Wirtschaftliche Perspektiven eines zukünftigen Umgangs mit Energieressourcen in den Industriestaaten


Diplomarbeit, 2007

51 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis,

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Patient: Industriegesellschaft – Diagnose: Treibhauseffekt
2.1 Zwei Jahrhunderte “Treibhauseffekt”
2.2 Bestandsaufnahme des IPCC und Erwartungen für das Klima
2.3 Mindestanforderungen an den Emissionspfad

3. Energienutzung und Klima
3.1 Fossile Brennstoffe als zentrales Problem
3.2 Optionen zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen

4. Energiepolitische und -ökonomische Reaktionen
4.1 Das Kyoto-Protokoll als Rahmen der Energiepolitik
4.2 Gesellschaftliche Kräfte in der Klimapolitik
4.3 Die Ökonomie einer klimaschützenden Energiepolitik
4.3.1 Der maximale Nutzen der Emmissionsreduktion
4.3.2 Werkzeuge zur Allokation von Emissionsminderungen
4.3.2.1 Grenzwerte
4.3.2.2 Kohlenstoffsteuer
4.3.2.3 Emissionshandel
4.3.3 Der Emissionshandel in der Praxis

5. Die europäische Energiepolitik
5.1 Der Binnenmarkt als Grundlage effektiven energiepolitischen Handelns
5.2 Status und Trends der europäischen Energienutzung
5.3 Der europäische Pfad zukünftiger Energienutzung
5.4 Perspektiven einer Wirtschaft im “2°C-Scenario”
5.5 Perspektiven auf eine nachhaltigen Energiewirtschaft

6. Kritische Würdigung und Ausblick

7. Literatur

Eidesstattliche Erklärung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Treibhausgasemission nach dem IPCC-Emissionsschema B1 und A1f als Kohlendioxidäquivalente

Tab. 2 Absolute und relative Erwärmungsleistung (Radiative Forcing RF in [W/qm]) der wichtigsten anthropogenen Treibhaus- gase

Tab. 3 Übesicht der anthropogenen Treibhausgase gemessen an ihrer GWP (Global Warming Power)

Tab. 4 Entwicklung des Primärenergieverbrauchs in der Euro- päischen Union (25 Staaten) von 1990 bis 2004

Tab. 5 Entwicklung der Kohlendioxidemission in der Europäischen Union (25 Staaten) von 1990 bis 2004

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Wohlfahrtsmaximierung einer Volkswirtschaft. Abb. 2. Wohlfahrtsmaximierung bei Emissionsreduktion

Abb. 3 Entwicklung des Primärenergieverbrauchs in der Europä- ischen Union (25 Staaten) von 1990 bis 2004

Abb. 4 Entwicklung des spezifischen Primärenergieverbrauchs und der Kohlendioxidemission in der Europäischen Union (25 Staaten) von 1990 bis 2004

Abb. 5 Entwicklung der Kohlendioxidemission einzelner Sektoren in der Europäischen Union (25 Staaten) von 1990 bis 2004

Abb. 6 Vorschau auf die mögliche Entwicklung des Energiemixes der Europäischen Union bis 2030

1. Einleitung

Die Weltwirtschaft ist angesichts der anthropogen verursachten Klima- entwicklung unter dem Druck, deutlich den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren (IPCC (2007a)). Für etablierte Technologien, Verhalten der Privat- haushalte und Verfahren in Industrie und Gewerbe sind drastische Optimier- ungen oder sogar grundlegendene Änderungen unausweichlich. Den grössten und folgenschwersten Teil der Treibhausgase macht Kohlendioxid aus (vgl. van Kooten, G.C. (2004), S. 5), welches überwiegend als Produkt der Energie- erzeugung durch Verbrennungsprozesse entsteht. Massnahmen, die auf die Senkung des Kohlendioxidausstosses zielen, sind daher unmittelbar mit der Änderung unserer Energieerzeugung und -verwertung verbunden. Mit welchen Mitteln kann die notwendige Reduktion der Treibhausgase erreicht werden? Wie ausgereift sind die dazu entwickelten Szenarien und welche ökonomischen Konsequenzen sind aus dieser Entwicklung zu erwarten?

