Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem typischen Gedicht des Barock, dem Sonett „Threnen des Vatterlandes / Anno 1636“, das der Autor Andreas Gryphius unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges schrieb. Zentrales Thema, wie bei vielen Gedichten des Barock, insbesondere bei Gryphius, ist die Vergänglichkeit des irdischen Glücks. Die Kriegsgräuel, die im Namen der Religion von allen politisch-konfessionellen Kriegsparteien begangen wurden, stellen für die religiösen Menschen dieser Zeit den christlichen Glauben in frage. Die Gegner im Religionskrieg verursachten im Namen der Religion apokalyptische Kriegsauswirkungen. Vor diesem Hintergrund kann das Sonett als Aufforderung zur Glaubensfestigkeit verstanden werden.1 Für die betroffenen Menschen müssen diese apokalyptischen Taten im Namen des Glaubens ein kaum zu überwindender Widerspruch gewesen sein. Wird dieser Widerspruch, der die Unsicherheit im Glauben verursacht, vom Autor aufgelöst? Die Frage stellt sich nach der „Rolle“ des Autors. Der Widerspruch zwischen dem Festhalten an der christlichen Heilslehre einerseits und der Erschütterung der Glaubensfestigkeit durch den Konfessionskrieg andererseits, muss sich auch Gryphius selber stellen. Muss sich also der Autor durch sein Gedicht der eigenen Glaubensfestigkeit versichern? Ob dieser Widerspruch vielleicht auch nur scheinbar für den heutigen Leser vorhanden ist, soll untersucht und mögliche Antworten aufgezeigt werden. Darüber hinaus werde ich auf den strukturellen Aufbau und verwendete barocke Stilmittel eingehen und deren Wirkung auf Adressaten, sowie den Zusammenhang mit dem vorherrschenden Thema, der Vanitas aufzeigen.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Sonett
2.1 Strukturanalyse
2.2 Die Wirkung des Religionskrieges
2.3 Glaubensfestigkeit und konfessionelle Indifferenz – Ein Widerspruch?
3. Zusammenfassung
4. Literatur
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einem typischen Gedicht des Barock, dem Sonett „Threnen des Vatterlandes / Anno 1636“, das der Autor Andreas Gryphius unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges schrieb.
Zentrales Thema, wie bei vielen Gedichten des Barock, insbesondere bei Gryphius, ist die Vergänglichkeit des irdischen Glücks. Die Kriegsgräuel, die im Namen der Religion von allen politisch-konfessionellen Kriegsparteien begangen wurden, stellen für die religiösen Menschen dieser Zeit den christlichen Glauben in frage. Die Gegner im Religionskrieg verursachten im Namen der Religion apokalyptische Kriegsauswirkungen. Vor diesem Hintergrund kann das Sonett als Aufforderung zur Glaubensfestigkeit verstanden werden.[1] Für die betroffenen Menschen müssen diese apokalyptischen Taten im Namen des Glaubens ein kaum zu überwindender Widerspruch gewesen sein. Wird dieser Widerspruch, der die Unsicherheit im Glauben verursacht, vom Autor aufgelöst?
Die Frage stellt sich nach der „Rolle“ des Autors. Der Widerspruch zwischen dem Festhalten an der christlichen Heilslehre einerseits und der Erschütterung der Glaubensfestigkeit durch den Konfessionskrieg andererseits, muss sich auch Gryphius selber stellen. Muss sich also der Autor durch sein Gedicht der eigenen Glaubensfestigkeit versichern? Ob dieser Widerspruch vielleicht auch nur scheinbar für den heutigen Leser vorhanden ist, soll untersucht und mögliche Antworten aufgezeigt werden. Darüber hinaus werde ich auf den strukturellen Aufbau und verwendete barocke Stilmittel eingehen und deren Wirkung auf Adressaten, sowie den Zusammenhang mit dem vorherrschenden Thema, der Vanitas aufzeigen.
2. Das Sonett
Threnen des Vatterlandes / Anno 1636[2]
Wir sindt doch nuhmer gantz / ja mehr den gantz verheret!
Der frechen völcker schaar / die rasende posaun
Das vom blutt fette schwerdt / die donnernde Carthaun
Hatt aller schweis / vndt fleis / vndt vorraht auff gezehret.
Die türme stehn in glutt / die Kirch ist vmgekehret.
Das Rahthaus ligt im graus / die starcken sind zerhawn.
Die Jungfrawn sindt geschändt / vndt wo wir hin nur schawn
Ist fewer / pest / vnd todt der hertz vndt geist durchfehret.
Hier durch die schantz vnd Stadt / rint alzeit frisches blutt.
Dreymall sindt schon sechs jahr als unser ströme flutt
Von so viel leichen schwer / sich langsam fortgedrungen.
Doch schweig ich noch von dem was ärger als der todt.
Was grimmer den die pest / vndt glutt vndt hungers noth
Das nun der Selen schatz / so vielen abgezwungen.
2.1 Strukturanalyse
Das Gedicht „Threnen des Vatterlandes / Anno 1636“ ist ein Alexandrinersonett, ein vierzehnzeiliges Gedicht, das in zwei ungleiche Teile zu acht bzw. sechs Verse zerfällt. Diese Teile sind wiederum in zwei gleiche Hälften zu je vier bzw. drei Verse geteilt. Das Sonett besteht also aus zwei Quartette (Vierzeiler) und zwei Terzette (Dreizeiler). Da die Abschnitte ungleich sind, handelt es sich streng genommen nicht um Strophen.[3]
Die Verbindung zwischen beiden Quartetten und zwischen den beiden Terzetten wird jeweils durch gleiche Zeilenzahl hergestellt.
