Einführung in das Thema:
Das Thema zur Kritik an der PR in Abhängigkeit zum Journalismus ist im derzeitigen und sich weiter wandelnden Medienkontext nicht nur aktuell, sondern in vielerlei Hinsicht brisant. Die Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und werblich gefärbten aber unter dem Siegel des Journalismus veröffentlichten Anzeigentexten droht in Zeiten immer schneller publizierender Mediengattungen, gerade Online-Publikationen, immer schwieriger. Längst hat sich neben dem klassischen, im Zuge zurückgehender Anzeigenbuchungen meist schlecht bezahlten Journalismus, eine neue Form des Journalismus entwickelt. Der PR-Journalismus[1]. Klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vermischt sich immer mehr mit den Marketing-Interessen der Unternehmen.
Dieses Thesenpapier beleuchtet die o.g. Aspekte von verschiedenen Standpunkten. Zur Verdeutlichung werden zwei Case (Edelmann/Ciquita) angeführt.
Häufig gestellte Fragen: Kritik an PR-Ansätzen und Fallbeispiele
Was ist das Thema des Textes?
Der Text analysiert die Kritik an PR-Ansätzen im Kontext zum Journalismus und beleuchtet die zunehmende Vermischung von redaktionellen Inhalten und werblich gefärbten Texten. Er untersucht die Abhängigkeit zwischen PR und Journalismus, die Beeinflussung redaktioneller Beiträge durch PR und die strategische Nutzung von PR zur Meinungsbildung und Wirklichkeitskonstruktion. Der Text beinhaltet auch Fallbeispiele, die die problematischen Aspekte der PR-Arbeit illustrieren.
Welche Kernaussagen werden im Text präsentiert?
Ein wichtiger Punkt ist die starke Beeinflussung redaktioneller Inhalte durch Presseabteilungen (70%). PR und Journalismus befinden sich in einem Machtkampf mit gegenseitigen Abhängigkeiten (Intereffikation). Die PR-Arbeit umfasst die Bereitstellung von Informationen für Redaktionen, die Installation von Themen und die Beeinflussung der Meinungsbildung durch verschiedene Techniken wie Advertorials, Koppelgeschäfte und vorformulierte Beiträge für Journalisten. Die Arbeit von PR-Profis wird als hochprofessionell beschrieben, mit Fokus auf die Bedürfnisse des jeweiligen Mediums und die strategische Platzierung von Inhalten. Es wird auch das Bild einer parasitären Beziehung zwischen Journalismus und PR beschrieben, wobei der Erfolg der PR von der Gesundheit des Journalismus abhängt.
Welche Fallbeispiele werden im Text genannt?
Der Text präsentiert zwei Fallbeispiele: Die "Brutkastenlüge" im Irak-Krieg, die durch die PR-Agentur Hill & Knowlton verbreitet wurde, um die öffentliche Meinung für den Krieg zu gewinnen. Das zweite Beispiel ist die PR-Kampagne der Agentur Edelman für den Bananenkonzern Chiquita, die den Konzern von einem "Ausbeuter" zu einem "Vorbild" zu positionieren versuchte.
Wie beschreibt der Text das Verhältnis von PR und Journalismus?
Der Text beschreibt ein komplexes und oft spannungsreiches Verhältnis zwischen PR und Journalismus. Es gibt gegenseitige Abhängigkeit (Intereffikation), aber auch Machtkämpfe und die Gefahr einer einseitigen Beeinflussung des Journalismus durch PR. Die PR wird als strategischer Akteur beschrieben, der die Kommunikation steuert und die Meinungsbildung beeinflusst. Es besteht die Gefahr eines "reversiven Parasitismus", bei dem die PR den Journalismus übermäßig dominiert.
Welches Fazit zieht der Text?
