, unterstützen die Annahme, dass es bei Fontane eine gewisse Begeisterung für das weibliche Geschlecht gegeben haben muss. In einem Brief an Paul und Paula Schlenther schreibt er folgende Zeilen: „Wenn es einen Menschen gibt, der für Frauen schwärmt und sie beinah doppelt liebt, wenn er ihren Schwächen und Verirrungen, dem ganzen Zauber des Evatums, bis hin zum infernal Angeflogenen hin, begegnet, so bin ich es.“
Inhaltsverzeichnis
2. Einleitung
2.1 Fontane und sein Einfluss auf den bürgerlichen Realismus
2.2 Aufbau und Inhalt der Arbeit
3. Forschungsüberblick
4. Fontane, die Stellung der Frau und die bürgerliche Gesellschaft
4.1. Geschichtlicher Hintergrund und die Einbettung der Werke in diese Zeit
4.2 „Stine“ und „Mathilde Möhring“ als typische Vertreter des Berliner Romans
4.3 Theodor Fontane – begeistert von weiblichen Frauenbildern?
4.4 Die Stellung der Frau im 19. Jh. und dessen Einfluss auf die Werke
5. Hauptteil
5.1 „Stine“
5.1.1 Aufbau und Inhalt des Werkes
5.1.2 Die Positionierung der Figur Stine in dem Werk
5.1.3 Pauline Pittelkow – eine starke Frau
5.1.4 Das Verhältnis der beiden Schwestern
5.1.5 Die Verbindung Stine und Waldemar
5.1.6 Frau Polzin – Vertreterin des Kleinbürgertums
5.1.7 Die Sprache der Figuren und deren Einfluss auf das Werk
5.1.8 Der Versuch einer realistischen Interpretation der Romanfiguren
5.2 „Mathilde Möhring“
5.2.1 Aufbau und Inhalt des Werkes
5.2.2 Die Umgebung und Wohnverhältnisse der Familie Möhring
5.2.3 Die Figur Mathilde – von starken und eifrigen Wesenszügen geprägt
5.2.4 Frau Möhring – Vertreterin des Spießbürgertums
5.2.5 Die Putzkraft Runtschen – Symbol für Armut und Missstand
5.2.6 Mathilde und Hugo – Auf- und Abstieg einer bürgerlichen Frau
5.2.7 Aussage des Werkes – findet eine Emanzipation statt?
5.3 Vergleich beider Werke
5.3.1 Parallelen der Romane
5.3.2 Gemeinsame Aspekte der Figuren
5.3.3 Unterschiede der Figuren
5.3.4 Die Stellung der Nebenfiguren
6. Schluss
6.1 Die Rolle der weiblichen Figuren in den beiden Werken
6.2 Der Einfluss des Dialogs
6.3 Die realistische Frau - Unabhängigkeit oder Unterdrückung?
6.4 Fazit des Verfassers der vorliegenden Arbeit
7. Bibliographie
„Eine Frau kann nicht sie selbst sein in der Gesellschaft der Gegenwart, mit von Männern geschriebenen Gesetzen und Anklägern und Richtern, die über das weibliche Verhalten vom männlichen Standpunkt aus urteilen.“
(Henrik Ibsen)1
2. Einleitung
Die deutsche Literatur wurde in all ihren Epochen sehr häufig dazu benutzt, Kritik an der bestehenden Gesellschaft zu äußern. Diese Kritik führte hauptsächlich die Missstände der unteren Bürgerschichten, aber auch die Stellung der Frau auf und wies damit zugleich auf ein stetes Ungleichgewicht in der Gesellschaft hin.
2.1 Fontane und sein Einfluss auf den bürgerlichen Realismus
Theodor Fontane als einer der wichtigsten Autoren deutscher Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts prägte nachhaltig das Bild des wilhelminischen Bürgertums seiner Zeit. Er verstand es, nicht nur die Ungerechtigkeiten gegenüber dem Kleinbürgertum offen darzulegen, sondern auch jene kleinlichen Charaktereigenschaften zu denunzieren2. Auf den ersten Eindruck übt er in seinen bürgerlichen Romanen eine Gesellschaftskritik aus. Doch lässt sich bei genauerer Betrachtung seines Werkes auch eine Doppeldeutigkeit feststellen. Viele seiner Gesellschaftsromane handeln von Frauen und deren Schicksalen im wilhelminischen Reich. Allein die Titel seiner Werke, die häufig weibliche Namen tragen, unterstützen die Annahme, dass es bei Fontane eine gewisse Begeisterung für das weibliche Geschlecht gegeben haben muss. In einem Brief an Paul und Paula Schlenther schreibt er folgende Zeilen: „Wenn es einen Menschen gibt, der für Frauen schwärmt und sie beinah doppelt liebt, wenn er ihren Schwächen und Verirrungen, dem ganzen Zauber des Evatums, bis hin zum infernal Angeflogenen hin, begegnet, so bin ich es.“3
Unter diesem bedeutungsvollen Aspekt soll Fontanes Faszination und Sicht zu den Frauengestalten in dieser Arbeit untersucht werden. Interessant ist zudem die Frage, inwieweit sich Fontanes Haltung zu Frauen im Laufe seines Lebens verändert hat, zumal es sich bei „Stine“ um einen relativ frühen Roman von ihm handelt und „Mathilde Möhring“ eines seiner letzten Werke gewesen ist.
Fontanes Kritik an den vorherrschenden Zuständen seiner Zeit verbirgt sich hinter dem literarischen Gerüst vieler seiner Werke, die von gesellschaftlichen Veränderungen geprägt sind. In dieses Gerüst fügt er seine weiblichen Figuren, die nur allzu häufig ihre Grenzen in der von Männern dominierten Gesellschaft erkennen müssen. Resignation und Aussichtslosigkeit sind dabei ausschlaggebende Merkmale dieser Frauenromane, die auch auf eine ambivalente Meinung Fontanes bezüglich seiner weiblichen Figuren hindeuten.
Die Wahl der Werke in der vorliegenden Arbeit ist auf „Stine“ und „Mathilde Möhring“ gefallen, da sich hier die Andersartigkeit der weiblichen Darstellung und zugleich die mehrdeutigen Verweise Fontanes auf das weibliche Verhalten sehr gut nachvollziehen lassen. Während Fontanes Erzählhaltung Stine gegenüber eher mitleidsvoll und voller Sympathie wirkt, wird bei Mathilde Möhring schnell eine abwertende Haltung erkennbar. Was beide Werke verbindet, ist die Tatsache, dass in den Erzählungen Frauen behandelt werden, die mit all ihrer Stärke versuchen, aus den Zwängen des bürgerlichen Lebens auszubrechen und an ihrem Zustand etwas ändern wollen. Aus diesem Grund erscheint Fontane für die Untersuchung der indirekten Gesellschaftskritik anhand der Darstellung der Frau zur Zeit des bürgerlichen Realismus und angesichts seiner recht subtilen Haltung gegenüber dem weiblichen Geschlecht für geeignet.
2.2 Aufbau und Inhalt der Arbeit
Inwieweit eine zeitgenössische Gesellschaftskritik in Fontanes Werken „Stine“ und „Mathilde Möhring“ vorliegt, ist zentrales Thema dieser Arbeit. Zudem soll erörtert werden, welchen Aussagegehalt die Stellung der Frau in den beiden Romanen über die bürgerliche Gesellschaft hat oder ob sie lediglich für das Kleinbürgertum selbst steht. Letztlich wird der Frage nachgegangen, ob sich bei Theodor Fontanes Haltung emanzipatorische Ansätze erkennen lassen oder ob er nicht eher die geschlechterspezifischen Eigenschaften seiner Figuren zur Verdeutlichung der zu behandelnden Problematik einer Gesellschaftskritik verwendet hat.
Der erste Teil dieser Arbeit umfasst einen einleitenden Forschungsüberblick über die Verhältnisse der Zeit des Realismus sowie der Rolle der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft, der dazu dienen soll, den gesellschaftlichen Hintergrund und seine Zwänge zur Zeit Fontanes dem Leser näher zu bringen. Maßgeblich stützt sich dieser Überblick auf die vorhandene Literatur der Forschung. Im zweiten Teil wird die Stellung der Frau im kleinbürgerlichen Umfeld anhand der beiden gewählten Berliner Romane untersucht. Hier wird die Auseinandersetzung mit den Werten und Zwängen der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten ein wesentlicher Ausgangspunkt zur Interpretation der beiden Werke sein. Letztlich gilt es, Fontanes gesetzte Akzente auf soziale und gesellschaftliche Einflüsse nachzuweisen, mit dem abschließenden Versuch, Fontanes Haltung zur Frau anhand der weiblichen Frauenbilder seiner Romane zu klären. Der Schwerpunkt dieser Arbeit wird aufgrund seines umfangreichen Aussagegehalts im Wesentlichen auf der textimmanenten Analyse der beiden Romane liegen. Mit „Stine“ und „Mathilde Möhring“ wurden zwei Romane Fontanes gewählt, mit denen sich die Forschung lange nicht so intensiv auseinander gesetzt hat wie etwa mit „Effi Briest“ oder „Irrungen und Wirrungen“; dies lässt daher Raum für eine eigene und unbeeinflusste Untersuchung.
Fontane entwickelt eine ganz eigene Realität für seine Figuren und entfernt sich so gleichzeitig von der real(istisch)en Welt seiner Zeit. Seine Romanfiguren stellen zum Teil selbst einen Widerspruch zu der zeitgenössischen Gesellschaft dar, auf die sie sich beziehen. Aus diesem ambivalenten Verhältnis Fontanes zu seiner Zeit und aus der Widersprüchlichkeit seiner Figuren entstand die Intention, seine Haltung gegenüber der Frau und ihrer Rolle genauer zu definieren.
3. Forschungsüberblick
Viele Autoren haben sich in der Literatur immer wieder gerade mit den Themen des Bürgertums im ausgehenden 19. Jahrhundert und der unabhängigen Frau bei Fontane beschäftigt. Es gibt daher ein großes Spektrum an Sekundärliteratur dazu. Dennoch konnte nur ein geringer Teil dieses Materials für die Arbeit dienlich werden, da die meisten Autoren eine andere Lesart verwendet haben, als es bei der vorliegenden Arbeit der Fall ist. Trotzdem werden an dieser Stelle ein paar wesentliche Namen erwähnt, die sehr zum Verständnis und zur Definitionsklärung einiger elementarer Begriffe beigetragen haben. Insgesamt sind die beiden Werke „Stine“ und „Mathilde Möhring“ selbst derart reich an Aussagekraft, dass man ohne viel Sekundärliteratur eine ersichtliche Analyse vornehmen kann.
Wenn Antje Harnisch beispielsweise vom bürgerlichen Realismus spricht, so meint sie damit die Form des Realismus, in dem die „[...] Wirklichkeit nicht ab[gebildet wird], sondern [...] diese auf spezifische Weise her[gestellt wird].“4 Interessant erscheint daher die Frage, inwieweit der bürgerliche Realismus die Stellung der Frau tatsächlich thematisiert oder ob es sich vielmehr um eine Ausdrucksweise des Realismus handelt, die sich mit den Gesellschaftsstrukturen auseinandersetzt. Gerade Fontane steht dabei beispielhaft für diese Art des realistischen Ausdrucks. Er thematisiert in seinen Romanen neben der Gesellschaftskritik auch den Konflikt zwischen den Geschlechtern. Er behandelt sozusagen den inneren Rahmen der Gesellschaft und stellt damit gleichzeitig indirekt auch den äußeren Rahmen dar. Wenn er die Protagonisten geschickt in eine ganz subjektive Auseinandersetzung innerhalb ihrer Sphäre einspannt, so bilden diese Individuen gleichzeitig auch die Gesellschaft im Ganzen ab. Das Subjektive wird damit zum Realistischen.
Auch Mark Lehrer gibt in seinem Text „Das Paradox als Vermittler“ die Haltung der Schriftsteller zur Zeit des bürgerlichen Realismus wieder. Dort schreibt er von dem Bedürfnis der Autoren, wie beispielsweise Fontane, komplexe Aussagen in der Art und Weise zu vereinfachen, dass sie für jeden interessierten Leser zugänglich werden. Laut Lehrer erleben „[...] die Romanfiguren realistischer Schriftsteller [...] immer wieder, welche engen Schranken die Außenwelt an Lebensmöglichkeiten und dem Spielraum des Individuums setzt.“5 Genauso ergeht es auch Stine und Mathilde Möhring, die mit aller Kraft versuchen, aus den Zwängen ihrer Schicht zu entfliehen.
Als wichtigste Literatur zu dem Thema gilt jedoch „Frauenbilder in den Romanen ‚Stine’ und ‚Mathilde Möhring’“ von Agni Daffa. Dort wird die Stellung der Frau in den beiden Werken unter dem Aspekt des bürgerlichen Realismus ausführlich untersucht. Nach Daffa sind Fontanes Frauenbilder stark von der wilhelminischen Zeit geprägt, fehlender Ausdruck von Sexualität und Leidenschaft seien dafür maßgebliches Indiz. Fontane gestaltet Frauen zum Hauptthema, Männer werden hingegen zur Nebensache. Zudem macht er keinerlei Unterschiede gesellschaftlicher Zugehörigkeit seiner Figuren und legt sich zudem nie auf einen bestimmten Frauentyp fest6.