Diese Arbeit soll aus volkswirtschaftlicher und energiepolitischer Sicht einen Einblick in den gegenwärtigen Diskurs zur Reaktion der Industriestaaten auf den Treibhauseffekt geben. Dabei werden im Besonderen die wichtigsten Schlussfolgerungen der jüngsten Klimaforschung in Bezug auf die Energieerzeu- gung und -nutzung zusammengefasst und zu Szenarien einer angepassten Energiewirtschaft der Industriegesellschaft umgesetzt. Zugleich wird dargestellt, wie ökonomische Zwänge z.B. durch die Ressourcenverknappung oder aus Fragen der gesellschaftlichen Legitimation entstehen. Zuletzt werden die Chancen evaluiert, die sich durch die Umgestaltung der Energieerzeugung und -nutzung für eine Volkswirtschaft ergeben.

Die Arbeit soll nicht die Diskussion um technisch-wissenschaftliche Hintergründe und Abschätzungen des Weltklimas analysieren, sondern fundier- te, bestehende Aussagen dieses Diskurses übernehmen. Im wesentlichen wird dabei aus dem 4. Sachstandsbericht des IPCC (International Panel for Climate Change) (IPCC (2007a,b und c)) eine Zielvorgabe für den zeitlichen und quantitativen Verlauf des Treibhausgas-Ausstosses und seiner Folgen entnommen. In dem sich so bietenden Rahmen wird versucht, die nötige Wandlung der technischen Grundlagen der Energiebewirtschaftung aufzuzeigen und sie einer volkswirtschaftliche Beurteilung zu unterziehen. Dabei sollen Modellvorstellungen der ökonomischen Folgen von Ressourcenver- knappung herangezogen werden. Im Besonderen werden Literatur und öffent- liche Daten zum Thema Energieportfolio und Kosten der Bereitstellung und Nutzung regenerativer Energie verwendet. Ein wesentlicher Aspekt ist die Untersuchung des Zusammenspiels des Marktes und der politischen und gesell- schaftlichen Kräfte im Hinblick auf die Möglichkeit der Emissionsreduktion. Abschliessend wird für einen Anwendungsbezug die Betrachtung auf Europa eingeschränkt und eine Perspektive für eine Wirtschaft auf der Basis regenerativer Energien diskutiert.

2. Patient: Industriegesellschaft – Diagnose: Treibhauseffekt

Bevor dargestellt werden soll. in wie weit die gegenwärtige Klimadiskussion Einfluss auf die Energienutzung der Industriestaaten hat, sollen die Begriffe und Fakten, die den Rahmen für diesen Diskurs bilden, erläutert werden.

2.1 Zwei Jahrhunderte “Treibhauseffekt”

“The Influence of Carbonic Acid in the Air Upon the Temperature on the Ground” überschrieb der Chemienobelpreisträger Svante Arrhenius seine Abhandlung aus dem Jahre 1896, in der er darlegte, dass die Wärmeab- sorption, die John Tyndall 1850 an Gasen wie Methan und Kohlendioxid gemessen hatte, dazu geeignet sei, Temperaturerhöhungen des Weltklimas von mehreren Celsiusgraden zu erzeugen. (vgl. Arrhenius, S. (1896))