Der Text betont den wachsenden Einfluss von PR auf den Journalismus, insbesondere aufgrund von Zeit- und Personalmangel in Redaktionen. Dieser Einfluss hängt von Faktoren wie der Rollendefinition der Journalisten, Medientyp, Arbeitsbereich und politischen Überzeugungen ab. PR wird als Metakommunikator bezeichnet, der Kommunikation steuert und strategisch Themen platziert. PR-Profis werden als Wahrnehmungsmanager beschrieben, die die Grenzen der Wahrheit testen. Der Text warnt vor einem Ungleichgewicht im Verhältnis von PR und Journalismus, das durch einen "reversiven Parasitismus" entstehen kann.
Welche Quellen werden im Text genannt?
Der Text nennt verschiedene Quellen, darunter Artikel aus dem Spiegel, die Website der PR-Agentur Edelman, und verschiedene akademische Publikationen von Autoren wie Liebert, Kunczik/Zipfel, Merten und Ruß-Mohl. Es werden auch Links zu Online-Ressourcen angegeben.
Für wen ist dieser Text gedacht?
Der Text scheint für ein akademisches Publikum gedacht zu sein, beispielsweise Studenten der Kommunikationswissenschaft oder Publizistik. Der strukturierte Aufbau, die Verwendung von Fachbegriffen und die Zitierweise deuten darauf hin.
Thema : Kritik an der PR Ansätze und Fallbeispiele
Datum: 17.01.2008
Referent: Oliver Tissen
Veranstaltung: PR und Öffentlichkeitsarbeit (ÖA), Modul 4 / Wirtschafts- Kommunikation
Einführung in das Thema:
Das Thema zur Kritik an der PR in Abhängigkeit zum Journalismus ist im derzeitigen und sich weiter wandelnden Medienkontext nicht nur aktuell, sondern in vielerlei Hinsicht brisant. Die Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und werblich gefärbten aber unter dem Siegel des Journalismus veröffentlichten Anzeigentexten droht in Zeiten immer schneller publizierender Mediengattungen, gerade Online-Publikationen, immer schwieriger. Längst hat sich neben dem klassischen, im Zuge zurückgehender Anzeigenbuchungen meist schlecht bezahlten Journalismus, eine neue Form des Journalismus entwickelt. Der PR-Journalismus[1]. Klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit vermischt sich immer mehr mit den Marketing-Interessen der Unternehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Wirklichkeitsbildung durch PR kommt es oftmals nicht mehr nur zur gegenseitigen „Befruchtung von PR und Journalismus“ (Intereffikation) sondern zu einer einseitigen, persuasiv interessengebundenen Abspaltung durch PR vermittelte Inhalte und Ereignisse. PR hat in Unternehmen eine strategische Management-Funktion (vgl. Merten/Westerbarkey: 1994: 210). Darüber hinaus sind PR in der Lage durch die Verbandelung mit den Medien gezielt falsch zu informieren und Wirklichkeit zu beugen bzw. zu erzeugen. In der Öffentlichkeit werden durch den Einsatz von PR positiv aufgeladene Stellvertreter sog. Images erzeugt. Diese Images werden professionell mit fiktionalen Mitteln konstruiert. Das Image hat dabei nach Merten und Westerbarkey mehrere Vorteile: es ist indifferent gegenüber Wahrheiten und lässt viel Platz für Interpretation und Konstruktion. Ein Image ist nicht manifest sondern variabel - es kann sich der Situation anpassen oder angepasst werden.
1. Betrachtungen, Kernaussagen
1.1.
70 Prozent aller redaktionellen Beiträge in Zeitungen sind durch Presseabteilungen und deren Arbeit beeinflusst (vgl. Kunczik/Zipfel: 2005: 190ff) PR und Journalismus stehen sich als Systeme im Machtkampf mit beidseitigen Interessen und Abhängigkeiten (Intereffikation/Interpenetration) gegenüber.
1.2.
Im erweiterten Intereffikationsmodell nach Liebert steht Werbung als zu kommunizierender Faktor auf der Seite der PR und wird durch die vordefinierten Kanäle transportiert.
1.3.