4. Fontane, die Stellung der Frau und die bürgerliche Gesellschaft
4.1. Geschichtlicher Hintergrund und die Einbettung der Werke in diese Zeit
Einleitend nun einige historische Grundlagen aus der Zeit Fontanes und dem bürgerlichen Realismus. Im 19. Jahrhundert geschieht vor allem im gesellschaftlichen Bereich ein gewaltiger Wandel, der sich auch in den verschiedenen Kunstformen auswirkt – allen voran der Literatur. Die Autoren wenden sich in dieser Zeit von einer verschönernden und nicht realen Schreibweise ab und legen Wert darauf, die Wirklichkeit und das Beobachtete literarisch wiederzugeben. Voraussetzung des realistischen Romans ist daher einzig und allein die Abbildung einer unverfälschten Realität7. Der Bürger soll durch diese neue literarische Form – den realistischen Text – aufgeklärt werden, da dieser nahezu frei von unwirklichen Anteilen verfasst ist. Der Realismus unterscheidet sich von vorherigen Literaturgattungen insofern, dass er das alltägliche Leben in einer allgemein verständlichen Art zum zentralen Thema macht. Für Theodor Fontane selbst ist der „[...] Realismus [...] der geschworene Feind aller Phrase und Überschwenglichkeit [...]“8. Fontane ist einer der Autoren, die dem durchschnittlichen Bürger diesen Realismus mit seinen Werken näher bringen möchte. Er verfasst viele autobiografische, journalistische und zeitkritische Texte, bevor er mit seinen Gesellschaftsromanen enorme Aufmerksamkeit bei den Bürgern gewinnt9. Er trifft mit seiner unverfälschten und realistischen Schreibweise den wunden Punkt der Zeit und wird daher auch schnell in allen Gesellschaftsschichten populär. Laut Helmstetter schreibt Fontane insofern realistisch, „[...] indem er einen ‚literarischen Dialekt’ (Slawinski) verwendet, der dem durchschnittlichen Publikum geläufig war und der die Annehmbarkeit (‚Akzeptanz’) für die literaturvermittelnden Instanzen garantierte.“10 Dieses durchschnittliche Publikum kommt vor allem aus der Schicht des Bürgertums, sogar zum Teil aus dem des Kleinbürgertums. Diese Bürgerschicht lebt in einfachsten Verhältnissen in den Großstädten des deutschen Kaiserreichs. Arbeit und Spießbürgerlichkeit sind hier das Maß aller Dinge. Wohlstand und sozialer Aufstieg sind nur durch die Ehe möglich. Vor diesem Hintergrund entwickelt Fontane seine Berliner Werke, die eben diese gesellschaftlichen Verhältnisse darstellen11.
Beide Werke - „Stine“ und „Mathilde Möhring“ – entstehen in dieser Zeit des deutschen Kaiserreichs unter Wilhelm II. Mit ihm, Wilhelm II., kehrt eine nationale und konservative Haltung in der Politik, aber auch in der Bevölkerung zurück, man spricht vom Wilhelminismus. Die Zeit ist vom Kampf der Regierung gegen die Sozialdemokratie und dem Aufschwung der Wirtschaft durch die Industrialisierung geprägt. In dieser Zeit wird die Stadt Berlin zu einer der führenden Industriestädte Europas12. Der Großteil der Bevölkerung gehört der Klasse des kleinen Bürgertums und dem arbeitenden Volk an. Fontane beanstandet diese Politik. Seine zeitgenössische Kritik an der preußischen Gesellschaft schlägt sich in seinen Berliner Romanen nieder, die als Hauptthema das Kleinbürgertum und dessen Versuch des Ausbrechens aus ihrer Gesellschaftsschicht behandeln. Als Realist versucht Fontane, das wahre Leben widerzuspiegeln - in all seinen Facetten und Nuancen, Abgründen und Höhen, und zwar kompromisslos und ehrlich: „Er [der Realismus] ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, [...] eine ‚Interessenvertretung’ auf seine Art.“13
Vom geschichtlichen Hintergrund aus ist das weibliche Geschlecht in dieser Zeit lange nicht derart unabhängig und frei, wie es für die moderne Frau heutzutage selbstverständlich zu sein scheint. Da Frauen zum diesem Zeitpunkt nur geringe Rechte haben und normalerweise keinen Beruf ausüben dürfen, sind sie auf eine Heirat angewiesen. Sämtliche persönliche Entscheidungsfreiheit liegen im Ermessen des Ehemanns und so ist das Leben der Frau von Unterdrückung und Bevormundung geprägt. Dieses unfreie und einfältige Leben beinhaltet weder Raum für die eigene Persönlichkeit noch Platz für Bildung oder Kreativität, lediglich für die Erziehung der Kinder und die Rolle als Ehefrau. Es gibt nur wenige Berufe, die Frauen durchführen dürfen, so etwa als Arbeiterin in der Landwirtschaft, in einer Fabrik oder als Dienstangestellte. In seltenen Fällen ist die Ausübung eines Berufes als Lehrerin oder Erzieherin möglich, da es sich hierbei um eine äußerst anspruchsvolle und mühsame Arbeit handelt14. Unter diesem Aspekt ist gerade die Laufbahn Mathilde Möhrings – wie in dieser Arbeit im Hauptteil noch ausgiebig thematisiert werden wird – umso bedeutungsvoller, denn sie besteht am Ende der Erzählung die Aufnahme zur Lehrerin und verdient sich ihren Unterhalt ohne weitere Unterstützung und entgegen jeder gesellschaftlichen Norm.
Gleichwohl sind die Romane in einer Zeit verfasst, in der Frauen erstmals anfangen, in der Öffentlichkeit ihr Recht auf Gleichstellung gegenüber dem Mann durchzusetzen15. Naheliegend ist daher, dass diese Entwicklung eine der inhaltlichen Kernaussagen Fontanes sein könnte. Während Frauen zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch in ihrer Rolle als schwächeres Geschlecht nahezu keinen Ausbruch wagen können, so festigt sich mit dem gesellschaftlichen Wandel auch ihr Status in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Rechte in Bereichen wie Familie, Ehe oder Gleichheit verändern sich nach und nach zu Gunsten des weiblichen Geschlechts16. Dennoch wirkt die Gesellschaft – insbesondere aus dem Kleinbürgertum – äußerst festgefahren in ihrer Haltung, dass sie dabei keine neuen Impulse zulassen kann und es daher gerade für die Hauptfiguren in den beiden Werken Fontanes eine immense Überwindungskraft kostet, sich aus dieser Gesellschaftsstruktur zu lösen. Vordergründig geht es daher um die Selbstbestimmung der Frau, ebenso jedoch um die allgemeine Befreiung des Bürgertums aus einer (gesellschaftlich) festgefahrenen Gewohnheit.
Fontane vereint somit in seinen Werken die zentralen Themen des 19. Jahrhunderts: Emanzipation der Frau und den Aufstieg des niederen Bürgertums17. Ähnlich merkt auch Lehrer in seinem Werk „Intellektuelle Aporie und literarische Originalität“ an, dass „Fontane [...] seine Hauptfiguren mit einem ausgeprägten psychologischen Selbstverständnis [versieht], wie es sonst bei vergleichbaren [...] Realisten nach 1850 kaum üblich war. Die einzigartige Fähigkeit von Fontanes Figuren, die gesellschaftliche Bedingtheit der eigenen Verhaltensweise zu bedenken und zu artikulieren, erlaubt es dem Verfasser, auf die [...] Enthüllungstechniken weitgehend zu verzichten.“18 Was seine Figuren so lebendig und realistisch erscheinen lässt, ist Fontanes Erzähltechnik. Er charakterisiert seine Figuren durch die Beschreibung und Darstellung ihres Aussehens und der räumlichen und gesellschaftlichen Umgebung, in der sie handeln und auftreten. Was ihm zudem zur Einordnung in die gesellschaftliche Schicht hilft, ist der Gebrauch einer bestimmten Rede- und Ausdrucksweise seiner Figuren; vor allem mittels Verwendung des Berliner Dialekts. Wenn die Erzählung von der Dialogform dominiert wird, so hat dies allein den formalen Grund der individuellen Darstellungsweise seiner Figuren. Fontane verstärkt mit den vorherrschenden dialektischen Gesprächen zudem die Ernsthaftigkeit seiner gesellschaftskritischen Aussagen.
4.2 „Stine“ und „Mathilde Möhring“ als typische Vertreter des Berliner Romans
„Stine“ und „Mathilde Möhring“ können als sogenannte Berliner Romane bezeichnet werden, da das Handlungsgeschehen im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielt. Ein besonderes Merkmal ist hier neben der Verwendung des Berliner Dialekts auch die detaillierte Erzählweise über die Umgebung, in der die Protagonisten agieren19. So spiegeln beispielsweise die Wohnverhältnisse der Figuren deren Charaktereigenschaften sehr gut wider. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird darauf erneut eingegangen.
Fontane wählt Berlin als Schauplatz seiner Romane aus, da diese Stadt mit ihrem Facettenreichtum und gesellschaftlichen sowie politischen Umständen den perfekten Handlungsrahmen bildet. Selbst Hans-Heinrich Reuter gibt Berlin in dieser Zeit den Stellenwert einer vom politischen Wandel beeinflussten und für das preußische Deutschland stehenden Großstadt, in der die gesellschaftlichen Verhältnisse in Aristokratie und Bürgertum aufgeteilt sind: „Berlin wird romanfähig für Fontane“20.
4.3 Theodor Fontane – begeistert von weiblichen Frauenbildern?
Fontane verfasste zahlreiche Romane, die sich mit der Rolle der Frau auseinander setzten - von „Cecile“ und „Grete Minde“ über „Effi Briest“ hin zu „Jenny Treibel“ und eben auch „Stine“ und „Mathilde Möhring“. In diesen Romanen werden die Frauen immer wieder in den Vordergrund gerückt und „nirgends sind die Geschichten so ausschließlich um Frauen zentriert wie bei Fontane“21. Dabei ist die alleinige Betrachtung der einzelnen Charaktere ohne deren Standeszugehörigkeit oder den gesellschaftlichen Hintergrund das wesentliche Merkmal dieser Werke. Eine Unterteilung der verschiedenen weiblichen Figuren kann insofern lediglich darin bestehen, dass es Frauentypen bei Fontane gibt, die der Zeit, in der sie agieren, entsprechen und solche, die völlig entfremdet in ihrem Zeitgeschehen erscheinen22. So stellt die Figur Stine beispielsweise ein Frauenbild dar, deren gesamtes Weltbild eher dem alten Moralbegriff vor der Zeit des Bürgertums entspricht, während die Figur der Mathilde Möhring wie auch einige weibliche Nebenrollen bei Stine – so etwa ihre Schwester Pauline – die damaligen Zustände der Gesellschaft widerspiegeln, Mathilde sogar ihrer Zeit voraus zu sein scheint.
Mark Lehrer schreibt dazu: „Zu dem Zeitpunkt, als Fontane an seinen Gesellschaftsromanen arbeitete, war der Glaube an den selbstbestimmenden freien Willen des Individuums bereits dermaßen problematisch geworden, daß Fontane – so die hier vertretene These – neue literarische Kunstgriffe ersinnen mußte, um seinen Romanfiguren einen Rest an individueller Freiheit zu gewährleisten.“23 Hinsichtlich Fontanes Werken „Stine“ und „Mathilde Möhring“ kann daher gesagt werden, dass das subjektive und nach gesellschaftlichem Aufschwung strebende Gewissen der Figuren seiner Romane eben diese neue literarische Kunstform darstellt. Denn erst wenn sich Stine gegen die Heirat mit Hugo entscheidet und Mathilde zur Witwe wird, wird den Protagonisten ihr aussichtsloses Handeln und Verharren in den alten Strukturen bewusst.
4.4 Die Stellung der Frau im 19. Jh. und dessen Einfluss auf die Werke
In ihrer Dissertation „Keller, Raabe, Fontane“ spricht Antje Harnisch von einer klaren Trennung der beiden Geschlechter im ausgehenden 19. Jahrhundert. Diese Trennung vollzieht sich ohne eine standesgemäße Einordnung und nur auf das Geschlecht bezogen: „[...] der häusliche Bereich, Emotionalität, Passivität und Natur werden dabei mit Weiblichkeit assoziiert, mit Männlichkeit dagegen Öffentlichkeit, Rationalität, Aktivität und Geschichte.“24 Die Rollen der beiden Geschlechter sind damit klar definiert und abgegrenzt. Die Frau hat in ihrer Stellung die Rolle der Ehefrau und Mutter zu erfüllen, der Mann die als Verdiener und Repräsentant. Und so verwundert es umso mehr, wenn eine Frau außer hauswirtschaftlichen und pädagogischen Tätigkeiten eine Arbeitsstelle annimmt oder sich wissenschaftlichen Studien widmet. Der öffentliche Bereich bleibt allein dem Mann vorenthalten, die Frau darf in dieser Öffentlichkeit nur in dessen Beisein agieren25.
Fontane spielt in „Stine“ und „Mathilde Möhring“ mit dem Aspekt ‚Trennung der Geschlechter’. Wenn er seine Protagonistinnen aus ihrer weiblichen Geschlechtereinordnung herausbrechen lässt, indem sie sich entgegen ihrer weiblichen Fügung alles andere als weiblich verhalten und männliche Charakterzüge annehmen, so stellt er in diesen Momenten damit die Ungleichbehandlung von Mann und Frau in Frage. Denn wenn eine Frau wie Mathilde Möhring das Vermögen besitzt, in solch männlicher Art und Weise zu handeln, um somit ihre Ziele zu erreichen, kommt damit die Frage auf, ob es überhaupt einen differenzierten Unterschied zwischen Mann und Frau gibt und die Frau nicht vielmehr durch die gesellschaftlichen Strukturen kurz gehalten wird. Unverkennbar ist hierbei, dass sich Fontane in seinen Romanen oft nicht an die Charakterisierung seiner Figuren mittels typisch weiblicher und männlicher Merkmale hält, sondern gerade im Bereich der Emotionen eine Vermischung durchführt. Diese Vermischung führt letztlich auch zur Abhängigkeit und Symbiose von Mann und Frau. Durch die Vertauschung sämtlicher stereotyper Eigenschaften der Geschlechter miteinander gleichen sich die Figuren folglich aneinander an.
Inwieweit die Unterteilung der Charaktermerkmale bei Fontane in Kooperation oder in Widerspruch stehen, wird im Hauptteil dieser Arbeit noch ersichtlich werden. Deutlich wird an dieser Stelle bereits, dass sich Fontane nicht vollständig an diese Einteilung hält, dafür ist er zu sehr kritischer Realist und hält nicht viel von einer Einteilung weiblicher Eigenschaften wie Häuslichkeit, Abhängigkeit und Tugend und den männlichen Merkmalen Aktivität, Rationalität und Stärke auf der anderen Seite; das wird bei der Untersuchung seiner Werke an vielen Stellen ersichtlich. Ein weiterer interessanter Aspekt dieser Arbeit wird zudem die Position und Zukunftsperspektiven einer unverheirateten Frau in den Werken sein. Als ein eher momentaner Zustand im bürgerlichen Realismus, handelt es sich bei den weiblichen Figuren in „Stine“ und „Mathilde Möhring“ fast ausschließlich um alleinstehende Frauen, was für diese Zeit ein eher untypisches und verpöntes Indiz ist. Eben aus diesem Grund wirken die Charaktere derart menschlich und authentisch, da das Wesen der Frauen ohne den Einfluss eines Mannes an ihrer Seite in seiner reinsten Form dargestellt und abgebildet werden kann.