Die Vorstellung, die Erdatmosphäre wirke als isolierendes Treibhaus, ist jedoch noch älter und geht auf Fourier (1824) zurück, der erkannte, dass Licht von der Sonne beim Auftreffen auf die Erdoberfläche in Wärmestrahlung umgewandelt wird, und so die uns umgebende Luft erwärmt. Fourier hielt fest, dass dieser heute als na t ürlicher Treibhauseffekt bezeichnete Vorgang eine wesentliche Grundlage des Lebens auf der Erde sei. Er basiert hauptsächlich auf der Fähigkeit von Wasserdampf und Kohlendioxid, Wärmestrahlung um ein vielfaches effektiver zu absorbieren und sich dabei zu erwärmen als die dominierenden Luftbestandteile Sauerstoff oder Stickstoff. Damit gelingt es, die Strahlungsleistung der Sonne in der Biosphäre zu konservieren und die Temperaturen der Tag- und Nachtseite unseres Planeten auszugleichen. In dem Hinweis, dass der Kohlekonsum seiner Zeit schon jährlich etwa 1‰ zum vor- handenen atmosphärischen Kohlendioxid beitrage (zur Zeit ist der Beitrag aus fossilen Brennstoffen etwa 5‰ pro Jahr (vgl. van Kooten, G.C. (2004), S. 4)) sowie mit umfangreichen Berechnungen, stellte Arrhenius in seiner oben erwähnten Schrift bereits die direkte Verbindung zwischen einer Klimaänderung und der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen her und entwickelte, ohne es auszusprechen, die Idee eines an t hropogenen Treibhauseffektes. Mit diesem Begriff wird der Einfluss auf unser Klima bezeichnet, der auf vom Menschen verursachte gasförmige Kontaminationen der Atmosphäre zurückzuführen ist. Die für den Treibhauseffekt verantwortlichen Atmosphärenbestandteile (Treib- hausgase) sind grösstenteils natürlichen Ursprungs (Wasserdampf, Kohlendioxid aus Vulkanen und Stoffwechselaktivität, Methan aus Lagerstätten oder Feucht- gebieten) (vgl. Kiehl, J.T./Trenberth, K.E. (1996)), jedoch fügen, wie Arrhenius bereits für Kohlendioxid erkannte, Industrie und Landwirtschaft einer rasant ge- wachsenen und technisch entwickelten Menschheit der Atmosphäre signifikante Mengen dieser Gase hinzu (vgl. IPCC (2007a), S. 2). Die seit den 1940er Jahren geäusserte Vermutung (vgl. Flohn, H. (1941)), dass anthropogenes Kohlendioxid das Klima der Erde so beeinflusse, dass bedeutende Schäden ent- stehen können, hat seit den frühen achziger Jahren die breite Öffentlichkeit er- reicht und wird inzwischen nur noch von einer Minderheit der Fachleute bestrit- ten. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich die Bedeutung des Begriffes Treib- hauseffekt eingeschränkt und meint häufig nur noch den anthropogenen Treibhauseffekt.1)

2.2 Bestandsaufnahme des IPCC und Erwartungen für das Klima

Die seit den siebziger Jahren stark angewachsene Diskussion über den Einfluss der anthropogenen Treibhausgase führte 1988 zur Gründung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) unter der Führung der UNO und der World Meteorological Organization (vgl. van Kooten, G.C. (2004), S. 6). Die Aufgabe des IPCC ist es, Daten über die Klima- und Atmosphärenentwicklung zu sammeln und in Einschätzungen für die Zukunft umzusetzen. Der vierte und jüngste Sachstandsbericht (Assessment Report) kam im April dieses Jahres heraus. Der Reportteil der Working Group I (IPCC (2007a)) beschäftigt sich mit der Bestandsaufnahme der anthropogenen Treib- hausfracht in der Erdatmosphäre. Im Mittelpunkt stehen die Gase Kohlendioxid (fast ausschliesslich aus Verbrennungsprozessen), Methan und Distickstoffoxid (Lachgas) (fast ausschliesslich aus der Landwirtschaft) und eine historische Betrachtung von physikalischen, meteorologischen und ökologischen Daten, in welchen der Anstieg der Treibhausgase und Anzeichen einer Klimaerwärmung positiv korrelieren. Es wird weiter festgestellt, dass gegenüber einer um den anthropogenen Treibhauseffekt bereinigten Modellrechnung die Weltdurch- schnittstemperatur bereits heute um 0,6°C erhöht ist. Entscheidend sind die Modellrechnungen zukünftiger möglicher Klimaentwicklungen bis zum Jahr 2100, die für sieben verschiedene Szenarien der Emissionsverläufe von Treibhausgasen aufgestellt wurden.

Im Berichtsteil der Working Group II (IPCC (2007b)) werden unter dem Titel “Impacts, Adaptation and Vulnerability” Trends in der Biosphäre aufge- zeigt, die sich aus den jeweilig in den Modellen errechneten Temperaturen herleiten lassen. Dabei werden regional unterschiedlich Vorteile und Nachteile im Sinne einer volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsänderung (gemessen als Brutto- sozialprodukt (GDP)) beschrieben. Die Einschätzungen enden in der Schlussfolgerung, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass bei einer Weltdurch- schnittstemperatur von 2-3°C über dem Vergleichswert von 1990 in allen Regionen eine Abnahme der Vorteile bzw. eine Zunahme der klimabedingten Kosten zu finden sein wird. Da nicht quantifizierbare Kosten der Klimaänderung bewusst ausgeschlossen wurden, werde die Schadensbilanz aber zu diesem Zeitpunkt weitaus grösser sein, als alleine durch die Änderung des GDP darstellbar (vgl. IPCC (2007b), S. 20-21). Diese sehr um wissenschaftliche Präzision und Würdigung der Mess- und Prognosegenauigkeit bemühte Äusserungen wurden im begleitenden gesellschaftlichen und politischen Diskurs auf die Formel verkürzt, dass eine Weltdurchschnittstemperaturerhöhung um 2°C der höchste tollerierbare Wert sei (vgl. Krewitt, W. et al. (2007)). Das wie- derholt bereits vorangegangenen Einschätzungen (vgl. Grassl, H. et al. (2003)) und entspricht dem sogenannten Klimaszenario B1 (IPCC (2007a), S. 13).