Aufgabe der PR: Informationsleistungen für Redaktionen bieten und Themen installieren. Ansprechpartner sein für Themen und Beiträge. Fundierte Quellen-Recherche vorausnehmen (interessengeleitete Informationspolitik)
Einige Maßnahmen:
1. Anzeigen werden so gestaltet, dass Leser sie als redaktionelle Beiträge einstuft (Advertorial).
2. Die wirtschaftliche Abhängigkeit (z.B. Rückgang in der Anzeigenbuchung) verpflichtet viele Verlage zu Koppelgeschäften.
3. Verbände, Organisationen und Unternehmen erstellen vorformulierte Beiträge als Arbeitshilfen für Journalisten, die aufgrund von Zeitnot häufig kaum redigiert in den redaktionellen Teil interessenorientierte Meinungsäußerung einbringen
4. Pressekonferenzen, Produktvorstellungen und Pressemitteilungen werden unter Berücksichtigung journalistischer Auswahlkriterien zu inszenierten Ereignissen.
1.4.
Standards und Arbeitsweisen von in der ÖA tätigen Journalisten sind hoch. Meist sind die Inhalte so aufbereitet, wie es das Zielmedium erwartet. Zeitfaktor und Fokus auf ein jeweiliges Thema sind schärfer gesetzt- Infos dementsprechend vorgefiltert und bearbeitet.
1.5.
Forscher wie Joachim Westerbarkey (1995), aber auch PR-Profis wie der frühere PR-Chef der Volkswagen AG, Klaus Kocks, haben das Bild einer parasitären Beziehung zwischen Journalismus und PR gezeichnet. Kocks zufolge ist PR „eine Kommunikationsdisziplin, die nur in einer publizistisch intakten Landschaft funktioniert“. Er sieht „PR als Parasiten (im besten Sinne)“, der „allergrößtes Interesse an der Gesundheit seines Futtertieres“ haben müsse. Soll heißen: Öffentlichkeitsarbeit ist nur so lang funktionsfähig, wie auch der Journalismus als Wirt funktioniert (Kocks 1998).
2. Fallbeispiel
2.1. Die Brutkastenlüge im Irak-Krieg
Die Brutkastenlüge
Waren es bei der Destabilisierung von missliebigen Regierungen und der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika überwiegend CIA-Agenten, die durch gezielte Falschmeldungen US-Interventionen legitimieren sollten, wurde zur Vorbereitung des Kriegs gegen Irak eine der größten PR-Agentur in den USA unter Vertrag genommen. Ausgestattet mit einem Budget von 10,7 Mio. $ startete die PR-Agentur Hill & Knowlton 1990 einen Propagandafeldzug für die "Befreiung" Kuweits. Höhepunkt der in der Geschichte wohl erfolgreichsten PR-Kampagne war eine gezielte Lüge, die von der Bush-Administration und der kuwaitischen Regierung gestreut wurde. Am 10. Oktober 1990 schilderte vor dem Ausschuß für Menschenrechte des US-Kongresses die 15-jährige Kuwaiterin Nayirah unter Tränen die Greueltaten irakischer Soldaten. Diese hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus 15 Babys aus Brutkästen gerissen, auf den Boden geworfen und dort sterben lassen. Die Brutkästen seien entwendet worden. Aus anderen Krankenhäusern wurden ähnliche Vorfälle geschildert, so dass u.a. Amnesty International 312 auf diese Weise getötete Babys und gestohlene Brutkästen zählte - ai dementierte diese Angabe später. Präsident Bush griff die Greuelgeschichte in seiner Kriegskampagne immer wieder auf, so dass der zunächst kriegskritische US-Senat der Intervention zustimmte und durch die mediale Aufbereitung der Geschichte auch innerhalb der US-Gesellschaft ein Meinungsumschwung zu verzeichnen war [...] (Quelle: Gegeninformationsbüro[2] ).