In beiden Vierzeilern werden die Reime wiederholt. Diese äußerliche Struktur soll beim Sonett auch den Inhalt wiedergeben, der in beiden Abschnitten die Kriegsfolgen beschreibt. In der Struktur der Vierzeiler setzte sich der doppelte Blockreim (abba abba) gegenüber den ursprünglichen, in der italienischen
Literatur verwendeten Kreuzreim ( abab cdcd) durch, wie auch bei „Threnen des Vatterlandes / Anno 1636“ zu sehen ist.
In den Dreizeilern wird ebenfalls das in der französischen Dichtung (Sonett) übliche Reimschema ccd eed verwendet, wobei die Reimfolge bei den Terzetten freier ist.
Auch das Versmaß der deutschen Barocksonette folgt dem französischen Vorbild der Alexandrinersonette mit einem sechshebigen Jambus, mit zwölf Silben bei Betonung der letzten Silbe und dreizehn Silben bei Betonung der vorletzten Silbe (männliche bzw. weibliche Kadenz).[4]
Für Gryphius Gedicht kann man eingeschränkt einen Zusammenhang zwischen der äußeren Form und der inhaltlichen Struktur feststellen. Die häufig beim Sonett angewendete Gegenüberstellung von klaren Gegensätzen (These und Antithese) in den, durch Zäsur getrennten Halbversen, findet sich bei diesem Gedicht nicht wieder. Allenfalls ist bei einigen Versen ein Kontrast vorhanden, wie z.B. in der 2. Zeile, in der einer visuellen Metapher eine akustische Metapher entgegengesetzt wird.
Den zwei einander entgegen gesetzten Hauptteilen folgt der resümierende
Schlussteil, der aus den beiden Dreizeilern besteht.
In diesem Sonett trifft das aber nur zum Teil zu.
In den beiden Quartetten und im ersten Terzett steigert sich die Beschreibung des Krieges vom alltäglichen Kriegsgräuel bis hin zu apokalyptischen Bildern und der inhaltliche Einschnitt liegt hier nach dem ersten Terzett, das als einzelner Dreizeiler den Abschluss bildet.
Das Thema der Vergänglichkeit des Irdischen (Vanitas) wird mit „barocken Stilmitteln“ im Sonett dargestellt, z.B. mit dem emblematischen Prinzip.
Ein Emblem besteht aus einer Überschrift, einem Bild und einen kommentierenden Verstext.[5] Dieses Prinzip wurde und wird bei Flugblättern angewendet und war im 15. bis 17. Jahrhundert sehr populär.
Die Beliebtheit des Emblems erklärt sich aus dem engen Bezug zwischen Bild (pictura), Über- und Unterschrift (inscriptio und subscriptio), die es auch leseunkundigen Betrachtern erlaubt, den Inhalt zu verstehen, was die große Verbreitung in Form von Flugblätter während der Reformationszeit erklärt. Die
Verbindung zwischen pictura und subscriptio wird hergestellt durch das „barocke Summationsschema“[6], wodurch am Schluss die vorangegangenen Bilder verkürzt und in gleicher Reihenfolge aneinandergereiht werden. Dadurch wird eine Spannung aufgebaut, die durch die entscheidende Schlussaussage in der letzten Zeile, gelöst wird.
Die pictura umfasst bei „Threnen des Vatterlandes / Anno 1636“ die beiden Quartette und das erste Terzett, also eine bildhafte Darstellung als literarische pictura. Hier unterscheidet sich das Gedicht von anderen Sonetten, in denen die pictura aus den ersten beiden Quartetten besteht. Diese bildliche Darstellung wird religiös gedeutet in dem letzten Terzett, im Unterschied zum üblichen subscriptio, das die letzten beiden Terzette umfasst. In diesem Sonett wird der pictura also vergleichsweise viele Verszeilen gewidmet.
Der erzwungene Glaubensverlust als das eigentliche Thema gewinnt an Bedeutung gegenüber der bildhaften Darstellung des Krieges.
Hier wird der Unterschied zur Erlebnisdichtung deutlich, da die persönlichen Erlebnisse des Autors in den Hintergrund treten.
[...]
[1] Vgl. Kenkel, Konrad: „Was liefert dir die Welt? Rauch, Nebel und Gedichte“. Zur Lyrik des Andreas Gryphius. In: Text + Kritik 7/8 (1980). S.93.
[2] Andreas Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, Hrsg. von Marian Szyrocki und Hugh Powell, Tübingen 1963, S.48.
[3] Vgl. Burdorf, Dieter: Einführung in die Gedichtanalyse. Stuttgart: Metzler 1997, S. 119.
[4] Vgl. Burdorf, D.: Einführung in die Gedichtanalyse. S.119.
[5] Vgl. ebd. S.52.
[6] Vgl. Burdorf, D.: Einführung in die Gedichtanalyse. S.52.
- Arbeit zitieren
- Diplom-Berufspädagoge Maik Bauer (Autor:in), 2003, Glaubensfestigkeit und Konfessionsverlust in Andreas Gryphius Threnen des Vatterlandes / Anno 1636, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11136
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.