2.3 Mindestanforderungen an den Emissionspfad

Die Gründzüge des Klimaszenarios B1 werden im 4. IPCC Sachstands- bericht wie folgt definiert: “The B1 storyline...describes a convergent world with...a population, that peaks in mid-century and declines thereafter... with rapid change in economic structures towards a service and information economy...”(IPCC (2007a), S. 18). Die unter dieser Charakteristik gesam- melten Emmissionsmodelle wurden zu einem Verlauf des Treibhausgasaus- stosses aggregiert, wie er in Tab. 1 gezeigt wird. Zum Vergleich werden dort ebenfalls Zahlen des Szenarios A1f gezeigt, das am ehesten die Fortschreibung gegenwärtigen Treibhausgasausstosses in die Zukunft charakterisiert.

Tab. 1: Treibhausgasemission nach dem IPCC-Emissionsschema B1 und A1f als Kohlendioxidäquivalente in Gt pro Jahr.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Werte entnommen aus: IPCC (2007c); S. 3, IPCC (2007d), S. 29.

Diesen Zahlen zufolge wird die Menschheit am Ende dieses Jahrhunderts den Ausstoss von Treibhausgasen gegenüber heute auf die Hälfte bzw. gegenüber einer theoretischen Fortsetzung der gegenwärtigen Entwicklung auf ein Viertel reduziert haben müssen. Rechnet man zusätzlich das Anwachsen der Weltbe- völkerung auf etwa 9 Milliarden Menschen ein, wie es dem Szenario B1 und den meisten anderen Prognosen zu Grunde liegt, so bedeutet dies speziell für Kohlendioxid, dass mit 1t Ausstoss pro Jahr und Kopf das Emissionsniveau des heutigen Afrika angestrebt wird (vgl. Krewitt, W. et al. (2007)). Auf diese grosse Herausforderung muss vor allem die Energiepolitik in den nächsten Jahren eine Antwort finden.

3. Energienutzung und Klima

3.1 Fossile Brennstoffe als zentrales Problem

Durch Industrie, Landwirtschaft und Haushalte werden Treibhausgase unterschiedlicher Natur ausgestossen, von denen das Kyoto-Protokoll (Vereinte Nationen (1997)) in der Anlage A die Treibhausgase Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, partiell und vollständig fluorierte Kohlenwasserstoffe sowie Schwefelhexafluorid anführt.

Schwefelhexafluorid und vollständig fluorierte Kohlenwasserstoffe kommen in der Atmosphäre, wenn auch mit stark steigender Tendenz in geringen Spuren vor (vgl. Houghton, J.T. et al. (2001), S. 255). Der Beitrag dieser Substanzen zur Erderwärmung wird bei vielen Autoren nicht einmal erwähnt, so auch in Teilen des jüngsten IPCC Reports (vgl. IPCC (2007a), S. 4). Dagegen sind die partiell chlorierten Kohlenwasserstoffe eine wichtige Komponente der Erderwär- mung (siehe Tab. 2). Allerdings ist deren Gebrauch bereits durch das Protokoll von Montreal aus dem Jahr 1989 eingeschränkt. Durch ein vertragsbedingt sich erweiterndes Herstellungsverbot (vgl. Tietenberg, T. (1999)) und eine kurze Lebenszeit der meisten dieser Substanzen ist deren Konzentration in der Atmos- phäre rückläufig (vgl. Lee, B.-S./Chiou, C.-B. (2007)). Distickstoffoxid und Methan sind weitgehend mit biologischen Prozessen der Landwirtschaft verbun- den. So stammen etwa 45% des nicht natürlich vorkommenden Methans und sogar 80% des entsprechenden Distickstoffoxides aus Landbau und Viehzucht, wobei letztere für 4/5 dieser Emissionen verantwortlich ist (vgl. Steinfeld, H. et al. (2006), S. 82). Die Konzentration dieser beiden Substanzen steigt sehr schnell (IPCC, (2007a) S. 3). Dennoch scheint es schwierig, wirksame Mass- nahmen dagegen einzuführen, da dies einen massiven Eingriff in die Ertrags- kraft der Landwirtschaft bedeuten würde. Der IPCC Report stellt daher im Summary der Working Group I fest, dass keine universelle Vorgehensweise zur Minderung dieser Emissionen bestehe (vgI. IPCC (2007c), S. 19). Im späteren Verlauf des Reports wird dieses Thema dennoch mit einigen Handlungs- vorschlägen bedacht.