5. Hauptteil
In den folgenden Textanalysen über die Romane „Stine“ und „Mathilde Möhring“ soll geprüft werden, welche Stellung Frauen jeweils in der Gesellschaft einnehmen. Es ist zudem zu untersuchen, inwieweit die bürgerliche Ideologie hier zu Tage tritt und wie sie sich auf die Protagonistinnen auswirkt. In Bezug auf die weiblichen Figuren scheinen besonders deren Rolle in den Bereichen Familie und Partnerschaft interessant zu sein. Es gilt daher herauszuarbeiten, inwieweit die Texte gegenwärtige Vorstellungen der Gesellschaft wiedergeben und ob Fontanes Haltung der zeitgenössischen entspricht. Der erste Teil diskutiert anhand von „Stine“ die verschiedenen Frauencharaktere des Kleinbürgertums. Im zweiten Teil, welcher sich auf Fontanes Werk „Mathilde Möhring“ bezieht, stehen weiblicher Ehrgeiz sowie die Wandlung der Frau von der Verlobten zur Witwe im Vordergrund. Mit einem abschließenden Vergleich beider Werke soll ein Definitionsansatz zur Stellung der Frau im bürgerlichen Realismus im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhunderts gefunden werden. In der folgenden Analyse werden bei der Kenntlichmachung der Seitenangaben für das Werk „Stine“ die Abkürzung (ST) und für „Mathilde Möhring“ das Kürzel (MM) verwendet.
5.1 „Stine“
5.1.1 Aufbau und Inhalt des Werkes
Der Roman „Stine“, von Theodor Fontane im Jahr 1890 veröffentlicht, handelt von der jungen Stine – mit richtigem Namen Ernestine Rehbein –, die in eher kleinbürgerlichen Verhältnissen mit ihrer verwitweten Schwester in der Großstadt Berlin lebt. Über ihre Schwester lernt sie einen kränkelnden Grafen kennen. Dieser verliebt sich unsterblich in sie und macht ihr nach kurzer Zeit einen Heiratsantrag. Weil Stine ihn jedoch aufgrund des enormen Standesunterschiedes nicht heiraten will, begeht der Graf schließlich Selbstmord.
Fontanes vorliegender Berliner Roman thematisiert die Problematik der Standesunterschiede seiner Zeit. Der Roman ist besonders von der Stimmung, einem typischen Großstadtbild und dem Dialekt Berlins geprägt, was ihn zu einem realistischen Werk werden lässt. Der erste Teil der Handlung spielt in der Wohnung von Stines Schwester. Mittels einer detaillierten Beschreibung der Wohnung und deren Umgebung gleich zu Beginn des Geschehens erzeugt Fontane für den Leser eine gewisse Nähe zu den Ereignissen und Figuren im Werk.
Der zweite Teil ist geprägt von der Bindung zwischen Stine und dem jungen Grafen Waldemar sowie dessen Selbstmord. Hier werden neben dem Stadtbild Berlins auch dessen vielseitige kulturelle sowie gesellschaftliche Facetten dargestellt. In diesem stärkeren Teil der Handlung werden zudem die Standesunterschiede und deren Problematik verdeutlicht.
5.1.2 Die Positionierung der Figur Stine in dem Werk
Fontane stellt Stines Charakter sehr positiv, wenn auch mit einer eher passiv geprägten Haltung dar. Eine gewisse – für das Bürgertum so typische – Kleinlichkeit und konservative Haltung Stines macht sich anhand ihrer ordentlichen Lebensweise und ihres Zeitvertreibs, der Rahmenstickereien, bemerkbar (vgl. ST9/59). Dennoch tauchen bei Stine ebenso gewisse Eigenschaften auf, die dieser kleinlichen Denkart entgegenstehen. So wird ihr Wesen als äußerst zart und intuitiv beschrieben. „Realistisch ist diese Figur durch die extreme Fehlbesetzung eines romantischen Rollenfachs“26, sagt Helmstetter über sie. Sie erkennt die Haltung ihrer Schwester an, sich von einem reichen Adligen aushalten und finanziell absichern zu lassen. Trotzdem möchte sie entgegen aller klischeehaften Vorgaben der Gesellschaft von ihrem selbst erwirtschafteten Verdienst leben und erhält dafür lediglich den Ausdruck des Bedauerns seitens ihrer Schwester: „Ach Jott; Bist du jung, Stine...“ (ST20). Dennoch zeichnet sich Stines Charakter durch ein hohes Maß an Selbstbewusstsein aus, welches unvorhersehbar und unmittelbar in der Handlung in wesentlichen Schlüsselmomenten in Erscheinung tritt. In ihrer direkten und unverfänglichen Art macht sie dem jungen Grafen Waldemar stets klar, dass sie „ein ordentliches Mädchen“ sei und eine Bindung nur auf Basis wahrer Gefühle eingehen würde, daher auch nicht sehr angetan von den Unannehmlichkeiten ihrer Schwester bezüglich ihrer bestehenden Beziehung zu dem reichen Adligen ist. Lieber verbringt sie den Rest ihres Lebens allein und in Arbeit als das Gespött der Leute zu ertragen (vgl. ST52). Stine ist eine mit sich selbst zufriedene Person, deren Anspruchslosigkeit beinahe entsagende und selbstaufgebende Züge aufweist. Diese Resignation der Protagonistin wird besonders dann deutlich, wenn sie davon spricht, wie bescheiden und glücklich sie mit ihrem eher faden Leben ist: „Aber es ist wahr, ich bin glücklich“ (ST54). Stark und unterstützend sind dabei ihr Glaube an Gott und ihre immense Güte: „[...] die Gott schon danken, wenn ihnen nichts Schlimmes passiert“ (ST55).
Im Wesentlichen werden Stines Charakter und ihre Haltung gegenüber den Dingen des Lebens besonders in den Gesprächen mit Waldemar deutlich. Ihre Kritik an der Gesellschaft, die sich zum größten Teil auf ihre eigene Schicht bezieht, wird durch die Dialoge zwischen ihr und Waldemar offensichtlich, zumal sich die Diskussion an der Gesellschaftskritik im Rahmen zweier unterschiedlicher Gesellschaftsschichten befindet; dem des Adels und dem des Kleinbürgertums. Stine verurteilt diejenigen ihrer Schicht, die auf unmoralische Weise in der Gesellschaft aufzusteigen versuchen – so wie auch ihre Schwester. Doch wenn sich Stine im Gegensatz zu den Aussagen ihres Umfelds, welches sich im Berliner Dialekt verständigt, in gehobenem und akzentfreiem Deutsch artikuliert, versucht sie sich letztlich ebenso von den Bürgern ihrer eigenen Gesellschaftsschicht abzuheben wie ihre Schwester; sie offenbart damit eine zwiespältige Haltung. Auch wenn sich das Kleinbürgertum ihrer Ansicht nach nur aus seiner Misere befreien will, handle es oftmals entgegen all seiner moralischen Werte. Nichtsdestotrotz hält sie gerade die untere Gesellschaftsschicht für ausgesprochen rechtschaffen und fleißig: „Neben ihrem [des Kleinbürgertums] bloßen Gerede, das heute so ist und morgen so, gibt es auch was, das ihnen feststeht, und das ist das Wort und die Zusage.“ (ST56f) Wie ernst diese Meinung auch vom Erzähler unterstützt wird, zeigt sich daran, dass sich im Gegensatz dazu Waldemar als Angehöriger der gehobenen Schicht sehr schwer mit der Beendigung seines Studiums tut und dieses nur durch die Motivation Stines letztlich beendet. Geistiger und praktischer Bereich treffen hierbei aufeinander.
Stine ahnt sehr früh intuitiv, dass die Verbindung zu Waldemar ein schicksalhaftes Ende für sie nehmen wird: „[...] ich habe mich nun in seine Hand begeben... Und doch, ich will nicht, will nicht (ST60)/ „[...] worauf am Anfang kein Segen lag. Es ist gegen das vierte Gebot [...] und das Unglück zieht ihm nach.“ (ST115) Einerseits macht diese besondere Feinfühligkeit Stine in der Handlung zu einem bedeutungsvollen Wesen. Vor allem ihre weibliche Empfindsamkeit machen die typischen Merkmale und Charaktereigenschaften der Frau dieser Zeit deutlich. So fällt sie bei dem Heiratsantrag von Waldemar vor lauter Aufregung in Ohnmacht (vgl. ST116) oder empfindet nach seinem Freitod solch großen Kummer, dass sie am liebsten selbst sterben möchte - „Ich wollte, es wäre so“ (ST131) – und macht damit ihre Stellung im Roman als Prototyp der Frau gegen Ende des 19. Jahrhundert offensichtlich. Helmstetter bezeichnet sie daher als „literarischen Stereotyp“27. Andererseits zeigt Stine mit ihrer romantischen Meinung über eine Vermählung mit Waldemar wiederum eher altmodische Züge eines Frauenbildes. Sie will Waldemar nicht heiraten, da sie ihm nicht zur Last fallen möchte: „Ich mag keine Kette für ihn sein [...]“ (ST112). Auf diese Weise entscheidet sie sich trotz ihrer tiefen Gefühle zu ihm mit aller Kraft und entgegen der gesellschaftlichen Norm für ein zwar verpöntes, dafür jedoch freies und unabhängiges Leben. Stines Charakter lässt sich somit nur schwer beurteilen, zumal ihr Wesen von einer Doppelseitigkeit geprägt ist. Ihre Stärke entsteht nicht durch ihr Selbstbewusstsein, sondern vielmehr durch ihren unerschöpflichen Glauben an ein tugendhaftes und autonomes Leben. Für Fontane ist Stine daher eine „sentimentale und weisheitsvolle Lise“ (ST148), die im gesamten Handlungsverlauf gegensätzlich agiert und damit ihren widerstandsfähigen Charakter unter Beweis stellt. Diese Standhaftigkeit resultiert aus einem inneren Zerwürfnis und die Frage darüber, ob ein Ausbrechen aus der eigenen Gesellschaftsschicht der sorgenfreiere Weg ist oder nicht.
Durch die Tatsache, dass Fontane die Hauptfigur Stine jedoch im Laufe des Geschehens in den Hintergrund des Handlungsgeschehens drängt, wird diese auch dem Leser nicht wirklich vollkommen zugänglich. Wie ein Entwurf nur dazu dient, dem Künstler in angedeuteter Form seine Idee zu realisieren, so unterstützt auch Stine fortwährend den Autor bei der Realisierung eines vollendeten Kunstmodells in Form von starken und aussagekräftigen Nebenfiguren – wie beispielsweise Stines Schwester Pittelkow oder dem alten Grafen. Stine ist damit für den Leser Wegbereiterin zum Kern der Erzählung.
Ihre Charakterisierung ist demzufolge auch recht mehrdeutig. Sie ist einerseits eine sehr emotionale Frau, die ihr Ziel der Unabhängigkeit und Selbständigkeit klar vor Augen hat. Andererseits lässt sie nur in wenigen Momenten Gefühle zu und scheint immer irgendwie kontrolliert und dennoch abwesend. Sie wirkt letztlich im großen und ausdrucksstarken Berlin des 19. Jahrhunderts verloren und zerbrechlich. Genauso nüchtern bleibt daher auch der Ansatz einer Charakterisierung ihrer Figur. Grund für diesen schwachen Ausdruck ist ihre Lebensweise, in der sie sich den bürgerlichen Normen angepasst hat und die Angst, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens ebenso wie ihre Schwester als Geliebte endet. Diese wankelmütigen Züge ihres Wesens zeigen sich auch in ihrer steten Angleichung der eigenen Ausdrucksweise und Sprache sowie anhand der Tatsache, dass ihre Zimmereinrichtung genau wie ihr Wesen nur sehr einfach gehalten ist. Wird sie zu Beginn der Erzählung noch als „blühende Erscheinung“ (ST17) beschrieben, entwickelt sie sich im Laufe der Handlung mehr und mehr zu einer tristen und schwächlichen Frau, die jeglichen Lebensmut verliert. Der am Ende angedeutete Tod Stines unterstützt das Bild dieses durchsichtigen Wesens.
Laut Helmstetter ist Stine eine ‚Leerstelle’ im Text, genau wie Waldemar, weil man nichts Wesentliches über sie erfährt. Die Witwe Pittelkow bezeichnet er hingegen als „pralle Hauptfigur“28. Von ihr erfährt man sehr viel; ihr Charakter wird stets deutlich. Was man über Stine erfährt, ist einzig und allein ihr tugendhaftes Wesen. Sie hebt sich damit deutlich von den anderen weiblichen Figuren ab, denn sie handelt und wirkt wie ein Wesen von einem fremden Planeten. Daher passt sie auch so gar nicht in die Strukturen der unteren Berliner Gesellschaftsschicht. Mit ihrer reinen Art gleicht sie mehr einem Märchenwesen und steht somit im Gegensatz zu den anderen Protagonisten. Und weil solch eine feenhafte Gestalt in der realistischen Welt auf Dauer nicht bestehen kann bzw. das Werk mit der Zeit den Anspruch eines realistischen Werkes verliert, endet die Erzählung auch mit Stines Selbstaufgabe. Sie hört auf zu existieren, als sie erkennt, dass ihr tugendhaftes Handeln fatale Folgen mit sich bringt und zum Selbstmord Waldemars beigetragen hat. Das Unverständnis darüber raubt ihr sämtliche Lebenskraft.
