Schöpfung und Evolution. Christlicher Glaube in der Begegnung mit den modernen Naturwissenschaften


Essay, 2007

4 Seiten


Leseprobe


Wer und was ist der Mensch? Wie definiert er sich? Wo kommt er her? Und mit welchem Zweck, Sinn und Ziel begründet er oder eine andere Macht seine Existenz? - Diese und ähnliche Fragen stellen sich uns nicht erst in der heutigen Zeit im gesellschaftlichen oder individuellen Lebenskontext. Weit vor den zeitlichen Einordnungen der jüdisch-christlichen Religion und der griechischen Philosophie versuchen wir Menschen Antworten auf diese nicht leicht zu beschreibende Problematik zu finden. Und dieses tun wir auf unterschiedlichen Ebenen und mit verschiedenen Zielen. Während die Sinnfragen heutzutage häufig von philosophisch und theologisch denkenden Menschen versucht werden zu beantworten, befassen sich Naturwissenschaftler mit der natürlichen „Zusammensetzung“ der Geschöpfe und seiner Umwelten.

Dieses Recherchieren in den einzelnen Bereichen war lange vor unserer Zeit oft von dialogischen Zügen geprägt, wurde meistens sogar von denselben Personen behandelt. Seit der Neuzeit jedoch trat gerade im christlichen Abendland hier ein verstärkter Konflikt zwischen der damaligen Kirche, welche für sich die einzig wahren Antworten und Wahrheiten beanspruchte und den sich entwickelnden Naturwissenschaften auf; Bruno und Galilei sind als nur einige Beispiele zu nennen. Hier fragen wir uns nach den Gründen dieser Eskalationen. Anscheinend hatte die Kirche der damaligen Zeit Befürchtungen, der Mensch könne bei zu eifrigem Erkunden seiner Umgebung das Weltbild, welches die Kirche vertrat, anfragen bzw. umstürzen. Ähnliche Meinungen treten in heutiger Zeit in fundamentalistisch geprägten christlichen Kreisen ebenfalls noch auf. Aufgrund solcher Ansichten wird aus wissenschaftlichen Richtungen im Gegenzug die Stimme laut, das Christentum, ja oft sogar alle Religionen, seien in ihrem Denken rückständig.

Dass diese gegenseitigen Befürchtungen sich nicht halten, lässt sich meines Erachtens erklären. Zu aller erst können wir erkennen, dass der christliche Glaube von seinem Fundament, auf das er sich und die Menschen seines Bekenntnisses gründet, nämlich vom Evangelium Jesu Christi her, jeglichen ideologischen Denkstrukturen widerspricht. Denn diese sind dialogischen Charakters: Kirche kann nur als Gemeinschaft existieren; ebenso wie (göttliche) Liebe nicht nur in sich selbst wirken kann, sondern auf das Gegenüber angewiesen ist, um wirklich vollkommen zu sein.

Somit ist es der Kirche wie auch ihrem Aufgabenfeld ebenfalls untersagt, das fürsorgliche Handeln Gottes in diktatorischer Weise auszudrücken. Für den naturwissenschaftlichen Bereich wissen wir oft auch aus eigenen Erfahrungen, dass diese uns nie, wie oft propagiert, die letzten endgültigen Wahrheiten über uns selbst bieten können. Ihr Wissen ist immer nur vorläufig und verbesserungswürdig; die Natur-wissenschaften liefern uns stets nur ein (vorläufiges) Teilbild unserer Welt, da sie sich u. a. immer nur mit Geschehnissen befassen können, die sich wiederholen und so nur durch Experimente beweisbar sind. Ihre Modelle und Theorien bieten lediglich Vermutungen und Spekulationen. Singular vorkommende Geschehnisse und die Fragen, die auf solche folgen, wie zum Beispiel die Schöpfungsfrage, der Frage nach der Entstehung und dem Sinn von Leben im ursprünglichen Sinne, müssen sie meiden. Dieser Betrachtung folgend, bleibt Naturwissenschaft „sinnlos“, da sie uns den eigentlich Sinn der Evolution, der Frage des menschlichen Geistes, der menschlichen Willensfreiheit und dem Sinn des Seins nicht erklären kann. Die Antworten bleiben hier oft allein dem persönlichen Glauben des Menschen überlassen.