In Tab. 2 wird auch troposphärisches Ozon mit einem erheblichen Beitrag zur Atmosphärenerwärmung (Radiative Forcing) aufgeführt. Dieses Ozon entsteht aus Stickstoffoxiden und Kohlenwasserstoffen unter dem Einfluss von UV-Licht (vgl. Lightfoot, P.D. et al. (1992)) und hat damit keine direkten Verursacher. Zudem führten Massnahmen der Luftreinhaltung in Mitteleuropa bereits zur Stagnation der Konzentrationswerte (vgl. Claude, H. et al. (2001)). Verschiedene weitere technische Aspekte lassen es noch nicht zu, Mechanismen einer globalen Strategie zur Minderung des troposphärischen Ozons einzufor- dern. So erscheint Ozon nicht im Anhang A des Kyoto-Protokolls (vgl. Rypdal, K. et al. (2005)) und auch der IPCC Bericht geht nur am Rande auf Ozon ein. Die Verminderung des Kohlendioxidausstosses wird somit zu einem zentralen Thema des Diskurses. Dies wird unterstützt durch die Feststellung, dass Kohlen- dioxid mit 55% der Erwärmungsleistung den Treibhauseffekt dominiert (Tab. 2).

Tab. 2: Absolute und relative Erwärmungsleistung (Radiative Forcing RF in [W/qm]) der wichtigsten anthropogenen Treibhausgase.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Werte entnommen aus: IPCC (2007a), S. 4.

Bei der Bilanzierung des Treibhausgasausstosses als GWP (Global Warming Power, siehe Fussnote 1) schlägt Kohlendioxid sogar mit über drei Vierteln des Gesamteffektes zu Buche (Tab. 3).

Tab. 3: Übesicht der anthropogenen Treibhausgase mit Angabe ihrer relativen GWP (Global Warming Power, siehe Fussnote 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Werte entnommen aus: IPCC (2007e), S. 12.

Da anthropogenes Kohlendioxid überwiegend aus Verbrennungsprozessen stammt, wobei ein grosser Teil auf fossile Energieträger zurückgeht, verengt sich die Debatte um die Reduktion des Ausstosses von Treibhausgasen nochmals auf die Änderung unseres Umgangs mit Energie. Der IPCC Report hat daher zurecht seinen grössten Schwerpunkt bei der Energieerzeugung und -verwertung.

Die besondere Bedeutung der Kohlendioxidemissionen und damit die wirtschaftliche und politische Herausforderung der zukünftigen Energieerzeu- gung nimmt auch die vorliegend Arbeit zum Anlass, sich auf dieses Segment der Klimaproblematik zu konzentrieren.

3.2 Optionen zur Reduktion von Kohlendioxidemissionen

Zur Minderung des Ausstosses von Kohlendioxid stehen eine Reihe von seit langem diskutierten Möglichkeiten zur Verfügung, die hier nur summarisch genannt werden sollen.