5.1.3 Pauline Pittelkow – eine starke Frau
Die ältere Schwester Stines – Pauline Pittelkow – drängt sich mit ihrer ganz unkomplizierten und direkten Art im Laufe der Geschichte immer mehr in den Vordergrund der Handlung und entwickelt sich zur eigentlichen Hauptfigur des Werkes. Sie ist neugierig, wird als eine ausdrucksstarke und schöne Person beschrieben und war bereits verheiratet. Nun lebt sie als Witwe in einer Berliner Wohnung und lässt sich von einem alten Grafen mit gutem Vermögen aushalten. Stine ist für sie wie eine Tochter, sie bezeichnet Stine fortwährend als ‚Kind’. Sie fühlt sich in der Verantwortung, für Stines Wohl und eine gesicherte Zukunft zu sorgen. Sie arrangiert daher auch das Treffen zwischen Waldemar und Stine. Pauline steht als Gegenpol zu Stine. Sie ist entgegen Stines Kritik mit ihrer Situation als Mätresse zufrieden, da sie im Unterschied zu Stine nach dem Tod ihres Mannes eine Verpflichtung ihrer leiblichen Tochter gegenüber hat. Als Witwe und Mutter bleibt den Frauen zur Zeit Fontanes entweder die Möglichkeit des sozialen Abstiegs und der Verarmung oder das Eingehen eines Liebesverhältnisses mit einem wohlhabenden Mann, der im Ausgleich dazu für den Unterhalt aufkommt. Dennoch bewahrt sich Mathilde ihre Würde und Stärke. Besonders deutlich wird dies an ihrer humoristischen und scharfzüngigen Art. Zu Frau Polzin sagt sie zu Beginn des Geschehens beiläufig: „Warum nehmen sie nicht Koks...?“ (ST16) oder schneidet Grimassen; überdies macht sie sich des öfteren über den jungen Grafen Waldemar lustig. Besonders ihre Selbstironie steht für eine Selbstreflexion, die bei Stine vergeblich zu suchen ist. Das Ego und die damit verbundene Stärke dieser Figur zeigt sich auch an ihrer plumpen und direkten, teilweise sogar spöttischen Redeweise. Wenn die Witwe Pittelkow über sich sagt, es sei ihr „[...] nichts grässlicher, als immer [ihre] Visage [zu] sehn“ (ST32), so nimmt man sie als Leser sofort beim Wort. Sie verstärkt damit nicht nur den Aussagegehalt ihrer Figur, vielmehr verleiht sie dem Roman dadurch realistische Züge.
Stines Schwester ist die dominanteste und ausdrucksstärkste Figur in der Geschichte. Auch weisen der energiereiche und starke Aussagegehalt ihrer Person auf die hohe Priorität ihrer Figur in dem Werk hin. Ihr Handeln ist ausschlaggebend für den gesamten Verlauf des Geschehens. Sie ist charakterstark und eine Kämpfernatur, die für ihre Tochter und für Stine einen großen Beschützerinstinkt entwickelt. Im Gegensatz zu Stine ist bei ihr nicht das Gefühl die vorherrschende Charaktereigenschaft, sondern ihr starkes Ego. Im Gegensatz zu Stine benötigt Pauline neben einem ansprechenden äußeren Erscheinungsbild diese starke Haltung, um für das männliche Geschlecht – und dabei speziell adelige und wohlhabende Männer – interessant zu werden. Ihre Natur ist – anders als Stine – leicht und aufgeschlossen gegenüber Liebesbeziehungen wie der zu dem alten Grafen, von deren Abgaben sie lebt.
Eine gewisse abwertende Haltung des Erzählers wird bei ihr dennoch deutlich, wenn etwa ihre Ausdrucksweise eine gewisse raue Art annimmt oder sie ihre Tochter als „Dumme Jöhre!“ (ST11) bezeichnet. Auch spiegeln sich bei ihr wesentliche Charaktereigenschaften in der Wohnung wider. So mischt sie beispielsweise bürgerlicher Kram und Kitsch mit teuren Gegenständen. Welch verschiedene Stile in ihrer Wohnung vorzufinden sind, ist auch ihre Situation geprägt von einem äußerst facettenreichen Leben. Pauline teilt das gleiche Schicksal wie Stine, denn auch sie hatte eine von starken Gefühlen geprägte Bindung mit demselben Schicksal, dem Tod ihres Mannes. Sie kann daher gut Stines Trauer nachempfinden. Trotz allem ist sie die Stärkere von beiden, da sie im Gegensatz zu Stine ihren Kummer überlebt.
Die Figur der Pauline weist genau wie Stine vorausdeutende Tendenzen auf. Auch sie sieht Dinge vorher, die zu einem späteren Zeitpunkt der Handlung eintreffen. So warnt sie Stine – obwohl sie die beiden selbst verkuppelt hat – letztlich davor, den jungen Grafen zu heiraten. Sie spürt Waldemars instabile und kränkliche Verfassung, er ist in ihren Augen „ein armes, krankes Huhn“ (ST49). Sie will Stine letztlich nur vor einem Leid bewahren, welches sie bereits selbst aushalten musste: „Liebschaft is eigentlich gar nichts. Aber wenn’s hier sitzt [...], dann wird es was, dann wird es eklig.“ (ST70) Daher rät sie ihr: „[...] von ‚ne unglückliche Liebe kann sich einer noch wieder erholen [...], aber von’s unglückliche Leben nich.“ (ST71) Eine genau gegenteilige Beziehung führt sie mit dem alten Grafen, die – aus Angst vor erneuter Trauer – von Gefühlskälte geprägt ist.
Nach dem Tod Waldemars gibt Pauline dem alten Grafen die Schuld an den vorherrschenden Zuständen und der Trauer Stines, da dieser Waldemar damals mitbrachte. Pauline stößt ihre Mitschuld ab und schiebt sie dem alten Grafen alleine zu, der synonym für die obere Gesellschaftsschicht steht. Es deutet sich hier an, dass das Kleinbürgertum die Verantwortung für die schlechten Zustände seiner Schicht letztlich im Adel und dem gehobeneren Bürgertum sieht. Eine wahre Liebesbeziehung sollte ihrer Ansicht nach niemals in verschiedenen Gesellschaftsschichten stattfinden, da es nur zu Problemen und Kummer kommen kann – besser sei eine Verbindung innerhalb der eigenen Schicht.
5.1.4 Das Verhältnis der beiden Schwestern
Das Verhältnis zwischen Stine und ihrer Schwester Pauline ist sehr gut: „Ich liebe meine Schwester, und sie liebt mich“ (ST55). Laut Stine sind sie gar nicht so verschieden wie es dem ersten Anschein nach wirkt. Stine sieht ihre Gemeinsamkeit darin, dass sie beide in ihrem Grundwesen herzensgut sind, obwohl Pauline eine uneheliche Beziehung führt, die nicht auf wahren Gefühlen basiert. Sie verurteilt dennoch all diejenigen des Bürgertums, die ihre Schwester aufgrund dieser Begebenheit ablehnen; ihre Schwester ist sich fortwährend ihres Tun und Handelns bewusst (vgl. ST55). Stine verdeutlicht hier die Tatsache, dass die Leute aus dem Kleinbürgertum dazu tendieren, sich der allgemeinen Meinung anzupassen und nicht eigenständig zu denken (vgl. ST56).
5.1.5 Die Verbindung Stine und Waldemar
Das Verhältnis Stines zu Waldemar ist anfangs eher distanziert, im Verlauf der Handlung dann aber zunehmend sehr innig und belebt. Waldemar sagt über die Verbindung zu Stine an einer Stelle: „[...] alles regle sich nach einem Gesetz des Gegensatzes, das zugleich ein Gesetz des Ausgleiches ist.“ (ST93) Ihre Beziehung ist sehr ehrlich und basiert auf tiefen Gefühlen. Ihre Bindung ist derart stark, dass Stine nach Waldemars Tod in ein tiefes Loch fällt, fast als ob mit seinem Tod ebenso ein Teil von ihr gestorben ist. Am Ende des Romans wird der damit verbundene eventuelle Tod Stines aufgeworfen. Vieles deutet dennoch darauf hin, dass die Beziehung der beiden vielmehr eine Nebenhandlung darstellt als Kernthema des Romans zu sein. Helmstetter hat bereits auf diese Annahme hingedeutet und schreibt dazu: „Stine ist zu realistisch und leidenschaftslos, um sich auf eine passionierte und unpassende Liebe einzulassen, und Waldemar hat nicht das Format, seinem Selbstmord eine tragische Dimension zu verleihen.“29 Er bezeichnet Stine und Waldemar ebenso als ‚Skizze’ - „Die Hauptfiguren haben in ‚Stine’ nur den Status von Skizzen, ausgeführt sind die Nebenfiguren“30 – und stellt damit ihr Vorzugsrecht als zentrale Figuren in Frage.
5.1.6 Frau Polzin – Vertreterin des Kleinbürgertums
Frau Polzin, die Vermieterin der beiden Schwestern, steht als Gegenpol zu Stine und der Witwe Pittelkow und als typische Vertreterin des Kleinbürgertums. Ihr kleinkariertes Wesen ist geprägt von Geiz und Gier, Pedanterie und Neugierde (vgl. ST14). Das Verhalten Frau Polzins spiegelt das öde und triste Leben der unteren Schicht wider, welches ausschließlich aus Arbeit, Schlaf und Klatsch besteht. In ihrer Langeweile beobachtet sie sogar die junge Stine mit dem Grafen Waldemar in Stines Wohnung durch das Schlüsselloch (vgl. ST51). Diese Anonymität, welche Frau Polzin damit zerstört, spiegelt die fehlende Anonymität in der Berliner Großstadt wider. Gleichzeitig kann Frau Polzin auch als „wachendes Auge“ über das Bürgertum verstanden werden. Die Figuren agieren in der Welt des Stadtromans ohne Privatsphäre oder Intimsphäre. Wenn Stine und Waldemar gemeinsam in der Handlung auftreten, so findet nie ein Austausch von Intimitäten oder Zärtlichkeiten statt.
Auch die Figur der Frau Polzin weist vorausdeutende Züge auf, denn sie deutet am Ende der Geschichte Stines möglichen Tod an: „Die wird nich wieder.“ [...] „I wo. Gar nich... Das kommt davon.“ (ST132) Mit dieser Ausführung bekräftigt sie zugleich die Kernaussage des Romans, wonach der Versuch des Aufstiegs aus dem Kleinbürgertum in höhere Gesellschaftsschichten nur mit Absturz und Leid enden kann. Sie gleicht einer Kommentatorin, da sie viele Passagen darlegt, die nicht oder nur schwer durch die Dialogform wiedergegeben werden können, sie nimmt damit eine wichtige Position im Handlungsrahmen ein. So berichtet sie von vielen wichtigen Ereignissen Stines – etwa den Geschehnissen, die sie in Stines Wohnung belauscht oder Stines Rückkehr am Ende der Erzählung – und ist diejenige, die den Roman abschließt. Ihr fehlendes moralisches Verständnis dient dabei als Werkzeug, den Figuren deren eigenes Selbstbild vor Augen zu halten. Durch diese Konfrontation der Figuren mit der eigenen Identität entscheidet Frau Polzin letztlich auch über deren weiteres Schicksal. Sie prägt damit in umfassender Weise den realistischen Stadtroman.
5.1.7 Die Sprache der Figuren und deren Einfluss auf das Werk
Anhand der Sprache – dem für Berliner Romane so typischen Berliner Dialekt – werden die Verhältnisse der Protagonisten ebenfalls sehr deutlich. Während sich Frau Polzin und Pauline Pittelkow in reinem Berliner Dialekt ausdrücken, wechselt Stine in Gegenwart von Waldemar und seinen Bekannten von der Dialektform in reines Schriftdeutsch. Damit verleugnet Stine zu einem gewissen Grad ihre Herkunft und die Menschen ihrer Schicht. Sie hält sich im Beisein Waldemars für etwas Besseres – als ob sie nicht durch die Eheschließung in die gehobenere Schicht aufsteigt, sondern bereits durch Waldemars bloße Gegenwart. Die Sprache der männlichen Figuren im Roman – vorzugsweise des alten Barons und des jungen Grafen Waldemars – ist vornehm und gehoben, mittels dessen sie das Großbürgertum darstellen. Interessanterweise drückt sich auch der Erzähler in Hochdeutsch aus, wodurch er sich klar zu der Seite der gehobeneren Schicht bekennt. Obwohl man bei den männlichen Figuren eine gewisse Überlegenheit gegenüber Stine und Pauline vermutet, lassen sich bei den beiden Herren stellenweise Züge von Unsicherheit erkennen. So besteht etwa eine ‚gewisse Scheu’ der beiden Adeligen „[...] vor der älteren um ihres unberechenbaren Temperaments, vor der jüngeren um ihrer Unschuld willen“ (ST39).
5.1.8 Der Versuch einer realistischen Interpretation der Romanfiguren
Wie auch von Helmstetter bereits angedeutet, ist das Realistische an der Erzählung, dass die Figuren nicht durch eine reine Vorstellung und ein vom Autor geformtes und vorgefertigtes Bild in die Handlung eintreten, sondern durch ihre bloße Anwesenheit und ihr Agieren ihre Person dem Leser vor Augen führen31. Fontane gewährt seinen realistischen Protagonisten eine gewisse Freiheit, um ihnen so ein hohes Maß an Entwicklungs- und Entscheidungsspielraum für die ganz individuelle Präsentation ihrer Persönlichkeit zu bieten. Und so vermag es auch nicht zu stören, dass damit die Möglichkeit einer Veränderung der Verhältnisse der Haupt- und Nebenakteure entsteht, ja bei Stine sogar ein Vertauschen. Die dominante Schwester drängt Stine und Waldemar im Verlauf des Romans in den Handlungshintergrund. Peter Demetz schreibt dazu im Nachwort „Stines“, dass Fontane selbst in Briefen an Paul Schlenther und Theodor Wolff darauf hingewiesen habe, dass die beiden Figuren Pauline Pittelkow und der alte Graf „[...] ’zu den besten Figuren’ seiner ‚Gesamtproduktion’ gehörten, für ihn auch die ‚Hauptpersonen’ gewesen wären und ihre Porträtierung wichtiger als die Geschichte selbst“ gewesen sei (ST147-148). In Anbetracht der Tatsache, dass die Verhältnisse Pauline Pittelkows eigentlich den Rahmen der Erzählung ausmachen, liegt es nahe, sie als Hauptfigur zu sehen. Durch die Anwesenheit von Stines Schwester bildet sich die Handlung erst heraus.
Weder Stine noch ihre Schwester Pauline kann man als wirkliche Vertreter des Kleinbürgertums ihrer Zeit bezeichnen, zumal weder Stine mit ihrer Zartheit noch Pauline, die sich von einem reichen Baron aushalten lässt, dem aufbegehrenden und selbstbewussten unteren Stand zur Zeit Wilhelms entsprechen. Vielmehr stellen die beiden Frauen mit ihrem affektierten Handeln den unteren Stand vor der Zeit des aufstrebenden Bürgertums dar. Als Gegensatz dazu steht der gebildete Adel, der letztlich für die Veränderungen und den Umschwung der Gesellschaft verantwortlich ist. Nur mit einem gewissen Maß an Wissen erhält der Bürger Aufklärung und treibt gesellschaftliche und politische Neuerungen voran. Man kann daher das weibliche Geschlecht als Repräsentant der alten und spießbürgerlichen Welt mit ihren moralischen Werten und Tugenden ansehen, während hingegen der aristokratische Mann für die neue Welt steht, die von Aufbruchsstimmung und Aufklärung beherrscht wird. Wenn am Ende der Handlung der alte Graf Stine nach Waldemars Beerdigung im Vorbeifahren mit einem Wink seinen vollen Respekt zeigt und damit den ersten Schritt für den Willen eines gesellschaftlichen Wandels zeigt, so wird daran vor allem deutlich, dass die Gesellschaftskritik vielmehr an das Bürgertum gerichtet ist als an die Aristokratie.
