Stadtentwicklung im Kontext zu sozialräumlichen Konzepten und Bedeutung für die Soziale Arbeit


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Sozialräumlichkeit als Leitbild
1.1 Gemeinwesenarbeit
1.1.1 Wirkungsfeld der Gemeinwesenarbeit
1.1.2 Methoden der Gemeinwesenarbeit
1.1.3 Ziele der Gemeinwesenarbeit
1.2 Beiträge der Gemeinwesenarbeit für sozialräumliche Konzepte der Jugend-und Sozialarbeit

2. Stadtentwicklung und Herausbildung benachteiligter Quartiere
2.1 Industriegesellschaftliche Strukturen sozialer Ungleichheit
2.2 Strukturen sozialer Ungleichheit im Postfordismus
2.3 Ende der „Arbeitnehmer- und Industriegesellschaft“
2.4 Verräumlichung der sozialen Frage

3. Sozialraumorientierung
3.1 Sozialräumlich orientierte Sozialarbeit und Sozialpädagogik
3.2 Sozialraumorientierung als sozialpädagogische Arbeitsmethode
3.3 „Die Soziale Stadt“ – ein Programm gegen die sozialräumliche Spaltung in den Städten

4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Die Soziale Arbeit hat sich zu einem bedeutsamen Arbeitsmarkt entwickelt und einen wichtigen Platz in der Wirtschaft eingenommen. Der Arbeitsbereich ist nicht mehr nur die Krankenpflege, sondern umfasst auch Präventionsmaßnahmen und viele andere Bereiche. Sozialhilfe und Sozialverwaltung befinden sich im Umbruch. Der enorme Aufgabenzuwachs (z.B. durch die Arbeitslosigkeit), die Veränderungen in zentralen Rechtsnormen (z.B. die Vertragsoption für Leistungen) und nicht zuletzt auch die Einführung ökonomisierter Steuerungsmodelle in der gesamten Kommunalverwaltung (wie etwa Budgetierung und Controlling) haben vielerorts die Organisationsfrage radikal neu gestellt. Wo gilt es einerseits an den bewährten Strukturen und Verfahren festzuhalten? Wo können andererseits innovative Ansätze im Bereich von Aufbauorganisationen (etwa Sozialbüros) oder auch von Ablauforganisationen (z.B. Case-Management) hilfreich sein, um Soziale Arbeit angemessen, bürgerorientiert und effizient zu gestalten?

Merkmal des aktivierenden Staates, der das Leitbild der Verwaltungsmodernisierung des Bundes seit 1998 kennzeichnet, ist die Kultur der Verantwortungsteilung im Sinne eines

„Good Governance“ (vgl. Moderner Staat – Moderne Verwaltung: Bilanz 2002, www.staat- modern.de/Modernes-Verwaltungsmanagement/-,10103/Publikationen.htm). Bürgerinnen und Bürger sollen mehr Freiräume nutzen können, um selbstverantwortlich zu handeln und sich aktiv an gesellschaftlichen Entwicklungen zu beteiligen. Der Staat müsste sich also meiner Meinung nach seinen Kernaufgaben widmen können. So verstanden gehe ich also zu Beginn meiner Arbeit davon aus, dass der Staat die Erfüllung gesellschaftlich notwendiger Aufgaben gewährleistet, Chancengleichheit erhält und schafft (unabhängig davon, wer die Aufgaben wahrnimmt).

Ich selbst bin seit mehreren Jahren als Pädagogin in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Pädagogen und Sozialpädagogen haben, so meine Erfahrung, auch weiterhin die Verantwortung für das Wohl ihrer Klienten zu tragen und sind Bezugspersonen für diese.

Durch die „Neue Steuerung“, das erhöhte Qualität- und Management- Denken und die damit verbundenen Änderungen hinsichtlich der Kundenorientierung, wird von den Arbeitnehmern im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe immer mehr Transparenz, Qualität und überprüfbare Leistung, die aus der Zusammenarbeit mit Menschen (Klienten) resultieren soll, erwartet. Bisher ist unklar, was als valider Indikator für die Nachhaltigkeit der Hilfen zur Erziehung gelten kann, ob dieser messbar wird und inwieweit das ggf. gemessene Ergebnis auch dem Erfolg der Arbeit zurechenbar ist (vgl. Trube 2001).