Zunächst ist die Effizienzsteigerung der Energieerzeugung und -verwertung zu nennen. Hier sind Konzepte der Dezentralisierung der Kraftwerksleistung, Kraftwärmekopplung, Massnahmen im Wohnungsbau, in der Verkehrsinfrastruktur oder im Fahrzeugbau und vielen anderen Stellen gefragt. Auch bei der Wahl innerhalb der fossilen Energieträger gibt es Präfe- renzen in Bezug auf das Energie-Kohlendioxid-Verhältnis. So liefert Erdgas (mit dem Hauptbestandteil Methan) 20kJ für jedes freigesetzte Gramm Kohlendioxid, während Steinkohle nur 11kJ/g Kohlendioxid erzielt (vgl. Grubb, M. (1990), S. 26, zitiert in: van Kooten, G.C. (2004), S. 5). Van Kooten (2004, S 5) verkürzt diesen Zusammenhang sogar in dem Wort “It appears ... that the CO2 problem is primarily a coal problem.” Im Besonderen vor dem Hintergrund, dass Länder wie China einen wesentlichen Teil ihrer Energiever- sorgung aus der kostengünstig im Inland geförderten Kohle beziehen (vgl. Gielen, D./Changhong, C. (2001)), erhält dieser Satz Gewicht.

Die Nutzung von kohlendioxidneutralen Energiequellen wie z.B. Sonnen-, Gezeiten- oder Windenergie sowie die Gruppe der Energieträger aus nach- wachsenden Rohstoffen wird unter diesem Gesichtspunkt interessant. Auch die Kernenergie, unabhängig von ihrer politischen Umstrittenheit und den schwer- wiegenden Problemen der Brennstofferzeugung und Abfallbeseitigung, gibt die Möglichkeit nahehin kohlendioxidneutraler Energieerzeugung. Schliesslich wird die Entfernung des Kohlendioxids aus Abgasen (Sequestrierung) mit anschlies- sender Lagerung in geeigneten geologischen Formationen oder in der Tiefsee und die Entfernung aus der Atmosphäre durch Fixierung als Biomasse in Wiederaufforstungen diskutiert. (vgl. IPCC (2007c); Capoor, K./Ambrosi P. (2006a), S. 33)

Die Energieerzeugung durch Kernfusion, ist eine vielversprechende Option, die trotz erheblicher Investitionen noch nicht das Stadium des Proof of Concept erreicht hat (Grassl, H. et al. (2003), S. 53).

4. Energiepolitische und -ökonomische Reaktionen

Der seit Jahrzehnten laufende Diskurs um das Weltklima hat die Vor- stellungen der Gesellschaft geprägt und in der Staatengemeinschaft zu völker- rechtlichen Verpflichtungen und politischen Massnahmen geführt. Im besonderen auf das Drängen der USA hin (Mercier, J. (2006)) hat sich in den internationalen Verhandlungen die Erkenntnis durchgesetzt, dass einfache Festlegung von Höchstmengen der Emissionen mit grossem Durchsetzungs- aufwand und zweifelhaften Erfolg verbunden seien. Statt dessen wurden Mechanismen begründet, in denen die Kräfte des Marktes und der Gesellschaft die erforderlichen Reduktionen herbeiführen sollen. Als Meilenstein dieser Ent- wicklung stellt das Kyoto-Protokoll die wesentliche völkerrechtliche Basis für einen solchen Prozess auf internationaler Ebene dar. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie von politisch-administrativer, ökonomischer und gesellschaftlicher Seite die Emission von Treibhausgasen eingeschränkt und damit die Energiepolitik beeinflusst wird.

4.1 Das Kyoto-Protokoll als Rahmen der Energiepolitik

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich in den späten 1980er Jahren verfestigten, fanden ihren Niederschlag im Rahmenabkommen der Verein t en Na t ionen über Klimaänderung (Vereinte Nationen (1992a)) und Folgekonferenzen der Vertragsparteien dieses Abkommens. Anlässlich der dritten Konferenz dieser Art in Kyoto kam es zur Verabschiedung des gleich- namigen Protokolls (Bundesrepublik Deutschland (2002b)), in dem die betei- ligten Staaten sich verpflichteten, in den Jahren 2008 bis 2012 die Emissionen der Treibhausgase (in CO2-eq) auf 95% des Niveaus von 1990 zu senken. Allerdings ist dieses Protokoll nur ein Teil eines ausserordentlich umfangreichen “Gebäudes” aus Konferenzen, Abkommen, Boards, Funds und völker- rechtlichen Verflechtungen unterschiedlichsten Niveaus (vgl. Yamin, F./ Depledge, J. (2004), S. 487-508).