Insgesamt weisen alle Personen des Romans ambivalente Tendenzen auf. Wenn Stine davon spricht, dass sie ein eigenständiges Leben ohne die Unterstützung eines Mannes führen möchte, so fragt man sich, weshalb ihre Bindung zu ihrer Schwester dann derart stark ist, dass hier unmöglich von einer Selbständigkeit Stines die Rede sein kann. Genauso ist ihre Schwester einerseits äußerst zufrieden mit ihrer Situation als Mätresse, andererseits verhält sie sich gegenüber Stine sehr moralisch, fast nonnenhaft. Und auch die Figur der alten Frau Polzin enthält viele Widersprüche, besonders in dem Moment, wo sie als einfache und derbe Hausfrau den vermeintlichen Tod Stines vorhersieht. Das Werk weist mit dem Tod Waldemars und dem scheinbaren Stines tragödische Züge auf. Diese Unebenheiten der Charaktere unterstützen jedoch zusätzlich die außerordentlich realistische Darstellungsweise der Figuren. Fontanes Gesellschaftskritik offenbart damit die Erkenntnis der problematischen und gesellschaftlichen Verhältnisse sowie die Einordnung in die Gesellschaft. Durch die Überlegenheit der Figuren entsteht die Kritik an der Gesellschaft, die Menschlichkeit einzuschränken versucht32. Bis auf Stine weisen alle Figuren ein Selbstreflexionsvermögen auf. Diese fehlende Selbsterkenntnis deutet auf eine Tendenz ständigen Abgleitens von der realen zur irrealen Welt hin. Damit der Roman jedoch nicht zu einem phantastischen Werk wird, werden die realistischen Nebenfiguren in den Vordergrund gestellt.
5.2 „Mathilde Möhring“
In der Interpretation von Fontanes Werk „Mathilde Möhring“ – 1906 postum veröffentlicht – wird der Schwerpunkt auf den verschiedenen Lebensbereichen Mathilde Möhrings liegen. Dabei wird der Text in folgende Abschnitte unterteilt: Mathilde, ihre Mutter und die Aufwartefrau Runtschen als Vertreter der Unterschicht, Mathilde und Hugo nach ihrer Hochzeit als Vertreter der oberen Mittelschicht sowie die Darstellung ihrer symbiose-ähnlichen Abhängigkeit und schließlich Mathilde als Witwe und Lehrerin zurück in der Unterschicht. Zudem wird das Verhältnis zwischen Mathilde und Hugo beleuchtet.
5.2.1 Aufbau und Inhalt des Werkes
Das Werk ist recht einfach geschrieben, so wie auch das Umfeld der Protagonistin zum Großteil in einfachen Verhältnissen spielt. Die Erzählung ist ebenso von der Dialogform geprägt, wenn auch nicht in derart langen Dialogen, wie es in „Stine“ der Fall ist und hat einen hermeneutischen und sozialgeschichtlichen Aussagegehalt. Nur wenige Figuren spielen eine wesentliche Rolle, dennoch tragen deren Charaktere und Herkunft aus den verschiedenen sozialen Schichten zur Form des Romans bei. Die zentrale Figur ist Mathilde Möhring selbst, die zwar hauptsächlich im Hintergrund agiert, dennoch mit ihrer Berechenbarkeit und ihrem Ehrgeiz zur dominanten Figur in der Erzählung wird. Der Roman ist von Mathilde Möhrings Willen, gesellschaftlichen Aufstieg zu erlangen, geprägt.
Die 23-jährige Mathilde lebt mit ihrer verwitweten Mutter in einer einfachen Berliner Wohnung. Ein junger Jurist mietet sich bei ihnen ein und wird Mathildes späterer Ehemann, durch den sie zu gesellschaftlichem Wohlstand gelangt. Als dieser jedoch nach plötzlicher Krankheit stirbt, kehrt sie in ihre alte Umgebung zurück und wird entgegen allen Vorurteilen Lehrerin.
5.2.2 Die Umgebung und Wohnverhältnisse der Familie Möhring
Die Wohnung der Möhrings ist recht dürftig und lieblos eingerichtet. Alle Möbelstücke wirken zusammengewürfelt und ohne ästhetischen Hintergedanken hingestellt. Da stehen neben der teuren Chaiselongue ein alter Bücherschrank, zwei Stühle und ein Läufer. Diese spärliche Einrichtung der Wohnung zeigt die Dürftigkeit der unteren Schicht, steht aber auch für deren Spießbürgerlichkeit. Es gibt dem ungeachtet auch wertvolles Interieur wie einen Mahagonischrank sowie ein Makart-Bouquet, die eine Anspielung auf die Gründerzeit sind und vorzugsweise in wohlhabenden Wohnungen zu finden sind. Die Familie Möhring legt großen Wert auf soziale Stellung. Wenn die alte Möhring etwa ihren teuren Chaiselongue-Sessel aus Angst vor Verschleiß nicht benutzt - „Na, doch nicht dazu“ (MM12) – oder Mathilde in ihrer selbstbewussten Art Hugo ganz genau die Hausregeln erklärt (vgl. MM8), werden diese Tendenzen besonders deutlich.
Die Möhrings nehmen nur „solide“ Leute ins Haus zur Untermiete. Es herrscht bei ihnen eine widersprüchliche Darstellung, denn Mutter und Tochter versuchen nach außen, etwas Besseres darzustellen als es der Wirklichkeit entspricht. So geben sie beispielsweise beim Besuch des Theaterstückes eines Bekannten Hugos ihre Mäntel an der Garderobe ab, obwohl sie sich dies nicht wirklich leisten können (vgl. MM30).
5.2.3 Die Figur Mathilde – von starken und eifrigen Wesenszügen geprägt
Mathilde wird sehr authentisch dargestellt und steht daher für ein besonders zeitgenössisches Frauenbild. Sie präsentiert das einfache Bürgertum, welches sich in dieser Zeit von der aristokratischen Schicht zu emanzipieren versucht. Durchsetzen kann es sich in dieser Zeit jedoch noch nicht33. Mathilde als Frau aus bürgerlichen Verhältnissen ist Symbol für diesen Befreiungsversuch und kann daher eher unter dem gesellschaftskritischen und nicht unter einem geschlechtskritischen Aspekt gesehen werden. Fontane hat in diesem Werk die äußere Gestalt der weiblichen Figur Mathilde Möhrings besonders detailliert beschrieben. Auffallend ist allem voran die Tatsache, dass er ihren hässlichen Aspekt derart klar definiert34. So beschreibt er sie als von Natur aus zu leidenschaftslos und „zu hager“ und mit einem „grisen Teint“ (MM4) ausgestattet. „Seine [Fontanes] Absicht war es wohl, eine distanzierte Beobachtung des sozialen Aufstiegs zu ermöglichen.“35 Kennzeichnend für Mathildes Wesen ist ihr berechnender Ehrgeiz und konsequenter Wille. Sie besitzt „scharfe Augen“, „viel Menschenkenntnis“ und gilt als „sehr gebildetes Mädchen“ (MM4). Sie benötigt diese Charaktereigenschaften, um ihre Ziele zu verwirklichen. Da taucht der verträumte und aus gutem Hause stammende Waldemar genau zum richtigen Zeitpunkt auf, damit sie aus den bestehenden spärlichen Verhältnissen herauskommen kann36.
Neben ihrer selbständigen und starken Art weist sie daneben konservative Züge auf. So möchte sie das Ritual der Trauung auf altmodische Weise vollziehen - „Auf dem alten Wege, ja“ (MM41). Sie bereitet die Hochzeit demzufolge nach alten Regeln und Normen vor und achtet bei der Auswahl der Gäste darauf, dass diese dem Niveau Hugos entsprechen. Den Beweis seiner Liebe möchte sie durch das Bestehen seines Examens erhalten und äußert ihm gegenüber: „Ich rechne darauf, daß du mir durch Arbeit den Beweis deiner Liebe gibst. Erst das Examen. Das andre findet sich. Da will ich schon sorgen.“ (MM41) Mathilde ist davon überzeugt, dass Hugo ein schwacher und unselbständiger Mensch ist und es daher ihre Pflicht ist, ihn zu unterstützen.
Genau wie die Figuren in „Stine“ hat auch sie vorhersehende Fähigkeiten, etwa wenn sie sich sicher ist, dass Hugo wegen des Zimmer wiederkommen wird: „[...] aber so einer sagt nie gleich ja, der besinnt sich immer [...] gleich ja oder nein sagen, das können nicht viele, und der schon gewiß nicht.“ (MM9) Damit deutet sie bereits an dieser Stelle die spätere Heirat an. Ihre Intuition wird an einer Stelle besonders deutlich, als sie von dem Verdacht überwältigt wird, dass sie zu ihrer Mutter zurückkehren wird: „Eine weimrige alte Frau, aber ich habe doch mit ihr leben können. Und vielleicht muß ich wieder mit ihr leben.“ (MM98) Auch an weiteren Stellen tritt Mathildes instinktive Wahrnehmungskraft zutage. So unterlässt sie es, ihre Mutter von der Krankheit Hugos zu unterrichten, da „[...] sie der Genesung misstraut [...].“ (MM99) Zur Trauung lädt Mathilde einzig ihre Mutter ein, denn in ihren Augen sind ihre Bekannten dafür nicht angemessen genug (vgl. MM44). Mathilde hat also auch in dieser Beziehung alle Fäden in der Hand und dominiert das Verhältnis. Sucht man nach den Ursprüngen Mathildes berechnendem Drang nach sozialer Aufwertung und Reichtum, so liegt die bereits von Gisela F. Ritchie angedeutete Annahme nahe, dass ihre Mutter mit all ihren Sorgen um die finanzielle Situation sie letztlich dazu erzogen hat, ihr Leben ganz nach sozialem Aufstieg auszurichten37.
5.2.4 Frau Möhring – Vertreterin des Spießbürgertums
Frau Möhring bildet das geistige Gegenstück zu Mathilde. Sie ist eher ungebildet und längst nicht so gelassen und entspannt wie ihre Tochter, dennoch fühlt sie sich im Grunde ihres Herzens in ihrer Rolle als Spießbürgerin wohl, wenn auch manchmal verunsichert: „[...] sage nur nicht so was Franzö’sches; ich weiß dann immer nicht recht.“ (MM13) Sie ist sich bewusst, dass ihre Bildung nicht mit der Bildung Mathildes mithalten kann und sie nicht derart sensitiv veranlagt ist wie Mathilde. Daher ist für sie auch die Ehe das höchste Bestreben einer bürgerlichen Frau. Ganz anders ist da Mathilde, die erst entgegen aller Regeln den adeligen Waldemar heiratet, sich später jedoch gegen eine erneute Heirat – der bürgerlichen Moral entsprechend – wehrt und stattdessen lieber eine Ausbildung macht. In gewisser Weise wird Mathildes Mutter von ihrer Tochter unterdrückt, denn sie lässt sich von Mathilde vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen hat. Bei Frau Möhring gibt es selbstsüchtige Tendenzen, da sie in erster Linie an sich selbst und an ihre Absicherung denkt. Beim Auszug ihrer Tochter gerät sie in wahre Angstzustände und glaubt, dass sich in Zukunft nun niemand mehr um sie kümmern wird und von nun an ganz allein auf sich selbst gestellt in der Wohnung leben muss (vgl. MM42).
5.2.5 Die Putzkraft Runtschen – Symbol für Armut und Missstand
Die alte Runtschen ist als Putzfrau bei den Möhrings angestellt, diese Anstellung beruht zum Teil auch aus Statusgründen der Möhrings. Sie ist einige Jahre älter als Frau Möhring und recht einfach gestrickt. Mathilde schämt sich zeitweise für sie, besonders nachdem sie bei Hugo eine gewisse Abneigung ihr gegenüber bemerkt hat. Auch sie lässt sich von Mathilde bevormunden und Anweisungen insofern geben, wie sie ihr Äußeres zu richten hat (vgl. MM34). Die Runtschen stellt wie keine andere Figur auf solch realistische Art und Weise Armut und Nöte des Kleinbürgertums dar. Ihr verstelltes und hässliches Aussehen steht für den Missstand und die Abhängigkeit dieser Schicht.
5.2.6 Mathilde und Hugo – Auf- und Abstieg einer bürgerlichen Frau
Bei dem ersten Treffen von Mathilde und Hugo verhält sich Mathilde sehr nachdrücklich, er dagegen eher flüchtig (vgl. MM8). Nach der Vermählung mit Hugo verändert sich Mathildes Einstellung zu Geld und materiellen Dingen deutlich. Sie legt viel Wert auf Äußeres und möchte ihre neue Situation in vollen Zügen genießen: „Ja, diese Ferienwoche! Thilde war wie nicht zum Wiederzuerkennen und schien eine Verschwenderin geworden.“ (MM52) Sie wird übermütig nach den schönen Dingen des Lebens – Theater, Kultur, Reichtum – und vernachlässigt dabei ihre Mutter. Mehr noch, sie entwickelt ähnlich ihrer Mutter eine Tendenz zu Habsucht und Egoismus. Als ihre Mutter spürt, dass sich der materielle Aufstieg nicht nur positiv auf Mathilde auswirkt, warnt sie ihre Tochter eingehend davor: „[...] ja, Thilde, das is, wo ich sage, man soll sich nich zu groß machen.“ (MM57) Der Erzähler klinkt sich an dieser Stelle in das Handlungsgeschehen ein und macht eine abwertende Aussage über die Protagonistin, die damit gleichzeitig indirekt den Leser beeinflusst und eine eher abgeneigte Haltung gegenüber Mathilde impliziert.
Die Berechenbarkeit Mathildes wird vor allem dann deutlich, wenn es nach dem Umzug in den preußischen Ort um die Einladung ihrer Mutter zu sich in die neue Bleibe geht: „Wir werden es ihr wenigstens anbieten müssen. Vielleicht, daß sie nein sagt. Ich bekenne, daß ich gerne mit dir allein wäre. Solche Freude genießt sich am schönsten zu zweien.“ (MM53) Ihre abfälligen Aussagen spitzen sich sogar noch zu - „[...] das is nich die richtige Hübschigkeit, das is, was man das Untre nennt“ (MM58) – mit dem darauf folgenden Vorwurf gegenüber ihrer Mutter, sie schade ihrem und Hugos Ansehen (vgl. MM59). Neben diesen negativen Charakterzügen fällt dennoch auf, dass Mathilde durch die Ehe leidenschaftliche Züge annimmt. Während sie vor der Ehe eher emotionslos und unberauscht schien, so verhält sie sich nun als Ehegattin entsprechend ihrer Rolle als Frau.