Dies stellt in meinen Augen eine Problematik dar, welche ich kritisch sehe, da sie das Thema

„Produktbildung“ und „Controlling“ angeht. In unserer Gesellschaft werden Güter und Dienstleistungen ge- und verbraucht, um vorhandene Bedürfnisse zu befriedigen. Sozialraumorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe stellt ihre Adressaten als Konsumenten und gleichzeitig (Mit-) Produzenten von sozialen Dienstleistungen in den Vordergrund.

Ausgangspunkt einer sozialraumorientierten Jugendhilfe ist der Blick auf die vorhandene formelle und informelle Infrastruktur, die im Interesse der Adressaten zu nutzen ist. Dabei muss Vorhandenes bewertet und ggf. verändert, angepasst oder auch verworfen und Fehlendes entwickelt und eingerichtet werden. Das Konzept einer sozialräumlich ausgerichteten Sozialarbeit soll hierbei auf die zunehmende Polarisierung zwischen arm und reich und die Verräumlichung von Armut reagieren. Im Bereich der sozialen Stadterneuerung werden neue Formen des Quartiersmanagement erprobt, Strategien des Empowerments mit milieu- und quartiersorientierten Interventionsprogrammen verknüpft (vgl. Alisch 2002).

Der Bereich der Personalentwicklung ist ein Bereich, welcher in die Veränderungsprozesse bei der Modernisierung der Bundesverwaltung einfließt. Von den Akteuren der Jugendhilfe erfordert sozialraumorientiertes Handeln eine hohe Fachlichkeit und Professionalität, die sich insbesondere durch eine ganzheitliche Sichtweise und Wahrnehmung, prozesshaftes und konzeptionelles Denken und ein hohes Maß an Kooperationsfähigkeit auszeichnen.

Basierend auf das Seminar „Sozialraumorientierung in der Sozialarbeit- Schwerpunkt Stadtteilarbeit“ (SS 2006, Dr. Reinhold Knopp) kam ich auf die Idee, den Bedeutungszuwachs von sozialraumorientierten Konzepten mit dem Seminar „Geld und Macht in der Sozialen Arbeit“ (SS 2006, Dr.Thomas Münch) in Verbindung zu setzen. Sozialräumliche Konzepte haben Konjunktur. Ich möchte im Folgenden den Bedeutungszuwachs von sozialraum- orientierten Konzepten in den Kontext einer zunehmend polarisierten Stadtentwicklung stellen. Hierbei gehe ich davon aus, dass das Leitbild der Sozialräumlichkeit mit den Vorgaben „integrativer Stadtteilkonzepte“ übereinstimmt, welche unter dem Druck wachsender sozio-ökonomischer Probleme in benachteiligten Stadtquartieren entwickelt wurden. Insbesondere interessiert mich, inwieweit sich das Leitbild des aktivierenden Staates in den Konzepten der Sozialraumorientierung wieder findet. Ich sehe sozialräumliche Konzepte als eine Antwort auf die Verräumlichung von Armut in benachteiligenden und ausgegrenzten Stadtquartieren.

Die „Sozialraumorientierung in der sozialen Arbeit“ und die „Finanzierung sozialer Dienste mittels Sozialraumbudgets“ entsprechen den Zielsetzungen einer integrativen Stadtent- wicklungspolitik. Das von der Bundesregierung 1999 aufgelegte Bund-Länder Programm

„Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ (auf welches ich in dieser Arbeit später kurz eingehe) und das Programm „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ wurden als ressortübergreifende, sozialräumlich orientierte Programme entwickelt, die bestimmte Förderungen in genau definierten geographisch abgegrenzten Quartieren beinhalten. Im Grunde sind in diesen beiden staatlichen Programmen die von der Gemeinwesenarbeit schon in den 70er Jahren formulierten Prinzipien aufgenommen: Der Raumbezug sozialer Arbeit, das Ziel der Verbesserung von Lebensbedingungen durch Aktivierung, Vernetzung, Partizipation und Prozessorientiertheit. An dieser Stelle ergeben sich nun also verschiedene Fragen, die ich in dieser Arbeit beantworten möchte:

Was wird unter den Konzepten der Sozialraumorientierung in der sozialen Arbeit verstanden? Welche Forderungen stellen diese Konzepte an das sozialraumorientierte Handeln von Akteuren der sozialen Arbeit (Lernprozess im Handeln: vom Fall zum Feld?)? Was hat Stadtentwicklung mit der Herausbildung von benachteiligten Quartieren zu tun? Finden sich in den Konzepten der Sozialraumorientierung Leitbilder des aktivierenden Staates wieder? Erschöpft sich die Sozialraumorientierung in der Zielsetzung einer verstärkten Vernetzung unterschiedlicher Akteure (z.B. Kooperation von Akteuren der sozialen Arbeit und lokaler Sozialpolitik und Institutionen)?