Eine präzise Vorgabe für die Zeit bis 2008 wurde im Kyoto-Protokoll nicht ausgesprochen, sondern nur die Forderung nach Erzielung nachweisbarer Fortschritte in den Unterzeichnerstaaten (vgl. Artikel 3)2). Im Gegensatz dazu legen die Artikel 3 Abs. 10-14, Artikel 6 und 12 des Protokolls den fl exiblen Kyoto-Mechanismus an und enthalten dazu sehr detaillierte Angaben für die Wahl der Mittel zur Zielerreichung. Laut dieser Artikel ist es einer Partei möglich, sogenannte ze rt i f izie rt e Emissionsbegrenzungen und - r eduk t ionen zu erwerben, um damit die Reduktionsziele zu erreichen, ohne “eigene” technische Massnahmen im Inland zu treffen. Dies betrifft den Mechanismus f ür U mw e ltv e rträ g li che M a ssn a hm e n in Artikel 12 (Clean Development Mechanism, CDM) (vgl. Yamin, F/Depledge, J. (2004) S. 159-186; Zegras, P. C. (2007); Pokharel, S. (2007); Schlamadinger, B. et al. (2007)), die Unterstützung von Projekten in einem Gastland nach Artikel 6 (Joint Implementation, JI) (vgl. Yamin, F./Depledge, J. (2004), S. 187-196; Streimikiene, D./Mikalauskiene A. (2007)) und den Handel von bereits gehaltenen Emissionsrechten (Emissionshandel3))(vgl. Yamin, F/Depledge, J. (2004), S. 156-159).

Im Rahmen des CDM bieten Staaten, die nicht Vertragspartner des Rahmenabkommens sind (im wesentlichen Entwicklungs- und Schwellenländer) Entwicklungsprojekte an, die zur Senkung der Treibhausgasbilanz führen. Unterzeichnerstaaten aus denen die Finanzierung dieser Projekte stammt, können ihre nationale Emissionsbilanz um diese Treibhausgasmengen vermin- dern. Dagegen ermöglicht der Mechanismus der Joint Implementation (JI) Investitionen zwischen Unterzeichnerstaaten des Protokolls. Die eingesparten Emissionen können im Investorland gutgeschrieben werden, während die Bilanz des Implementierungslandes davon unberührt bleibt. Zuletzt können im Emissionshandel Emissionszertifikate gehandelt werden, die durch schliessende oder emmissionssvermindernde Industriebetriebe frei geworden sind. Dabei wird für das Land der erwerbenden Partei die Emissionsbilanz vermindert und für das Land der verkaufenden Partei erhöht.

Das Kyoto-Protokoll implementiert so das politische Prinzip, dass Marktkräfte aufgrund von Kosten und Nutzen die Allokation der Massnahmen zur Emissionsminderung bestimmen (C&T, Cap-and-Trade-Mechanismus, vgl. van Kooten, G.C. (2004), S. 23). Ohne dass das Kyoto-Protokoll innerstaat- liche Strukturen direkt anspricht, müssen zur Teilnahme an diesen Mechanis- men die Unterzeichnerstaaten Institutionen schaffen, welche die Inhalte dieser Abmachung auf nationaler Ebene spiegeln, da nur durch die Etablierung z.B. von Emissionshandelsstrukturen den verbrieften Ansprüchen der Vertragspartner auf freien internationalen Emissionshandel nachzukommen ist. Die Vereinbarung entzieht damit zum grossen Teil die Politik zur Begrenzung von Treibhausgasemissionen der Souveränität der Nationalstaaten und stellt so nicht nur in ökonomischer Hinsicht, sondern auch aus völkerrechtlicher Perspektive einen Paradigmenwechsel dar. Während vergleichbare Abmachungen wie das Protokoll von Montreal (Bundesrepublik Deutschland (1988a)) über die Emissionen von halogenierten Kohlenwasserstoffen noch ganz dem Prinzip eines einzelnen Staates verpflichtet waren, der seinen internationalen Abmachungen durch die unidirektionalen Vorgaben von Begrenzungen und Verboten auf Basis von Gesetzen und Verordnungen nachkam (C&C, Command and Control (vgl. van Klooten, G.C. (2004), S. 22)), ist die Einführung dieses Handelssystems dazu angelegt, aufgrund seiner Multilateralität eine Eigendynamik zu entwickeln, welche die staatliche Souveränität innerhalb eines bestimmten Rahmens ablöst. Entscheidende Elemente dieses Systems sind die Regeln zur Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Zusagen. Gemäss den Beschlüssen der Teilnehmer- konferenz in Marrakesh sind (in einem stark reglementierten Prozedere) verschiedene Strafen möglich, bis hin zu zusätzlichen Einsschränkungen der Emissionsmenge für Folgeperioden oder dem Ausschluss aus dem internationalen Emissionshandel (vgl. Vereinte Nationen (2002b), S. 64-76; Hagem, C. et al. (2005))