Mathilde ist vernünftiger als Hugo, der nicht weiß, wann es genug ist. Sie zügelt ihn nur allzu oft in seiner Unvernunft und erklärt ihm, „[...] daß [sie’s nur] gut meine mit [ihm] und [...] auch mit [sich]“ (MM62). Ihre ernste und rationale Art steht damit im Gegensatz zu Hugos unverfänglicher und leichter Art und deutet auf eine symbioseähnliche Beziehung der beiden hin. Keiner kann ohne den anderen weiterkommen oder überhaupt nur existieren. Während Mathilde Hugo motiviert und ihn bei der Beendigung seines Studiums unterstützt, sorgt er mit seinem Status und seiner Person für ihren gesellschaftlichen Aufstieg. Diese gegensätzliche Abhängigkeit wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Mathilde Hugos Stärken erkennt und diese bestmöglichst fördert, ohne ihn dabei zu sehr zu überfordern: „[...] und [wenn] sich in Hugo[s] Zügen etwas von Ermüdung zeigte, so brachte sie ein Glas Tee [...]“ (MM65). Mathilde besitzt eine äußerst gute Menschenkenntnis, denn sie erkennt schnell Hugos nur unzureichendes Lernverhalten: „Und die Bücher alle sehr gut eingebunden, fast zu gut, und sehen auch alle so sonntäglich aus, als ob sie nicht viel gebraucht wären, nur sein Schiller steckt voller Lesezeichen und Eselsohren.“ (MM16) Merkmale wie Alter und Charakter schätzt sie desgleichen gut ein. Sie begreift schnell, dass ihr Hugos Potential bei dem sozialen Aufstieg hilfreich sein kann. Einmal bemerkt sie dazu ganz unverhohlen: „Ich hänge nicht dran, es macht nur so einen Eindruck und sieht ein bißchen nach was aus und daß man doch auch mit zugehört.“ (MM28) Wenn sie mit Hugo spricht, versucht sie gehobener und gebildeter zu reden. Der Sprachwechsel des Erzählers spielt dabei eine unterstützende Wirkung: „Sie spielte es deshalb, um ihrer Reprimande noch mehr Nachdruck zu geben“ (MM33).
Mathilde wird zum rationellen und logischen Teil Hugos und sorgt mit der Einstellung „Wer was will, der muß auch was einsetzen“ (MM37) für den Erfolg ihres Mannes und den damit verbundenen einkehrenden Wohlstand. Ihre Beziehung ist geprägt von kulturellen und gesellschaftlichen Einflüssen. Mathilde erfährt durch Hugo und dessen Umfeld einen ganz neuen Erfahrungshorizont. Sie lernt die Welt der Genüsse, des Wohlstandes und sozialen Vorzüge kennen. Diese passive Lebensweise steht im Gegensatz zu der Lebensweise des einfachen Volkes, dem Kleinbürgertum. Die Welt der Aristokraten ist eine schöne Welt, in der man gebildet ist und sich auf höchstem sprachlichen Niveau unterhält, Theateraufführungen oder Kunstausstellungen besucht. Diese Ausdrucksform macht sich besonders in den literarischen Anspielungen der edlen Herren bemerkbar, etwa wenn sie Passagen aus Werken Schillers oder Goethes zitieren. Während die Aristokraten eher klangvoll und ästhetisch agieren, drücken sich die einfachen Leute intuitiver und emotionaler aus, was sich auch an der dialektreichen und plumpen Aussprache zeigt. Anhand dieser verschiedenen Ausdrucksformen wird auch der Unterschied zwischen Mathilde und Hugo deutlich. So sagt Hugo einmal über die beiden Möhrings: „Frau Möhring ist eine Philöse [Spießbürgerin] und das Fräulein ist ihre Tochter“ (MM23-24) und erkennt bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Unterschiede der Gesellschaftsschichten, in denen sie sich befinden. Dennoch ist er von Mathilde fasziniert und schwärmt davon, welch „echtes deutsches Mädchen“ sie sei (MM39). Wahre Gefühle zu Mathilde entwickeln sich bei ihm jedoch erst im Laufe seiner Krankheit.
Nachdem Hugo die Stelle des Bürgermeisters angenommen hat, regelt auch hier wieder Mathilde sämtliche Entscheidungen und stärkt ihm in seinem neuen Amt den Rücken.
Sie erledigt alle unangenehmen Angelegenheiten, zu denen Hugo selbst nicht in der Lage ist, so auch den Konflikt mit der Landrätin, indem sie unwissentlich im Namen Hugos einen Brief in der Zeitung veröffentlichen lässt, der Hugos Stellung festigt (vgl. MM84f). Daran werden ihre starken und berechnenden Charakterzüge erneut deutlich. Sie lernt schnell und eignet sich neue Fähigkeiten ohne fremde Hilfe an. Bereits in Berlin besuchte sie die dortigen Frauenhallen, um sich weiterzubilden. Einmal vergleicht sie ihre Gabe mit einer Puppe: „Wenn man erst das Gestell hat, ist es ganz leicht, eine Puppe zu machen.“ (MM87) Ihr Einfluss erstreckt sich nicht nur auf ihr privates Umfeld, sondern reicht bis in politische und kulturelle Angelegenheiten, wenn sie etwa die Unterstützung des einflussreichen Lehrers mittels einer Gehaltserhöhung „gewinnt“ (vgl. MM88). Im Grunde nimmt sie die männliche Rolle in der Ehe ein, denn sie ist gewitzter und zielstrebiger als Hugo. Doch dafür fehlen ihr wesentliche weibliche Anteile. Im Hinblick darauf könnte dies der Grund sein, weshalb Fontane die Figur Mathilde Möhring derart unsympathisch darstellt. In das Bild Fontanes passt eine unweibliche Mathilde nicht wirklich hinein, vielmehr bleibt sie ihm mit ihrer ‚Manneskraft’ eher suspekt. Die Annahme, dass Mathilde die Stärkere in der Partnerschaft ist, wird mit der Zeit auch von Bekannten Hugos und Mathildes bemerkt. So macht Isenthal, ein Freund Hugos, einmal beiläufig die Bemerkung, „[...] sie höre das Gras wachsen“ (MM88). Das hält Mathilde jedoch nicht ab, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben: „Im ganzen ließ sie sich all das aber nicht anfechten und blieb nüchtern und überlegend [...]“ (MM88).
Mathildes Gefühle zu Hugo werden an der folgenden Textpassage ausgedrückt, wenn sie über ihn sagt: „Ich möchte ihn nicht gern verlieren. Er ist so gut und hat mir eine Stellung gegeben.“ (MM98) Dies ist einer der wenigen Momente, in denen sie Emotionen zeigt. Gleichzeitig wird hier deutlich, dass ihre Gefühle zu Hugo keine tieferen leidenschaftlichen Neigungen haben. Was sie für ihn empfindet, kann eher mit einer freundschaftlichen Liebe verglichen werden. Auch wenn sie ein intuitiver Mensch ist, so bleiben ihre Gefühle gegenüber ihren Mitmenschen stets an der Oberfläche. Nach dem Tod Hugos zieht Mathilde wieder in die Berliner Wohnung ein und kümmert sich verantwortungsvoll um ihre Mutter. Hugo Aust führt dazu in seinem Text über Mathilde Möhring an, dass auch dieser „[...] negative Rückschlag der beschleunigten Glückshäufung [...] die Ehrgeizige nicht zurück[werfen kann], sondern [...] sie abermals auf dem Weg zum Erfolg [zeigt].“38 Während Mathilde im Verlaufe der Erzählung stets den Eindruck vermittelt hat, es ginge ihr nur um materiellen Status, zeigt sich am Ende der Geschichte, dass ihr auch die wirtschaftliche Absicherung und gute Versorgung ihrer Mutter und Hugos wichtig ist. Ihr ist es letztlich „gleichgiltig“, wie sich ihre finanzielle Situation nun entwickelt (vgl. MM101). Erst nach Hugos Tod erkennt sie, dass sie auch ohne ihn ihre Ziele verwirklichen kann und besteht ihr Examen zur Erzieherin. Es scheint, als ob Mathilde am Ende selbstbewusster und zugänglicher wird und an innerer Stärke und Gelassenheit gewinnt.
5.2.7 Aussage des Werkes – findet eine Emanzipation statt?
Was Mathilde zu ihrem Status der Hauptfigur macht, ist ihre Stärke und der Wille, mit dem sie aus eigener Kraft ihren gesellschaftlichen Aufstieg erwirkt hat sowie die immense Selbstüberzeugung, sich entgegen aller moralischen Werte fortwährend weiterzubilden und ihren Mann derart zu unterstützen, dass er zu Ruhm und Ehre kommt. Das Besondere an der Figur ist die Tatsache, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nimmt und ihre Träume in die Wirklichkeit umsetzt. Auch der Rückschritt in die alten Verhältnisse kann ihren Willen und ihre Würde letzten Endes nicht brechen.
Es gibt wenige Figuren in diesem Roman, dennoch sind sie strukturiert und sehr natürlich aufgebaut. Es scheint, als würde die Erzählung dadurch erst zum Leben erweckt werden. Die Figuren prägen nicht nur nachhaltig die Handlung, sondern fügen sich in diese derart ein, dass es zu einer Verschmelzung und damit gleichzeitigen Abhängigkeit zwischen Handlung und Figuren kommt. Der soziale Auf- und Abstieg sowie die Selbsterkenntnis der Protagonistin über ihr Wirken und Handeln sind das zentrale Thema des Romans. Hugo erfährt im Gegensatz zu Mathilde bereits früh diese Selbstfindung. Es muss erst der Rücktritt Mathildes in ihre alte Welt geschehen, damit sie ebenfalls zu dieser Erkenntnis findet und auch an Wärme und Herzlichkeit gewinnt - „Ich dachte, wunder was ich aus ihm gemacht hätte, und nu finde ich, daß er mehr Einfluß auf mich gehabt hat als ich auf ihn“ (MM105). Auch wenn der Rückschritt Mathildes nach Hugos Tod in ihre alten Verhältnisse im ersten Moment negativ erscheint, so ist ihr Eifer noch groß genug, sich um eine Stelle als Lehrerin zu bewerben und für ihre Mutter zu sorgen.
Es stellt sich nun die Frage, ob Fontane mit der Figur Mathilde Möhring eine emanzipierte Frau darstellen wollte oder vielmehr den bürgerlichen Drang des zweitklassigen Arbeiters nach gesellschaftlichem Aufstieg. Spricht man an dieser Stelle von einer Emanzipation, dann nur in Bezug auf das Kleinbürgertum. Wenn sich Mathilde am Ende für ein unabhängiges Leben als Erzieherin entschließt, so handelt sie entgegen dem Wunsch ihrer Mutter, sich erneut mit einem wohlhabenden Mann einzulassen. Mit dieser Ablösung von der Mutter befreit sie sich gleichzeitig von den moralischen und spießbürgerlichen Vorstellungen ihrer Schicht und nimmt ihr Leben damit selbst in die Hand. Ihre Fertigkeiten und ihr Ehrgeiz sind offensichtliche Anzeichen für eine unabhängige und moderne Frau. Und auch die Tatsache, dass sie durch die Unterstützung Hugos zu dessen stärkerem Gegenpart wird, weisen auf eine Gleichwertigkeit der Geschlechter hin.
Dennoch wird anhand der durchdachten Aussagen und Handlungen Mathildes klar, dass Fontane mit seinem Werk eher auf einen gesellschaftlichen Aufstieg des Kleinbürgers als auf die Emanzipation der Frau anspielt. Hinweise dazu macht er letztlich selbst, indem er seine eigene abwertende Haltung Mathildes in dem Roman mehrmals zutage treten lässt. Daneben tragen auch Hugos schwächliche Persönlichkeit und dessen Tod dazu bei, dass Mathilde die Rolle der emanzipierten Frau nicht ganz abgenommen werden kann.
Mathilde Möhring ist zweifelsohne eine moderne und fortschrittliche Frau, die aber auch menschliche Schwächen besitzt – doch genau diese Gegebenheiten tragen dazu bei, dass der Roman zu einem realistischen Werk und in die heutige Zeit übertragbar wird. Wesentliche Merkmale, die Mathilde als moderne Frau ausmachen, sind ihr selbständiger gesellschaftlicher Aufstieg, ihre Unabhängigkeit, ihr Einfluss auf Hugo und letztlich die Stärke, die sie sich auch nach dem Tod Hugos bewahrt.
5.3 Vergleich beider Werke
5.3.1 Parallelen der Romane
In beiden Werken greift der Erzähler nicht allzu oft unmittelbar in das Geschehen und die Figuren ein. Das Geschehen wird vielmehr durch die dialektischen Gespräche und den dialogischen Austausch der Protagonisten untereinander reflektiert. Fontane selbst beurteilt die Personen und Ereignisse nicht offensichtlich, sondern benutzt seine Figuren als Sprachrohr für seine eigene Meinung. Das Innenleben und die Gefühle der Figuren werden nur in ihren Gesprächen untereinander deutlich, der Erzähler gibt außerhalb der Dialoge nur selten dem Leser etwas von deren Empfindsamkeit preis. Sogar der bedeutungsvollste Aspekt – die Gefühlswelt – wird durch die Personen in Form des Dialoges selbst dargestellt. Die Handlung beider Romane steht größtenteils im Hintergrund. Beide Werke sind von der dominierenden Dialogform geprägt. Durch diese reine und klare Form des Erzählens wirken die Handelnden bei Fontane umso realistischer und authentischer, desto weniger sich der Erzähler in deren Welt einmischt. Die Stofflichkeit, die hierbei zudem zutage tritt, ist vollkommen losgelöst von jeglicher Subjektivität seitens des Erzählers. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen in der Handlung, wo der Erzähler direkt auf das Geschehen zugreift. Auch wenn sich der Erzähler beinahe vollständig aus dem Handlungsgeschehen heraushält, wirkt er dennoch stellenweise in das Geschehen ein, indem er beispielsweise beiläufig Bemerkungen macht wie „[...] ob der Mann mit dem Vollbart in den Zelten gewesen war, entzieht sich der Feststellung...“ (MM11). Wenn er sich etwa manch vorausdeutender Aussagen wie „Und nicht zu glauben: diese Merkwürdigkeit ward auch wirklich bemerkt “ (ST9) bedient oder Verhaltensweisen seiner Figuren wie „[...] das mehr Zweifel als Zustimmung ausdrückte“ (ST79) kommentiert, so zeigt er dem Leser, dass auch er wie seine Figuren selbst ebenfalls auf unrealistische Elemente zurückgreifen kann. Er verhält sich ähnlich einem allgegenwärtigen Zuschauer, der sich nur von Zeit zu Zeit in die Handlung einklinkt und den Figuren viel Handlungsfreiheit gewährt. Damit werden nicht nur die Figuren menschlicher und erhalten eine eigene Persönlichkeit, vielmehr nimmt die Ernsthaftigkeit Fontanes zeitgenössischer Kritik durch diese realistische Darstellungsweise zu. Allein dem Leser bleibt es somit überlassen, sich seine eigene Meinung über die Handlung und die Figuren zu bilden.