Doch es ist uns möglich angesichts der Schöpfungsfrage und dem Verhalten von Theologie und Naturwissenschaften hier zu einem Konsens zu gelangen: Denn „wir können nicht sagen: Schöpfung oder Evolution. Die richtige Formel muss heißen: Schöpfung und Evolution, denn die beiden Dinge beantworten zwei verschiedene Fragen. Die [Schöpfungs-]Geschichte […] erzählt ja nicht, wie ein Mensch entsteht. Sie erzählt, was er ist. Sie erzählt seinen innersten Ursprung; sie klärt das Projekt auf, das hinter ihm steht. Und umgekehrt: Die Evolutionslehre versucht biologische Abläufe zu erkennen und zu beschreiben. Aber sie kann die Herkunft des 'Projekts' Mensch damit nicht erklären, seinen inneren Ursprung und sein eigenes Wesen. Insofern stehen wir hier vor zwei sich ergänzenden, nicht vor zwei sich ausschließenden Fragen.“[1] Der Dialog dieser beiden wissenschaftlichen Bereiche, des theologischen und des rationalen, den Ratzinger hier andeutet, ist für das allgemeine Forschen des Menschen auch um seiner selbst Willen, also vor allem aus ethischen Gründen, meiner Meinung nach unverzichtbar!

Allein aus der Vergangenheit des letzten Jahrhunderts lassen sich die Schreckensbilder und Perversionen erkennen, die dazu führten, als die Wissenschaft vor allem z. B. auch im medizinischen Bereich nur noch vom „vernünftigen Wert“ des Lebens her dachte und agierte.[2] Ebenso schreiten unsere Blicke in die dunklen Zeiten der Inquisition des Mittelalters, als der christliche Glaube vertreten durch die damalige Kirche vielmehr durch Hass, Wahnsinn und Geltungssucht der Obrigkeit denn durch Menschlichkeit geprägt war. Um aus der Vergangenheit nun für unsere Zukunft zu lernen, sehen wir also die Notwendigkeit des Zusammenspiels von christlicher Ethik, vertreten durch unseren Glauben, und den rationalen Wissenschaften.[3] Funktioniert dieses, ist es für uns neugierige und forschende Wesen umso schöner, den großen Geist des Schöpfers stets aufs Neue hin zu entdecken. Ganz nach der Jahreslosung 2007:

„Gott spricht: 'Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt Ihr ´s denn nicht?'“ (Jesaja 43, 19a).

[...]


[1] Vgl.: Joseph Ratzinger: Im Anfang schuf Gott. Vier Predigten über Schöpfung und Fall. 2. Auflage; Freiburg i. Brsg.: Johannes Verlag, 2005; S. 53 ff.

[2] Für weitere Gedanken, gerade auch hinsichtlich der aktuellen Diskussion über die embryonale Stammzellenforschung siehe: Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum. Völlig unveränderte, mit einer Neueinführung versehene Neuausgabe; Augsburg: Weltbild-Verlag, 2007; S. 15 f.

[3] Papst Benedikt XVI. während seiner Generalaudienz am 18. April 2007 im Vatikan: „Glaube ohne Vernunft ist kein wahrhaft menschlicher Glaube. Vernunft ohne Glaube wiederum wird führungslos und kann am Ende nur zur Selbstzerstörung des Menschen beitragen.“

Ende der Leseprobe aus 4 Seiten

Details

Titel
Schöpfung und Evolution. Christlicher Glaube in der Begegnung mit den modernen Naturwissenschaften
Hochschule
Fachhochschschule für Religionspädagogik und Gemeindediakonie Moritzburg
Autor
Jahr
2007
Seiten
4
Katalognummer
V111372
ISBN (eBook)
9783640094486
ISBN (Buch)
9783656692638
Dateigröße
339 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schöpfung, Evolution, Christlicher, Glaube, Begegnung, Naturwissenschaften, Theologie, evangelisch
Arbeit zitieren
Tobias Knöller (Autor:in), 2007, Schöpfung und Evolution. Christlicher Glaube in der Begegnung mit den modernen Naturwissenschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111372

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