2.2. Chiquita und die Agentur Edelmann
„Vom Ausbeuter zum Vorbild“ Im Januar druckte das Wirtschaftsmagazin „Brand Eins“ eine Reportage über den Bananenkonzern Chiquita. Das Stück hieß „Vom Ausbeuter zum Vorbild“ und wimmelte von Komplimenten. Zwar sei Chiquita früher „der Krake“ genannt worden, weil sich der Konzern nach Gutsherrenart in Lateinamerika breitgemacht hatte. Aber das sei Geschichte. Spätestens 2001 sei dem Konzern der „Wandel vom Saulus zum Paulus“ gelungen. [...] Im Oktober vergangenen Jahres veranstaltete Edelman in Hamburg eine große Pressekonferenz. Dabei wurde Chiquitas Engagement in der Rainforest Alliance gefeiert, die sich „nachhaltig für Mensch und Tier“ in Lateinamerika einsetze. Schon im Vorfeld des „PR-Programms“, so Kunze, seien Journalisten mit Material versorgt worden. Dann seien eben so schöne Artikel entstanden wie der in „Brand Eins“ [...]
3. Fazit und Ausblick
3.1
Einfluss von PR wächst mit Zeitnot der Journalisten und hängt ab von: eigener Rollendefinition, Medientyp, Arbeitsbereich, Berufserfahrung, Position und politischer Überzeugung (PR-Praktiker, PR-Skeptiker etc.) großer Einfluss der PR auf Journalismus bei Routine-Ereignissen oder Spezial- Stories in Konflikt- und Krisensituationen
3.2.
PR ist Metakommunikator und organisiert Kommunikation durch Steuerung von Kommunikation. Die Kommunikation ist sachlich nicht angreifbar, da vom (politischen) Tagesgeschehen abgekoppelt und anhand von Fakten schwer zu entkräften. Themen werden strategisch platziert und in Kanäle des Medien-Systems transportiert.
PR-Profis sind Wahrnehmungsmanager.
„Sie testen, wie elastisch Wahrheit sein
kann“. (Klaus Merten im Spiegel)
3.2.
Bezugnehmend auf Kocks und Liebert darf sich das Verhältnis von PR und Journalismus nicht zu einem “Reversiven Pararsitismus” hin verändern. Eine solche Veränderung würde das Gleichgewicht stören. Während in Zeiten des Anzeigendiktats und den Einbußen der Verlage und Medienhäuser auf dem Werbemarkt in vielen Redaktionen Zeit-, Personal- und Geldnot herrschen, werden in den Marketing-Abteilungen Etats und Personal aufgestockt.
Quellenangaben/Link- und Literatur
Internet-Quellen: Der Spiegel vom 21.7.2006, Nr. 31/2006: Public Relations: Meister der Verdrehung.
http://service.spiegel.de/digas/find?DID=48046168 (Kostenpflichtiger Download aus dem Archiv)
Die Reaktion von Richard Edelman auf den Artikel im Spiegel: http://www.edelman.com/speak_up/blog/archives/2006/08/hit_me_with_you.html
Liebert, Tobias (2004): „Von der Zweier- zur Dreierbeziehung (Intereffikation)“
http://www.intereffikation.de/
Klassische Literatur:
BENTELE, Günter/ LIEBERT, Tobias / SEELING, Stefan (1997): „Von der Determination zur Intereffikation. Ein integriertes Modell zum Verhältnis von Public Relations und Journalismus.“ In: BENTELE, Günter / HALLER, Michael (Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure, Strukturen, Veränderungen. Konstanz: UVK.
KUNCZIK, Michael / ZIPFEL, Astrid (2001): Publizistik. Ein Studienhandbuch. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. S. 196f.
MERTEN, Klaus (1999): Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Bd. 1: Grundlagen der Kommunikationswissenschaft. Münster, Hamburg, London: Lit. S. 268ff.
RUß-MOHL, Stefan (2004): PR und Journalismus in der Aufmerksamkeits-Ökonomie. In: RAUPP, Juliana / KLEWES, Joachim (Hrsg.): Quo vadis Public Relations? Festschrift für Barbara Baerns. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. S. 52-65.
[...]
[1] (siehe hierzu: Liebert; Erweitertes Intereffikationsmodell)
[2] http://gib.squat.net/reader/propaganda-und-krieg.html
- Arbeit zitieren
- Oliver Tissen (Autor:in), 2008, Thesenpapier zur Kritik an der PR - Ansätze und Fallbeispiele, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111631