Vor allem die weiblichen Charaktere sind sehr vielschichtig und wirken nie langweilig. Sie stecken voller Ironie und tragen für die damalige Frau untypische Charakterzüge. Mathilde dominiert im Gegensatz zu Stine alle um sie herum, Schänzlin beschreibt ihre Position wie folgt: „sie [...] ’emanzipiert’ sich zweifach – als sozial Niedrigstehende und als Frau“39.
5.3.2 Gemeinsame Aspekte der Figuren
Unter Betrachtung der beiden Hauptfiguren Stine und Mathilde gibt es in den Werken zwar einige gleiche Aspekte, jedoch auch viele Unterschiede. Dieses differenzierte Verhältnis der beiden Frauen soll im Folgenden genauer untersucht werden.
Beide Werke stellen die spießbürgerliche Gesellschaft unter dem Aspekt des Aufbruchs dar. Mathilde ist sich genau wie Stine ihrer bürgerlichen Wurzeln bewusst, etwa wenn sie über sich und ihre Mutter sagt: „Wir sind artig und manierlich und immer gefällig [...] und sehen bloß, was wir sehen wollen.“ (MM13) Sie sind in diesem bürgerlichen Umfeld groß geworden, welches auch ihre Persönlichkeit beeinflusst hat. Genauso wenig wie Stine schafft es auch Mathilde nicht, dauerhaft aus ihrer Welt auszubrechen. Beiden Figuren fehlt somit die vollkommene Dominanz in ihrer Situation. Bei Stine wird eine versagte Überlegenheit durch ihre Entscheidung gegen den gesellschaftlichen Aufstieg deutlich, bei Mathilde aufgrund der Tatsache, dass sie Hugos Erfolg aus dem Hintergrund dirigiert. Dennoch sind die Gefühle zu ihren Männern echt. Ihr familiäres Umfeld weist ebenfalls Parallelen auf, denn genau wie Stines Schwester Pauline ist auch Mathildes Mutter als nächste Bezugsperson verwitwet. Zudem stammen die Männer Hugo und Waldemar aus adligen Verhältnissen und genießen ihr Leben in vollen Zügen. Diese durch die Männer dargestellte weiche Seite steht dem harten Leben des kleineren Bürgertums gegenüber. Die männlichen Figuren stehen somit als Gegensatz zum eifrigen und ehrgeizigen Volk des Bürgertums. Wenn Waldemar Stine in die Welt der Künste entführt und Hugo Mathilde die aristokratische Gesellschaft vorstellt, so treffen in diesen Momenten zwei Welten aufeinander, die dauerhaft nicht miteinander existieren können. Stine und Mathilde reagieren beide auf ihre Art und Weise menschlich und realistisch. Sie wollen letztlich aus ihrem Stand ausbrechen, jedoch merkt Stine schnell, dass sie in diese andere Welt nicht hineinpasst. Mathilde versucht hingegen mit aller Gewalt, den Ausbruch durchzusetzen und realisiert erst mit dem Tod ihres Gatten, dass auch sie dort nicht hingehört. Beide Figuren erfahren denselben Zyklus. Zu Beginn befinden sie sich in ihrer Schicht, steigen dann für einen begrenzten Zeitraum auf in die gehobeneren Kreise und landen schließlich wieder in ihrem alten Umfeld. Auch wenn der Versuch des sozialen und gesellschaftlichen Aufstiegs ergebnislos bleibt, kehren sie mit einem erweiterten Erfahrungswert zurück.
Wenn man nun an die Funktion der weiblichen Figuren in den beiden Werken denkt, so liegt die Vermutung nahe, dass sie Vertreter einer bestimmter Gesellschaftsschicht – des Kleinbürgertums – sind; wenn auch in verschiedenen Zeitepochen. Mathilde steht für das aufbegehrende Kleinbürgertum des 19. Jahrhunderts, während Stine das resignierende und unselbständige Kleinbürgertum vor der Zeit des gesellschaftlichen Aufschwungs und Wandels repräsentiert. Alle Frauen – allen voran Stine und Mathilde – können in den Romanen als Metaphern für das Kleinbürgertum gesehen werden, denn wie auch das Bürgertum zu diesem Zeitpunkt dem alten Klerus und dem aristokratischen Stand gegenüber nicht unabhängig ist, müssen gerade die Hauptfiguren erkennen, dass ein Befreiungsschlag noch nicht möglich ist. Während sich Stine danach resignierend ihrem Schicksal ergibt, kämpft Mathilde weiter und erreicht mit ihrer Anstellung als Lehrerin zumindest zu einem gewissen Grad Autonomie.
5.3.3 Unterschiede der Figuren
Doch neben dieser Situation gibt es auch Unterschiede zwischen Stine und Mathilde. Mathilde ist ehrgeizig und berechnend, eben ein Vernunftwesen. Stine ist genau das Gegenteil, eher ein Naturwesen. Wesentlicher Unterschied der beiden ist demnach der Bereich der Emotionen. Mathilde hält sich sämtliche Gefühle fern und übersteht daher auch den Tod ihres Mannes. Ihre eheliche Verbindung war nicht auf derart tiefen Gefühlen begründet. Stine hingegen empfindet solch starke Gefühle, dass sie die Heirat mit Waldemar verweigert, aus Angst, ihn damit ins Unglück zu stürzen. Während Stine selbst erkennt, dass sie nicht in die guten Kreise gehört und die Ehe aus diesem Grund ablehnt, muss Mathilde erst ihren Ehemann verlieren und dann unfreiwillig zurückkehren. Bei Stine sorgt Waldemar als treibende Kraft dafür, dass sie entgegen allen widerstehenden Versuchen in die großbürgerlichen Kreise aufsteigt, bei Mathilde ist sie es selbst, die sich ihren Weg nach oben sehr gut ebnet und ihre Absichten mit Hilfe Hugos durchführt. Stine benötigt allein ihre Äußerlichkeit, damit sich ein adliger Mann in sie verliebt, Mathilde hingegen muss neben ihrem Äußeren auch ihren Kopf einsetzten, um das Herz Hugos zu erobern. Zur Zeit Fontanes Romanen gelten Frauen eher als ‚Genussobjekt’ für Männer denn als autonomes Wesen. Somit ist auch Mathilde nicht ganz frei von dieser weiblichen Benachteiligung. Sie steht durch ihre symbiosenhafte Bindung zu Hugo fortwährend in einer Abhängigkeit zu den äußeren Umständen. Nur Stine kann sich letztlich durch ihren eigenen Tod aus den gesellschaftlichen Zwängen befreien. Indem Stine stirbt, lässt sie jedoch auch die Frage unbeantwortet, ob der Autor den gesellschaftlichen Wandel befürwortet oder dagegen ist.
5.3.4 Die Stellung der Nebenfiguren
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Untersuchung an dieser Stelle ist die Stellung der Nebenfiguren in beiden Werken. Auffallend bei Fontanes Werk „Stine“ ist, dass sich im Laufe der Erzählung mehr und mehr die Wichtigkeit der Nebenfiguren herauskristallisiert. Stines Schwester dominiert mit ihrer starken Persönlichkeit die Erzählung bis zum Ende und vertreibt damit – wie bereits erwähnt – glaubhaft und ganz ohne Absicht das Vorzugsrecht Stines als Hauptfigur. Sie weist Züge auf, über die Mathilde Möhring ebenfalls verfügt. Daher bleibt Mathilde auch in der Position der Hauptfigur. Beide Figuren, Mathilde und Pauline, sind dominant und prägen die Erzählung entscheidend. Sie handeln immer mit Bedacht und beeinflussen wesentlich die Menschen in ihrer Umgebung. Die Figur der Stine besitzt hingegen Ähnlichkeiten mit Mathildes Mann Hugo auf, denn beide erkennen von Anfang an die enormen Standesunterschiede und die damit verbundenen Probleme. Stine tendiert wie Hugo und Waldemar ebenso zu Verträumtheit und Leichtsinn. Eine weitere Analogie Stines zu der Figur Hugo ist deren Tod durch körperliche Entkräftung. Ganz anders ist da Mathilde Möhring, die am Ende der Erzählung mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Lebenskraft eine Stelle als Lehrerin erhält und genau wie Pauline Pittelkow den Tod übersteht. Stines Sicht zu einer herzlichen und ehrlichen Ehe ähneln mehr der Einstellung der männlichen Figuren als der Meinung ihrer Schwester und der Mathilde Möhrings. Die Bindung zu einem Mann ist für letztere lediglich dann sinnvoll, wenn sich der größte Vorteil daraus ziehen lässt und die Gefühle dabei außen vor bleiben. Es kann hier von einer Art Selbstschutz Paulines und Mathildes gesprochen werden, denn mit dieser berechnenden Denkweise unterdrücken sie sämtliche Optionen, verletzt zu werden. Es besteht folglich eine Dominanz der weiblichen Figuren sowie eine Trennung der verschiedenen Figuren in zwei Gruppen, einer männlichen und einer weiblichen. Zu der männlichen Gruppe gehören neben Mathilde und Pauline Pittelkow auch der alte Graf, zu der weiblichen Gruppe werden Stine, Hugo und Waldemar gezählt.
6. Schluss
Zu untersuchen bleibt, inwieweit die in den Romanen dargestellte Haltung zu Frauen mit der zeitgenössischen Stellung der Frau übereinstimmt. Des Weiteren bleibt die Frage zu klären, was Fontane letztlich dazu bewogen hat, die Frauen in seinen Romanen so zu setzen, und ob sich seine Haltung mit der Zeit verändert hat.
6.1 Die Rolle der weiblichen Figuren in den beiden Werken
Wesentliches Merkmal beider Werke ist die Ausdrucksstärke und Persönlichkeit der weiblichen Figuren. Bei Fontane wird deutlich, dass das weibliche Geschlecht nicht nur wie immer angenommen als bloßes Nebenprodukt einer Gesellschaft steht und dem Mann zu dienen hat, vielmehr zeigt sich hier eine weibliche Gedanken- und Ideenwelt, die der männlichen in nichts nachsteht. Was Fontane mit der Darstellung der weiblichen Figuren bewirkt hat, ist die angedeutete Gleichstellung der Geschlechter in einer aufbegehrenden Gesellschaft.
Objektiv betrachtet, haben weder Stine noch Mathilde Möhring den sozialen Aufstieg vollendet, sie haben dort eher vorübergehend verweilt. Beide kehren relativ gefasst in ihre gewohnten Strukturen zurück, auch wenn sie sich letztlich jede in ihrer eigenen Art und Weise dieser alten Form nicht fügen. Wenn mit dem Ende der Erzählungen auch das Leben Stines endet und Mathilde als ‚unabhängige’ Lehrerin herausgeht, so haben sie den Ausbruch aus ihrem gesellschaftlichen Gefüge zu einem gewissen Grad vollzogen bzw. zumindest einen Teilsieg erreicht. Die beiden Protagonistinnen, Stine und Mathilde, befinden sich daher in einem fortwährenden Konflikt zwischen ihrem subjektiven Bestreben und den äußeren Umständen. Auf der einen Seite steht der Drang nach einem unabhängigen und befreiten Leben, welches nur außerhalb ihrer Gesellschaftsschicht gelebt werden kann. Andererseits müssen sie auch im Laufe der Handlung erkennen, dass sie dabei jedoch einen Teil ihrer persönlichen Freiheit abgeben müssen, da sich der gewünschte Ausbruch lediglich mit der Bindung zu einem Mann durchführen lässt. Der Mann steht hier nicht allein für das dominantere Geschlecht, sondern vor allem für die stärkeren Gesellschaftsschichten. Nur wenn Adel und Aristokratie gewillt sind, einfachere und niedere Bürger in ihre Schicht aufsteigen zu lassen, kann der Aufstieg dorthin überhaupt stattfinden. Genauso vermag es bei entsprechenden Umständen wieder zu einem Abstieg zu kommen.
Dieser ist laut Lehrer dann jedoch für die Protagonisten folgenreich: „Das so häufig beschworene Moment der Desillusionierung bezeichnet eine der fast unausbleiblichen Folgen des Konflikts.“40 Diese dadurch resultierende Desillusionierung der Protagonisten stellt Fontane vor allem dann in seiner intensivsten Form dar, wenn er seine Figuren äußerst unsympathisch erscheinen lässt. Mathilde erfährt dies dabei in intensivster Weise.
Fontane stellt in beiden untersuchten Werken eine Vielschichtigkeit weiblicher Charaktere und einen Reichtum an Frauentypen vor. Jede einzelne Darstellung der weiblichen Figuren weist ganz eigene Züge auf und prägt somit nachhaltig das Bild der Frauengestalten dieser Zeit. Jede Frau offenbart dem Leser facettenreich das anspruchslose Leben im Kleinbürgertum. Die zahlreichen Auseinandersetzungen der Figuren untereinander stehen unterschwellig auch für eine beginnende Veränderung der Gesellschaft. Jede Figur kann in die heutige Gesellschaft transformiert werden, weil sie von Fontane nicht stereotypisch, sondern als zeitlose und individuelle Charaktertypen dargestellt werden. Bereits Agni Daffa merkt in ihrer Dissertation dazu an, dass „[...] die Figuren [...] gleichwohl eine vom Erzähler autonome Existenz für sich zu beanspruchen scheinen“41.