Mit den Konzepten der Sozialräumlichkeit kristallisiert sich meiner Meinung nach bereits an dieser Stelle meiner Arbeit eine „neue Unübersichtlichkeit“ heraus.

Das Problem besteht darin, dass es keinen einheitlichen, allgemein anerkannten Sozialraumbegriff gibt. Einerseits ist der Sozialraum durch unterschiedliche Inhalte des Raumbezugs und der räumlichen Zuordnung charakterisiert, andererseits gibt es unterschiedliche Inhalte einer sozialräumlich ausgerichteten Arbeit. Diese werde ich im Folgenden darstellen, um zu einem zusammenfassenden Ergebnis zu gelangen.

1. Sozialräumlichkeit als Leitbild

Der Begriff „Sozialräumlichkeit“ macht bereits deutlich, dass Sozialraumorientierung einen räumlichen (geografischen) Bezug hat. Bei den konzeptionellen Überlegungen zur sozialräumlichen Orientierung wird davon ]ausgegangen, dass die Analyse von sozialer Realität und der Wirksamkeit von vorhandener Infrastruktur sowie die Entwicklung von Handlungsperspektiven in einem eingegrenzten Raum präzise und wirkungsvoll erfolgen können.

Sozialraumorientierung hat „Räume“ immer als soziale Räume in den Blick zu nehmen (Räume von Hierarchien und sozialen Abständen, als Arena von individuellen, sozialen, politischen, symbolischen Kämpfen um Aneignungen von Gütern und Diensten) (vergl. Bourdieu: 1998, Bartelheimer: 1999).

Theoretische und praktische Konzepte der Sozialraumorientierung werden im Wesentlichen aus den bereits bestehende Handlungsansätzen „Gemeinwesenarbeit“ und

„Lebensweltorientierung“ gespeist. Einige Wurzeln reichen zurück bis zur sozialökologischen Sozialisationstheorie (Chicagoer Schule: Park, Burgess, McKenzie), welche verdeutlichte, dass soziale Ungleichheit von räumlichen Faktoren beeinflusst wird. Als neuerer Ansatz fließen darüber hinaus die Dienstleistungsorientierung und damit verbunden Konzepte der Dezentralisierung in die Überlegungen zur Sozialraumorientierung ein. Sozial- raumorientierung ist folglich kein völlig neues Konzept in der Jugendhilfe, sondern verknüpft Bekanntes und Bewährtes und eröffnet damit eine neue Handlungsperspektive.

Die Bedeutung von Sozialräumen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen wurde insbesondere von den Vertretern der systemtheoretischökologischen Sozialisationstheorie herausgestellt (vgl. Bronfenbrenner:1976). Die jeweilige soziale Beschaffenheit von Räumen prägt die spezifischen sozialen Problemlagen von jungen Menschen, da bei ihnen die aktive Aneignung der Umwelt raumbezogen geschieht. (vgl.Institut für soziale Arbeit e.V: Expertise:2001)

Sozialraumorientierung beruht auf einer Entwicklung, an deren Beginn die Gemein- wesenarbeit steht. Wie ich im folgenden Abschnitt erläutern werde, bestand ihr Ansatz darin, die soziale Infrastruktur von Stadtquartieren zu verbessern und wurde als ein Konzept angelegt, welches sich das Ziel setzt, die Eigeninitiative von Menschen mit gleichen Problemlagen zu fördern (Betonung des Aktivierungs- anstelle des Betreuungsgedankens). In den klassischen GWA-Ansätzen wird hierin eine Chance zur Organisation von Gegenmacht und einem „Widerstand von unten“ gesehen. Der Klassische GWA-Ansatz versteht sich als ein politisch, gesellschaftskritischer emanzipatorischer Ansatz (Hinte/Karras:1989).