Die Europäische Union hat als Signatar des Kyoto-Protokolls ein europäisches Emissionshandelsschema aufgebaut (vgl. Europäische Union (2003a); Oberndorfer, U./Rennings, K. (2007)) und die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, auf nationaler Ebene die nötigen Strukturen einzurichten.4)(vgl. Baumann, S. (2006) S. 27-58). Für Deutschland wurden beispielsweise als direkte Folge der EU-Richtlinie das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (Bundesrepublik Deutschland (2004c)), der Nationale Allokationsplan (BMU (2004b); BMU (2006c)) und das diesen für die Periode 2005 bis 2007 umsetzende Zuteilungsgesetz (Bundesrepublik Deutschland (2004d)) erlassen. Durch nationale Gesetze wird schliesslich der Sanktionsdruck, den das Kyoto- Protokoll auf die Teilnehmerstaaten in Bezug auf die Einhaltung der Abmachung ausübt, an Organisationen und Firmen im Inland weitergegeben.

[...]


1 In diesem Zusammenhang erfolgt die Beschreibung der Kohlendioxidmenge in der Atmosphäre als Masse. Zur Vereinfachung von Wärmebilanzen werden die übrigen Treibhausgase in ihrer Fähigkeit Wärmestrahlung zu absorbieren in Relation zum Standard Koh- lendioxid gebracht. Unter Berücksichtigung ihrer Lebensdauer in der Atmosphäre wird die Global Warming Power (GWP) der jeweiligen Gase errechnet und durch die Multiplikation der jeweiligen Treibhausgasmengen mit diesem Faktor das sogenannte Kohlendioxid-Äquivalent erhalten (CO2- eq) (vgl. Houghton, J. T. et al. (2001), S. 385). Für globale Fragestellungen wird meist in Gigatonnen (1Gt = 109t) gerechnet, auf Länderebene in Megatonnen (1Mt = 106t).

2 Im Protokoll ist vorgesehenen, dass dieses mit 90 tägiger Verzögerung in Kraft tritt, nachdem 55% der Welttreibhausgasemissionen durch ratifizierende Staaten repräsentiert werden. Nach der Ratifizierung durch Russland war dies am 16. Februar 2005 der Fall (siehe Register der Unterzeichnerstaat auf der UNFCCC-Webpage. http://maindb.unfccc.int/public/ country.pl?country=RU )

3 Der korrekte Ausdruck ist Emissionsrechtehandel, im Folgenden wird weiterhin nur von Emissionshandel die Rede sein.

4 Die Mitgliedstaaten der EU sind zudem Einzelsignatare des Kyoto-Protokolls. Die im Protokoll vermerkte Reduktionsverpflichtungen liegt für die Summe aller EU-Staaten bei 92%, während im Rahmen des EU Burden Sharing (vgl. Klepper, G./Peterson, S. (2004)) sehr unterschiedlich Emissionsziele vorgesehen sind: z.B. für Luxemburg 74%, für Portugal 127%.

Ende der Leseprobe aus 51 Seiten

Details

Titel
Wirtschaftliche Perspektiven eines zukünftigen Umgangs mit Energieressourcen in den Industriestaaten
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Institut für Betriebswirtschaft)
Veranstaltung
Diplomarbeit zum Aufbaustudiengang Wirtschaftschemiker an der Fernuni Hagen
Note
2.0
Autoren
Jahr
2007
Seiten
51
Katalognummer
V111502
ISBN (eBook)
9783640095537
Dateigröße
645 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirtschaftliche, Perspektiven, Umgangs, Energieressourcen, Industriestaaten, Diplomarbeit, Aufbaustudiengang, Wirtschaftschemiker, Fernuni, Hagen
Arbeit zitieren
Dr. rer. nat, Dipl. Chem., Dipl. Wirtschaftschemiker Arno Reichert (Autor:in)-- (Autor:in), 2007, Wirtschaftliche Perspektiven eines zukünftigen Umgangs mit Energieressourcen in den Industriestaaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111502

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