6.2 Der Einfluss des Dialogs
Wenn Fontane die Handlung in Dialogform wiedergibt, so nimmt er sich gleichzeitig als einflussreicher Erzähler zurück und lässt den Akteuren mehr Handlungsspielraum. Zugleich gewinnen die Protagonisten dadurch an Menschlichkeit und Ernsthaftigkeit. Diese realistische Art des Erzählens erinnert damit mehr an einen wissenschaftlichen Befund, der rein objektiv zustande kommt als an eine literarische Kunstform. Mit dieser dadurch entstehenden Distanz schafft Fontane jedoch Raum für die individuelle und ganz persönliche Haltung des Lesers zu den Werken und deren Figurentypen. Diese Art des Schreibens bietet mehr Platz und Möglichkeiten zur eigenen Interpretation der Texte. Indem Fontane seinen persönlichen Einfluss auf seine Werke in einem gewissen Maß unterbindet, bietet er dem Leser ein Gerüst zu ganz neuen Interpretationsansätzen an.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die Wahl der Dialogform Fontanes könnte sein, dass die Erkenntnis der Figuren über deren eigene gesellschaftliche Stellung durch die Verwendung der auktorialen Erzählweise zu einer Abminderung des Aussagegehalts führt. Die Figuren sind bei Fontane in der Lage, die Stellung ihrer Person und Charakterisierung selber zum Ausdruck zu bringen. Mark Lehrer erklärt die Wahl des Erzählstils so:
„Der Schriftsteller des ausgehenden 19. Jahrhunderts mußte seinen Figuren einen Handlungsspielraum individueller Freiheit und Verantwortung erst sichern, da es ihnen nicht mehr unbedingt von vornherein zugestanden war.“42
6.3 Die realistische Frau - Unabhängigkeit oder Unterdrückung?
In Anbetracht der Tatsache, dass Theodor Fontane seine weiblichen Charaktere auf eine oft sehr ironische Art und Weise darstellt, scheint er seine weiblichen Figurentypen in beiden Werken nie vollkommen ernst zu nehmen. Somit lässt sich die bereits erwähnte Andeutung einer von der Emanzipation abgekehrten Haltung zum weiblichen Geschlecht bei ihm feststellen. Mehr noch, je eigenständiger und stärker er seine weiblichen Charaktere kreiert hat, desto abweisender stellt er sich ihnen gegenüber. Wenn er die elfenhafte Stine in ihr Unglück rennen lässt, so tut er dies dennoch auf eine äußerst behutsame Art und Weise und nicht in dem Maße, wie es letztlich bei Mathilde Möhring der Fall ist. Sie wird erst durch den Verlust ihres Mannes in ihrem Aufstreben gebremst. Einzig ihren immensen Ehrgeiz und die Stelle als Lehrerin lässt Fontane ihr am Ende. Damit vermittelt er dem Leser, dass er einen Ausbruch des weiblichen Geschlechts aus den gesellschaftlichen Zwängen nicht wirklich duldet und es letztlich auch keiner Frau zutraut. Die Frau bleibt damit das untergeordnete Geschlecht und bis zu einem gewissen Grad abhängig vom Mann. Nur innerhalb der eigenen Strukturen kann sie sich weiterentwickeln. Daher unterstützt er auch glaubhaft Mathildes Entscheidung, die Lehrerausbildung abzuschließen. Solange es zu keiner gesellschaftlichen Veränderung kommt, bleibt alles beim Alten. Agni Daffa spricht in ihrer Dissertation von einer so genannten ‚Vermännlichung’ der Frau, wenn der Emanzipations-Prozess weiterhin so rasch voranschreite. Diese ‚Vermännlichung’ entsteht durch die Selbständigkeit der Frau, denn wenn Frauen die gleichen Rechte wie Männer in Anspruch nehmen können, werden sie dadurch auch männliche Züge bilden und ihre ursprüngliche Aufgabe und Bestimmung als Frau (Kinder, Haushalt und Ehe) tritt somit in den Hintergrund43. Doch nur solche Innovationen treiben eine Entwicklung der Gesellschaft letztlich voran. Ob Fontane mit der zarten Stine und der energischen Mathilde typische Frauenbilder seiner Zeit abgebildet hat, lässt sich nicht konkret beantworten. Sicher ist nur, dass es zu seiner Zeit wenige Frauen gegeben hat, die eine derartige Stärke besaßen, wie es bei Mathilde Möhring der Fall gewesen ist. Stine hingegen passt schon eher in die damaligen Verhältnisse, auch wenn sie mit ihrer Sentimentalität dem weiblichen Frauenbild ebenfalls nicht vollkommen entsprochen haben kann. Naheliegend ist, dass Fontane zwei ihrer Zeit nicht entsprechende Individuen schuf, um mit ihrer Andersartigkeit den Aussagewert seiner Kritik zu erhöhen. Nur unter Betrachtung dieser besonderen Figuren werden die allgemeinen Umstände für den Leser zutage gefördert.
Was hier letztlich von Fontane auf originelle und zugleich vollkommen ironische Art und Weise aufgezeigt wird, ist ein realistisches Bürgertum, welches an seinen alten Werten und Gewohnheiten mit aller Macht festhalten will und sich damit selbst widerspricht. Daffa sieht in Fontanes Ironie sogar einen noch wesentlicheren Stellenwert. Für sie ist seine Spöttelei eine Abschwächung des tragischen Moments und schreibt dazu: „So wurde die Tragik bei ihm durch die verklärende Macht des Humors gemildert. Die Ironie in seinem Romanwerk überdeckt die Schärfe der Kritik, aber verdeckt sie keineswegs.“44 Fontane konzipiert seine Literatur daher auch für jenes Bürgertum. Bei seinen Werken handelt es sich um eine unterschwellige Gesellschaftskritik, die eine Auseinandersetzung der verschiedenen Schichten an den bestehenden Umständen aufzeigt45.
6.4 Fazit des Verfassers der vorliegenden Arbeit
Das Ziel dieser Arbeit war eine Analyse der Frauengestalten in Fontanes Werken „Stine“ und „Mathilde Möhring. Zudem sollte neben der Stellung der Frau im bürgerlichen Realismus des 19. Jahrhunderts ebenso Fontanes eigene Haltung zu den Frauen untersucht werden. Es gibt einige weitere interessante Ansatzpunkte – darunter die Aspekte Liebe und Sexualität sowie die nähere Untersuchung vieler Nebenfiguren – zu diesem Thema, dies hätte jedoch den Rahmen der Arbeit gesprengt.
Im Laufe der Untersuchungen hat sich herauskristallisiert, dass Fontane Frauen weder als unterwürfig noch als besonders emanzipiert sah. Seine Haltung zur Frau veränderte sich bis zum Schluss nicht. Es ist eine Zerrissenheit bei ihm zu erkennen, die zwischen Faszination und Widerwillen schwankt. Er benutzt die verschiedenen Frauenbilder als literarische Mittel, um dem Handlungsgeschehen seiner Berliner Romane realistischere Züge zu verleihen. Mit der Darstellung der elfenhaften Stine und der energischen Mathilde zeigt Fontane auf besondere Art und Weise seine diskrepante Haltung gegenüber der zeitgenössischen Gesellschaft. Er selbst fand letztlich die schönste Definition für den bürgerlichen Realismus: „Das Leben ist doch immer nur der Marmorsteinbruch, der den Stoff zu unendlichen Bildwerken in sich trägt; sie schlummern darin, aber nur dem Auge des Geweihten sichtbar und nur durch seine Hand zu erwecken.“46
7. Bibliographie
Primärliteratur:
Fontane, Theodor: Stine. Insel Verlag, Frankfurt am Main, 1986.
Fontane, Theodor: Mathilde Möhring, Klett Verlag, Stuttgart, 2005.
Fontane, Theodor: Realismus. In: Theorie des bürgerlichen Realismus. Eine Textsammlung. Hrsg. von Gerhard Plumpe, Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart, 1985.
Fontane an Paul und Paula Schlenther, Berlin, 6. Dezember 1894. In: Theodor Fontane: Fontane. Werke, Schriften und Briefe. Band 4, Abteilung IV. Briefe, 1890-1898. Hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, Hauser Verlag, München, 1982, Seite 405 f.
Sekundärliteratur:
Aust, Hugo: Mathilde Möhring. Die Kunst des Rechnens. In: Interpretationen. Fontanes Novellen und Romane. Hrsg. von Christian Grawe. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart, 1991, Seite 275-295.
Karen Bauer: Fontanes Frauenfiguren: zur literarischen Gestaltung weiblicher Charaktere im 19. Jahrhundert. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 2002.
Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“: Untersuchungen zu Fontane. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 1998.
Dittmann, Dr. Ulrich: Theodor Fontane. Stine. In: Kindlers neues Literatur-Lexikon. Hrsg. von Walter Jens. Kindler Verlag GmbH, München, 1989, Band 5, Seite 675.
Forderer, Christof: Die Großstadt im Roman. Berliner Großstadtdarstellungen zwischen Naturalismus und Moderne. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 1992.
Grages, Lore: Frauengestaltung bei Theodor Fontane. Buchdruckerei G. Otto, Heppenheim, 1931.
Harnisch, Antje: Keller, Raabe, Fontane: Geschlecht, Sexualität und Familie im bürgerlichen Realismus. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main, 1994.
Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes. Fontane und die öffentlichkeitsgeschichtlichen Rahmenbedingungen des Poetischen Realismus. Wilhelm Fink Verlag, München, 1997.
Ibsen, Henrik: Nora (Ein Puppenheim) – Nachbemerkungen. Reclam Verlag, Stuttgart, 2004.
Lehrer, Mark: Intellektuelle Aporie und literarische Originalität: wissenschaftsgeschichtliche Studien zum deutschen Realismus: Keller, Raabe und Fontane. Peter Lang Publishing, Inc, New York, 1991.
Reuter, Hans-Heinrich: Fontanes Realismus. In: Fontanes Realismus. Wissenschaftliche Konferenz zum 150. Geburtstag Theodor Fontanes in Potsdam. Vorträge und Berichte. Hrsg. von Hans-Erich Teitge und Joachim Schobeß. Akademie-Verlag, Berlin, 1972, Seiten 25-64.
Ritchie, Gisela F.: Der Dichter und die Frau: literarische Frauengestalten durch drei Jahrhunderte. Bouvier Verlag, Bonn, 1989.
Schänzlin, Gertrud: Lebensversuche von Frauen. Ingeborg Drewitz: Oktoberlicht oder Ein Tag im Herbst; Theodor Fontane: Mathilde Möhring; Marlen Haushofer: Die Wand. Klett Verlag, Stuttgart, 1989.
Ziegler, Edda: Theodor Fontane. Lebensraum und Phantasiewelt. Eine Biographie. Veröffentlicht unter der Mitarbeit von Gotthard Erler. Aufbau-Verlag, Berlin, 1996.
[...]
1 Ibsen, Henrik: Nora (Ein Puppenheim), S. 95.
2 vgl. Fontane, Theodor: Realismus. In: Theorie des bürgerlichen Realismus, S.12 f.
3 Fontane an Paul und Paula Schlenther, Berlin, 6. Dezember 1894. In: Theodor Fontane: Fontane. Werke, Schriften und Briefe, S. 405 f.
4 Harnisch, Antje: Keller, Raabe, Fontane, S. 5.
5 Lehrer, Mark: Intellektuelle Aporie und literarische Originalität, S. 2.
6 vgl. Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“, S. 8 f.
7 vgl. Reuter, Hans-Heinrich: Fontanes Realismus, S. 45.
8 Fontane, Theodor: Realismus. In: Theorie des bürgerlichen Realismus, S. 144.
9 vgl. Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“, S. 47.
10 Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 102.
11 vgl. Ziegler, Edda: Theodor Fontane. Lebensraum und Phantasiewelt, S. 211f.
12 vgl. Engels, Friedrich: Revolution und Konterrevolution in Deutschland. MEW 8. Dietz Verlag. Berlin (DDR). 1960, S. 9-10. Ausschnitt. In: Theodor Fontane: Mathilde Möhring, S. 119.
13 Fontane, Theodor: Realismus. In: Theorie des bürgerlichen Realismus, S. 147.
14 vgl. Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“, S. 25 f.
15 vgl. Bauer, Karen: Fontanes Frauenfiguren, S. 11.
16 vgl. Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen “Stine” und “Mathilde Möhring”, S. 42 f.
17 vgl. Reuter, Hans-Heinrich: Fontanes Realismus, S. 62.
18 Lehrer, Mark: Intellektuelle Aporie und literarische Originalität, S. 113.
19 vgl. Forderer, Christof: Die Großstadt im Roman, S. 10f.
20 Reuter, Hans-Heinrich: Fontanes Realismus, S. 53.
21 Ziegler, Edda: Theodor Fontane. Lebensraum und Phantasiewelt, S. 211.
22 vgl. Grages, Lore: Frauengestaltung bei Theodor Fontane, S. 6.
23 Lehrer, Mark: Intellektuelle Aporie und literarische Originalität, S. 101.
24 Harnisch, Antje: Keller, Raabe, Fontane, S. 8.
25 Ebd., vgl. S. 9.
26 Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 153.
27 Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 10.
28 vgl. Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 160.
29 Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 153.
30 Ebd., S. 153.
31 vgl. Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 160.
32 vgl. Dittmann, Dr. Ulrich: Theodor Fontane. Stine. In: Kindlers neues Literatur-Lexikon, S. 675.
33 vgl. Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine” und „Mathilde Möhring”, S. 18 f.
34 vgl. Ritchie, Gisela F.: Der Dichter und die Frau, S. 168.
35 Schänzlin, Gertrud: Lebensversuche von Frauen, S. 39.
36 vgl. Bauer, Karen: Fontanes Frauenfiguren, S. 249.
37 vgl. Ritchie, Gisela F.: Der Dichter und die Frau, S. 173.
38 Aust, Hugo: Mathilde Möhring. Die Kunst des Rechnens, S. 282.
39 Schänzlin, Gertrud: Lebensversuche von Frauen, S. 34.
40 Lehrer, Mark: Intellektuelle Aporie und literarische Originalität, S. 3.
41 Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“, S. 125.
42 Lehrer, Mark: Intellektuelle Aporie und literarische Originalität, S. 113.
43 vgl. Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“, S. 46.
44 Daffa, Agni: Frauenbilder in den Romanen „Stine“ und „Mathilde Möhring“, S. 50.
45 vgl. Helmstetter, Rudolf: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes, S. 30.
46 Fontane, Theodor: Realismus. In: Theorie des bürgerlichen Realismus, S. 146.
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- Kai Nellinger (Autor:in), 2007, Die Frau und die bürgerliche Gesellschaft. Fontanes "Stine" und "Mathilde Möhring", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111354