Eingeflossen in die Konzepte der Sozialraumorientierung ist auch der Lebensweltansatz. Die Gemeinwesenarbeit nach Oelschlägel (1992) setzt an dem Ort (dem Quartier, der Institution) an, an dem die Menschen und deren Probleme zu finden sind. Der Lebensweltansatz fokussiert laut Oelschlägel die Lebensverhältnisse, Lebensformen und Lebensumstände und die subjektiven Deutungsmuster und Handlungsweisen der Handelnden selbst, um die soziale Infrastruktur von Stadtquartieren zu verbessern (zentrale Bedeutung von präventiven, ambulanten und offenen Angeboten).

1.3 Gemeinwesenarbeit

In der sozialen Arbeit verstehe ich ein Gemeinwesen als ein soziales Gefüge, in dem Menschen und Systeme gemeinsame Merkmale haben und in Interaktion zueinander stehen. Ein Gemeinwesen kann also ein spezieller Stadtteil, genauso wie eine Gruppe mit bestimmten Merkmalen (z.B. Migranten, Obdachlose, Alleinerziehende,...), eine virtuelle Gemeinschaft (z.B. Internetcommunity) oder territorial betrachtet ein Stadtteil, ein Dorf, eine Region sein.

Die Lebenswelt ist subjektbezogen und lässt sich zunächst als individuelle Lebenswelt verstehen. Bei der Lebenswelt von Einzelnen werden ihre räumlichen und sozialen Netzwerke unter Einbeziehung der jeweiligen sozialen und kulturellen Herkunftsgeschichte analysiert.

Die Lebenswelten spezifischer Zielgruppen (z.B. Kinder, Jugendliche, verschiedene Nationalitäten, Alleinerziehende,...) gestalten sich über das Gemeinwesenterritorium hinaus zu Inseln, wo die Menschen ihren Verpflichtungen (Arbeit, Schule, Einkauf,...) nachkommen oder einen Teil ihrer Freizeit verbringen. Dieser Raum, der all diese Wege und Handlungen der Menschen erfasst, ist ihr Sozialraum.

Gemeinwesenarbeit (GWA) ist neben sozialer Gruppenarbeit und Einzelfallhilfe eine der grundlegenden Arbeitsprinzipien der Sozialen Arbeit, welche Sozialräume (Nachbarschaften, Stadtteile und Gemeinden) zum Gegenstand sozialer Intervention nimmt. Als historischer

Ausgangspunkt der heutigen Gemeinwesenarbeit gilt das von Jane Addams im späten 19. Jahrhundert gegründete Hull House 1 , ein Nachbarschaftszentrum im Chicago.2 (vgl.: Bitzan/Klöck:1994, S. 40) Die Wurzeln der GWA reichen zurück ins vorige Jahrhundert und sind mit der Settlement-Bewegungen verknüpft. Die problematischen Auswirkungen der industriellen Revolution und des Frühkapitalismus im 19. Jahrhundert zeigten sich in Landflucht, die zur Herausbildung von Slums in den Städten geführt hat. Massenhaft lebten die Menschen in Armut und unter unerträglichen Bedingungen.

[...]


1 Vgl.: http://www.stadtteilarbeit.de/index.html?/Seiten/lernprogramm/gwa/hull_house/,01.07.2006

2 http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinwesenarbeit, 01.07.2006

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Stadtentwicklung im Kontext zu sozialräumlichen Konzepten und Bedeutung für die Soziale Arbeit
Hochschule
Fachhochschule Düsseldorf
Veranstaltung
Sozialraumorientierung in der Sozialarbeit- Schwerpunkt Stadtteilarbeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V112005
ISBN (eBook)
9783640104871
ISBN (Buch)
9783640105182
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Fachübergreifend
Schlagworte
Stadtentwicklung, Kontext, Konzepten, Bedeutung, Soziale, Arbeit, Sozialarbeit-, Schwerpunkt, Stadtteilarbeit, Sozialraum, Gemeinwesenarbeit, Sozialraumorientierung, Soziale Stadt
Arbeit zitieren
Marion Rosenkranz (Autor:in), 2006, Stadtentwicklung im Kontext zu sozialräumlichen Konzepten und Bedeutung für die Soziale Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112005

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